Frühe aktive Kundenintegration in den Innovationsprozess DISSERTATION der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Christoph H. Wecht aus Österreich Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Oliver Gassmann und Prof. Dr. Christian Belz Dissertation Nr. 3117 Alwa & Deil Druckerei GmbH, Wien 2005 II Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen. St. Gallen, den 30. Juni 2005 Der Rektor: Prof. Ernst Mohr, PhD III So können wir sagen, dass der dauerhafteste Beitrag, den eine Theorie zum Wachstum der wissenschaftlichen Erkenntnis leisten kann, in den neuen Problemen besteht, die durch sie aufgedeckt werden. Karl R. Popper V Vorwort Die vorliegende Dissertation entstand während meiner Tätigkeit als Forschungsassistent am Institut für Technologiemanagement der Universität St. Gallen. Herrn Professor Dr. Oliver Gassmann, Direktor und Leiter des Bereiches für Innovationsmanagement am oben genannten Institut, bin ich für seine wohlwollende Unterstützung und grosszügige Förderung als Doktorvater zu besonderem Dank verpflichtet. Unsere Zusammenarbeit war sowohl durch seine wissenschaftliche Expertise als auch seine einfühlsame Persönlichkeit geprägt. Herrn Professor Dr. Christian Belz danke ich für die freundliche Übernahme des Korreferates und seine wertvollen Anregungen. Während meiner Jahre am Institut durfte ich Herrn Professor Fritz Fahrni, PhD als immer souveränen Institutsleiter mit offenem Ohr für die persönlichen Anliegen seiner Mitarbeiter kennenlernen. Der starke Praxisbezug dieser Arbeit war nur durch die tatkräftige Unterstützung seitens der folgenden Herren möglich: Eckard Foltin von Bayer MaterialScience in Leverkusen, Prof. Rudolf Benz von EADS Astrium in Friedrichshafen, Reinhard Schindler von Hilti (Geschäftsbereich Diamond Systems) in Schaan und Klaus Vamberszky von Zumtobel Staff in Dornbirn. Für ihre fundierten Beiträge und ihr Engagement bei meinen Interviews danke ich ihnen sehr herzlich. Zum Gelingen der Arbeit haben auch zahlreiche weitere Interviewpartner beigetragen, denen ich hiermit meinen grossen Dank ausspreche. An dieser Stelle möchte ich auch den Kolleginnen und Kollegen am Institut für Technologiemanagement der Universität St. Gallen danken, welche mir durch anregende und konstruktive Diskussionen wichtige Impulse für die Erstellung der Arbeit sowie moralische Unterstützung gegeben haben. Ein spezieller Dank gilt dabei meiner Lehrstuhlkollegin Patricia Sandmeier. Zahlreiche Diskussionen mit ihr haben nicht nur zur Schärfung meiner Standpunkte, sondern auch zu mehreren gemeinsamen Publikationen auf dem Gebiet der offenen Innovationsprozesse geführt. Mein Kollege Berislav Gaso leistete Anteil am Lektorat und stand für grundsätzliche Debatten immer zur Verfügung. Die Kollegen Javier Perez-Freije, Christoph Kausch und Alexander Conreder waren mit ihrer Hilfsbereitschaft eine grosse Unterstützung in den letzten Phasen des Entstehungsprozesses. Frau Dr. Ellen Enkel hat hilfreiche Beiträge zur Entwicklung und Ausgestaltung der Forschungsmethodik geliefert. Wertvolle strukturelle und graphische Anregungen kamen von Frau Dr. Barbara Becker. VI Die reibungslose organisatorische Abwicklung meiner Institutstätigkeit lag in den Händen von Frau Hildegard Tomaschett und Frau Gudrun Neff. Weiters danke ich meinem Weggefährten, Geschäftspartner und Freund Martin Bader. Die vielen gemeinsamen Gespräche sowie die weit über das Fachliche hinausgehenden gemeinsamen Aktivitäten hatten einen wesentlichen Anteil an der Entstehung dieser Arbeit. Schliesslich danke ich in Liebe meinen Eltern, ohne deren Vorbild und Hilfe meine Entwicklung nicht möglich gewesen wäre. Sie haben mich immer vorbehaltlos unterstützt und auf meinem Weg begleitet. Leider konnte mein Schwiegervater, Herr Dipl.-Ing. Walter Steininger, die Vollendung meiner Dissertation nicht mehr erleben. Seine grosse Unterstützung werde ich ebenso vermissen, wie seinen kompetenten, rationalen Zugang zu allen technischen und wirtschaftlichen Themen. Meiner Frau Veronika Steininger-Wecht und meinem Sohn Pascal schulde ich Dank für die Motivation und das grosse Verständnis für mich und meine Arbeit, welche sie mir trotz der mehrjährigen überdurchschnittlichen Belastung erwiesen haben. Ihnen widme ich dieses Werk. Wien, im September 2005 Christoph H. Wecht VII Zusammenfassung Stetig zunehmender Innovationsdruck führt in einer wachsenden Zahl von Unternehmen zu einer Öffnung des Innovationsprozesses für Ideen externer Partner. Im Fokus dieser Arbeit steht deshalb die Frage, wie eine aktive Integration von Kunden in die Frühphase des Innovationsprozesses effizient und effektiv gestaltet und durchgeführt werden kann. Eine erste Analyse beschreibt strategische Grundlagen der frühen aktiven Kundenintegration und grenzt sie von anderen Ansätzen der Einbindung von Kunden in den Innovationsprozess ab, wie der klassischen Marktforschung, der kundenspezifischen Konfiguration und der generellen Kundenorientierung. Die frühe aktive Kundenintegration wird dabei geprägt durch eine aktive Rolle des Kunden als Wertschöpfungspartner in der Frühphase des Innovationsprozesses des integrierenden Herstellers. Innovative Vorreiterunternehmen, wie Bayer MaterialScience, EADS Astrium, Hilti Diamond Systems und Zumtobel Staff, praktizieren frühe aktive Kundenintegration bereits erfolgreich. Fallstudien dieser innovativen Unternehmen identifizieren für die Praxis relevante Aspekte des Integrationsprozesses, welche in den beiden Gestaltungsfeldern Integrationsstruktur und Interaktionsprozess als wichtigen Dimensionen der frühen aktiven Kundenintegration resultieren. Ein spezieller Schwerpunkt der Untersuchung liegt in der Beschreibung spezifischer Rollen, welche der Hersteller den Kunden im Rahmen der frühen aktiven Kundenintegration einräumen kann. Basierend auf eine effizienz- oder effektivitätsfokussierte Integrationsstrategie der frühen aktiven Kundenintegration können vom Hersteller, je nach spezifischem Integrationsziel, vier aktive Rollen besetzt werden, nämlich die des Kunden als Sensor, Spezialist, Spezifikator oder Selektor. Diese speziellen Kundenrollen stellen eine ergebnisorientierte spezifische Erweiterung des aus der Literatur bekannten Lead-User-Ansatzes dar. Der Prozess der frühen aktiven Kundenintegration ist in einen unternehmerischen Gesamtrahmen aus Strategie, Struktur und Kultur eingebunden und besteht aus den drei Schritten Initiierungsphase, Vorbereitungsphase und Realisierungsphase. Diese Prozesssicht ermöglicht die Weiterentwicklung der ermittelten Gestaltungsfelder mit ihren zugeordneten Gestaltungsfaktoren zu einem konzeptionellen Managementmodell der frühen aktiven Kundenintegration. Entlang der Elemente dieses Modells werden operative Gestaltungsempfehlungen bezüglich Ablauf und Organisation erfolgreicher früher aktiver Kundenintegration entwickelt und im Sinne einer Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse zu abschliessenden Thesen verdichtet. VIII Abstract Constantly increasing pressure to innovate leads a growing number of enterprises to open their innovation processes to the ideas of external parties. This study focuses on the question of how actively integrating customers into the early phase of the innovation process can be accomplished efficiently and effectively. The initial analysis describes strategic fundamentals for early customer integration and distinguishes them from other approaches to involving customers in the innovation process, such as market research, customized product configurations, and general customer orientation. In this context, the customer playing an active role as value creation partner during the early phase of the manufacturer’s innovation process characterizes early customer integration. Innovation leaders including Bayer MaterialScience, EADS Astrium, Hilti Diamond Systems and Zumtobel Staff already practice early customer integration successfully. Case studies of these groundbreaking enterprises highlight relevant characteristics of the integration process and demonstrate how early customer integration becomes an important element in the areas of integration structure and interaction process. Special emphasis is put on the description of specific roles that manufacturers can assign to customers in the context of early customer integration. Depending on whether the objective of early customer integration is effectiveness or efficiency, a manufacturer has a choice between assigning the customer one of the four active roles - sensor, specialist, specifier or selector. These specific customer roles represent a result-oriented extension of the well-known lead user approach. The process of early customer integration consists of an initiation, preparation, and implementation phase and rests in the business framework of strategy, structure, and culture. This process view facilitates the development of a conceptual management model for early customer integration including specific organizational design factors. The elements of this model serve as the roadmap which is then used to develop more tactical recommendations regarding organization and execution of successful early customer integration and to ultimately summarize these insights into a set of final hypotheses. IX Inhaltsübersicht 1 Einleitung.......................................................................................................... 1 1.1 Relevanz und Problemstellung.................................................................. 1 1.2 Zielsetzung ................................................................................................ 3 1.3 Forschungskonzeption............................................................................... 8 1.4 Aufbau der Arbeit.................................................................................... 11 2 Stand der Forschung...................................................................................... 14 2.1 Ausgewählte Perspektiven der Kundenintegrationsforschung ............... 14 2.2 Ansätze der Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess........ 28 2.3 Zusammenfassung................................................................................... 40 3 Fallstudien der frühen Kundenintegration ................................................. 44 3.1 Gemeinsamkeiten und Auswahlkriterien ................................................ 44 3.2 Bayer MaterialScience ............................................................................ 47 3.3 EADS Astrium ........................................................................................ 61 3.4 Hilti Diamond Systems ........................................................................... 76 3.5 Zumtobel Staff......................................................................................... 91 4 Konzeptualisierung der frühen Kundenintegration................................. 109 4.1 Charakteristika der frühen Kundenintegration...................................... 109 4.2 Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration.............................. 128 4.3 Zusammenfassung................................................................................. 137 5 Spezifische Kundenrollen der frühen Kundenintegration....................... 138 5.1 Rahmen der frühen Kundenintegration................................................. 138 5.2 Integrationsstrategien des Herstellers.................................................... 154 5.3 Ausprägungen der frühen Kundenintegration....................................... 161 5.4 Zusammenfassung................................................................................. 164 X 6 Ablauf und Organisation der frühen Kundenintegration ....................... 165 6.1 Prozess der frühen Kundenintegration.................................................. 165 6.2 Konzeptionelles Managementmodell der frühen Kundenintegration... 170 6.3 Gestaltungsempfehlungen und Thesen ................................................. 172 6.4 Zusammenfassung................................................................................. 204 7 Fazit ............................................................................................................... 206 7.1 Kernaussagen ........................................................................................ 206 7.2 Ausblick ................................................................................................ 217 XI Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ........................................................................................XIV Tabellenverzeichnis .............................................................................................XVI Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................... XVII 1 Einleitung.......................................................................................................... 1 1.1 Relevanz und Problemstellung.................................................................. 1 1.2 Zielsetzung ................................................................................................ 3 1.2.1 Fokussierung ................................................................................ 3 1.2.2 Forschungsfragen ......................................................................... 7 1.3 Forschungskonzeption............................................................................... 8 1.3.1 Forschungsansatz ......................................................................... 8 1.3.2 Forschungsmethodik .................................................................... 9 1.4 Aufbau der Arbeit.................................................................................... 11 2 Stand der Forschung...................................................................................... 14 2.1 Ausgewählte Perspektiven der Kundenintegrationsforschung ............... 14 2.1.1 Grundlagen auf Herstellerseite................................................... 16 2.1.2 Grundlagen des Integrationsprozesses ....................................... 20 2.1.3 Grundlagen auf Kundenseite...................................................... 24 2.2 Ansätze der Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess........ 28 2.2.1 Marktforschung .......................................................................... 30 2.2.2 Kundenspezifische Konfiguration.............................................. 31 2.2.3 Kundenorientierung ................................................................... 32 2.2.4 Frühe Kundenintegration ........................................................... 33 2.3 Zusammenfassung................................................................................... 40 XII 3 Fallstudien der frühen Kundenintegration ................................................. 44 3.1 Gemeinsamkeiten und Auswahlkriterien ................................................ 44 3.2 Bayer MaterialScience ............................................................................ 47 3.2.1 Rahmenbedingungen.................................................................. 47 3.2.2 Innovationsprozess..................................................................... 49 3.2.3 Kundenintegration...................................................................... 51 3.2.4 Zusammenfassung...................................................................... 58 3.3 EADS Astrium ........................................................................................ 61 3.3.1 Rahmenbedingungen.................................................................. 61 3.3.2 Innovationsprozess..................................................................... 65 3.3.3 Kundenintegration...................................................................... 67 3.3.4 Zusammenfassung...................................................................... 73 3.4 Hilti Diamond Systems ........................................................................... 76 3.4.1 Rahmenbedingungen.................................................................. 76 3.4.2 Innovationsprozess..................................................................... 79 3.4.3 Kundenintegration...................................................................... 80 3.4.4 Zusammenfassung...................................................................... 88 3.5 Zumtobel Staff ........................................................................................ 91 4 3.5.1 Rahmenbedingungen.................................................................. 92 3.5.2 Innovationsprozess..................................................................... 95 3.5.3 Kundenintegration...................................................................... 98 3.5.4 Zusammenfassung.................................................................... 107 Konzeptualisierung der frühen Kundenintegration................................. 109 4.1 Charakteristika der frühen Kundenintegration...................................... 109 4.1.1 Vergleich der Fallstudienergebnisse ........................................ 109 4.1.2 Determinanten und Gestaltungsfelder...................................... 122 4.2 Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration.............................. 128 4.2.1 Strukturelle Gestaltung ............................................................ 129 4.2.2 Prozessuale Gestaltung ............................................................ 130 4.3 Zusammenfassung................................................................................. 137 XIII 5 Spezifische Kundenrollen der frühen Kundenintegration....................... 138 5.1 Rahmen der frühen Kundenintegration................................................. 138 5.1.1 Ziele des Herstellers ................................................................. 140 5.1.2 Generische Rollen des Kunden ................................................ 142 5.1.3 Organisationale Parameter ....................................................... 148 5.2 Integrationsstrategien des Herstellers.................................................... 154 5.2.1 Fokus auf Effektivität............................................................... 154 5.2.2 Fokus auf Effizienz .................................................................. 157 5.3 Ausprägungen der frühen Kundenintegration....................................... 161 5.4 Zusammenfassung................................................................................. 164 6 Ablauf und Organisation der frühen Kundenintegration ....................... 165 6.1 Prozess der frühen Kundenintegration .................................................. 165 6.2 Konzeptionelles Managementmodell der frühen Kundenintegration ... 170 6.3 Gestaltungsempfehlungen und Thesen ................................................. 172 6.3.1 Unternehmerischer Rahmen..................................................... 172 6.3.2 Prozessschritte.......................................................................... 179 6.4 Zusammenfassung................................................................................. 204 7 Fazit ............................................................................................................... 206 7.1 Kernaussagen ........................................................................................ 206 7.2 Ausblick ................................................................................................ 217 7.2.1 Aktuelle Entwicklungen und Trends ....................................... 218 7.2.2 Offene Forschungsschwerpunkte............................................. 226 Referenzen ............................................................................................................. 228 Anhang................................................................................................................... 244 XIV Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abgrenzung der Arbeit......................................................................... 5 Abbildung 2: Explorative Forschung als iterativer Lernprozess................................ 9 Abbildung 3: Aufbau der Arbeit............................................................................... 13 Abbildung 4: Relevante Themenfelder der Kundenintegrationsliteratur................. 16 Abbildung 5: Ansätze zur Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess ........................................................................... 29 Abbildung 6: Einordnung der frühen Kundenintegration ........................................ 39 Abbildung 7: Strategische Grundlagen der Kundenintegration ............................... 42 Abbildung 8: Datenerhebungs- und Analyseraster .................................................. 46 Abbildung 9: Organisationseinheiten des Innovationsprozesses der Bayer MaterialScience ................................................................................ 48 Abbildung 10: Frühphase des Innovationsprozesses der Bayer MaterialScience.... 51 Abbildung 11: Übersicht der frühen Kundenintegration der Bayer MaterialScience ................................................................................ 60 Abbildung 12: Technologische Komplexität bei Entwicklungsprojekten der EADS Astrium.................................................................................. 63 Abbildung 13: Frühphase des Innovationsprozesses der EADS Astrium................ 66 Abbildung 14: Übersicht der frühen Kundenintegration der EADS Astrium.......... 75 Abbildung 15: Frühphase des Innovationsprozesses der Hilti Diamond Systems ............................................................................................. 80 Abbildung 16: Partnerschaftsniveaus für Diamond Service Contractors der Hilti Diamond Systems..................................................................... 82 Abbildung 17: Übersicht der frühen Kundenintegration der Hilti Diamond Systems ............................................................................................. 90 Abbildung 18: Wertschöpfungskette und Auftragskette der Zumtobel Staff .......... 95 Abbildung 19: Frühphase des Innovationsprozesses der Zumtobel Staff ................ 96 Abbildung 20: Übersicht der frühen Kundenintegration der Zumtobel Staff ........ 108 Abbildung 21: Kriterien für den Vergleich der Fallstudienergebnisse .................. 110 XV Abbildung 22: Charakteristika der frühen Kundenintegration der Bayer MaterialScience .............................................................................. 113 Abbildung 23: Charakteristika der frühen Kundenintegration der EADS Astrium ........................................................................................... 116 Abbildung 24: Charakteristika der frühen Kundenintegration der Hilti Diamond Systems ........................................................................... 119 Abbildung 25: Charakteristika der frühen Kundenintegration der Zumtobel Staff................................................................................................. 121 Abbildung 26: Determinanten der frühen Kundenintegration als Ergebnis der Fallstudienanalyse........................................................................... 125 Abbildung 27: Gestaltungsfelder als Ergebnis der Fallstudienanalyse .................. 127 Abbildung 28: Einflusskette auf das Integrationsergebnis..................................... 139 Abbildung 29: Phasen des frühen Innovationsprozesses........................................ 150 Abbildung 30: Dimensionen der Kompetenzen des Kunden ................................. 154 Abbildung 31: Kundenrollen als phasenspezifische Umsetzung der Integrationsstrategien des Herstellers ............................................. 160 Abbildung 32: Dominierende Kundenkompetenzfelder der spezifischen Kundenrollen der frühen Kundenintegration.................................. 161 Abbildung 33: Rahmen der frühen Kundenintegration .......................................... 163 Abbildung 34: Kundenintegrationsprozess ............................................................ 166 Abbildung 35: Konzeptionelles Managementmodell der frühen Kundenintegration .......................................................................... 171 Abbildung 36: Handlungsfelder der Initiierungsphase........................................... 184 Abbildung 37: Handlungsfelder der Vorbereitungsphase ...................................... 189 Abbildung 38: Handlungsfelder der Realisierungsphase ....................................... 202 Abbildung 39: Abfolge der Thesen im Prozess der frühen Kundenintegration ..... 205 Abbildung 40: Aktuelle Entwicklungen und Trends im Umfeld der frühen Kundenintegration .......................................................................... 217 XVI Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Ausgewählte Perspektiven der Kundenintegrationsforschung................ 26 Tabelle 2: Charakteristika unterschiedlicher Formen der Kundeneinbindung in der Innovationsfrühphase ................................................................. 37 Tabelle 3: Zentrale Unterschiede der Fokussierung der frühen Kundenintegration in den betrachteten Fallstudien........................ 124 Tabelle 4: Operative Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration ............. 136 Tabelle 5: Integrationsziele des Herstellers auf der Makroebene .......................... 141 Tabelle 6: Charakteristika generischer Kundenrollen im Innovationsprozess....... 147 Tabelle 7: Charakteristika der spezifischen Kundenrollen der frühen Kundenintegration .......................................................................... 162 Tabelle 8: Ausprägungen der Gestaltungsfaktoren der Kundenrollen der frühen Kundenintegration............................................................... 203 Tabelle 9: Thesen zur erfolgreichen frühen Kundenintegration ............................ 216 XVII Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung AG Aktiengesellschaft B-2-B Business-to-Business B-2-C Business-to-Consumer bzw. beziehungsweise ca. circa d. h. das heisst Ed. Editor et al. et alii (und andere) EUR Euro (€) FFE Fuzzy Front End F&E Forschung und Entwicklung Hrsg. Herausgeber IT Informationstechnologie Mrd. Milliarden n. a. not applicable OEM Original Equipment Manufacturer R&D Research and Development Tab. Tabelle tlw. teilweise u. a. unter anderem, und andere(s) usw. und so weiter vgl. vergleiche Vol. Volume XP Extreme Programming z. B. zum Beispiel RELEVANZ UND PROBLEMSTELLUNG 1 1.1 1 Einleitung Relevanz und Problemstellung Innovation wird immer mehr zur Schlüsselkompetenz erfolgreicher Unternehmen. So ergab eine aktuelle Umfrage unter Führungskräften, dass weltweit 66 % der Befragten Innovation als eine der drei wichtigsten strategischen Prioritäten ihres Unternehmens bezeichneten. Im Einklang damit gaben 74 % an, für das Jahr 2005 im Vergleich zu 2004 eine Erhöhung der Innovationsausgaben geplant zu haben. Die Schwierigkeit, derartige Investitionen auch erfolgreich umzusetzen, zeigt sich darin, dass für Europa nur knapp die Hälfte der befragten Führungskräfte mit den Erträgen, im Sinne besserer Prozesse, neuer oder verbesserter Produkte bzw. Serviceangebote, der Investitionen in Innovation zufrieden waren (Boston Consulting Group 2005). Einer der Hauptgründe dafür liegt in den Veränderungen des Wettbewerbsumfeldes, welches in immer kürzeren Abständen nach immer innovativeren Produkten verlangt. Treibende Faktoren dafür sind der beschleunigte technologische Wandel, die Globalisierung der Märkte, der als Konsequenz daraus erhöhte Wettbewerb, die Verkürzung der Produktlebenszyklen und die sich permanent verändernden Marktanforderungen. Kaum eine Firma kann diesen Anforderungen noch alleine gerecht werden. Vorreiterunternehmen haben dies erkannt und bereits entsprechend reagiert. Beispielsweise hat Procter & Gamble die Öffnung seiner Innovationsprozesse schon so weit verinnerlicht, dass in der Bezeichnung der R&D-Abteilung der für die Forschung (Research) stehende Buchstabe R durch ein C wie im englischen Wort „Connect“ (verbinden) ersetzt worden ist und die Abteilung nun Connect & Develop (C&D) heisst (Sakkab 2002). Basierend auf dieser Strategie sollen bis 2010 bereits 50 % der Produktideen von aussen kommen, verglichen mit einem momentanen Wert von rund 20 %. Auch IBM, bekannt als Vorreiter für die professionelle und erfolgreiche Vermarktung von Technologielizenzen, hat vor kurzem begonnen, auf die Notwendigkeit von Kollaboration zur Erzielung von Innovationen zu reagieren. So wurden rund 500 Patente – vor allem Software Codes, welche elektronischen Handel, Datenspeicherung, Bild- und Datenverarbeitung sowie Internet-Kommunikation betreffen – freigegeben und stehen nun allen interessierten Unternehmen unentgeltlich zur Verfügung. IBM, eine Unternehmung, welche im Jahr 2004 mit 3.248 Patenten einmal mehr die Liste der Firmen mit den meisten Patenten in den USA anführte und mehr als 1 Mrd. US-$ durch den Verkauf und die Lizenzierung von Ideen verdiente, hat erkannt, dass es manchmal profitabler sein kann, Technologien zu teilen, als sie durch Schutzrechte abzusichern (Lohr 2005). 2 EINLEITUNG Im Sinne eines Paradigmenwechsels von einer geschlossenen hin zur einer offenen Innovation gilt es also, externe Partner in den Innovationsprozess zu integrieren (Chesbrough 2003). Dabei wird die Rolle des Kunden als Innovationsquelle immer wichtiger. Dies gilt einerseits für die Marketingseite einer Organisation (z. B. Belz 2002a) – neue Forschungen sprechen von „Sense and Response“-Marketing, bei dem Kunden eine wachsende Zahl traditioneller Marketingaufgaben übernehmen (Kotler, Jain et al. 2002) – andererseits vor allem aber für den eigentlichen Produktentwicklungsprozess. Die Entwicklung erfolgreicher innovativer Produkte stellt eine notwendige jedoch zunehmend grösser werdende Herausforderung dar (z. B. Kim, Mauborgne 1997). Die Wissensbasis, welche hinter den meisten Produkten liegt, wird immer vielfältiger und dynamischer. Dies führt dazu, dass Neuproduktentwicklungsteams verstärkt nach externen Ressourcen suchen, um die Lernkurven zu überbrücken, welche mit neuen Technologien und Märkten verbunden sind (z. B. Schilling, Hill 1998). Die Potenziale des Kunden als externe Ressource der Entwicklung innovativer Produkte sind in Theorie und Praxis schon seit langem bekannt (z. B. Rothwell, Freeman et al. 1974; von Hippel 1988; Leonard-Barton 1995). Zahlreiche empirische Studien haben gezeigt, dass die aktive Einbindung der Kunden in den Innovationsprozess einen positiven Einfluss auf den Innovationserfolg nach sich zieht (vgl. Bacon, Beckman 1994; Murphy, Kumar 1996, 1997; Gruner, Homburg 1999; Kristensson, Magnusson et al. 2002). So wurde beispielsweise gezeigt, dass Kundeneinbindung in die Neuproduktentwicklung die Effektivität (d. h. den Produkt-Markt-Fit) verbessert (Brown, Eisenhardt 1995). Aber auch Manager aus der Praxis betonen in Umfragen, dass ein auf die Nachfrageseite gerichteter Fokus für die Entwicklung neuer Produkte elementar ist (z. B. Förderer, Krey et al. 1998; n. a. 2005). Kundenintegration in den Innovationsprozess führt zu einem erfolgreicheren Produktportfolio und liefert damit die Voraussetzung für ein profitables Wachstum im Markt. Eine entscheidende Rolle kommt dabei der Frühphase des Innovationsprozesses zu, da diese nur einen geringen Anteil an den Gesamtkosten der Neuproduktentwicklung verursacht, in ihr aber der Grossteil der Herstellkosten und der späteren Marktakzeptanz des Produktes bestimmt werden (vgl. z. B. Eversheim, Sossenheimer et al. 1989; Droz 1992). Trotz aller theoretischen Bekenntnisse zur Kundeneinbindung in den Innovationsprozess bzw. die Neuproduktentwicklung haben Kunden in den meisten Branchen bisher nur eine beschränkte, vor allem passive, Rolle bei der Entwicklung neuer Produkte gespielt (Wayland, Cole 1997). Es können viele Gründe für die schlechte Nutzung dieser wertvollen Ressource angeführt werden, wobei eine der stärksten Einschränkungen möglicherweise in der schlechten Ausgestaltung (sowohl betreffend der Organisation der Einbindung als auch der Auswahl der Kunden) der jewei- RELEVANZ UND PROBLEMSTELLUNG 3 ligen Kundeneinbindungssituation liegt. Neue Ansätze, sowie der Fokus auf die Verbindung zwischen konkretem Ziel des Herstellers und entsprechender Rolle des Kunden in dieser Arbeit, können dazu beitragen, dass die gesamte gemeinschaftliche Situation der Innovationsentstehung optimiert und damit die Ergebnisse verbessert werden. Zu diesen Aspekten möchte diese Arbeit, basierend auf der Analyse von Fallstudien und theoretischen Überlegungen, einen Beitrag leisten. 1.2 Zielsetzung 1.2.1 Fokussierung Im Mittelpunkt der Überlegungen steht die herausfordernde Aufgabe der Planung, des Aufbaus und der Durchführung der interaktiven Kundenintegration in die frühe Innovationsphase (im Folgenden frühe Kundenintegration genannt). Ziel der Arbeit ist die Beschreibung möglicher Ausprägungen der Kundenintegration in die frühen Phasen des Innovationsprozesses und darauf aufbauend die Entwicklung eines konzeptionellen Managementkonzeptes. Damit wird eine doppelte Zielsetzung verfolgt. Zunächst sollen die verantwortlichen Manager des Herstellers in die Lage versetzt werden, schnellere und fundiertere Entscheidungen über die Gestaltung und Durchführung einer frühen Kundenintegration treffen zu können. Die derartig gestalteten Prozesse sollen schliesslich einen Beitrag zur Erhöhung der Erfolgsraten des Innovationsprozesses des Herstellers leisten. Basierend auf der empirischen Untersuchung werden zunächst die verschiedenen Ausprägungen früher Kundenintegration ermittelt und beschrieben. Darauf aufbauend werden für das strategische Management der Einbindung relevante Gestaltungsfelder identifiziert und im Rahmen des Integrationsprozesses zu einem Managementmodell entwickelt. Der Fokus liegt dabei auf dem direkten Zusammenhang zwischen der F&E und den Kunden bzw. Kontakten, welche in einem direkten Einfluss auf den Innovationsprozess resultieren. Methoden und Prozeduren, welche als Teil des klassischen Marketingprozesses im Verlauf der Frühphase Anwendung finden, werden dabei dezidiert ausgeschlossen. 4 EINLEITUNG Abgrenzung der Arbeit Zur Abgrenzung der Untersuchung einerseits und zur Sicherstellung der Durchführbarkeit andererseits wurden in mehrfacher Hinsicht Beschränkungen vorgenommen. Zunächst erfolgt eine Fokussierung auf den Beginn des Innovationsprozesses. Diese im angloamerikanischen Raum oft als Fuzzy Front End bezeichnete Phase unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von den späteren Phasen und trägt entscheidend zum Innovationserfolg bei. Innerhalb dieses frühen Prozesssegments wird ausschliesslich das Feld der Produktinnovation betrachtet. Das gewählte Analyseobjekt ist dabei der Integrationsprozess (bzw. das gemeinsam durchgeführte Projekt) und das Analysesubjekt der Hersteller. Dies bedeutet, dass für alle Evaluierungen und Empfehlungen immer die Sicht des herstellenden Unternehmens eingenommen wird, welches Produkte an ein anderes Unternehmen – den Kunden – liefert und diesen als externen Partner in seinen Innovationsprozess integriert. Es werden nur Innovationen mit mittleren bis hohen Innovationshöhen betrachtet. Dadurch werden Produktverbesserungen und -modifikationen dezidiert ausgeschlossen, welche zu inkrementellen Innovationsschritten führen und typischerweise im Rahmen des regulären Produktmanagements der F&E-Abteilungen durchgeführt werden. Ausserdem beschränkt sich die Arbeit auf Investitionsgüter und damit auf B-2-B-Märkte, welche sich hinsichtlich ihrer Charakteristika im Allgemeinen und bezüglich der Einbindung von Kunden im Speziellen grundsätzlich von B-2-C-Märkten unterscheiden. Konkret werden nur die Branchen Maschinenbau und Chemie betrachtet, welche ähnliche F&E- und Innovationsprozesse aufweisen. Eine spezielle Berücksichtigung von Branchenunterschieden, wie dies beispielsweise bei den bezüglich Phasen, Dauer und Produktcharakteristika wesentlich unterschiedlichen Prozessen in der Pharma- oder Elektronikbranche notwendig gewesen wäre, erfolgt daher nicht. Eine Zusammenfassung der Abgrenzung dieser Arbeit zeigt Abbildung 1. ZIELSETZUNG 5 Merkmale Varianten Phase des Innovationsprozesses Innovationsfrühphase Entwicklung Untersuchungsobjekt Produktinnovation Prozessinnovation Untersuchungsebene Untersuchungssubjekt Externer Partner Innovationshöhe Neuheitsgrad Produkt Prozess/Projekt Hersteller Zulieferer Unternehmen Kommerzialisierung Sozialinnovation Branche/Markt Dritter Komplementäranbieter Niedrig (Inkrementelle Innovationen) Forschungseinrichtungen Nutzer Wettbewerber Mittel Investitionsgüter B-2-B Markt Nation Kunden Hoch (Radikale Innovationen) Konsumgüter B-2-C Abbildung 1: Abgrenzung der Arbeit Begriffliche Grundlagen Es existiert keine allgemein gültige Definition des Begriffes Innovation. Für diese Arbeit passend ist zunächst die Aussage von Barker (2002), welcher Innovation als die Schaffung neuer Quellen von Kundenzufriedenheit definiert. Konkreter betrachtet, stellen Innovationen qualitative Neuerungen dar, welche von einem Unternehmen entwickelt und eingeführt werden, um einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Eine grundlegende Unterscheidung kann zunächst nach dem Innovationsobjekt getroffen werden. Neben technischen Produktinnovationen (von einem Unternehmen unter Nutzung neuartiger naturwissenschaftlich-technischer Erkenntnisse eingeführte Neuerungen) werden noch Prozessinnovationen (neu im Unternehmen genutzte Leistungserstellungsverfahren) und als eine spezielle Untergruppe Sozialinnovationen (z. B. Organisationsentwicklung) unterschieden. Im Folgenden werden dem Fokus dieser Untersuchung entsprechend ausschliesslich Produktinnovationen betrachtet. In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff Kunde nicht nur für die bestehenden Kunden des Produktes einer Firma, sondern auch für zukünftige (potenzielle) Kun- 6 EINLEITUNG den, d. h. Kunden des Wettbewerbes, noch nicht angesprochene Kunden und verlorene Kunden verwendet (vgl. z. B. Dahan, Hauser 2001; Nambisan 2002). Innovationen können weiters nach dem Innovationsgrad (oder der Innovationshöhe) differenziert werden. Dabei werden zunächst die beiden Eckpunkte der radikalen Innovation und der inkrementellen Innovation unterschieden. Radikale Innovationen zeichnen sich durch einen hohen Innovationsgrad qualitativer (Einfluss neuer naturwissenschaftlich-technischer Erkenntnisse) oder quantitativer (Anzahl der neu gestalteten Produktbausteine) Natur aus. Im Gegensatz dazu stehen inkrementelle Produktinnovationen. Sie verkörpern einen niedrigen Innovationsgrad, welcher immer dann ausreicht, wenn schon die Modifikation eines Produktes genügt, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Mittlere Innovationshöhen gehen über diese routinemässigen Produktverbesserungen hinaus und stellen zumindest in einem eingeschränkten Markt- oder Kundensegment eine wirkliche Neuerung dar. Für die Beurteilung des Innovationsgrades einer Produktinnovation gibt es keine allgemein akzeptierten Messkriterien, da er von der jeweiligen Betrachtungsperspektive abhängt. Diese kann beispielsweise an der Sicht des Unternehmens, des Kunden oder des Wettbewerbs orientiert sein. Investitionsgüter reichen von Grundstoffen über Spezialmaschinen hin zu hoch komplexen maschinellen Anlagen und können folgendermassen charakterisiert werden (Backhaus 2003): Als Kunden treten überwiegend industrielle Abnehmer auf, es kommt häufig zu Systemlösungen, aus einem Paket von Produkt und Serviceleistungen, der Direktvertrieb steht als Absatzweg im Vordergrund und individuelle, persönliche Kommunikation mit dem Kunden hat einen hohen Stellenwert. Darüber hinaus kommt es oft zu Individuallösungen bzw. zu einer Zusammenarbeit mit dem Kunden im Rahmen der Produktentwicklung. ZIELSETZUNG 1.2.2 7 Forschungsfragen Die Forschung wird anhand einer Leitfrage sowie zweier Unterfragen ausgerichtet, welche die Ausprägungen sowie die Organisation und Führung früher Kundenintegration betreffen: Leitfrage: Wie kann die frühe aktive Kundenintegration in den Innovationsprozess effektiv und effizient geführt werden? Unterfragen: ¾ Welche Ziele verfolgt der Hersteller mit der frühen aktiven Kundenintegration und welche Kundenrollen folgen daraus? ¾ Welche Determinanten und Gestaltungsfaktoren sind für die Organisation und das Management der frühen aktiven Kundenintegration relevant? 8 EINLEITUNG 1.3 Forschungskonzeption 1.3.1 Forschungsansatz Am Ausgangspunkt dieser Arbeit steht ein Problem praktisch handelnder Menschen bzw. Unternehmen und nicht ein erklärungsbedürftiges Phänomen, wie es typischerweise in den Grundlagenwissenschaften anzutreffen wäre. Es wird also ein Verständnis der Betriebswirtschaftslehre als anwendungsorientierte Wissenschaft zugrunde gelegt (Ulrich 1981). Entsprechend dieser Dualität ist das Ziel dieser Arbeit nicht der Aufbau allgemeiner Theorien zur Erklärung der Realität, sondern die Gestaltung von Regeln und Modellen zur Schaffung neuer Realitäten (Ulrich 1981). Von den drei wesentlichen Grundlagen jeder empirischen Untersuchung, dem forschungslogischen Ablauf von Entdeckungs-, Begründungs- und Verwertungszusammenhang konzentriert sich diese Arbeit auf den ersten und den letzten Schritt. Der Entdeckungszusammenhang ist in der angewandten Wissenschaft gerade durch das aus der Praxis entstandene Problem gegeben, während sich der Verwertungszusammenhang aus dem Beitrag zur Lösung jenes Problems über den Zwischenschritt des Gestaltungsmodells ergibt (Friedrichs 1990; Kromrey 1995). In diesem Sinne wird die empirische Untersuchung zur Erfassung typischer Phänomene und Probleme der Praxis und nicht zur Prüfung von Hypothesen durchgeführt. Dieser explorative Forschungsansatz ist ein wesentlicher Bestandteil des iterativen Lernprozesses der dieser Arbeit zugrunde liegt. Dieser kann, basierend auf Arbeiten von Kubicek (1977), Tomczak (1992) und Gassmann (1997), wie in Abbildung 2 dargestellt visualisiert werden. Ausgehend von einem ersten theoretischen Verständnis werden Fragen an die Realität gestellt, welche gemeinsam mit den Phänomenen und Problemen der Praxis die Basis der empirischen Datensammlung bilden. Aufbauend auf den empirischen Erkenntnissen kommt es zu einer kritischen Reflexion des gewonnenen Realitätsbildes und schliesslich wieder auf der Theorieseite zu einer Differenzierung, Abstraktion und eventuell einem Perspektivenwechsel. All dies beeinflusst zusammen mit der Literaturanalyse das theoretische Verständnis und wird in einem iterativen Sinne mehrmals durchlaufen. FORSCHUNGSKONZEPTION 9 Kritische Kritische Reflexion Reflexion des des gewonnenen gewonnenen Realitätsbildes Realitätsbildes Differenzierung, Differenzierung, Abstraktion, Abstraktion, Perspektivenwechsel Perspektivenwechsel Probleme Probleme der der Praxis Praxis Literaturanalyse Literaturanalyse Eigene Eigene Konstrukte Konstrukte Forschung als iterativer Lernprozess Theoretisches Theoretisches (Vor-) (Vor-) Verständnis Verständnis Theorie Datensammlung Datensammlung Fragen Fragen an an die die Realität Realität Phänomene Phänomene der der Praxis Praxis Empirie Quelle: In Anlehnung an Kubicek (1977), Tomczak (1992), Gassmann (1997) Abbildung 2: Explorative Forschung als iterativer Lernprozess Das leitende Motiv dieser Arbeit ist die Generierung und Vermittlung von praxisorientiertem Wissen. Der oben beschriebene Prozess wird daher zur Ermittlung einer Orientierungshilfe für die Erstellung und Implementierung von Managementkonzepten für die frühzeitige aktive Einbindung von Kunden in den Innovationsprozess angewandt. 1.3.2 Forschungsmethodik Die auf dem Weg zu dem aufzustellenden Modell und den Gestaltungsempfehlungen zu untersuchenden Fragestellungen sind komplex und nicht ad hoc zu beantworten. Passend zur Charakteristik eines gerade wachsenden Phänomens, bietet sich zur Untersuchung der frühen Kundenintegration mit spezifischen aktiven Kundenrollen ein mehrstufiges Forschungsdesign an. Nach einer qualitativen Phase der Beschreibung des Phänomens und der Aufstellung erster Gestaltungsregeln können Hypothesen aufgestellt und quantitativ überprüft werden. Die vorliegende Arbeit bildet dabei den ersten, qualitativen Teil dieses Weges. Aktive Kundeneinbindung in der Frühphase des Innovationsprozesses wird von keiner der existierenden Theorien ausreichend genug beschrieben, um daraus quantitativ überprüfbare Hypothesen ableiten zu können. Daher wurde für diese Arbeit ein qualitativer Ansatz mittels Fallstudienforschung gewählt. Zuerst soll mittels detaillierter Fallstudien der frühen Kundenintegration reichhaltiges beschreibendes 10 EINLEITUNG Datenmaterial über die Gestaltung und Entwicklung früher Kundenintegrationsprozesse, über die organisationalen Strategien und eingesetzten Unterstützungsmechanismen sowie die Auswirkungen der frühen Kundenintegration auf die Natur und das Ausmass der Kundenwertschöpfung gesammelt werden. Diese Fallstudiendaten ermöglichen die Identifikation der spezifischen Charakteristika der frühen Kundenintegration aus denen Gestaltungselemente für das zu erstellende Modell abgeleitet werden können (z. B. Elemente, welche die zeitliche Strukturierung unterstützen). Solche Informationen sind auch für eine zukünftige quantitative Validierung des Modells entscheidend. Darüber hinaus können die Fallstudiendaten auch für die Auslegung passender Massnahmen der Kundenwertschöpfung spezifisch zu den verschiedenen, noch zu identifizierenden, Rollen hilfreich sein. Durch dieses Vorgehen ist es möglich, die Fragen nach den verschiedenen Ausprägungen der Einbindung (welche?) und den Mechanismen des Managements (wie?) zu beantworten. Wie es für Fallstudienforschung typisch ist, finden die zu untersuchenden Ereignisse gegenwärtig statt und können vom Forscher nicht kontrolliert werden (Yin 1994). Die Ausarbeitung von Fallstudien erlaubt eine ganzheitliche Perspektive des untersuchten Phänomens durch die Möglichkeit einer tief gehenden Exploration verbundener Aspekte, welche bei anderen Methoden unentdeckt blieben. Die empirische Grundlage dieser Arbeit bilden vier tief gehende Fallstudien mit dem Prozess der Kundenintegration in den Innovationsprozess des Herstellers als Analyseeinheit. Zusätzlich werden im Verlauf der gesamten Studie Kurzfälle eingesetzt, um das Verständnis des Themas im jeweiligen Kontext zu vertiefen. Diese stossen bei Praktikern auf positive Resonanz, da sie in engem Bezug zu den Aktivitäten der Praxis stehen, reichhaltigen Inhalt haben und leichter memoriert werden können (Tsoukas 1994). Um die Konstrukt-Validität der empirischen Studie sicherzustellen, wurden verschiedene Informationsquellen herangezogen, eine Beweiskette zur Nachvollziehbarkeit der gezogenen Schlüsse geliefert und die Berichtsentwürfe (Protokolle der Interviews) durch Schlüsselinformanten oder in Folgeinterviews überprüft (Yin 1994). Die Verwendung verschiedener Techniken und Quellen zur Informationsbeschaffung (Methodentriangulation) erfolgte in diesem Fall durch umfassende Datenbankrecherchen sowie eine Analyse von Presseartikeln und Unternehmensveröffentlichungen als Ergänzung zu den Interviewdaten. Soweit zugänglich wurden auch unternehmensinterne Unterlagen wie Projektmanuals oder Präsentationen analysiert. Schliesslich dienten auch die direkten Beobachtungen in Projektbespre- FORSCHUNGSKONZEPTION 11 chungen und bei Rundgängen in F&E-Labors als Informationsquelle (Lamnek 1993). Die Sammlung der empirischen Daten erfolgte durch mündliche Interviews. Die aufgrund der Neuartigkeit des Phänomens vorhandenen Begriffsunsicherheiten hätten bei einer schriftlichen Befragung zu Problemen einer adäquaten Operationalisierung und damit zu Schwierigkeiten bei der Vergleichbarkeit der Ergebnisse geführt. Es wurden 78 Interviews in 32 Unternehmen in Europa, Asien, Afrika und den USA durchgeführt. Zusätzlich kam es im Rahmen eines Arbeitskreises mit 11 technologieintensiven Unternehmen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland, zu wertvollen Einblicken in die Praxis der Öffnung des Innovationsprozesses. Darauf aufbauend wurden gemeinsam mit den beteiligten Unternehmen bereits erste Lösungsansätze für konkrete Teilprobleme des untersuchten Phänomens erarbeitet. Die Ergebnisse der Interviews und des Arbeitskreises dienten einem tiefer gehenden Verständnis des Problems der Praxis und in weiterer Folge der Erstellung der ersten Fassung eines qualifizierten Interviewleitfadens. Dieser Leitfaden wurde in mehreren Durchgängen mit Praktikern und Innovationsexperten diskutiert und überarbeitet, um seine praktische Relevanz und klare Verständlichkeit sicherzustellen. Bei den Interviews zur Erstellung der detaillierten Fallstudien wurde dieser Leitfaden zur Strukturierung und Ergebnisdarstellung verwendet. Ein derartiges Vorgehen fördert die Organisation des Hintergrundwissens des Forschers und stellt eine einheitliche Herangehensweise an alle Befragungen sicher (vgl. Lamnek 1993). 1.4 Aufbau der Arbeit Das erste Kapitel behandelt die Relevanz des Themas und die Problemstellung. Darauf aufbauend folgen die Zielsetzung der Arbeit und die Forschungsfragen. Das Vorgehen zur Beantwortung dieser Fragen wird schliesslich in der Forschungskonzeption erläutert. Das zweite Kapitel beginnt mit der Beschreibung ausgewählter Perspektiven der Kundenintegrationsforschung. Dabei wird zunächst ein allgemeiner Überblick derjenigen Merkmale erstellt, welche in der Literatur unter verschiedensten Rahmenbedingungen als wesentliche strategische Grundlagen einer Einbindung von Kunden in den Innovationsprozess beschrieben worden sind. Diese Aufzählung wird in die drei Bereiche Herstellerseite, Integrationsprozess und Kundenseite gegliedert. Zur Einordnung der Arbeit wird anschliessend ein Überblick über verschiedene generelle Ansätze der Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess gegeben. Dabei werden neben der frühen Kundenintegration, welche im Fokus der Arbeit 12 EINLEITUNG steht, Marktforschung noch vor Beginn des eigentlichen Innovationsprozesses, kundenspezifische Konfiguration an seinem Ende sowie Kundenorientierung als allgemeine Grundhaltung unterschieden. Aufbauend auf diese Abgrenzung und den Literaturüberblick ergeben sich die Defizite der bisherigen Forschung. Im dritten Kapitel folgt nach einer Vorstellung der Gemeinsamkeiten und Auswahlkriterien eine vertiefende Darstellung von vier Fallstudien der frühen Kundenintegration. Untersucht wurden Bayer MaterialScience, EADS Astrium, Hilti Diamond Systems und Zumtobel Staff. Anhand von Einzelfallanalysen sowie einem Fallstudienvergleich – basierend auf einem aus der Literaturübersicht in Kapitel zwei gewonnenen Analyseraster – werden diejenigen strategischen Grundlagen identifiziert, welche hohe Relevanz für die frühe Kundenintegration aufweisen. Aus diesen spezifischen Merkmalen können anschliessend die beiden Gestaltungsfelder Integrationsstruktur und Interaktionsprozess entwickelt werden. Das vierte Kapitel leitet aus den Zielen, welche von Herstellern mit der frühen Kundenintegration verfolgt werden, spezifische Kundenrollen ab. Es sind dies der Sensor, der Spezialist, der Spezifikator und der Selektor. Diese Rollen erweitern den Lead-User-Ansatz, der ebenfalls eine Form früher Kundenintegration darstellt. Organisation und Ablauf der frühen Kundenintegration werden im fünften Kapitel behandelt. Zunächst erfolgt anhand von konzeptionell-theoretischen Überlegungen eine Identifizierung der Gestaltungsfaktoren für die beiden im dritten Kapitel hergeleiteten Gestaltungsfelder. Nach einer Betrachtung des Prozesses der frühen Kundenintegration wird ein konzeptionelles Managementmodell der frühen Kundenintegration entworfen. Dieses Modell dient als Grundlage der Gestaltungsempfehlungen, welche dem Prozessmodell folgend in eine Initiierungsphase, Vorbereitungsphase und Realisierungsphase eingeteilt werden. Das sechste Kapitel fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf aktuelle Trends und offene Fragestellungen für zukünftige Forschungsvorhaben. Die Gesamtstruktur der Arbeit ist in Abbildung 3 dargestellt. AUFBAU DER ARBEIT 13 1. Einleitung 1.1 Relevanz und Problemstellung 1.2 Zielsetzung 1.3 Forschungskonzeption 1.4 Aufbau der Arbeit 2. Stand der Forschung 2.1 Ausgewählte Perspektiven der Kundenintegrationsforschung 2.2 Ansätze der Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess 3. Fallstudien der frühen Kundenintegration 3.2 Bayer MaterialScience 4. Konzeptualisierung der frühen Kundenintegration 3.1 Gemeinsamkeiten und Auswahlkriterien 3.3 EADS Astrium 3.4 Hilti Diamond Systems 4.1 Charakteristika der frühen Kundenintegration 4.2 Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration 5. Spezifische Kundenrollen der frühen Kundenintegration 5.1 Rahmen der frühen Kundenintegration 5.2 Integrationsstrategien des Herstellers 5.3 Ausprägungen der frühen Kundenintegration 6. Ablauf und Organisation der frühen Kundenintegration 6.1 Prozess der frühen Kundenintegration 6.2 Konzeptionelles Managementmodell der frühen Kundenintegration 6.3 Gestaltungsempfehlungen und Thesen 7. Fazit 7.1 Kernaussagen 7.2 Ausblick Abbildung 3: Aufbau der Arbeit 3.5 Zumtobel Staff 14 2 2.1 STAND DER FORSCHUNG Stand der Forschung Ausgewählte Perspektiven der Kundenintegrationsforschung Das Themengebiet der durch bzw. mit Kunden erzielten Innovation ist weit und wurde in der Literatur bereits aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Für das Feld der Produktentwicklung markieren Eric von Hippels grundlegende Publikationen in den späten 1970er-Jahren den Beginn eines neuen Forschungsstranges (von Hippel 1976, 1977, 1978). Er plädierte als Erster explizit für die Einbindung von Benutzern in den Ideenentstehungsprozess. Das von ihm aufgestellte „Customer Active Paradigm“ (von Hippel 1978) stand am Anfang eines rasch wachsenden Forschungsfeldes, welches sich mit der Einbindung von Kunden nicht nur bei der Ideenentstehung, sondern in sämtliche Phasen der Produktentwicklung befasst (z. B. Shaw 1985; Håkansson 1987; Biemans 1991; Lengnick-Hall 1996; Brockhoff 1998; Gruner, Homburg 2000; Homburg 2000; Lüthje 2000; Brockhoff 2003). Eine Analyse bestehender Forschungsarbeiten zeigt den positiven Einfluss, welchen die Benutzereinbindung auf den Entwicklungsprozess und darauf aufbauend auf den Produkterfolg hat. So analysierte beispielsweise Shaw (1985) 34 Innovationen in der Medizintechnik und kam zu dem Ergebnis, dass erfolgreiche Innovationen mit kontinuierlicher Interaktion mit Kunden über den gesamten Entwicklungsprozess verbunden sind. Vergleichbare Resultate lieferte eine von Maidique und Zirger (1985) durchgeführte Analyse von 40 Produkten, welche zeigte, dass Kundeneinbindung eine notwendige Voraussetzung für den Produkterfolg darstellte. Eine Untersuchung von Gemünden, Heydebreck et al. (1992), über Neuproduktentwicklung in Netzwerken, fand, dass beinahe die Hälfte der untersuchten Firmen den Aufbau von Beziehungen mit Kunden als Voraussetzung für den Innovationserfolg betrachtete. Auch Arbeiten von Håkansson (1987), Ciccantelli und Magidson (1993), Reichart (2002), Ford, Gadde et al. (2003), Callahan und Lasry (2004) und Lettl (2004) haben deutliche Hinweise geliefert, dass erfolgreiche Produktentwicklung signifikant mit Beziehungen zu Kunden korreliert. Neue Studien zeigen zwei wichtige Entwicklungen: Einerseits wird kritisch hinterfragt, ob der Kunde immer genau die Anforderungen an das neu zu entwickelnde Produkt kennt und es daher stets von Vorteil ist, ihn so früh und so intensiv wie möglich zu involvieren. (z. B. Leonard, Rayport 1997; Campbell, Cooper 1999; Kohn, Niethammer 2002; Ulwick 2002). Als zweiter Trend werden seit ein paar Jahren die neuen technologischen Möglichkeiten auch für die Kundeneinbindung genutzt und neue Instrumente zur virtuellen Integration entwickelt (vgl. Paustian 2001; Dahan, Hauser 2002; Nambisan 2002; von Hippel, Katz 2002). AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG 15 Die im Fokus der vorliegenden Arbeit stehenden Innovationsprozesse mit mittlerer bis hoher Innovationshöhe (radikale Innovationsprojekte) stellen gerade im Hinblick auf die Einbeziehung von Kunden einen Spezialfall dar. Während für Projekte mit inkrementellen Entwicklungssprüngen alle notwendigen Schritte gut dokumentiert sind, können im Falle eines komplett neuen Produktes bzw. einer neuen Technologie Probleme mit dem möglicherweise beschränkten Nutzen der Kundenbeiträge auftreten. O’Connor (1998) schlägt als Lösung dieses Problems vor, divergentes Denken zu betonen, Verständnis der Benutzungssituation (sowohl der gegenwärtigen als auch der zukünftigen) aufzubauen und den Zeitpunkt der ersten Interaktion des Kunden mit dem Produkt vorzuverlegen. Ausserdem empfiehlt sie, einen Katalysator zur Verbindung von Technologien und Märkten zu installieren. Gliederung der Literaturauswahl Im Verlauf der letzten 25 Jahre wurde eine beeindruckende Zahl an Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Benutzereinbindung publiziert. Das Ziel dieses Literaturüberblickes ist es, mit Fokus auf die strategischen Grundlagen erfolgreicher Kundeneinbindung, die wichtigsten Beiträge zu analysieren. Damit werden der Forschungsfortschritt auf diesem Gebiet dokumentiert, bestehende Lücken aufgezeigt und die Grundlage der vorliegenden Arbeit geliefert. Zahlreiche Studien haben strategische Grundlagen identifiziert und deren Bedeutung als notwendige Voraussetzung einer erfolgreichen Benutzereinbindung in den Neuproduktentwicklungsprozess beschrieben. Die Wichtigkeit dieser strategischen Grundlagen zeigt sich alleine schon in der Anzahl der Studien, welche dieses Phänomen untersucht haben (z. B. Håkansson 1987; Bruce, Leverick et al. 1995; Millson, Raj 1996; Mohr, Spekman 1996; Li, Calantone 1998; Gruner, Homburg 2000; Hutt, Stafford 2000). Der Grossteil der untersuchten Literatur über strategische Grundlagen erfolgreicher Kundeneinbindung kann dabei einigen zentralen Themenfeldern zugeordnet werden. Auf dem Gebiet des F&E-Managements sind dies radikale Innovationen, der Innovationsprozess, die Produktentwicklung sowie das Fuzzy Front End. Auf der Seite des Marketings entstammen sie den Literaturströmen zur Marktorientierung, Kundenorientierung und dem Investitionsgütermarketing. Zur Erhöhung der Übersichtlichkeit und als Basis der weiteren Analyse wird die vorliegende Literatur über strategische Fundamente der Kundeneinbindung in die drei Themenfelder Grundlagen auf Herstellerseite, Grundlagen des Integrationsprozesses und Grundlagen auf Kundenseite eingeteilt.1 Eine Übersicht dieser Forschungsrichtungen und Themenschwerpunkte zeigt Abbildung 4. 1 Vgl. dazu ähnliche Ansätze von Brockhoff (1998) sowie Lynch und O’ Toole (2003). 16 STAND DER FORSCHUNG In die nun folgenden Ausführungen wurden auch Forschungsarbeiten aufgenommen, welche sich nicht direkt mit Kundeneinbindung beschäftigen. Studien, welche Themen wie Hersteller-Zulieferer-Beziehungen, Marktkompetenz, Erfolg bzw. Misserfolg von neuen Produkten und ähnliche Untersuchungsgegenstände analysieren, wurden ebenfalls aufgenommen, wenn sie Aspekte behandeln, welche eine relevanten Einfluss auf das Konzept der Benutzereinbindung haben. F&E Management Radikale Innovationen Innovationsprozess Produktentwicklung Fuzzy Front End Grundlagen auf Herstellerseite Grundlagen des Integrationsprozesses Marktorientierung Kundenorientierung Investitionsgütermarketing Grundlagen auf Kundenseite Marketing Abbildung 4: Relevante Themenfelder der Kundenintegrationsliteratur 2.1.1 Grundlagen auf Herstellerseite Eine wesentliche Grundlage erfolgreicher Kundeneinbindung stellt die Übereinstimmung mit der Strategie, im Sinne einer Abstimmung mit der Geschäftsstrategie, dar. Dabei kann nur ein Verständnis des Zusammenhanges zwischen der geplanten Kooperation und den existierenden firmeneigenen Kompetenzen zur notwendigen Übereinstimmung führen (Johne 1994; Campbell, Cooper 1999; Tidd, Bessant et al. 2001). Ein mangelhafter Abgleich mit der internen Strategie kann unter anderem zu einer falschen Verteilung der relevanten Ressourcen (Zeit, Geld, Technologie und Personal) für das Integrationsprojekt führen. Dies kann in signifikanten Problemen wie Verzögerungen, Kostensteigerung, Verschiebung des Marktauftrittes und im schlimmsten Fall auch Misserfolg des Produktes resultieren (Biemans 1992). AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG 17 Als weiterer wichtiger Erfolgsfaktor wird in der Produktenwicklungsliteratur das Verstehen der Kundenbedürfnisse, ein elementarer Bestandteil der Kundenorientierung, angeführt. Das Konzept der Kundenorientierung entstammt dem Marketing und basiert auf der Beschaffung und Verwendung relevanter Informationen über die Kunden quer durch die gesamte Organisation des Herstellers (z. B. Tomczak, Belz 1994; Kleinaltenkamp, Dahlke 1998; Söllner 1998; Belz 2002a, 2002b). Es besteht überwiegende Übereinstimmung, dass das Verstehen und die Erfüllung der Kundenbedürfnisse eine notwendige Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Produktentwicklung darstellt. Eine gemeinsame Vision des Unternehmens eingebettet in eine offene Unternehmenskultur stellt die Basis einer erfolgreichen Kundenorientierung dar (z. B. Atuahene-Gima 1996; Maron, VanBremen 1999; Koen, Ajamian et al. 2002). Tidd, Bessant et al. (2001) empfehlen zum besseren Verständnis des Marktes eine organisationsweite Orientierung auf neue Anregungen von aussen. Biemans (1992) weist in diesem Zusammenhang speziell auf die Bedeutung der Unterstützung durch das obere Management hin, um eine organisatorische Atmosphäre zu schaffen, welche die Grundlage erfolgreicher Kundeneinbindung bildet. Ein wichtiger Forschungsaspekt für die Neuproduktentwicklung ist die Schnittstelle zwischen der F&E-Abteilung und Marketing (vgl. Souder 1988; Bruce, Biemans 1995; Song, Montoya-Weiss et al. 1997; Jassawalla, Sashittal 1998; Song, Thieme et al. 1998; Souder, Song 1998; Norrgren, Schaller 1999; Kahn 2001; Olson, Walker et al. 2001). Im Allgemeinen haben diese empirischen Studien einen positiven Einfluss funktionsübergreifender Schnittstellen auf neu zu entwickelnde Produkte gefunden. Durch die Bündelung firmeninterner Kompetenzen zur Entwicklung eines Produktes gelingt es, die Kundenbedürfnisse besser zu erfüllen. Um diese interne Koordination zu erzielen, können beispielsweise funktionsübergreifende Teams eingeführt werden. Erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen verschiedenen funktionalen Einheiten erfordert dabei, wie Jassawalla und Sashittal (1998) festgestellt haben, eine grundsätzliche Bereitschaft der Teilnehmer zu Kommunikation, Koordination und Kooperation, sowie ein Verständnis der unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Als zentraler Punkt wird auch die Betrachtung des Innovationsprozesses als organisatorischen Lernprozess betrachtet, bestehend aus der Akquisition, Verteilung und Nutzung von Informationen (vgl. Adams, Day et al. 1998; Li, Calantone 1998; Lukas, Ferrell 2000). Die Fähigkeit einer Firma, Kundenwissen zu extrahieren und in den Entwicklungsprozess zu integrieren, wird von einigen Autoren als strategisches Asset der Firma gesehen (z. B. Glazer 1991), von anderen als Kernkompetenz (z. B. Li, Calantone 1998). In beiden Fällen ist die Auswirkung auf den Erfolg des Produktes gross. Ein funktionierender Prozess zur Einbindung von Kundenwissen trägt 18 STAND DER FORSCHUNG wesentlich zur effektiven Kundeneinbindung bei. Aus diesem Blickwinkel spielt das Wissen des Kunden eine entscheidende Rolle und bildet das Kernelement bei der Auswahl der richtigen Kooperationspartner (Aslanidis, Korell 2003). Ähnliche Überlegungen gelten auch für die Integration technischer Dienstleister in den Innovationsprozess industrieller Unternehmen (Gassmann, Hipp 2001). Ebenfalls den Grundlagen auf der Herstellerseite sind die Methoden zuzurechnen, welche der Hersteller zur Kundeneinbindung verwenden kann. Diese liefern allgemeine Hinweise und Anregungen, welche Aspekte zu beachten sind und wie Kundeneinbindung konkret gestaltet werden kann. Im Folgenden werden die wichtigsten und aktuellsten konkreten Ansätze kurz beschrieben, welche – abgesehen von traditionellen Marketingmethoden – die frühe Innovationsphase betreffen. Die bekannteste Methode der frühen Kundeneinbindung ist das Lead-User-Konzept. In seiner Studie über die Entwicklung neuer Industrieprodukte unterscheidet von Hippel (1986) zwischen generellen Benutzern und Lead-Usern anhand zweier Attribute: (1) Lead-User haben bestimmte Bedürfnisse bereits Monate oder Jahre bevor diese allgemein im Markt vorhanden sein werden, und (2) sie sind in einer Position, in der sie von einer Lösung ihrer Probleme profitieren können. Zahlreiche Studien belegen, dass die Einbindung von derartig definierten Lead-Usern in einem höheren Neuigkeitsgrad, höheren Verkaufszahlen und grösserer Marktakzeptanz der gemeinsam mit ihnen entwickelten Produkte resultiert, da diese Produkte die tatsächlichen Bedürfnisse der Kunden besser abdecken (vgl. Urban, von Hippel 1988; Herstatt, von Hippel 1992; Lilien, Morrison et al. 2002). Die Auswahl der LeadUser und die Integration ihrer Ideen erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren. Am Beginn steht die Identifikation neuer Markttrends oder Produktmöglichkeiten. Nach der Selektion dazu passender Lead-User werden mit ihnen und Mitarbeitern des Herstellers gemeinsame Workshops abgehalten, in denen Informationen über die Bedürfnisse der Kunden gesammelt und eventuell bereits erste mögliche Lösungsvorschläge und Produktkonzepte erarbeitet werden. Die so entwickelten Konzepte müssen im Markt getestet werden, um die Relevanz der Bedürfnisse der Lead-User für den Gesamtmarkt vorherzusagen (z. B. Herstatt, von Hippel 1992). Neue Publikationen zur Lead-User-Methode kommen zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zu traditionellen Prozessen der Ideenfindung mehr Durchbruchsinnovationen generiert werden. Als Hauptgrund wird der Umstand der gleichzeitigen Erhebung von Bedürfnissen und Lösungsvorschlägen vom fortschrittlichsten Bereich des Zielmarktes genannt (Lilien, Morrison et al. 2002). Es ist schwer abzuschätzen, wie weit diese Methode in der Praxis verbreitet ist, da viele Firmen die Bezeichnung Lead-User für Kundenrollen und Vorgehensweisen AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG 19 verwenden, welche sich substanziell vom Ansatz von Hippels (1986) bzw. seiner Weiterentwicklungen (z. B. Herstatt 2002a) unterscheiden. Bezüglich des oben angesprochenen Problems betreffend die Nützlichkeit von Kundenbeiträgen in den frühen Innovationsphasen existieren spezielle Ansätze, welche versuchen, diese prinzipiellen Probleme zu umgehen. Zahlreiche Firmen versuchen, zur Entwicklung marktnaher neuer Produkte, so eng wie möglich mit ihren Kunden in Kontakt zu treten, um deren Wünsche und Bedürfnisse so direkt und genau wie möglich abzuschöpfen. Dieser Ansatz ist nicht unproblematisch, da die Fähigkeit der Kunden, die Entwicklung neuer Produkte zu unterstützen, durch ihren Erfahrungsschatz limitiert ist (Leonard, Rayport 1997). Anwender kennen normalerweise nur die momentan erhältlichen Applikationen, wodurch ihre Kompetenz zur Auffindung komplett neuer Ideen und zur adäquaten Beschreibung derselben beschränkt ist (Ulwick 2002). Dieses Dilemma kann aber durch die Wahl der geeigneten Methode umgangen werden. Eine Möglichkeit hierzu ist die Beobachtung anstelle der Befragung, wie diese von Leonard und Rayport (1997) unter dem Begriff Empathic Design vorgeschlagen wurde. Dabei werden fünf Schritte durchlaufen. Am Beginn steht die Bildung eines interdisziplinären Teams, dessen Aufgabe es ist, die Kunden bei der alltäglichen Verwendung eines Produktes zu beobachten. Auf eine direkte Befragung der Kunden wird verzichtet. Die erhobenen Daten werden anschliessend reflektiert und analysiert. Darauf aufbauend werden durch Brainstorming Lösungsvorschläge gesucht und die ersten Prototypen entwickelt. Eine andere Möglichkeit, trotz oben erwähnter Einschränkungen zu innovationsrelevanten Ergebnissen aus Kundenbefragungen zu gelangen, wurde von Ulwick (2002) vorgeschlagen und stellt eine Ausprägung der Voice-of-the-Customer-(VOC)Methode dar (z. B. Griffin, Hauser 1993; Burchill, Hepner Brodie 1997; Hepner Brodie 2000). Die Grundidee liegt dabei in einem Fokus auf den gewünschten Ergebnissen im Gegensatz zu den in klassischen Befragungen meist abgefragten möglichen Lösungsvorschlägen. Realisiert wird dies durch gründlich vorbereitete, moderierte Meetings mit Kunden, in denen die von den Kunden gewünschten Ergebnisse gesammelt werden. Diese Ergebnislisten werden anschliessend bewertet und priorisiert und dienen als Ausgangspunkt für die weiteren Schritte des Innovationsprozesses. In jüngster Zeit zeigen sich verstärkt Tendenzen, ganze Teile des frühen Entwicklungsprozesses auf den Kunden zu übertragen. Diese Entwicklung geht mit dem Trend zur Verwendung neuer IT-basierter Werkzeuge zur Unterstützung der Kundeneinbindung einher. Kunden werden dadurch in die Lage versetzt, als „MitEntwickler“ an der Entwicklung neuer Produkte teilzunehmen. Beispielsweise ermöglichen virtuelle Kooperationsräume dem Benutzer, elektronische Abbildungen 20 STAND DER FORSCHUNG physischer Produkte zu sehen und zu kritisieren (z. B. Billington 1998). Thomke und von Hippel (2002) beschreiben so genannte „User Tool Kits for Innovation“, mit deren Hilfe der Kunde in die Lage versetzt wird, eine komplette Serie von Entwicklungszyklen zur Entwicklung seines persönlichen Produktes zu durchlaufen. Kombiniert mit Informationen über verwendbare Komponenten, Module und Produktbeschränkungen (z. B. produktionsbedingte Restriktionen) können diese Werkzeugsätze zeit- und kostenintensive Iterationsschleifen zwischen Herstellern und Kunden eliminieren. Allerdings eignen sich nur bestimmte Märkte und Produkte für diesen Ansatz (von Hippel 2001b). Die zweite Möglichkeit der Verwendung neuer Informationstechnologien zur Verbesserung der Kundeneinbindung ist das Gebiet der virtuellen Kundenevaluationen. Neue Produktkonzepte, Prototypen und Modelle können durch den Einsatz von neuen Produktentwicklungsinstrumenten vom Kunden schneller, mit höherer Genauigkeit und kostengünstiger beurteilt werden. Ein „Virtual Customer Initiative“ genannter Forschungsschwerpunkt am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston erforscht und entwickelt solche Werkzeuge (Paustian 2001; Dahan, Hauser 2002). 2.1.2 Grundlagen des Integrationsprozesses Betrachtet man die Interaktion zwischen Hersteller und Kunde, so ist ein wichtiger strategischer Aspekt, welcher berücksichtigt werden muss, die Kompatibilität der Kulturen, welche Ziele, Werte und Managementprozeduren umfassen (z. B. Biemans 1991; Bruce, Leverick et al. 1995; Goodman, Fichman et al. 1995; AtuaheneGima 1996; Kelley, Littman et al. 2001). Maron und VanBremen (1999) stellen fest, dass das Versäumnis auf die unterschiedlichen Kulturen einzugehen, zum Ende einer Partnerschaft führen kann. Beispielsweise können unterschiedliche Entscheidungsstile den Kollaborationserfolg hemmen, falls sie nicht korrekt identifiziert und berücksichtigt worden sind. In ähnlicher Weise kann durch eine aggressive Kultur ein Klima mangelnden Vertrauens entstehen, welches sich nachteilig auf die persönliche Beziehungsebene auswirkt (Hutt, Stafford 2000). Firmen, welche erfolgreich Partnerschaften betreiben, nehmen sich Zeit, diese Unterschiede bereits frühzeitig zu identifizieren und berücksichtigen sie im späteren Verlaufe der Zusammenarbeit. Wesentlichen Einfluss auf den positiven Verlauf der Hersteller-KundenPartnerschaft in der Entwicklung neuer Produkte hat die am Anfang stehende Entwicklung von klaren Zielen, welche die Richtung der Partnerschaft leiten werden (Tidd 1995; Millson, Raj 1996; Song, Montoya-Weiss et al. 1997). Prinzipiell gilt für Entwicklungspartnerschaften, dass nur eine gemeinsame Festlegung der Ziele zu AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG 21 gemeinsamen Erwartungen führen und beiden Seiten verdeutlichen kann, welche kooperativen Anstrengungen notwendig sind (vgl. z.B. Mohr, Spekman 1996; Hauschildt 1998). Millson und Raj (1996) schlagen zum Festhalten der Ziele schriftliche Abkommen vor, um klare Richtungen für die gemeinsamen Programme vorzugeben und damit Unsicherheiten zu beseitigen. Entscheidend für die erfolgreiche Einbindung von Kunden ist die Etablierung passender Strukturen. Dies bedeutet einen Abgleich zwischen den Anforderungen der jeweiligen Entwicklungsaufgabe und den operativen Strukturen, welche diese ermöglichen (z. B. Pitta, Franzak 1997; Jassawalla, Sashittal 1998; Prahalad, Ramaswamy 2000; Tidd, Bessant et al. 2001; Jeppesen, Molin 2003). Um diese Balance zu erreichen, schlagen Pitta, Franzak et al. (1996) vor, dass Firmen aus internen funktionsübergreifenden sowie externen Teams ein organisationsübergreifendes Team aufbauen. Innerhalb dieser Teams werden Kunden als Entwicklungspartner angesehen und haben die gleiche Verantwortung für die Problemlösung wie die Teilnehmer des Herstellers. Zudem empfehlen die Autoren eine Teamstruktur, welche kontinuierliche Kommunikation zwischen den Teilnehmern ermöglicht, da dadurch Missverständnisse und Konflikte vermieden werden können. Erfolgsfaktoren derartiger organisationsübergreifender Teams sind eine klare Rollenverteilung, eindeutige Ziele sowie eine auf Charakteristika und Commitment gestützte Kundenauswahl. Im Bereich der Neuproduktentwicklung variiert das Ausmass und die Intensität der Benutzereinbindung in Abhängigkeit vom Beitrag, den Ressourcen und der Stufe des Innovationsprozesses (z. B. Biemans 1992; Brockhoff 1998; Gruner, Homburg 1999; Kohn, Niethammer 2002; Lettl 2004). Einer der kritischen Punkte zur Erzielung der Vorteile der Kundeneinbindung in die Produktentwicklung ist ein Verständnis für die jeweils passende Form der Einbindung. In Abhängigkeit von der Intensität der Einbindung ändert sich der damit verbundene Aufwand nicht nur in zeitlicher Hinsicht. Ein Hersteller, welcher nicht zwischen verschiedenen Typen der Kundeneinbindung unterscheidet, wird am Ende genauso viel Zeit für das Management unwesentlicher Beziehungen aufbringen, wie für das lohnenderer Beziehungen. Es gilt also sicherzustellen, dass der am besten passende Partner zum richtigen Zeitpunkt mit der richtigen Intensität der Einbindung und mit der am besten passenden Form des Managements zum Einsatz kommt (Wynstra, Pierick 2000). Eine entscheidende Rolle bei der Kundeneinbindung spielen, so wie bei jeder Art von Partnerschaft, die Beziehungsvariablen. Die wichtigsten in der Literatur besprochenen Einflussfaktoren auf die Beziehung zwischen Hersteller und Benutzer sind Commitment und Vertrauen. Morgan und Hunt (1994) vergleichen erfolgrei- 22 STAND DER FORSCHUNG che Allianzen mit Ehen und betonen, dass beide nicht einfach passieren, sondern Commitment zu ihrem erfolgreichen Bestehen benötigen und durch Misstrauen zerstört werden können. Nur basierend auf Vertrauen und Commitment lernen Firmen, dass durch koordinierte und gemeinsame Anstrengungen Ergebnisse erzielt werden können, welche diejenigen bei weitem übertreffen, welche eine Firma alleine erzielen kann (z. B. Anderson, Narus 1990; Jassawalla, Sashittal 1998; Diller, Ivens 2004). Der Aufbau und die Pflege des Vertrauens resultieren aus häufiger Kommunikation zwischen den Partnern und dem Glauben an die Verlässlichkeit und Integrität des anderen. Diese Eigenschaften werden verbunden mit Konsistenz, Kompetenz, Ehrlichkeit, Fairness, Verantwortung, Hilfsbereitschaft und Uneigennützigkeit des Partners (z. B. Morgan, Hunt 1994; Littler, Leverick et al. 1995; Buttle 1996). Vertrauen wird auch durch die Aufforderung zur Interaktion gefördert, welche zur Entwicklung zwischenmenschlicher Verknüpfungen zwischen den einzelnen Mitarbeitern des Herstellers und des Kunden führt (Hutt, Stafford 2000). Zusätzlich fördern starke interpersonelle Beziehungen auch den Austausch von Informationen. Organisationen fürchten eine opportunistische Ausbeutung dann weniger, wenn sie mit Partnerfirmen ein hohes Niveau an „Embeddedness“ teilen (vgl. Hoecht, Trott 1999; Rindfleisch, Moorman 2001). Der menschliche Aspekt ist wesentlich für alle Beziehungen und so sind die Handlungen und Commitments der Menschen, welche in eine kollaborative Beziehung involviert sind elementar für deren Erfolg (Bruce, Leverick et al. 1995). Es kann einen fundamentalen Einfluss auf den Erfolg des Projektes haben, bestimmte Individuen dazu zu motivieren, eine aktive Rolle in der Entwicklung zu übernehmen. Zahlreiche Autoren verweisen auf Einzelpersonen (sowohl vom Hersteller als auch von Kundenfirmen), welche in der Lage sind, Unterstützung zu gewinnen, Hindernisse zu überwinden und durch ihren Willen und ihre Energie als „Produktchampions“ das Entwicklungsprojekt zur Vollendung zu treiben (Howell, Higgins 1990; Frey 1991; Biemans 1992; Markham, Griffin 1998). Darüber hinaus betonen Tidd, Bessant et al. (2001) die Wichtigkeit der Identifizierung anderer Schlüsselpersonen wie organisatorischer Sponsoren, Teammitglieder und „Geschäftserneuerer“ (vgl. dazu auch das Promotorenmodell von Hauschildt (z. B. Hauschildt, Kirchmann 2001)). Die Summe all dieser zwischenmenschlichen Faktoren wird im Sinne einer umfassenden Interaktion mit dem Kunden auch unter dem Begriff Beziehungsmanagement zusammengefasst (z. B. Belz 1998; Alt, Puschmann et al. 2005). Gegenseitigkeit und Reziprozität wurden in der Literatur als wesentlicher Bestandteil jeder Kollaboration identifiziert (z. B. Biemans 1992; Morgan, Hunt 1994; Goodman, Fichman et al. 1995; Hutt, Stafford 2000). Unzufriedenheit und Ärger können entstehen, wenn eine Seite glaubt, dass ihr Beitrag zur Neuproduktentwick- AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG 23 lungsbeziehung den der anderen Seite bei weitem übersteigt. Ziel muss es daher sein, dass auf einer von beiden anerkannten fairen Basis beide Seiten zusätzlichen Nutzen erhalten (Bruce, Leverick et al. 1995). Kommunikation ist ein zentraler Punkt bei der Verbindung von Menschen und darauf aufbauend beim Aufbau von Beziehungen. Der Kommunikationsprozess liegt als wesentliche Voraussetzung den meisten Funktionen einer Organisation zugrunde. Es ist daher notwendig, eine Atmosphäre zu schaffen und zu erhalten, welche häufiger und rechtzeitiger Kommunikation dienlich ist. Nur dadurch wird eine effektive und effiziente Koordination und Steuerung der Aktivitäten, Verantwortlichkeiten und Menschen innerhalb der Hersteller-Kunden-Beziehung möglich (z. B. Håkansson 1987; Biemans 1992; Bruce, Leverick et al. 1995; Littler, Leverick et al. 1995; Mohr, Spekman 1996). Reguläre Kommunikation (z. B. Beratungen auf allen Stufen oder Fortschrittsberichte) reduziert Unsicherheiten und Mehrdeutigkeiten der Beziehung durch das Erreichen eines gemeinsamen Verständnisses der Ziele und Intentionen der Partnerschaft (vgl. Conway 1995; Hutt, Stafford 2000). Dadurch dient Kommunikation zwischen dem Hersteller und dem Kunden dem Aufbau von Vertrauen und zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Mitgliedern beider Unternehmen. Dies führt zu einem höheren Grad an Gegenseitigkeit und Nähe sowie zu vermehrtem Austausch von sensiblen Informationen zwischen den Beziehungspartnern (z. B. Tidd 1995; Rindfleisch, Moorman 2001). Versteckt liegende Ängste, Bedenken, Spannungen oder Konflikte können nur dann im Guten gelöst werden, wenn eine Beziehung durch qualitativ hochwertige Kommunikationsflüsse charakterisiert ist (Mohr, Spekman 1996). Ein zentraler Aspekt der Zusammenarbeit und damit vor allem auch der Kommunikation von Teams im Innovationsprozess ist die räumliche Dimension (vgl. Allen 1991). Wie Gassmann (1997) gezeigt hat, bestimmt die Dezentralität wesentlich die Organisationsformen und das Management der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Dies gilt nicht nur für firmeninterne Konstellationen, sondern auch für die Einbindung Externer (z. B. Kunden) in den Innovationsprozess. Wichtige Determinanten zur Auswahl der richtigen Organisationsformen sind der Innovationsgrad, die Art des Projektes, der schwerpunktmässig übertragene Wissenstyp und die Bündelung funktionaler und technologischer Ressourcen (Gassmann, von Zedtwitz 2003). Erst die Berücksichtigung dieser Faktoren für die jeweilige Situation ermöglicht eine Entscheidung, ob überhaupt und wie Kunden in den Innovationsprozess eingebunden werden können. Das Controlling der Beziehung über Audits und reguläre Fortschrittsberichte wird ebenfalls als notwendig für den Erfolg von Entwicklungskooperationen für neue 24 STAND DER FORSCHUNG Produkte angeführt (z. B. Bruce, Leverick et al. 1995; Hutt, Stafford 2000; Brockhoff 2002). Audits sind in diesem Zusammenhang besonders wertvoll bei der Identifizierung, Isolation und Berichtigung etwaiger Probleme in der Partnerschaft. Ein zusätzlicher Vorteil dieser Fortschrittsberichte liegt darin, dass sie zur regelmässigen Kommunikation beitragen und ein Umfeld entsteht, in dem sich jeder Partner verpflichtet fühlt, vorher getroffene Übereinkünfte einzuhalten (Hutt, Stafford 2000). 2.1.3 Grundlagen auf Kundenseite Charakteristika des Kunden haben ebenfalls Einfluss auf den Erfolg der gemeinschaftlichen Produktinnovation. Im Speziellen sind dies Faktoren wie die relative Grösse der beiden Parteien (z. B. Millson, Raj 1996; Murphy, Kumar 1996), die finanzielle Attraktivität des Kunden (z. B. Gruner, Homburg 2000), der Ruf des Kunden (z. B. Gansen 1994; Brockhoff 1998; Hoecht, Trott 1999; Kelley, Littman et al. 2001), die technologische Expertise bzw. das Wissen und die Fähigkeiten des Kunden (z. B. Shaw 1985; Håkansson 1987; de Bont, Schoormans 1995; Littler, Leverick et al. 1995; Schoormans, Ortt et al. 1995; Brockhoff 2003), sowie vergangene Erfahrungen des Kunden mit partnerschaftlicher Entwicklung (z. B. Bruce, Leverick et al. 1995; Littler, Leverick et al. 1995). Johne (1994) warnt davor, dass kooperative Hersteller als Subunternehmer für Schlüsselkunden enden könnten. Er schlägt als Abhilfe vor, verschiedene Kundentypen zu differenzieren. Zahlreiche Studien belegen, dass die Bedeutung verschiedener Benutzergruppen aufgrund ihrer Charakteristika im Verlaufe des Entwicklungsprozesses variiert (z. B. Biemans 1992). So unterscheidet z. B von Hippel in seiner Studie über die Entwicklung neuer Industrieprodukte zwischen generellen Benutzern und Lead-Usern (von Hippel 1986). Letztere stellen gerade für die Innovationsfrühphase potenzielle Einbindungspartner dar.2 Ein wesentlicher Aspekt erfolgreicher Kundeneinbindung ist die Motivation der Kunden . Dabei können drei wesentliche Elemente unterschieden werden, nämlich materielle Entschädigungen, eine Verbesserung des Produktes und innere Antriebe. Die ersten beiden fallen in den extrinsischen Motivationsbereich. An erster Stelle sind die finanzielle Entschädigung bzw. sonstige materielle Abgeltung der Aufwendungen des Kunden zu nennen. Diese kann beispielsweise die Bezahlung für die Beantwortung eines Fragebogens sein. Der zweite wesentliche Aspekt in diesem Bereich ist die Erwartung des Kunden nach einer Problemlösung bzw. nach der 2 Details zur Lead-User-Methode siehe Abschnitte 2.1.1 und 4.2.2. AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG 25 Verbesserung seiner momentanen Situation. Dieser Aspekt stellt eine der wesentlichen Säulen des Lead-User-Ansatzes dar (vgl. z. B. von Hippel 1986). Für den dritten Bereich, die intrinsische Seite der Motivationsstruktur des Kunden, kann die Open-Source-Softwareentwicklung als Ansatzpunkt für mögliche Erklärungen dienen. Neue Untersuchungen zeigen, dass vor allem der persönliche Nutzen (Wissensvermehrung, Erhalt besserer und günstiger Software und Spass am Programmieren) und Ego-Gratifikation (Wunsch nach Anerkennung, Reputation in der Peergroup, Mitarbeit im Team bekannter Programmierer und die angenommene Unersetzbarkeit für das Team) Open-Source-Entwickler antreiben (vgl. Perens 1998; Raymond 1999; Gassmann 2001; Achtenhagen, Müller-Lietzkow et al. 2003; von Krogh 2003; von Krogh, von Hippel 2003). Achtenhagen, Müller-Lietzkow et al. (2003) weisen darüber hinaus darauf hin, dass auch Karriereüberlegungen wie das Zeigen des eigenen Talents oder die Gründung (oder Teilhabe) an OpenSource-basierten Unternehmen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Tabelle 1 fasst die wichtigsten Studien zu den betrachteten Forschungsthemen zusammen. 26 STAND DER FORSCHUNG Forschungsthemen Übereinstimmung mit Studien Biemans 1992; Johne 1994; Campbell, Cooper 1999; Tidd, Bessant et al. 2001 Grundlagen auf Kundenseite Grundlagen des Integrationsprozesses Grundlagen auf Herstellerseite Strategie Verstehen der Kundenbedürfnisse Schnittstelle F&E/Marketing Organisatorischer Lernprozess Biemans 1992; Tomczak, Belz 1994; Atuahene-Gima 1996; Kleinaltenkamp, Dahlke 1998; Söllner 1998; Maron, VanBremen 1999; Tidd, Bessant et al. 2001; Belz 2002a, 2002b; Koen, Ajamian et al. 2002 Souder 1988; Bruce, Biemans 1995; Song, Montoya-Weiss et al. 1997; Jassawalla, Sashittal 1998; Song, Thieme et al. 1998; Souder, Song 1998; Norrgren, Schaller 1999; Kahn 2001; Olson, Walker et al. 2001 Glazer 1991; Adams, Day et al. 1998; Li, Calantone 1998; Lukas, Ferrell 2000; Gassmann, Hipp 2001; Aslanidis, Korell 2003 Kompatibilität der Kulturen Biemans 1991; Bruce, Leverick et al. 1995; Goodman, Fichman et al. 1995; Atuahene-Gima 1996; Maron, VanBremen 1999; Hutt, Stafford 2000; Kelley, Littman et al. 2001 Tidd 1995; Millson, Raj 1996; Mohr, Spekman 1996; Song, Montoya-Weiss et al. Klare Ziele 1997; Hauschildt 1998 Pitta, Franzak et al. 1996; Pitta, Franzak 1997; Jassawalla, Sashittal 1998; PrahaPassende Strukturen lad, Ramaswamy 2000; Tidd, Bessant et al. 2001; Jeppesen, Molin 2003 Biemans 1992; Brockhoff 1998; Gruner, Homburg 1999; Wynstra, Pierick 2000; Form der Einbindung Kohn, Niethammer 2002; Lettl 2004 Anderson, Narus 1990; Howell, Higgins 1990; Frey 1991; Biemans 1992; Morgan, Beziehungsvariablen Hunt 1994; Bruce, Leverick et al. 1995; Goodman, Fichman et al. 1995; Littler, Leverick et al. 1995; Buttle 1996; Belz 1998; Jassawalla, Sashittal 1998; Markham, Griffin 1998; Hoecht, Trott 1999; Hutt, Stafford 2000; Hauschildt, Kirchmann 2001; Rindfleisch, Moorman 2001; Tidd, Bessant et al. 2001; Diller, Ivens 2004; Alt, Puschmann et al. 2005 Håkansson 1987; Biemans 1992; Bruce, Leverick et al. 1995; Conway 1995; LittKommunikation ler, Leverick et al. 1995; Tidd 1995; Mohr, Spekman 1996; Hutt, Stafford 2000; Rindfleisch, Moorman 2001 Allen 1991; Gassmann 1997; Gassmann, von Zedtwitz 2003 Räumliche Dimension Controlling Bruce, Leverick et al. 1995; Hutt, Stafford 2000; Brockhoff 2002 Relative Grösse Millson, Raj 1996; Murphy, Kumar 1996 Finanzielle Attraktivität Gruner, Homburg 2000 Ruf Gansen 1994; Brockhoff 1998; Hoecht, Trott 1999; Kelley, Littman et al. 2001 Wissen und Fähigkeiten Shaw 1985; von Hippel 1986; Håkansson 1987; Johne 1994; Bruce, Leverick et al. 1995; de Bont, Schoormans 1995; Littler, Leverick et al. 1995; Schoormans, Ortt et al. 1995; Brockhoff 2003 Bruce, Leverick et al. 1995; Littler, Leverick et al. 1995 Vergangene Erfahrungen Motivation von Hippel 1986; Perens 1998; Raymond 1999; Gassmann 2001; Achtenhagen, Müller-Lietzkow et al. 2003; von Krogh 2003; von Krogh, von Hippel 2003 Tabelle 1: Ausgewählte Perspektiven der Kundenintegrationsforschung AUSGEWÄHLTE PERSPEKTIVEN DER KUNDENINTEGRATIONSFORSCHUNG 27 Management der frühen Kundeneinbindung Wie in den vorangehenden Abschnitten gezeigt wurde, gibt es eine grosse Zahl an Studien aus verschiedenen Forschungsfeldern, welche spezielle Grundlagen der Kundeneinbindung in den Innovationsprozess behandeln. Zahlreiche Studien nehmen sich auch zum Ziel, einzelne Aspekte des Managements der HerstellerKunden-Interaktion während der Neuproduktentwicklung zu beschreiben (Biemans 1991, 1992; Bidault, Cummings 1994; Bruce, Leverick et al. 1995; Mohr, Spekman 1996; Athaide, Stump 1999; Campbell, Cooper 1999; Johnsen, Ford 2000). Es existieren jedoch keine umfassenden Managementmodelle für die Kundeneinbindung in den Entwicklungsprozess im Allgemeinen und in seine Frühphase im Besonderen (vgl. Lynch, O' Toole 2003). Diese Abwesenheit von Gestaltungsempfehlungen für das Management hat ernsthafte Konsequenzen für den Praktiker, beeinflusst doch die Art und Weise in der Kundeneinbindung gemanagt wird, die Ergebnisse derselben und letzten Endes den Erfolg (z. B. Håkansson 1987). Die Notwendigkeit für Managementrichtlinien ergibt sich auch aus der grundlegenden Spannung zwischen der Dynamik von Innovationen und der Logik von Partnerschaften. Diese Spannung entsteht durch die Gefahr opportunen Verhaltens, des Verlustes geheimer Information, von Zuordnungsproblemen bei Eigentumsrechten, des Verlustes an direkter Kontrolle über den Entwicklungsprozess sowie aus zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Belastungen, welche mit dem Management von Partnerschaften einhergehen (vgl. Dolan, Matthews 1993; Bidault, Cummings 1994; Littler, Leverick et al. 1995). Diese Unsicherheiten bedeuten, dass für eine Optimierung der Kundeneinbindung und zur Überwindung der Probleme, welche damit verbunden sind, grosse Sorgfalt auf das Management des Prozesses gelegt werden muss (Biemans 1992; Schilling, Hill 1998; Campbell, Cooper 1999). Dies gilt umso mehr bei den im Fokus dieser Arbeit stehenden mittleren bis hohen Innovationshöhen. Radikale Innovationsprozesse unterscheiden sich verglichen mit regulären Produktentwicklungsprozessen signifikant bezogen auf Struktur und Management. Da radikale Innovation im Kern als kreativ und inspiriert betrachtet wird, liegt die Herausforderung in der Unterstützung der Entscheidungsprozesse und in der Reduktion der Risiken. Veryzer (1998) untersuchte diskontinuierliche Produktentwicklungsprojekte und stellte fest, dass die meisten Firmen dafür keine formellen, stark strukturierten Prozesse anwenden. Es werden aber trotzdem konsistente Abläufe verfolgt, welche jedoch signifikant von denen inkrementeller Projekte abweichen. Generell weisen erstere einen explorativeren Charakter auf und sind weniger kundengetrieben. Eine ähnliche Gegenüberstellung behandelte O’Connor (1998) mit Fokus auf Methoden zum Erwerb und zur Nutzung von marktbezogenem Wissen. Für radikale Entwicklungsprojekte sieht sie es als vorteilhaft an, divergentes Denken zu betonen, Ver- 28 STAND DER FORSCHUNG ständnis für die momentane und die zukünftige Benutzungssituation aufzubauen und die Interaktion des Kunden mit dem Produkt zu beschleunigen. Welche Rolle die Einbindung des Kunden in die frühen Phasen radikaler Innovationsprozesse spielen soll und wie diese Integration zu managen ist, wird im Rahmen dieser Arbeit untersucht. 2.2 Ansätze der Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess Wie der vorhergehende Abschnitt gezeigt hat, werden Fragestellungen bezüglich Kundennähe, Kundeneinbindung und Kundenintegration aus zahlreichen Blickwinkeln und auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen betrachtet. Bei der Aufstellung der im vorhergehenden Abschnitt aufgearbeiteten Literatur wurde zunächst nicht zwischen prinzipiell verschiedenen Herangehensweisen unterschieden, sondern der Schwerpunkt auf die Grundlagen der Kundeneinbindung gelegt. Zur Einordnung und Fokussierung der vorliegenden Arbeit ist es nun aber notwendig, grundsätzliche Typen der Einbeziehung des Kunden im Verlaufe des Innovationsprozesses zu unterscheiden. Dies erfolgt einerseits basierend auf den Erkenntnissen der Literaturrecherche und andererseits durch Betrachtung und Reflexion bestehender Ansätze aus der Praxis. Im ersten Schritt werden die Grundtypen der verschiedenen Organisationsformen der Kundeneinbindung im Verlauf des gesamten Innovationsprozesses identifiziert. Zur weiteren Vertiefung werden anschliessend drei prinzipielle Formen der Kundeneinbindung basierend auf dem Grad der Kundenaktivität eingeführt. Gemeinsam ergeben diese Betrachtungen schliesslich eine Landschaft der Kundeneinbindung, in die das Untersuchungsfeld der vorliegenden Arbeit eingeordnet werden kann. Dieser Ansatz soll eine Übersicht über die verschiedenen Möglichkeiten der Interaktion zwischen Hersteller und Kunden ermöglichen sowie der thematischen Abgrenzung in Bezug auf die Innovationsprozessphasen und die Aktivität des involvierten Kunden dienen. Die dabei erarbeiteten Kriterien fliessen durch ihre Verwendung bei der Erstellung des Analyserasters auch in die Auswertung der Fallstudien ein. Weiters dienen die bei dieser allgemeinen Typologisierung gewonnenen Erkenntnisse als Unterstützung bei der Konzeption des konzeptionellen Managementmodells. Als grundlegende Struktur des Überblicks der verschiedenen Ansätze der Kundeneinbindung dient ein einfaches Trichtermodell des Innovationsprozesses.3 Prinzi3 Für eine Übersicht verschiedener Modelle des Innovationsprozesses siehe beispielsweise Gerpott (1999). ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS 29 piell können vier grundsätzliche Wege unterschieden werden, Kunden einzubeziehen bzw. ihre Wünsche und Bedürfnisse während des Innovationsprozesses zu berücksichtigen (vgl. Abb. 5). Diese Einteilung erfolgt zunächst ohne Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung der Einbeziehung und des tatsächlichen Innovationsbeitrages des Kunden. Kundenorientierung In n o Marktforschung vati o nsfr ü hph ase Frühe Kundenintegration Kundenspezifische Konfiguration Innovationsprozess Abbildung 5: Ansätze zur Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess Im Folgenden werden die für den Zweck der Einordnung dieser Arbeit wesentlichen Aspekte der vier übergeordneten Ansätze – Marktforschung, kundenspezifische Konfiguration, Kundenorientierung und frühe Kundenintegration – erläutert. 30 2.2.1 STAND DER FORSCHUNG Marktforschung Interaktion mit dem Kunden ist im gesamten Verlauf des Innovationsprozesses wichtig. Eine zentrale Rolle spielt der Markt dabei am Anfang aller Geschäftsaktivitäten. Ein grundsätzliches Verständnis der Marktbedingungen und -verhältnisse sowie der Kundencharakteristika ist entscheidend für den Erfolg jedes neuen Produktes (vgl. Ortt, Schoormans 1993; Zaltman 1997; Adams, Day et al. 1998). Unternehmungen betreiben daher Marktforschungsaktivitäten (als Teil des gesamten Marketingportfolios), welche von Befragungen über Beobachtungen hin zu umfassenden Absatz- und Marktanteilsprognosen reichen. Dahinter steht die Grundidee, dass der Entwicklungsprozess desto effizienter abläuft, je besser es gelingt, das zu entwickelnde innovative Produkt in der frühen Phase der Konzeptfindung marktgerecht zu planen (z. B. Schmidt 1996). Marktforschung und Marktprognose beinhalten die Gewinnung, Auswertung und Interpretation von Informationen über die jetzige und zukünftige Marketingsituation (z. B. Marktchancen und Kundenbedürfnisse) – also, generell betrachtet, Wissen über den Kunden und seine Bedürfnisse (z. B. Tauber 1974; Scheer 1983; Meffert 1986; Ortt, Schoormans 1993; Tomczak, Belz 1994; Tomczak, Reinecke 1994; Zaltman 2003; Belz 2004). Methoden, Marktinformationen zu erhalten und zu verwenden – zusammengefasst im Begriff Marktlernen („Market Learning“) –, spielen eine Schlüsselrolle in jedem erfolgreichen Neuproduktentwicklungsprojekt. Beispiele für Marktforschung reichen von der Sammlung von Point-of-Sales-Daten hin zu speziellen Methoden zur Erhebung von spezifischen Marktinformationen. So verwendet beispielsweise die Migros, eine grosse Schweizer Handelskette, ihre „Cumulus“ Stammkundenkarten zur Gewinnung von Informationen zur Optimierung des Produktportfolios und ihrer Verkaufsstrategie. Endress&Hauser, ein schweizerisches High-Tech-Unternehmen auf dem Gebiet der Flüssigkeitsmessung, setzt zur Erlangung des notwendigen Marktwissens auf einen Experten, welcher permanent das Marktumfeld mittels Patentrecherchen, Marktdatenanalysen, Beobachtung der Geschäftsprozessentwicklung bestehender und potenzieller Kunden sowie Messe- und Konferenzbesuchen analysiert. Aus den gesammelten Daten und Informationen wird ein monatlicher Bericht erstellt, welcher auf Geschäftsleitungsebene vorgestellt und diskutiert wird.4 In einem linearen Modell des Innovationsprozesses, wie in Abbildung 5 dargestellt, sind derartige Aktivitäten ganz am Anfang, d. h. am linken Rand der Frühphase des Innovationsprozesses angesiedelt. Diese klassischen Marketingaktivitäten zur Unterstützung der Entwicklung und des Vertriebes kundenorientierter Produkte und Serviceangebote bilden eine wichtige Standardaktivität jeder Unternehmung, wer4 Interview Endress&Hauser. ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS 31 den allerdings im Rahmen dieser Arbeit nicht näher betrachtet. Deren Fokus liegt im eigentlichen Zentrum der Frühphase sowie der Auswahl einzelner spezieller Kunden (im Gegensatz zum „Gesetz der grossen Zahl“, welches den meisten klassischen Marktforschungsaktivitäten zugrunde liegt). Marktforschung soll keinesfalls durch frühe Kundenintegration ersetzt werden, sondern spielt eine wesentliche Rolle für das Management der Frühphase des Innovationsprozesses und unterstützt den in dieser Untersuchung vorgestellten Ansatz beispielsweise bei der Auswahl spezieller Kunden. 2.2.2 Kundenspezifische Konfiguration Auch am anderen Ende des Innovationsprozesses, während und nach der Neuproduktentwicklung, finden klassische Marketing- und Verkaufsaktivitäten statt, um das neue Produkt in den Markt einzuführen. Daneben entwickelt sich ein starker Trend hin zu Konfigurationswerkzeugen mit denen gewisse Eigenschaften neuer Produkte an spezielle Kundenbedürfnisse angepasst werden können. Die Grundüberlegung dahinter ist die Schaffung individualisierbarer Produkte, um durch die Realisierung von speziellen Präferenzen der Kunden, Kundeninnovationen zu ermöglichen. Da diese Individualisierung erst im späten Teil des Innovationsprozesses stattfindet, ist sie hauptsächlich auf die Konfiguration bestehender Module oder Designelemente – aufgesetzt auf standardisierte Produktplattformen – beschränkt. Die eigentliche Innovation aus technischer Hinsicht (und damit bezüglich der Kernkompetenz des Herstellers) passiert schon davor, nämlich im Rahmen der vorgelagerten Innovationsprozessphasen des Herstellers. Instrumente zur Realisierung kundenspezifischer Konfigurationen reichen vom Plattformmanagement zur Entwicklung kostengünstiger Produktvariationen, über „Mass Customization“ vor allem in den B-2-C Märkten, (Krubasik 1988; Piller, Stotko et al. 2003) bis hin zu „User Toolkits for Innovation“ (z. B. von Hippel, Katz 2002). Letztere stellen die bisher letzte Entwicklung eines Trends dar, welcher in der Verwendung neuer IT-Tools zur Unterstützung der Kundenintegration liegt. Dazu werden in der Literatur verschiedene Ansätze beschrieben, wie neue Computeralgorithmen bzw. Softwareanwendungen genutzt werden können. So wird die so genannte „Co-Creation“ (Prahalad, Ramaswamy 2002), die Beteiligung der Kunden bei der Entwicklung ihres „eigenen“ Produktes, in den meisten Fällen überhaupt erst durch IT-Technologie ermöglicht. Beispielsweise können Kunden in „Virtual Collaboration Spaces“ elektronische Abbilder physischer Produkte betrachten und kritisieren (Paustian 2001; Dahan, Hauser 2002; Nambisan 2002). Die „User Toolkits for Innovation“ sind eine aktuelle, noch weiter gehende Entwicklung, durch die der Kunde in die Lage versetzt wird, selbstständig eine Serie von Entwicklungs- 32 STAND DER FORSCHUNG kreisläufen durchzuführen, um seine gewünschte Konfiguration herauszufinden (Seybold 2001; von Hippel 2001b; Thomke, von Hippel 2002). Kunden können, mithilfe IT-basierter vom Hersteller entwickelter Baukästen, ihre eigenen Produktkonfigurationen im Rahmen eines vorgegebenen Lösungsraumes kreieren. Kombiniert mit Informationen über die Eigenschaften der einzelnen Komponenten und Module sowie über die einschränkenden Rahmenbedingungen der Produktion können solche Werkzeuge kosten- und zeitintensive Iterationsschleifen zwischen Hersteller und Kunde eliminieren. Aufgrund der geforderten Modularisierbarkeit und Virtualisierbarkeit kommen allerdings nur bestimmte Märkte und Produkte für diesen revolutionären Ansatz infrage (vgl. Billington 1998; Thomke, von Hippel 2002). Sehr eng verwandt und bereits weiter verbreitet, meistens jedoch auf die Konsumentenmärkte (B-2-C) beschränkt, ist die „Mass Customization“. Basierend auf einem flexiblen Produktionssystem, modularer Produktgestaltung und hoch vernetzten Konfigurationswerkzeugen werden Endverbraucher in die Lage versetzt, ihre ganz persönlichen Produkte zusammenzustellen (Piller, Stotko et al. 2003). Adidas, ein deutscher Sportartikelhersteller, hat beispielsweise eine erfolgreiche „MyAdidas“-Produktlinie zur Konfiguration individueller Sportschuhe in den Markt eingeführt. 2.2.3 Kundenorientierung Betrachtet man die Einbeziehung der Kunden aus einer allgemeinen, übergeordneten Perspektive, so zeigt sich, dass unter dem Begriff der Kundenorientierung eine grundsätzliche Ausrichtung auf den Kunden als Klammer über den Verlauf des gesamten Innovationsprozesses gesehen werden kann. Peters und Watermann (1982: 157) nennen diese Grundhaltung Kundenfixierung und beschreiben sie als ein scheinbar völlig übersteigertes Bemühen um Qualität, Zuverlässigkeit oder Service („a seemingly unjustifiable overcommitment to some form of quality, reliability, or service“). Dieser Ansatz setzt auf einer generellen marktorientierten Grundausrichtung während des gesamten Produktlebenszyklusses auf und verlangt eine spezielle Geisteshaltung des Herstellers. Aufgrund dieser Grundcharakteristiken wird Kundenorientierung zur notwendigen Voraussetzung aller anderen Ausprägungen der Einbeziehung von Kunden. Im Unterschied zu diesen liegt der Fokus bei der generellen Kundenorientierung allerdings auf traditionellen Geschäftszielen und nicht primär auf Aspekten der Produktinnovation. Ganz deutlich wird dies am umfassenden Beziehungsmarketingansatz in B-2-B-Märkten (vgl. Krapfel Jr., Salmond et al. 1991; Belz 1998; Kotler 1999; Belz, Müllner et al. 2004; Diller, Ivens 2004). ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS 33 Homburg (2000) hat das Konstrukt Kundennähe detailliert untersucht und herausgefunden, dass es aus den beiden Säulen der Kundennähe im Leistungsangebot sowie der Kundennähe des Interaktionsverhaltens aufgebaut ist. Kundenbeziehungsmanagement (CRM) stellt eine im stetigen Wachstum begriffene IT-gestützte Manifestation dieses Ansatzes dar (vgl. z.B. Gibbert, Leibold et al. 2002; Rapp 2002; Alt, Puschmann et al. 2005). Durch gezielte Aufbereitung kundenbezogener Informationen wird ein enger Kundenkontakt über die gesamte Wertschöpfungskette eines Produktes ermöglicht. Neben dieser direkten Verbindung zu einzelnen Kunden bzw. Kundengruppen, kann auf einer übergeordneten strategischen Ebene die so genannte Marktorientierung unterschieden werden. Betrachtet man dieses Konstrukt genauer, so zeigt sich seine übergeordnete Bedeutung für alle Marketingaktivitäten. Prinzipiell beruht Marktorientierung auf dem Niveau auf dem (1) Geschäftseinheiten Kundeninformationen erlangen und verwenden, (2) einen auf diesen Informationen basierenden strategischen Plan entwickeln und (3) diesen Plan implementieren, um auf Kundenwünsche zu reagieren (Ruekert 1992). Alle Stammkundenloyalitätsprogramme stellen Umsetzungen dieser Gedanken dar. Lufthansa, die grösste deutsche Fluglinie, offeriert beispielsweise ein sehr erfolgreiches Vielfliegerprogramm namens „Miles & More“. Für die Fluglinie liegt der Nutzen dabei im engen Kontakt zu ihren wichtigsten und treuesten Kunden, welche sie gleichzeitig, der Grundidee aller Stammkundenkarten folgend, an sich bindet. Den Kunden bietet die Programmteilnahme einerseits das Gefühl einer erhöhten Wertschätzung durch Lufthansa und andererseits gezielte Informations- und Servicevorteile. 2.2.4 Frühe Kundenintegration Der Fokus dieser Arbeit liegt auf dem Kern der Innovationsfrühphase und den dort angesiedelten Potenzialen einer Kundenintegration. Ähnlich wie die frühe Integration der Zulieferer auf der Seite des Beschaffungsmarktes, wird nun für die nachgelagerte Seite der Wertschöpfungskette das Konstrukt der frühen aktiven Kundenintegration (im Folgenden kurz frühe Kundenintegration genannt) für die Integration von Kunden in den frühen Innovationsprozess eingeführt. Dieses definiert sich durch drei Hauptcharakteristika: ¾ Integration von Kunden, Kunden der Kunden oder Intermediären zum Kunden (d. h. aller Partner der nachgelagerten Wertschöpfungsseite) ¾ in die Frühphase des Innovationsprozesses (das so genannte Fuzzy Front End FFE), 34 STAND DER FORSCHUNG ¾ ausgezeichnet durch eine aktive Rolle des Kunden und damit eine Interaktivität (im Gegensatz zu den meisten anderen Methoden und Ansätzen der Kundeneinbindung im Verlaufe des Innovationsprozesses). Hersteller betreiben frühe Kundenintegration, um die Leistung ihres Innovationsprozesses mithilfe ausgewählter Kunden zu verbessern. Das übergeordnete Integrationsziel liegt dabei in einer Erzielung besserer Innovationsresultate durch eine Erhöhung von Prozesseffektivität und -effizienz. Das Ergebnis stellen Ideen mit höherem Markt- und Geschäftspotenzial dar (vgl. von Hippel 1988; Lilien, Morrison et al. 2002; Lettl 2004).5 Der bekannte Lead-User-Ansatz von von Hippel (1976; 1977; 1988) fällt unter diese Definition (siehe Abschnitte 2.1.1 und 5.2.2). Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Herangehensweisen, welche vor allem auf das Wissen über den Kunden konzentriert sind, spielt für die frühe Kundenintegration das Wissen des Kunden die Hauptrolle. Das dahinter liegende Rational ist eine Integration der Kunden durch die Übertragung spezieller Anteile am Innovationsprozess – und damit am Wissensgenerierungsprozess – auf den Kunden. Dieser wird dadurch zu einem aktiven Mitspieler bei der Innovationsentstehung. Die frühe Kundenintegration deckt alle Phasen der Innovationsfrühphase6 ab und zeigt verschiedene Ausprägungen, welche sich durch verschiedene Kundenbeiträge und -rollen auszeichnen sowie spezielle Aktivitäten des Herstellers verlangen. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird von den grundsätzlichen Möglichkeiten der Kundeneinbeziehung nur mehr die frühe Kundenintegration betrachtet. Zur Präzisierung der Einordnung dieser Untersuchung wird im nächsten Schritt neben dem Verlauf des Innovationsprozesses die Kundenaktivität als zweiter Gliederungsparameter eingeführt. Gliederungsmerkmal Grad der Kundenaktivität Die Frage inwieweit ein einbezogener Kunde eine passive oder aktive Rolle einnimmt, ist wesentlich für eine genauere Betrachtung der verschiedenen Grundtypen der Kundeneinbindung. Biemans (1992) schlägt vor, das Ausmass der Kundeneinbindung als Kontinuum darzustellen, welches von einer nicht interaktiven Beziehung zu einer gemeinsamen Durchführung von Aktivitäten reicht. In ähnlicher Wei5 Der Begriff Idee wird hier in einer allgemeinen, umfassenden Bedeutung verwendet und nicht als Ergebnis eines speziellen Ideengenerierungsabschnittes der Innovationsfrühphase. 6 Siehe zu verschiedenen Modellen der Frühphase beispielsweise Bacon und Beckman (1994), Khurana und Rosenthal (1997), Kim und Wilemon (2002) oder Herstatt und Verworn (2003). Für diese Arbeit wurde das Modell von Koen, Ajamian et al. (2001) als Grundlage gewählt (vgl. hierzu Abschnitt 5.1.3). ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS 35 se betrachten Athaide und Stump (1999) Produktentwicklungspartnerschaften für neue Produkte mit Kunden zwischen zwei Extrempolen, nämlich den einseitig vom Verkäufer geführten Interaktionen und den zweiseitigen Kooperationen. Das niedrigste Niveau der Beteiligung von Kunden zeichnet sich durch niedriges Commitment von beiden Seiten aus, während eine zweiseitige Produktentwicklungspartnerschaft ein starkes Commitment beider Seiten zum Entwicklungsprojekt beinhaltet. Der Hersteller kann also als übergeordnetes Ziel der Kundeneinbindung einerseits eine einseitige Informationsbeschaffung oder aber andererseits eine aktive Beteiligung des Kunden am Innovationsprozess anstreben. Basierend auf diesen Überlegungen wird zunächst der übergeordnete Begriff Kundeneinbindung eingeführt. Unter Kundeneinbindung sollen, im weitesten Sinne aufgefasst, alle Aktivitäten verstanden werden, welche zu einer Beeinflussung des Entwicklungs- bzw. Innovationsprozesses durch Wissen über sowie von Kunden oder durch direkte Kundenbeiträge im Rahmen gemeinsamer Aktivitäten führen. Eine Ebene darunter werden je nach Aktivitätsgrad des eingebundenen Kunden drei Grundtypen unterschieden – Kundenbeobachtung, Kundenbeteiligung und Kundenintegration.7 Die Kundenbeobachtung, mit dem geringsten Grad an Kundenaktivität, zielt auf ein besseres Verständnis der Marktseite, um daraus bessere Entwicklungsvorgaben ableiten zu können. Dem Kunden fällt dabei eine ausschliesslich passive Rolle zu, seine Loyalität kann, falls überhaupt, nur durch Kundenbindungsprogramme sichergestellt werden. Diese Arten der Kundeneinbindung wird beispielsweise durch das Anlegen von Datenbanken mit Verkaufsdaten betrieben. Als zweite Form hat sich die Kundenbeteiligung etabliert. Ziel dabei ist es, die Kunden direkt in Form von Befragungen, Interviews oder Anwendungsstudien zu involvieren und dadurch die gewünschten Informationen zu erhalten. Die Kunden agieren noch immer in einer passiven Rolle, auch wenn sie an der Bereitstellung der Informationen beteiligt sind. Die Initiative geht aber nach wie vor ausschliesslich vom Hersteller aus, sodass noch nicht von einer wirklichen Partnerschaft gesprochen werden kann. Ein Beispiel für die Betrachtung des Anwendungsumfeldes eines Produktes ist die von Leonard und Rayport (1997) unter dem Begriff „Empathic Design“ vorgeschlagene Methode.8 Die Vorteile liegen in genaueren Vorgaben für die Produktentwicklung und einer erhöhten Kundenloyalität, da die – im Sinne der 7 Diese Definitionen wurden zur besseren Verständlichkeit aufgestellt. Entsprechend der Fokussierung dieser Arbeit wird im weiteren Verlauf entweder der Übergriff Kundeneinbindung im allgemeinen Zusammenhang oder die spezifische Bezeichnung Kundenintegration verwendet. 8 Siehe dazu auch die Literaturübersicht in Abschnitt 2.1. 36 STAND DER FORSCHUNG vorliegenden Arbeit immer noch passive – Rolle des Kunden durch seine direkte Ansprache aufgewertet wird. Das Qualitiy Function Deployment (QFD) verkörpert ebenfalls dieses Rational. Es zielt darauf ab, die Produktqualität durch eine möglichst gute Übersetzung der Kundenwünsche in die Sprache der Entwicklungsabteilung zu erhöhen (vgl. Hauser, Clausing 1988; Griffin, Hauser 1993; Schmidt 1996; Herrmann, Huber et al. 2000). Ziel dieser Arbeit ist es, die dritte Möglichkeit der Kundeneinbeziehung, die Kundenintegration näher zu betrachten. Der wesentliche Unterschied zu den beiden ersten Konzepten ist die nun aktive Rolle des Kunden. Der Hersteller setzt sich zum Ziel, diesen Rollenwechsel seiner Kunden zu realisieren, um dadurch deren Wissenspotenzial zu aktivieren und sie als „Mit-Entwickler“ in den Innovationsprozess zu integrieren. Bei dieser Form kommt es auf der Suche nach besseren, innovativeren Produkten zu einer gemeinsamen Wertschöpfung mit dem Kunden. Zusätzlich steigt mit der neuen Rolle auch die Zufriedenheit derartig eingebundener Kunden. Eine Gegenüberstellung dieser drei Möglichkeiten der Einbeziehung von Kunden zeigt Tabelle 2. ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS 37 Kundenbeobachtung Kundenbeteiligung Kundenintegration Grundsatz Je mehr man über seinen Kunden weiss, desto besser kann man für ihn entwickeln! Da der Kundenwunsch das höchste Entwicklungsziel ist, muss man den Kunden direkt nach seinen Bedürfnissen fragen! Aktiviere implizites Wissen und versteckte Bedürfnisse durch eine Öffnung des Innovationsprozesses für den Kunden! Grundprinzip Datensammlung über Kundenbedürfnisse und Kaufverhalten Kundenwünsche, -bedürfnisse und -vorlieben werden direkt abgefragt Kunden werden zu „MitEntwicklern“ und ihr volles Wissenspotenzial genutzt. Ziele Besseres Verständnis der Marktseite; die Erstellung eines möglichst scharfen Bildes des Zielkunden Die Stimme des Kunden zu hören; Entdeckung versteckter Bedürfnisse durch Betrachtung der Produktverwendung Gemeinsame Wertschöpfung durch Zusammenarbeit mit dem Kunden Informationsquellen Datenbanken, Verkaufsdaten Interviews, Umfragen, Ton- und Videoaufzeichnungen Wissen, Kreativität und Erfahrung des Kunden Rolle des Kunden Passive Rolle; Empfänger des Produktes Noch immer passive, aber wichtige Rolle als Informationsquelle Aktive Rolle; Partner im Wertschöpfungsprozess Rolle des Herstellers Versuch, Kundenloyalität sicherzustellen Auswahl geeigneter Kunden und falls vorteilhaft Aufbau langfristiger Beziehungen Rollenwechsel durch Emanzipation weg vom Produktempfänger hin zum aktiven „MitEntwickler“ Stärken Verständnis des vergangenen Kundenverhaltens Genauere Produktentwicklung; erhöhte Kundenloyalität Bessere, innovativere Produkte mit verkürzter Time-to-Market; erhöhte Kundenzufriedenheit durch aktive Rolle Schwächen Nur indirekte Informationen bergen Gefahr von Fehlinterpretationen Erfahrungshorizont des durchschnittlichen Kunden ist beschränkt Risiko des Kompetenzverlustes des Herstellers Tabelle 2: Charakteristika unterschiedlicher Formen der Kundeneinbindung in der Innovationsfrühphase Eine nähere Betrachtung der Kundenintegration zeigt drei prinzipielle Ausprägungen: Ausschliesslich vom Produzenten getrieben sind die ungerichteten Herstellerinitiativen (z. B. Ernst, Schnoor 2000). Ziel ist es, aktive Kundenreaktionen, wie 38 STAND DER FORSCHUNG Feedback oder Innovationsideen zu initiieren. Hersteller können beispielsweise Produkte auf Messen vorab ankündigen, welche noch gar nicht bzw. noch nicht komplett, entwickelt wurden. Im Dialog mit den Kunden werden dabei Informationen generiert, um die Entscheidung über eine Weiterentwicklung zu treffen bzw. deren Verlauf zu ändern. Es besteht aber auch die Möglichkeit, Kunden direkt nach ihren Innovationsideen zu fragen. Dies kann beispielsweise über eine Internetplattform erfolgen, welche es den Kunden ermöglicht, Ideen und Produktvorschläge an den Hersteller zu senden. Wesentliche Fragen, welche unter anderem dabei gelöst werden müssen, sind solche nach dem geistigen Eigentum. Manche Firmen, beispielsweise der amerikanische Werkzeughersteller DeWalt, verlangen die Zusendung einer gefaxten Verzichtserklärung, bevor sie Ideen auf dem elektronischen Weg akzeptieren. Alle Vorgehensweisen dieses Konzeptes haben gemeinsam, dass eine aktive Teilnahme vonseiten des Kunden notwendig ist, diese jedoch nicht gezielt ausgewählt werden. Die Interaktionsintensität ist typischerweise niedrig und das übermittelte Wissen beinahe ausschliesslich expliziter Natur. Auf der Seite der kundengetriebenen Ausprägungen stellen spontane Kundeninitiativen die einfachste Form dar. Dabei handelt es sich um Beschwerden oder Anregungen, welche ein Kunde ohne direkten Anstoss durch den Hersteller an diesen übermittelt. Alle gängigen Kommunikationswege können dafür genutzt werden. Auch hier handelt es sich um eine Interaktion niedriger Intensität, da in den meisten Fällen nur einmalige, kurze Kontakte zwischen Kunde und Hersteller bestehen. Aus der Sicht des Herstellers ist die Frage der Verwertbarkeit dieser Kundeninputs für den Innovationsprozess interessant, steht allerdings nicht im Fokus der vorliegenden Arbeit. Der Schwerpunkt liegt vielmehr auf der dritten Form der Kundenintegration, der auf persönliche Interaktion abzielenden gerichteten Herstellerinitiative. Diese geht auf eine Initiative des Herstellers zurück und spricht im Gegensatz zur ungerichteten Initiative gezielt einzelne Kunden an. Es werden die zu einer anstehenden Problemlösung passenden Kunden gesucht und in den Problemlösungsprozess integriert. Dies kann beispielsweise durch die Lead-UserMethode erfolgen, bei der Kunden, welche den entsprechenden von von Hippel (1986) beschriebenen Kriterien genügen, ausgewählt und zu speziellen Workshops eingeladen werden. Es kommt zu einer hohen Interaktionsintensität und in vielen Fällen zum Austausch sowohl von implizitem als auch explizitem Wissen (z. B. in Form von Berechnungen oder Prototypen). Die vorhergehenden Ausführungen zu den beiden Gliederungsebenen sind in Abbildung 6 zusammengefasst. ANSÄTZE DER EINBEZIEHUNG DES KUNDEN IN DEN INNOVATIONSPROZESS 39 Innovationsproz Innovationsfrühphase Aktivität des Kunden Entwicklung Kommerzialisierung Kundenorientierung Kundenbeobachtung Ausrichten der Wertschöpfung nach den Kunden ess Marktforschung Kundenbeteiligung Kundenspezifische Konfiguration Aktive Kundenteilnahme an der Wertschöpfung Frühe Kundenintegration Kundenintegration Einfluss auf das Innovationsergebnis Abbildung 6: Einordnung der frühen Kundenintegration Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird nur mehr der Bereich der frühen Kundenintegration betrachtet. Dabei wird ein spezieller Fokus auf die Ziele und Erwartungen gelegt, welche einen Hersteller dazu motivieren, frühe Kundenintegration zu betreiben. Es wird gezeigt, dass abhängig vom jeweiligen Herstellerziel spezifische Rollen der integrierten Kunden resultieren. Diese Schwerpunktsetzung liefert zunächst eine Struktur für die folgenden Überlegungen, vor allem aber leistet sie einen Beitrag zur Schliessung einer Lücke der Kundenintegrationsforschung. Bisherige Arbeiten mit Fokus auf die durch Kundenintegration zu erwartenden Ergebnisse betrachten diese Resultate meist auf einer übergeordneten unspezifischen Ebene, ohne die Verbindung zu den resultierenden Rollen der Kunden und den Implikationen für die Praxis herzustellen. Es wird gezeigt, dass Herstellerziele und Kundenrollen wesentliche Faktoren der Ausformung und des Managements erfolgreicher früher Kundenintegration darstellen. 2.3 Zusammenfassung Diese Arbeit ist im Bereich des strategischen F&E-Managements angesiedelt und beschäftigt sich im Speziellen mit den Forschungsfeldern Innovationsmanagement 40 STAND DER FORSCHUNG (Management der frühen Innovationsphasen), Neuproduktentwicklung und marktorientierte F&E. Darüber hinaus wird der Forschung über Kundeneinbindung in den F&E-Prozess besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Dieses Feld stellt keinen geschlossenen Bereich dar, sondern wird von Vertretern aller oben erwähnten Bereiche sowie zusätzlich des Marketings erforscht. Betrachtet man speziell die Kundeneinbindung in die frühen Phasen des Innovationsprozesses, so kann festgestellt werden, dass bisherige Untersuchungen zu dieser Thematik erhebliche Defizite aufweisen. Ziel dieser Forschungsarbeit ist es, diese Defizite zu thematisieren und für ausgewählte Fragestellungen zu ihrer Überwindung beizutragen. So behandeln die meisten Arbeiten das Thema der Kundeneinbindung im grösseren Blickwinkel der Kunden- bzw. Marktorientierung. Dabei ist eine starke Dominanz der Marketingperspektive festzustellen. Es werden Ansätze behandelt, welche über die Kanäle der Marketingorganisation ein noch besseres Verständnis der Kundenwünsche und -bedürfnisse ermöglichen sollen, um danach die Entwicklung neuer Produkte entsprechend ausrichten zu können. Mit diesem Hintergrund wird auch die Schnittstelle zwischen F&E-Abteilung und Marketing behandelt, jedoch in den meisten Fällen, ohne auf einen direkten Kontakt zwischen Kunden und F&EMitarbeitern des Herstellers einzugehen. Betrachtet man die Arbeiten zur Neuproduktentwicklung, so ist ein Fokus auf den firmeninternen Entwicklungsprozess festzustellen. Es existiert eine Vielzahl an verschiedenen Einteilungen in einzelne Phasen, wobei die Einbindung Externer im Verlaufe der Entwicklung bisher vernachlässigt worden ist. Dies gilt im Besonderen für die frühen Phasen des Innovationsprozesses, wo die Thematik einer über die klassische Marktorientierung hinausgehenden Öffnung gegenüber firmenfremden Partnern – mit Ausnahme der Arbeiten von Hippels – erst in den letzten Jahren stärkeren Eingang in die Managementforschung gefunden hat. Einige Beiträge der Innovationsliteratur konzentrieren sich auf das Ergebnis der Einbindung Externer in den Entwicklungsprozess. Dabei werden Erfolgsfaktoren der Integration von Kunden untersucht, welche zu besseren bzw. innovativeren Produkten führen sollen. Die bestehenden Arbeiten betrachten aber weder die einzelnen Gestaltungselemente noch das Management der Kundeneinbindung. Sie fokussieren meistens auch auf keine spezielle Phase der Neuproduktentwicklung und gehen nicht auf die Besonderheiten der Frühphase ein, welche zwar in ihrer Bedeutung für den Innovationserfolg unbestritten ist, oft aber nicht für die Kundenintegration empfohlen wird. ZUSAMMENFASSUNG 41 Zahlreiche Beiträge behandeln einzelne Methoden der Kundeneinbindung und beschreiben deren Durchführung, Erfolgsfaktoren und Beschränkungen, ohne aber zwischen verschiedenen Industrien und Anwendungen zu unterscheiden. In einer ähnlichen Weise wie bei den ergebnisorientierten Arbeiten fehlen auch hier zumeist Betrachtungen der Managementaspekte der Kundenintegration. Als Grundlage der empirischen Untersuchung der vorliegenden Arbeit wurden aus den relevanten Literaturströmen die wichtigsten strategischen Grundlagen erfolgreicher Kundeneinbindung ermittelt, welche in Abbildung 7 zusammengefasst sind. 42 STAND DER FORSCHUNG Herstellerinterne Grundlagen ¾ Übereinstimmung mit Strategie ¾ Verstehen der Bedürfnisse ¾ Schnittstelle F&E/Marketing ¾ Organisatorischer Lernprozess Kundenbezogene Grundlagen ¾ Relative Grösse ¾ Finanzielle Attraktivität ¾ Ruf ¾ Wissen und Fähigkeiten ¾ Motivation ¾ Vergangene Erfahrungen Grundlagen des Integrationsprozesses ¾ Kompatibilität der Kulturen ¾ Entwicklung klarer Ziele ¾ Passende Strukturen ¾ Form der Einbindung ¾ Beziehungsvariablen ¾ Kommunikation ¾ Räumliche Dimension ¾ Controlling und Auditing Abbildung 7: Strategische Grundlagen der Kundenintegration Eine nähere Untersuchung der in der Praxis auftretenden Ausprägungen der Kundenintegration in die frühe Innovationsphase, der jeweiligen Voraussetzungen sowie des Managements der Integration wurden in den bisherigen Untersuchungen bislang allerdings vernachlässigt, obwohl eine zunehmende Anzahl an Unternehmen eine derartige Öffnung des Innovationsprozesses bereits vollzogen hat oder im Begriff steht, sie zu realisieren. Darüber hinaus werden theoretisch fundierte Handlungsempfehlungen für das Management vermisst. Da empirische Untersuchungen zum Management der Kundeneinbindung in der Innovationsfrühphase bislang fehlen, existiert auch noch kein umfassendes Gestaltungsmodell. Zusammenfassend kann man also umfangreiche Defizite auf dem Gebiet der frühen Kundeneinbindung mit Fokus auf spezielle Industrien, beispielsweise die Investiti- ZUSAMMENFASSUNG 43 onsgüterbranche, feststellen. Da gerade diese Fragestellungen durch die in der heutigen Zeit notwendige Öffnung des Innovationsprozesses hohe Relevanz aufweisen, versucht diese Arbeit, diese Defizite aufzugreifen und mittels eigener Ansätze in gewissen Bereichen zu überwinden. Dazu wird das effektive und effiziente Management früher Kundenintegration näher betrachtet. Dabei wird ein spezieller Fokus auf die Ziele gelegt, welche der Hersteller mit der Kundenintegration verfolgt sowie auf die daraus folgenden Kundenbeiträge und -rollen. Darauf aufbauend werden relevante Gestaltungsfaktoren für die Organisation und das Management der frühen und aktiven Kundenintegration identifiziert und ein konzeptionelles Managementmodell als Grundlage konkreter Gestaltungsempfehlungen erstellt. Im nächsten Kapitel werden zunächst vier explorative Fallstudien erfolgreicher früher Kundenintegration behandelt, welche sowohl die Relevanz der Fragestellungen aufzeigen als auch die Ableitung erfolgreicher Lösungsansätze ermöglichen. 44 3 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Fallstudien der frühen Kundenintegration Der qualitative Forschungsansatz dieser Arbeit ermöglicht Einblicke in das Phänomen der frühen Kundenintegration sowie den Aufbau eines tiefer gehenden Verständnisses derselben. Dazu werden vier Fallstudien beschrieben und analysiert. Beginnend mit einer Aufstellung der für die Auswahl relevanten Gemeinsamkeiten werden im Folgenden die einzelnen Fälle anhand eines Analyserasters dargestellt und hinsichtlich relevanter Grundlage der frühen Kundenintegration ausgewertet. Ein abschliessender detaillierter Fallstudienvergleich ermöglicht dann die Aufstellung von Determinanten und Gestaltungsfeldern. Daneben werden auch Hinweise auf die konkreten Ausprägungen dieser Felder für erfolgreiche frühe Kundenintegration gewonnen. Diese Erkenntnisse bilden die Basis für die vertiefenden Betrachtungen der folgenden Abschnitte sowie die Herleitung der Gestaltungsempfehlungen. 3.1 Gemeinsamkeiten und Auswahlkriterien Die Auswahl der Fallstudien erfolgte mit der Intention, Erkenntnisse über das erfolgreiche Management der Kundenintegration in die frühen Innovationsphasen zu gewinnen. Dabei lag das Hauptaugenmerk neben der prinzipiellen Vergleichbarkeit der jeweiligen Innovationsprozesse und einer hohen Innovationsfähigkeit auf der erfolgreichen Integration von Kunden in die Innovationsfrühphase. Die grundsätzliche Vergleichbarkeit der ausgewählten Kundenintegrationsprozesse kann auf Basis der folgenden Gemeinsamkeiten angenommen werden. Zunächst wurden alle vier Unternehmen aus einem einheitlichen europäischen Kulturkreis ausgewählt, gemäss der Annahme, dass die Firmenkultur bzw. der Kulturkreis der betrachteten Einheit die Zusammenarbeit mit den Kunden mitbestimmt. Grundsätzliche Unterschiede zwischen westlicher und fernöstlicher Managementpraxis konnten so ausgeklammert werden. Alle betrachteten Firmen haben ihren Firmensitz in Deutschland, Österreich oder Liechtenstein und damit im deutschsprachigen Raum. Ausserdem sind alle ausgewählten Unternehmen Innovationsführer in ihren Märkten bzw. Marktsegmenten und unternehmen grosse Anstrengungen, diese Position auch in Zukunft zu halten. Eine derartige Innovationsführerstrategie unterscheidet sich wesentlich von der Strategie eines „Followers“. So orientiert sich Letztere vor allem am Wettbewerb, während Erstere verstärkt innovative Kunden als eine wesentliche Innovationsquelle betrachtet (z. B. Specht, Zörgiebel 1985; Schewe 2005). Darüber hinaus werden im Branchenschnitt überdurchschnittlich hohe Umsatzanteile für die F&E-Aktivitäten aufgewendet. Bezüglich der Branchen erfolgte eine Fo- GEMEINSAMKEITEN UND AUSWAHLKRITERIEN 45 kussierung auf Maschinenbau, Chemie und Elektrotechnik, die hinsichtlich der Phasen, Dauer und Produktcharakteristika der F&E- und Innovationsprozesse vergleichbar sind. Ein wesentliches Selektionskriterium war die Tätigkeit in B-2-BMärkten. Dies bedeutet, dass die integrierten Kunden in allen Fällen ebenfalls Unternehmen und keine Privatpersonen bzw. Konsumenten sind. Ein wesentliches Charakteristikum dieser Märkte ist der Umstand, dass die meisten wesentlichen Einkaufsentscheidungen über professionelle „Buying Center“ des Kunden abgewickelt werden (vgl. z. B. Backhaus 2003). Die Erstellung und Analyse der Fallstudien erfolgte primär aus Sicht der F&EAbteilung. Als Ansprechpartner wurden daher Chief Technology Officer (CTO), F&E-Manager, Ingenieure oder Leiter spezieller Kundeneinbindungsgruppen auf Seite des Produktmanagements ausgewählt. Struktur der Datenerhebung und Falldarstellung Zur Erhebung der Daten und der ersten Analyse der Einzelfälle wurde ein Raster erstellt, welches Elemente aus zweierlei Quellen enthält. Zunächst wurden die ersten explorativen Interviews dazu verwendet, Themenblöcke zu bilden, welche zur Beschreibung des Phänomens der frühen Kundenintegration geeignet erscheinen. Zusätzlich fanden erste Erkenntnisse und grundsätzliche Aussagen aus der Aufarbeitung der relevanten Literatur Anwendung, um innerhalb der einzelnen Blöcke tiefer gehende Themenfelder hinterfragen zu können. Schliesslich wurden noch, aus Gründen der Einordnung und prinzipiellen Vergleichbarkeit, allgemeine Grunddaten der Unternehmen, beispielsweise die Grösse der F&E-Abteilung oder die F&E-Intensität, erhoben. Eine detailliertere, vergleichende Analyse der Fallstudien anhand einzelner in der Literatur identifizierter strategischer Grundlagen erfolgt in Abschnitt 4.1.1. Das aus diesen Elementen gebildete Raster besteht prinzipiell aus zwei Blöcken (vgl. Abb. 8): Der erste übergeordnete Teil beschäftigt sich mit den Fragestellungen, warum es überhaupt zu frühen Kundenintegrationen kommt und in welches Umfeld diese eingebettet sind. Diese Betrachtungen entspringen prinzipiellen strategischen Überlegungen und werden unter dem Begriff Rahmenbedingungen zusammengefasst. Der zweite Block geht tiefer ins Detail und behandelt die Fragen, wen die Hersteller zur Integration als Partner auswählen sowie wie die Integration ausgestaltet und geführt wird. Dazu wird unter der Bezeichnung Organisation und Ablauf der frühen Kundenintegration eine operative Betrachtungsperspektive eingenommen. Diese grundsätzli- 46 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION che Zweiteilung entspricht im Wesentlichen einer Unterteilung in Makro- und Mikroebene (vgl. Enkel 2003). Rahmenbedingungen ¾ Organisatorisches Umfeld ¾ Externes Umfeld - Marktsituation - Technologiedynamik ¾ Herstellerinterne Grundlagen - Ergebniserwartung - Ziele (warum?) ¾ Innovationsprozess Organisation und Ablauf ¾ Kundenbezogene Grundlagen - Kundencharakteristika - Kundenauswahl (wen?) ¾ Ablauf (wie?) - Grundlagen der Interaktion - Methoden ¾ Management Abbildung 8: Datenerhebungs- und Analyseraster Die Erhebung der Daten erfolgte in mehreren Durchgängen mittels zweier, auf diesem Raster basierenden Fragebögen. Für die nun folgende ausführliche Darstellung der einzelnen Fälle9 wird eine daraus abgeleitete, vereinfachte Struktur gewählt: ¾ Rahmenbedingungen ¾ Innovationsprozess ¾ Kundenintegration 9 Die Aussagen dieses Kapitels basieren auf Interviews bei Bayer MaterialScience, EADS Astrium, Hilti Diamond Systems und Zumtobel Staff. BAYER MATERIALSCIENCE 3.2 Bayer MaterialScience 3.2.1 Rahmenbedingungen 47 Bayer wurde im Jahre 1863, zunächst als Betrieb zur Herstellung von synthetischen Farbstoffen gegründet und hat sich zu einem Weltkonzern der pharmazeutischen und chemischen Industrie entwickelt. Umstrukturierungen führten im Jahre 2002 zur Schaffung einer strategischen Managementholding bestehend aus vier Divisionen – Health Care, CropScience, Polymers und Chemicals – sowie drei zentralen Serviceabteilungen. Mit rund 24.000 Mitarbeitern erzielte die in dieser Arbeit näher betrachtete Polymer Division im Jahr 2001 einen Umsatz von 10,8 Mrd. EUR an 120 Standorten weltweit. Im Jahr 2003 wurde diese Division in Bayer MaterialScience AG (im Folgenden Bayer MaterialScience) umgewandelt. Ihre Struktur weist drei regionale Säulen auf – Amerika (Nord-, Süd- und Lateinamerika), Asien und Europa/Naher Osten/Afrika –, die ihrerseits in Marketing, Service und Geschäftsentwicklung aufgeteilt sind. Auf einer übergreifenden globalen Ebene agieren Polymer Technologie, Global Operations, Polymer Innovation und klassische Stabsfunktionen wie die Personalabteilung. Die generelle Philosophie der regionalen Organisationen ist die eines „One lead to the customer“, basierend auf den vier organisatorischen Hauptsäulen Leistungsmaterialien („Performance Materials“), Leistungssysteme („Performance Systems“), Polymerlösungen und Vertrieb. Die Anforderungen des Kunden werden als leitendes Prinzip dieser operativen Einheiten verstanden. Auch die regionalen Service Center – als Instrument des persönlichen Kontakts mit dem Kunden – und die Geschäftsentwicklungsgruppen sind eindeutig auf den Kunden fokussiert. Die folgenden Ausführungen beziehen sich, innerhalb der Bayer MaterialScience, auf die Organisationseinheit Creative Center, welches die Untersuchung von zukünftigen Wachstumsmärkten vor allem durch intensive Interaktion mit Kunden bewerkstelligt. Organisatorisches Umfeld Die Abteilung New Business der Bayer MaterialScience besteht aus den Segmenten „New Technologies“, „Creative Center“, „Industry Innovation“ und „Universities & Associations“. Letzteres Segment koordiniert Forschungsnetzwerke global und scoutet internationale Förderprojekte. Während das Segment New Technologies sich auf wissenschaftliches Polymerwissen und diesbezügliche Kontakte vor allem mit Instituten und Universitäten fokussiert, konzentriert sich das Segment Creative Center auf die Marktseite und ist deshalb für diese Arbeit von besonderem Interes- 48 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION se. In einem Radarsystem und mittels Szenarien versucht es, Aussagen für die zukünftige Entwicklung und neue Anwendungen der nächsten 15–20 Jahre vorauszusagen: Was ändert sich? Was sind die treibenden Kräfte? Was wird angetrieben? Welche neuen Anwendungen können das aktuelle Portfolio erweitern? Das Creative Center verfolgt klare Anwendungsideen und pflegt vor allem die Zusammenarbeit mit den bestehenden und zukünftigen Kunden, sodass ca. 80 % der externen Kontakte mit diesen erfolgen. Das Creative Center fokussiert innerhalb der New Business Organisation auf den Beginn des Innovationsprozesses, indem es sich auf die Identifikation und den Start von Zukunftsprojekten ausrichtet. Zukunftsprojekte bestehen aus einer Kombination von neuen Technologien mit neuen Märkten. Dagegen konzentriert sich das Segment Industry Innovation auf branchenspezifisches Know-how und professionelles Projektmanagement für erste Serienanwendungen. Es arbeitet parallel zum Creative Center an neuen Materialentwicklungen und Herstellungsprozessen. Abbildung 9 gibt einen Überblick über die in den Innovationsprozess von Bayer MaterialScience involvierten Segmente und deren primäre Tätigkeitsfelder. neu New Technologies Industry Innovation Produkt Creative Center Business Units bekannt Markt neu Abbildung 9: Organisationseinheiten des Innovationsprozesses der Bayer MaterialScience BAYER MATERIALSCIENCE 49 Externes Umfeld Als industriell gefertigte Standardprodukte unterliegen Polymere und Polymerprodukte dem harten Preis- und Verdrängungswettbewerb eines Massenmarkts. Nur durch neue Anwendungsfelder bzw. technologische Verbesserungen (z. B. industrielle Herstellung von leitfähigen Polymeren) gelingt es, sich gegenüber der Konkurrenz zu differenzieren. So werden neben der gezielten Suche nach neuen chemischen Lösungen auch immer wieder neue Konzepte in neuen Produkt- und Marktfeldern eingeführt. Ein aktuelles Beispiel einer radikalen Innovation ist die Auskleidung einer Taschenlinie des renommierten deutschen Herstellers Bree mit leuchtenden Folien der Bayer MaterialScience. Als Rohstoffhersteller steht Bayer MaterialScience im Wettbewerb mit anderen globalen Chemiekonzernen, wie u. a. BASF oder GE Plastics. Die Firma liefert ihre Produkte an die weiterverarbeitende Industrie und steht damit am Anfang der Wertschöpfungskette, welche sich von Bayer aufwärts über untergeordnete Zulieferer hin zu Tier 1 Zulieferern und schliesslich den OEMs erstreckt. Nimmt man als Beispiel die Realisierung der Vision eines Formteils mit Elektrolumineszenz, so stellt sich diese Kette wie folgt dar: Auf Bayer als Rohstofflieferanten folgen Zulieferer der Stufen Tier 2–3 (z. B. Lumitec AG) sowie Tier 1 (z. B. Johnson). Der OEM (z. B. DaimlerChrysler) fertigt dann aus den zugelieferten Modulen das eigentliche Produkt für den Konsumenten. Lumitec wurde als Kooperationspartner gesucht, um gemeinsam die erforderlichen Technologien für leuchtende Polymerfolien zu entwickeln. Als nachgelagertes Glied in der Wertschöpfungskette fungiert Lumitec in diesem Fall sowohl als Technologiezulieferer als auch als Kunde (Bezug von Rohstoffen von Bayer). Typischerweise werden aber die OEMs, beispielsweise deutsche Automobilhersteller, in den Innovationsprozess integriert. In den folgenden Ausführungen ist daher, falls nicht anders erwähnt, immer von den OEMs als Kunden die Rede. Prinzipiell sind für Bayer auch alternative Businessmodelle denkbar, beispielsweise eine Vorwärtsintegration in der oben beschriebenen Wertschöpfungskette. Zum jetzigen Zeitpunkt konzentriert sich Bayer MaterialScience aber ausschliesslich auf den chemischen Teil der Produkte und überlässt Firmen wie Lumitec die Verarbeitung und das Handling der Halbzeuge im Rahmen der Weiterverarbeitungsprozesse ihrer Rohstoffe. 3.2.2 Innovationsprozess Die Frühphase des Innovationsprozesses bei Bayer MaterialScience wird nun überblicksmässig anhand der wichtigsten Schritte beschrieben. Eine detaillierte Be- 50 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION trachtung speziell unter dem Aspekt der Kundenintegration erfolgt im Abschnitt 3.2.3.10 Der eigentliche Innovationsprozess des Creative Centers der Bayer MaterialScience wurde anhand von sieben im Idealfall hintereinander ablaufenden Prozessschritten definiert und wird im Folgenden auch prozessual beschrieben (vgl. Abb. 10). Jedoch können diese Segmente auch in jeder beliebigen Konstellation durchlaufen werden – d. h. sowohl nur einzelne Schritte alleine (eventuell sogar nur ein einzelner Schritt) als auch alle Schritte in beliebiger Reihenfolge ablaufen. Am Anfang steht die Identifizierung von Gelegenheiten, Ideen und Trends. In dieser Sammlungsphase werden verschiedene hauptsächlich externe Quellen genutzt. Darauf aufbauend erfolgt im nächsten Schritt die Entwicklung von Szenarien. Relevante Informationen werden zu Trends zusammengefasst und zu kompletten Szenarien weiterentwickelt. Der nächste Schritt beinhaltet einerseits die Aufstellung von Roadmaps als Weg zu den jeweiligen Szenarien sowie andererseits deren Reflexion im Markt. Dabei werden die ursprünglich aufgestellten Szenarien überprüft und angereichert. Die nächsten drei Schritte verkörpern die eigentliche Ideengenerierung. Diese ist in einen Generierungsschritt mit speziellen Workshops mit Kunden, eine bayer-interne Bewertung sowie eine Diskussion mit externer Beteiligung unterteilt. Am Ende stehen Ideen, welche inhaltlich zu den aufgestellten Roadmaps passen und unter starker aktiver Beteiligung der Kunden entwickelt wurden. Das Ergebnis der Tätigkeit des Creative Centers ist ein Prototyp (Demonstrator) oder ein Modell einer neuen Anwendung, welche – als letzter Schritt dieser Innovationsfrühphase – gemeinsam mit einer Machbarkeitsstudie (in Form einer so genannten „Balanced Innovation Card“) an das Segment Industry Innovation übergeben werden. Es folgt die weitere Entwicklung, welche mit der Eröffnung eines klassischen Entwicklungsprojektes mit hohem Strukturierungsgrad, vorgegebene Meilensteinen und einem mittel- bis kurzfristigen Zeithorizont (Time-to-Market) beginnt. 10 Diese grundsätzliche Struktur wird auch bei den folgenden drei Fallstudien verwendet. BAYER MATERIALSCIENCE 51 Früher Innovationsprozess InputSammlung Szenarienevolution Konzeptphase Ideenphase Gelegenheitsphase Szenarienreflexion Ideengenerierung Ideenbewertung Ideendiskussion Machbarkeitscheck Abbildung 10: Frühphase des Innovationsprozesses der Bayer MaterialScience 3.2.3 Kundenintegration Grundlagen Die Geschäftsstrategie der Bayer MaterialScience befürwortet eindeutig das marktbezogene Arbeiten. Die Positionierung des Creative Centers mit dem speziellen Auftrag, die Marktseite und damit die Kunden aktiv zu integrieren, ist die deutlichste Manifestation dieses Gedankens. Im Hintergrund steht eine Strategie der Bayer Holding, welche bestimmte Wachstumsplattformen definiert (z. B. intelligente Materialien oder Biotechnologie). Das Creative Center ist Treiber bei der Umsetzung dieser strategischen Ziele. Wie oben dargestellt, fokussiert dabei innerhalb der Abteilung New Business das Creative Center auf den Markt und das Segment New Technologies auf die Technologie- bzw. Produktseite. Die Bayer MaterialScience versucht diese Idee der Marktöffnung nach aussen auch über firmeneigene Publikationen und Vorträge zu verbreiten. Die Sicherstellung einer offenen Atmosphäre gegenüber externen Anregungen kann aber letzten Endes nur durch das Topmanagement erfolgen. Dies geschieht beispielsweise durch Mitglieder des Vorstandes im Rahmen von sozialen Events (z. B. der Weihnachtsfeier) oder öffentlichen Auftritten. Weiterer Ausdruck der durchgängigen innovationsfreundlichen Kultur sind beispielsweise die Unternehmensleitfäden. Unter dem Motto „Science for a better life“ werden dort die Werte des Unternehmens mit einem speziellen Fokus auf dessen Innovationsfähigkeit beschrieben. Das Creative Center ist bestrebt, auch andere interne Gruppen früh in seine Thematik einzubinden und dadurch eine Innovationscommunity aufzubauen. Die Motivation zur Teilnahme an diesem Netzwerk hängt dabei entscheidend von der erfolg- 52 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION reichen Kommunikation von Erfolgsstorys ab (z. B. durch das Topmanagement). Letzten Endes wird der Erfolg eines derartigen Communitymodells aber von den beteiligten Personen bestimmt, welche geeignete Persönlichkeitsmerkmale aufweisen müssen. Eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielt die offene Kommunikation bei der eigentlichen Kernaktivität, nämlich dem Kontakt nach aussen vor allem zu den Kunden. Zur Sicherstellung einer offenen Grundhaltung aufseiten ihrer Partner, legt die Bayer MaterialScience bereitwillig ihre Szenarien und Roadmaps am Beginn der Diskussionen mit den Kunden offen. Der Leiter des Creative Centers bezeichnet dieses Vorgehen als „in Vorleistung gehen“ und sieht darin einen wesentlichen Schritt zum Aufbau einer Vertrauensbasis, welche für einen fruchtbaren Austausch unbedingt notwendig ist. Ohne grosse Vertraulichkeitsvereinbarungen muss es gelingen, durch gegenseitiges Vertrauen eine offene Atmosphäre zu schaffen. Dabei bilden sich wiederum Communities, welche intensiv Informationen innerhalb ihrer Grenzen austauschen. Die Vorteile der Teilnahme an diesem Austausch stellen einen Anreiz für potenzielle Partner dar, ebenfalls gemeinsame Integrationsaktivitäten mit dem Creative Center durchzuführen. („Wer nicht teilnimmt, bekommt keine weiteren Infos“). Organisation Das Creative Center versteht sich als Think Tank der Bayer MaterialScience und möchte die „Zukunft erkennen, begleiten und gestalten“. Ziel des interdisziplinären Teams ist es, mit neuen profitablen Produkten für verschiedenste Branchen Marktwachstum für Bayer MaterialScience zu generieren. Durch eine Erweiterung des Blickwinkels, über die reinen Disziplinen Chemie, Physik und Ingenieurswesen hinaus, verbunden mit Produkt- und Markterfahrung werden neue Lösungen kreiert. Konkret setzt sich das Center aus vier Spezialisten, so genannten Markt Scouts, einem Leiter und einer Assistentin zusammen. Jeder Markt Scout bearbeitet eines der folgenden speziellen Aufgabengebiete (intern „Flagship Programs“ genannt): Energy Management, Interface Man/Machine, Optics & Light und New Data Storage. Einer von ihnen deckt zusätzlich die gesamte Bandbreite der Polymere ab. Die Flagship Programs passen, im Sinne einer strategischen Verankerung, zu den von der Bayer Holding definierten Growth Platforms wie Sustainability (auf der Ebene des Creative Centers ist das korrespondierende Element das Energy Management). Wesentliche Ansätze mit denen das Creative Center arbeitet, sind die Nutzung geeigneter Netzwerke, die systematische Zukunftsanalyse durch Szenariotechnik und Methoden zur Generierung neuer Polymeranwendungen. Neben der Verwendung BAYER MATERIALSCIENCE 53 traditioneller Methoden wie TRIZ und Szenariotechnik, versucht das Creative Center auch neue Methoden zu entwickeln. Eine Herangehensweise um dies zu erreichen, ist der Aufbau eines externen Netzwerks, welches auf der intensiven Kooperation mit bis zu zehn Studenten pro Jahr basiert. Diese Zusammenarbeit führt zur Abfassung von wissenschaftlichen Arbeiten und stellt sicher, dass das Creative Center auf dem neuesten Stand der Forschung und Methodik bleibt. Innerhalb Bayers entwickelt das Creative Center ein Netzwerk, welches die Produktexpertise sowie Markt- und Branchenerfahrung der zahlreichen Materialspezialisten für Thermoplaste, Polyurethane, Klebstoffe und Lackrohstoffe nutzt. Extern wird der Kontakt zu anderen Think Tanks gesucht, um Anregungen und Wertungen zu Trends und Marktimpulsen aus verschiedensten Blickwinkeln zu bekommen. Das Creative Center steht in engem Kontakt mit Zukunftsforschern, Designern, Demographen, wissenschaftlichen Instituten, Trendsettern und den Entwicklungsabteilungen der Kunden. Die Schnittstelle zum Marketing ist dadurch gegeben, dass sich das Creative Center als Service für die Marketingabteilung versteht. So ist das Key Account Management bzw. das Aussendienstpersonal immer informiert und eingebunden, wenn es zu Kundenkontakten kommt. Teilweise agieren diese Funktionen auch als „Türöffner“ oder nehmen direkt als Coaches an Treffen und Workshops zwischen Vertretern des Creative Centers und der Kunden teil. Da das Creative Center von einem multidisziplinären Team gebildet wird, müssen sich die Mitglieder über die jeweilige Fachsprache hinausgehend verstehen können. Das Erfolgsrezept lautet, dass man nur dann zu ganzheitlichen Lösungen kommen kann, wenn sich alle miteinander austauschen. Wesentlich für den Erfolg ist auch die Bereitschaft, verschiedenartiges Wissen einzubringen und aufzunehmen sowie eine offene Diskussionskultur. Das Not-Invented-Here-Syndrom wird durch eine grundsätzliche Offenheit, frühes aktives Herangehen an betroffene Personen und eine möglichst tiefe Einbindung derselben in Schranken gehalten. Kundenauswahl Die für die Auswahl der Kunden relevanten Charakteristika sind zunächst das Wissen und die Kompetenzen derselben. Es ist entscheidend, unterschiedliches Wissen von verschiedenen Stellen abzugreifen. Daher werden, wenn Vertreter einer einzelnen Firma alleine die gewünschten Kompetenzen nicht aufweisen, Experten von verschiedenen Firmen zu einem Workshop eingeladen. Dabei spielt die jeweilige Fachkompetenz der Kunden die wesentliche Rolle. Ein weiteres Kriterium für die Kundenauswahl kann sich aus dessen Marktstellung ergeben, beispielsweise dann, 54 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION wenn Bayer MaterialScience in einen komplett neuen Markt einsteigen will (z. B. die Logistik). Es werden dann Partner ausgesucht, welche in ihrem Gebiet sehr gut, aber noch nicht Kunde von Bayer sind. Sie besitzen einen anderen Blickwinkel, andere Kompetenzen und Bedürfnisse als Bayer, da sie an einer anderen Position der Wertschöpfungskette sitzen. Dadurch erhält MaterialScience Einblick in die Zusammenhänge, Abläufe und Geschäftspotenziale möglicher neuer Marktsegmente. Der Ruf des Kunden spielt keine grosse Rolle, viel wichtiger sind persönliche Kontakte, da sie zur Motivation der Kunden beitragen können. Auch die Grösse des Kunden ist von untergeordneter Bedeutung. Ein hoher Innovationsgrad sowie ein Bezug zur Problematik (d. h. beispielsweise eher Auto- als Flugzeugindustrie) sind entscheidend. Allerdings ist eine gewisse Mindestgrösse im Hinblick auf spätere Produktionsmengen Voraussetzung. Kunden sind für das Creative Center dann wertvoll, wenn sie die „gleiche Sprache sprechen“. So sucht man beispielsweise bei Siemens nicht den Kontakt zu Serienentwicklern, sondern zu Forschern oder Marktforschern. Diese Konstellation lässt sich aber nicht immer realisieren, da es oft schwierig ist, diese Forscher zur Zusammenarbeit mit Bayer zu motivieren. Die Teilnehmer auf Kundenseite sind bei kleinen Kunden die Entwicklungsleiter, sonst prinzipiell hauptsächlich Vertreter der F&E (Ingenieure bzw. Entwickler). Einkäufer werden üblicherweise erst später (in den letzten beiden Schritten des frühen Innovationsprozesses) hinzugezogen. Die so beschriebenen Kunden werden bei Bayer intern als „visionäre Entrepreneurs“ bezeichnet. Die Kompatibilität der Firmenkulturen spielt im Rahmen der Festlegung gemeinsamer Ziele eine Rolle. So schliessen sich gewisse Firmen aus internen Gründen von vornherein aus. Angestrebt wird ein auf das Thema passender Rollenmix. In passenden Konstellationen wird dann an der Erzielung einer Win-Win-Situation gearbeitet. Die Rolle des Kunden wird diskutiert sowie seine Visionen – und damit seine Eignung – in Gesprächen abgeklärt. Ablauf Am typischen Beginn des Prozesses werden verschiedene Quellen genutzt, um Geschäftsgelegenheiten zu identifizieren oder Ideen zu entwickeln. Die wichtigsten davon sind Studien über zukünftige Szenarien (z. B. „Pictures of the Future“ von Siemens), neue Materialtechnologien, welche von New Technologies geliefert werden, sowie Besuche bei Messen und Konferenzen. Basierend auf dem Input dieser Informationsquellen besteht der nächste Schritt in einer Entwicklung von Szenarien. Mitglieder des Creative Centers sammeln alle Hinweise, schwachen Signale und Trendbausteine, welche sie als interessant für ihr jeweiliges Feld erachten und dis- BAYER MATERIALSCIENCE 55 kutieren diese mit den anderen Gruppenmitgliedern. Relevante Informationsteile werden dann zu Trends zusammengefasst und weiter angereichert, bis komplette Szenarien entstehen. Jeweils zwei Teammitglieder des Creative Centers werden anschliessend einem Teilszenario zugeteilt. Mithilfe der eigenen Experten werden Roadmaps aufgebaut, welche die Wege zu den Zukunftsbildern aus den Szenarien aufzeigen. Die Roadmaps sind also ihrem Namen entsprechend als Wege zum Erreichen der jeweiligen Szenarien zu verstehen. Die entwickelten Szenarien und Roadmaps werden im darauf folgenden Schritt „im Markt reflektiert“: In Diskussionen mit externen Partnern, vor allem Kunden und potenziellen Kunden, werden die Szenarien und Roadmaps von Bayer mit denen der Partner verglichen und abgestimmt. Zur Sicherstellung einer offenen Grundhaltung aufseiten der Partner, legt Bayer MaterialScience bereitwillig ihre Szenarien und Roadmaps am Beginn der Diskussionen mit den Kunden offen. In diesem frühen, oft präkompetitiven Stadium des Prozesses kann der Kunde über die mit Bayer abgestimmten Ergebnisse der Workshops frei verfügen und sie für seine Zwecke nutzen („damit zurück ins stille Kämmerlein gehen“). Sobald die Szenarien und Roadmaps ausserhalb von Bayer MaterialScience geprüft worden sind, werden im folgenden Schritt Ideen für die einzelnen Zukunftssituationen entwickelt. Dabei ist zu beachten, dass zwischen den beiden Schritten Szenarioreflexion und Ideengenerierung noch ein komplizierter Prozess mit bis zu neun Zwischenschritten liegt, welche aber je nach Situation verschieden stark ausgeprägt sind. Auch die Ideengenerierung geschieht nicht ausschliesslich intern, sondern unter Einbezug von Externen. Sobald Szenarien als interessant und relevant identifiziert worden sind, werden mögliche Partner selektiert („Mit wem würden wir das gerne machen?“) und kontaktiert. Dabei wird ein Kreis von Experten etabliert. Der eigentliche Workshop findet dann in einem Hotel statt und bringt insgesamt 10 bis 15 Teilnehmer zusammen, von denen nur etwa drei von Bayer kommen. Dabei werden zunächst vor allem zwei Fragen mit den Kunden abgeglichen, nämlich ob (1) das Thema in dem Szenario prinzipiell richtig ist und (2) die angenommene zeitliche Positionierung stimmt. Das Ergebnis dieser Workshops sind dann neue Ideen für Applikationen, inhaltlich passend zur jeweiligen Roadmap. Bayer ist sehr bemüht, alle internen Informationen, welche zum besseren Verständnis des jeweiligen Szenarios beitragen, den externen Partnern drei Wochen im Voraus zur Verfügung zu stellen, um eine offene Atmosphäre sicherzustellen, alle auf den gleichen Wissensstand zu bringen und Zeit zu sparen. Dadurch gelingt die Vermeidung der typischen ersten Phase jeder Brainstormingsitzung, in welcher eine grosse Anzahl an Ideen minderer Qualität produziert werden (z. B. schon bekannte Einfälle). Das Team des Creative Centers entscheidet dann in internen Diskussionen, ob eine Idee 56 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION (als Ergebnis der Workshops) wert ist, detaillierter betrachtet zu werden oder nicht. Falls ein Einfall als wichtig erachtet wird, wird dieser von einer bayer-internen Creative Community bewertet. Dieses Bewertungsnetzwerk wurde erst vor kurzem eingerichtet. Es besteht aus ca. 30 Personen – wobei rund die Hälfte davon aus der Business Development Abteilung kommt – und erfüllt primär eine multiplikative Funktion. Alle Mitglieder sind aufgefordert, die Themen und Projekte an denen die Community arbeitet, in ihren jeweiligen Abteilungen zu kommunizieren und die Expertenmeinungen von dort widerzuspiegeln. Die Bewertung erfolgt unter Verwendung eines Ideenbewertungsblattes. Dieses wird dabei sequenziell von allen Communitymitgliedern parallel nach dem Schulnotenprinzip (von 1 bis 10) ausgefüllt. Zusätzlich enthält das Formular Felder für ergänzende Bemerkungen, welche ausgefüllt werden können, um die Benotung zu erklären oder nach mehr Details zu fragen. Die Bewertungskriterien sind der Kundennutzen, der Nutzen für Bayer, die strategische Übereinstimmung und der zu erwartende Aufwand. Nach Abschluss der Bewertungsrunde erhalten die Ideenlieferanten der hoch bewerteten Ideen Feedback. In Einzelfällen kann es auch vorkommen, dass der Ideengeber eingeladen wird, an der Weiterentwicklung seiner Idee zu partizipieren. Hoch bewertete Ideen werden mit Lead-Usern und Trendsettern diskutiert, was eine weitere Abstimmungsrunde mit der Nachfrageseite darstellt. Es folgt also die Einholung von Feedback des Marktes und/oder der entsprechenden Branchengruppe bei Industry Innovation durch das Creative Center. Nach Berücksichtigung dieses Marktfeedbacks und der eventuell notwendigen Anpassung kommt es im nächsten Schritt für die verbleibenden, angereicherten Ideen zur Erstellung von Machbarkeitsstudien („Feasibility Studies“) als Teil eines umfassenden Paketes, welches „Balanced Innovation Card“ genannt wird. Für die rund 30 Themen, welche an dieser Stelle des Prozesses parallel bearbeitet werden, gilt es vom Creative Center gemeinsam mit der Community nun mehrere Schritte zu tun. Diese reichen von der Funktionsanalyse bis zum abschliessenden „Tree of Needs“ (Polymerbeschreibung). Die Feasibility Study ist dabei nur ein Output. Als Endergebnis erstellt das Creative Center die Balanced Innovation Card in Form eines Kataloges und übergibt diese an das Industry Innovation Segment. Industry Innovation eröffnet mithilfe dieser Angaben ein Projekt, welches dann einen klar definierten Projektmanagementprozess durchläuft. Der reale frühe Innovationsprozess des Creative Centers muss nicht notwendigerweise sämtliche Abschnitte enthalten. Es können beispielsweise ganz Schritte fehlen und nur die Schritte 1, 4 und 7 enthalten sein. So ging beispielsweise für das aktuelle Projekt „Future Living“ die Szenarienreflexion gleich in die Szenarienevolution gemeinsam mit den Kunden über. Ausserdem können oft auch andere Punkte BAYER MATERIALSCIENCE 57 als die gezielte Sammlung von Input als Einstieg dienen. Diese Flexibilität in der operativen Prozessdurchführung stellt einen wichtigen Erfolgsfaktor für die frühen Phasen des Innovationsmanagements dar. Management der frühen Kundenintegration Die Motivation der Kunden erfolgt prinzipiell durch die Schaffung einer Win-WinSituation. Es muss den Kunden also kommuniziert werden, dass sie von der Integration bei Bayer MaterialScience profitieren können. Dies kann durch exklusive Rechte auf die Verwendung des Ergebnisses erfolgen, aber auch durch nicht direkt greifbare Resultate. So werden die Kunden Mitglieder einer thematisch fokussierten Kommunikationsplattform und erhalten Einblicke in aktuelle Entwicklungen und Methoden. Oft reichen diese Faktoren aus, um einen Kundenvertreter zur Teilnahme an einer Veranstaltung zu motivieren. Folgeveranstaltungen erweisen sich dann aber in vielen Fällen als ungleich schwieriger zu besetzen. Letztendlich muss der Kundenvertreter Erfolge in der eigenen Firma vorweisen können, um dauerhaft an einer Zusammenarbeit interessiert zu sein. Beim Abgleich der Szenarien gemeinsam mit den Kunden profitieren alle Teilnehmer im gleichen Masse. Jeder Teilnehmer kann aus dem gemeinsam erarbeiteten Ergebnis einen Nutzen ziehen, da dieses durch den Einschluss der verschiedenen Blickwinkel und Ansätze meist hochwertiger ausfällt als die Ausgangsszenarien der einzelnen Teilnehmer. Die Protokolle und Roadmaps der Workshops werden exklusiv für die Teilnehmer auf einer gesicherten Internetplattform zur Verfügung gestellt. Bayer MaterialScience ist als Ergebnis der Kundenintegration sowohl an Markt- als auch an Technologiewissen interessiert. Aus der Diskussion der Szenarien wird zunächst die Identifikation von Marktpotenzialen erwartet. Ausserdem soll sie ein Monitoring des Marktumfeldes und damit eine Art Frühwarnsystem ermöglichen. Die Roadmaps sollen darüber hinaus einen Überblick über die zeitliche Entwicklung der identifizierten Marktchancen sowie relevanter Technologien geben. Dadurch wird eine Entscheidung bezüglich des weiteren Vorgehens (z. B. Kompetenzen selbst aufbauen oder nur beobachten) bzw. in weiterer Folge eine Priorisierung der Entwicklung ermöglicht. Für grössere Projekte (z. B. Future Living) wird die operative Durchführung der Kundenintegration an einen externen Berater ausgelagert. Dieser übernimmt auch die Rolle eines neutralen Coaches. Er fungiert gegenüber den eingebundenen Externen als Ansprechpartner und gibt den Rahmen sowie die Zielvorstellungen vor. Auch die Kontrolle des Integrationsprozesses läuft für grössere Projekte über diesen 58 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION externen Projektleiter. Er holt nach jedem Workshop Feedback aus dem Teilnehmerkreis ein und dokumentiert die Ergebnisse. Der schlussendliche Erfolg des Creative Centers und damit der Kundenintegration wird am Gesamtbild der Bayer MaterialScience gemessen. Bayer will neue Anwendungen bzw. spezifische Neuerungen auf der Polymerseite erreichen. Daher werden klassische Kundenbefragungen durchgeführt, ob dies auch gelingt und im Markt wahrgenommen wird. Über alle Kunden hinweg wird über die Marketingorganisation beispielsweise gefragt, wo die Stärken der Bayer AG liegen. Die übergeordnete Erfolgsmessung erfolgt also indirekt über die Bekanntheit spezieller Produkte und Innovationen. Daher spielt generell die Öffentlichkeitsarbeit (innerhalb und ausserhalb Bayers) eine wesentliche Rolle für das Creative Center. Artikel, in denen von Innovationsprojekten berichtet wird, sind ein wichtiges Instrument und werden nach der zu erwarteten Verbreitung und der Trefferquote beim Zielpublikum beurteilt. Neben diesen nach aussen gerichteten Erfolgskriterien wird auch die Zahl der übergebenen Projekte sowie die Schnelligkeit, in der sie abgewickelt wurden, herangezogen. Dazu werden interne Ziele gesetzt (z. B. Übergabe zweier Projekte pro Jahr in einem gewissen Fachbereich). Darüber hinaus werden die Ergebnisse der Szenarioprojekte kommuniziert und die Erkenntnisse für die einzelnen Business Units aufgearbeitet. Auch Berichte an den Vorstand, hausinterne Messen und sämtliche Möglichkeiten der positiven Mundpropaganda (z. B. „Leute, hört euch die klingende Wand an!“ aus dem Mund eines Vorstandes) werden genutzt, um die eigenen Erfolge darzustellen und zu kommunizieren. 3.2.4 Zusammenfassung Die Frühphase des Innovationsprozesses bei Bayer MaterialScience stellt ein sehr gutes Beispiel früher Kundenintegration dar. Während dreier von sieben Schritten besuchen Mitglieder des Creative Centers Kunden oder laden diese zu Brainstorming Workshops ein. Dadurch wird mehr als nur Koordination mit den tatsächlichen Marktanforderungen sichergestellt, nämlich eine aktive Einbindung der Kunden in die Entwicklung der Szenarien bzw. Ideen. Der Fall des Bayer MaterialScience Creative Centers zeigt, dass es möglich ist, einen Prozess zur Erfassung externen Inputs – mit speziellem Fokus auf Kunden – in der frühen Phase radikaler Innovationsprojekte zu institutionalisieren. Es zeigt sich allerdings, dass ohne ein überzeugtes Topmanagement, welches bereit ist, Ressourcen zur Verfügung zu stellen, kein vernünftiger Ansatz möglich ist. Prozessschritte müssen definiert, Methoden gefunden und entwickelt sowie interne und externe Netzwerke etabliert werden, bevor erste Resultate erzielt werden können. Ein wesentlicher BAYER MATERIALSCIENCE 59 Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Integration der Marktseite sind für das Creative Center die Expertenworkshops (wobei der Kunde als Experte bezeichnet wird), bei denen neben Kunden und Vertretern des Creative Centers auch Vertreter von New Technologies und Teilnehmer aus fremden Bereichen gemeinsam Szenarien und Roadmaps abgleichen. Dabei wird unter einem praktischen Blickwinkel im Sinne eines Benchmarks geprüft, ob die Sicht des Creative Centers richtig ist. Ebenfalls von entscheidender Bedeutung ist die Erkenntnis, dass man dem Kunden auch etwas bieten muss, nämlich die Chance, seinen Horizont zu erweitern. All dies kann nicht als zusätzliche Aufgabe zu einem regulären Job gemacht werden. Eine überzeugte Gruppe von Mitarbeitern muss gebildet und bestärkt werden, um diesen Prozess voranzutreiben. Nur dann kann man von einer wirklichen Berücksichtigung der viel zitierten Wichtigkeit von Innovationen für den Markterfolg eines Unternehmens sprechen. Abbildung 11 gibt einen Überblick der frühen Kundenintegration bei Bayer MaterialScience. 60 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Warum? Ziele ¾ Zum besseren Verständnis der Markttrends, Abschätzung der Technologieentwicklungen und zeitlichen Einordnung ¾ In weiterer Folge zur Schaffung innovativer Produkte in neuen Märkten und Marktsegmenten Wann? Phase ¾ In der Gelegenheitsphase zur Szenarienreflexion und Roadmaperstellung (für Technologie und Anwendung) ¾ Zur Ideengenerierung in der Ideenphase ¾ Zur Ideendiskussion in der Konzeptphase Wen? Kundencharakteristika ¾ Kunden (vor allem die Kunden der Kunden (OEMs)) und andere Partner werden eingebunden, wenn sie für die Bearbeitung der kommenden Trends die grösste Kompetenz und das grösste Interesse aufweisen ¾ Die wesentlichen Auswahlkriterien liegen in gemeinsamen Zielen, der passenden Kompetenz (Nutzen-Kompetenz-Verteilung) sowie der kulturellen Kompatibilität und damit dem Potenzial, eine Win-Win-Situation auf der Basis gegenseitigen Vertrauens aufzubauen Wie? Prozesscharakteristika ¾ Eigenes Segment Creative Center im Bereich New Business angesiedelt ¾ Operative Instrumente sind Workshops oder bilaterale Treffen, in denen nach Vorleistung von Bayer offen über zukünftige Entwicklungen in Form von Szenarien und Roadmaps diskutiert wird ¾ Diese Interaktionspunkte sind in einen mehrstufigen Innovationsprozess des Creative Centers eingebettet Besonderheiten ¾ Das Alleinstellungsmerkmal des zu integrierenden Partners ist entscheidend, nicht seine Grösse oder sein Potenzial als Kunde Abbildung 11: Übersicht der frühen Kundenintegration der Bayer MaterialScience EADS ASTRIUM 3.3 EADS Astrium 3.3.1 Rahmenbedingungen 61 Die European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) ist, als grösstes Luft- und Raumfahrtunternehmen in Europa und als drittgrösstes weltweit, in den Bereichen Zivil- und Militärluftfahrt, Raumfahrt, Verteidigungssysteme und Dienstleistungen tätig. Das Unternehmen entstand 2000 aus der Fusion der deutschen DaimlerChrysler Aerospace AG, der französischen Aerospatiale Matra und der spanischen CASA. Die Hauptaktionäre der börsennotierten EADS sind die DaimlerChrysler AG und die französische Holding Sogeade mit jeweils über 30 % des Aktienkapitals. Die spanische Staatsholding Sepi besitzt 5,5 %. Im Jahr 2002 erwirtschaftete EADS einen Umsatz von 29,9 Mrd. EUR. Davon wurden etwa 80 % auf dem zivilen und 20 % auf dem militärischen Markt erzielt. Das Unternehmen beschäftigt an mehr als 70 Produktionsstandorten über 100.000 Mitarbeiter, vor allem in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Spanien. Dazu kommen 35 Aussenbüros, welche weltweit Kontakt zu den Kunden halten. Die beiden Hauptsitze der EADS liegen für die Funktionen Strategie, Marketing und Recht in Paris (offizieller Firmensitz) sowie für Finanzen, Einkauf und Kommunikation in München. EADS ist in fünf Divisionen gegliedert: Airbus, Military Transport Aircraft, Aeronautics, Space sowie Defence and Civil Systems. Das Unternehmen zählt zu den Marktführern in der zivilen Luftfahrt, bei Verteidigungstechnologie, Hubschraubern, Raumfahrt, militärischen Transport- und Kampfflugzeugen sowie den dazugehörigen Dienstleistungen. Organisatorisches Umfeld EADS Astrium – Teil der EADS Space Division – versteht sich als „Systemhaus“ und ist einer der führenden Anbieter der Raumfahrtindustrie in Bereichen der zivilen und militärischen Telekommunikationssatelliten, der Erdbeobachtung sowie bei Wissenschafts- und Navigationsprogrammen. Astrium beschäftigt ca. 6.000 Mitarbeiter, verteilt auf die Länder Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Spanien, war bereits für über 60 Kommunikationssatelliten Hauptvertragspartner und ist grösster europäischer Anbieter für Wissenschafts- und Erdbeobachtungsmissionen. Im Jahre 2002 wurde ein Umsatz von ca. 2,2 Mrd. EUR erzielt. Dabei werden bei Astrium 70 bis 80 % des Umsatzes durch Forschung und Entwicklung generiert. 95 % dieser F&E-Aufträge ergeben sich durch Fremdaufträge der Kunden und nur 5 % sind Eigenmittel bzw. freie F&E-Mittel. Etwa 30 % des Umsatzes entfallen auf privatwirtschaftliche Projekte oder Kommunikationssatelliten für einzelne Staaten. 62 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Der grössere Umsatzanteil wird durch staatliche Projekte im Bereich der extraterrestrischen Forschung, der Erdbeobachtung und der satellitengestützten Navigation generiert. Diese Fallstudie bezieht sich auf den Standort Friedrichshafen mit ca. 800 Mitarbeitern und Kernkompetenzen in der Fertigung von Erdbeobachtungs- und Wissenschaftssatelliten sowie von Einzelkomponenten und wissenschaftlichen Instrumenten. Die F&E-Quote beträgt an eigenen Aufwendungen ca. 2 % (vor wenigen Jahren lag sie noch bei 6 %; die Reduktion wurde durch einen Einbruch des Telekommunikationsmarktes notwendig). Hauptziel der F&E-Aktivitäten ist es, Know-how aufzubauen und damit für den Kunden zu einem interessanten Geschäftspartner zu werden. Die Kunden übernehmen in dieser Frühphase des Innovationsprozesses schon zwei Drittel bis drei Viertel der Kostenanteile. Im Grossteil der Divisionen wird die Entwicklung von aussen bezahlt, nur der Bereich der Kommunikationssatelliten finanziert seine Entwicklung überwiegend mit Eigenmitteln. Teile der Gelder fliessen an Partnerfirmen, mit denen exklusive Zusammenarbeit besteht. Externes Umfeld Die Technologiedynamik in der Raumfahrtindustrie bietet die ganze Bandbreite von konservativ bis progressiv. Im Bereich der qualifizierten Systeme (z. B. Computer) herrscht eine konservative Einstellung vor, während beispielsweise bei den Instrumenten und Werkstoffen sehr innovative Technologien entwickelt und genutzt werden. Bei der Raumfahrtindustrie handelt es sich insgesamt betrachtet um eine progressive Branche, welche in vielen Aspekten an der Spitze der Technologieentwicklung steht, in den kritischen Bereichen der Satellitentechnik aber aufgrund der aufwändigen Qualifikationsverfahren sehr konservativ agiert. Betrachtet man die technologische Komplexität der von EADS Astrium angebotenen Produkte, so zeigt sich eine grosse Bandbreite von kostengünstigen Standardprodukten hin zu technologisch komplexen High-Tech-Produkten. Je nach Komplexitätsgrad variiert auch der Grad der Zusammenarbeit mit dem Kunden von wenig bis gar nicht für Standardprodukte, bis hin zu sehr intensiv bei technologischen Vorreiterprojekten (vgl. Abb. 12). Technologische Komplexität EADS ASTRIUM 63 a sch s en s i W ft High-Tech ¾ „Design to requirements!“ ¾ Technologie als Treiber Fi ng er u i z nan Low-cost ¾ „Design to cost!“ Effizienz ¾ Anforderungen als Treiber ¾ z. B.: ESA-Missionen ¾ Enge Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber ¾ z. B.: Wettersatelliten ¾ Teilweise Plattformnutzung teilweise Einzelanfertigung ¾ Budget als Treiber ¾ z. B.: Kommunikationssatelliten ¾ Wenig Zusammenarbeit mit dem Kunden Kosten Abbildung 12: Technologische Komplexität bei Entwicklungsprojekten der EADS Astrium Auch für den Innovationsgrad der Produkte kann keine einheitliche Aussage getroffen werden. Inkrementelle Produktverbesserungen sind zwar die Regel, doch kommt es auch immer wieder, beispielsweise bei Instrumenten wie der NIRSPECKamera für ein Weltraumteleskop, zu radikalen Durchbrüchen. Produktlebenszyklen in der Raumfahrtindustrie liegen typischerweise bei etwa sechs bis zwanzig Jahren. Vor der eigentlichen Nutzung liegt noch die Vorentwicklungsphase, welche je nachdem ob neue Technologien entwickelt werden müssen oder nicht, zwei bis zehn Jahre lang dauert. Die anschliessende Entwicklung nimmt dann zwischen zwei und fünf Jahre in Anspruch. Die eigentliche Nutzungsdauer liegt schliesslich in der Grössenordnung von zwei bis fünfzehn Jahren. Der Markt ist also von extrem langen Zyklen geprägt, insbesondere auch dadurch verursacht, dass einige komplexe Technologien typischerweise bei Projektbeginn noch gar nicht zur Verfügung stehen. Die Raumfahrtindustrie agiert in einem öffentlichen, teilweise geschützten Markt mit wenigen Auftragnehmern. Zu dieser Begrenztheit kommen noch langsam gewachsene Strukturen und damit eine hohe Vertrautheit der einzelnen Marktteilnehmer untereinander. Innerhalb der Branche sind persönliche Kontakte mit Kunden häufig und werden intensiv gepflegt. Kundenzufriedenheit und Kundennähe sind Schlüsselfaktoren für einen erfolgreichen Marktauftritt. Eine gute Reputation ist es- 64 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION senziell für die Gewinnung von weiteren Aufträgen. In den letzten Jahren kam es zu einem Konzentrationsprozess hin zu einigen wenigen grossen Raumfahrtunternehmen. Die Hauptkonkurrenten von EADS Astrium als Systemanbieter sind Alcatel in Frankreich sowie Alenia in Italien. EADS Astrium erzielt den Grossteil ihres Umsatzes mit der europäischen Weltraumagentur (European Space Agency ESA). Die ESA versteht sich als ausführendes Organ und vertritt die 15 Teilnehmerstaaten bzw. handelt in deren Auftrag. Der Umsatzanteil von Astrium mit der ESA beträgt in Deutschland ca. 80 % und in Frankreich, wo es geführt durch das Centre National d’Etudes Spatiales (CNES) ein einflussreiches eigenes Raumfahrtprogramm gibt, ca. 50 %. Wichtige Exportmärkte sind zurzeit vor allem die ostasiatischen Staaten sowie in Einzelfällen auch die USA und damit die dortige nationale Weltraumagentur National Aeronautic Space Administration (NASA). Die EADS Astrium ist bestrebt, neben dem Umsatz mit der ESA weitere Wachstumsfelder zu erschliessen. Dies ist unter anderem aus folgenden zwei Gründen notwendig. Einerseits stagnieren die nationalen europäischen Budgets für Raumfahrt und damit die Wachstumsmöglichkeiten für einen auf diesen Markt fokussierten Satellitenhersteller. So führen viele Länder in Europa kein bedeutendes eigenes Raumfahrtprogramm mehr und das Forschungsbudget der ESA wurde im Zuge genereller Sparmassnahmen ebenfalls gekürzt. Auf der anderen Seite entwickelt sich ein Trend in Richtung umfassender Geschäftsmodelle im Sinne einer Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette von der Satellitenproduktion über den Betrieb hin zur Vermarktung der gemessenen Daten. Die neu gegründete Tochterfirma Infoterra (Aufbau neuer Geschäftsmodelle zur Verwertung von Satellitendaten) und die Beteiligung am europäischen Satellitennavigationssystem Galileo sind Ausdruck dieser neuen Geschäftsstrategie der EADS Astrium. Die ESA, als Astriums grösster Auftraggeber, unterhält ein diversifiziertes Portfolio vom Standardsatelliten bis hin zum spezialisierten Unikat. Sie umfasst zurzeit 15 Mitgliedstaaten, unter anderem auch die Schweiz, verfügt über ein Jahresbudget von 2,852 Mrd. EUR und beinahe 2000 Mitarbeiter (Stand 2002). Der offizielle Hauptsitz befindet sich in Paris. Das Europäische Weltraumforschungs- und Technologiezentrum ESTEC (European Space Research and Technology Centre) ist mit Sitz in Noordwijk in den Niederlanden das Forschungs- und Entwicklungszentrum für die meisten ESA-Raumfahrzeuge und damit direkter Kunde der EADS Astrium. Da die ESA ihre Aufträge per Ausschreibung vergibt, hat sie ständig eine grosse Zahl an verschiedenen Ausschreibungen als Auftraggeber zu betreuen. Es wurde daher ein eigenes elektronisches System („emits“) für die Koordination der Ausschreibungstätigkeiten entwickelt. Sämtliche interessierten Zulieferer und Vertrags- EADS ASTRIUM 65 partner erhalten so Zugang zu allen relevanten Informationen der Ausschreibungen. Die grossen Teilnehmer an Ausschreibungen (wie z. B. EADS Astrium) müssen ebenfalls auf dieser Plattform eigene Ausschreibungen für Sub-Kontrakte von ESAAufträgen publizieren, sodass sich dann wiederum nachgelagerte Zulieferer und Komponentenhersteller bei Astrium transparent bewerben können. Eine wichtige Kundengruppe stellt schliesslich die kommerzielle Kundschaft dar. Neben Wettersatelliten nehmen Kommunikationssatelliten für Unternehmen wie INTELSAT, EUTELSAT und INMARSAT den Grossteil dieses Marktes ein. Im grundsätzlichen Gegensatz zu den restlichen Astrium-Projekten handelt es sich dabei um einen typischen Markt, in dem auch klassische Instrumente wie Marketing oder Plattformmanagement zur Kostenreduktion eingesetzt werden. Die folgenden Ausführungen beziehen sich allerdings ausschliesslich auf die Integration der Kunden, vor allem der ESA, im Rahmen wissenschaftlicher Satellitenprojekte der EADS Astrium. 3.3.2 Innovationsprozess Der für EADS Astrium relevante Gesamtlebenszyklus eines Projektes setzt sich aus einer Vorentwicklungsphase, der eigentlichen technischen Entwicklungsphase sowie einer Nutzungs- und Entsorgungsphase zusammen. Die letzten beiden Phasen sind für den Fokus dieser Arbeit nicht relevant und werden daher im Folgenden nicht näher betrachtet. Der eigentliche Produktentwicklungsprozess von Astrium wird in drei grosse Schritte unterteilt (vgl. Abb. 13), welche im Folgenden überblicksmässig beschrieben werden, um im nächsten Schritt die Ausprägungen der Kundenintegration in den verschiedenen Phasen darstellen zu können. 66 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Früher Innovationsprozess Gelegenheitsphase A Machbarkeitsstudie Technologieidentifizierung Ideenphase B Projektdefinition und Spezifikationsentwurf Konzeptphase C/D Entwicklung/ Fertigung, Test Verifikation Abbildung 13: Frühphase des Innovationsprozesses der EADS Astrium In Phase A erfolgt eine Festlegung der Anforderungen an das jeweilige Projekt zusammen mit der Identifikation und Analyse der Missionselemente (Schnittstellen, Missionsphasen). Ein Hauptpunkt ist der Machbarkeitsnachweis bezüglich Technik, Zeit und Finanzen. Daraus ergeben sich einerseits die Identifikation von möglichen Kosten- und Risikotreibern, Konzeptalternativen sowie eventuell bereits ein bevorzugtes Lösungskonzept und andererseits die Feststellung der Notwendigkeit von Technologieentwicklungen. Als Fixpunkte stehen am Anfang dieser Phase eine Mission Definition Review (MDR), in dem die Missionsdefinition überprüft wird und am Ende die Preliminary Requirements Review (PRR), welche eine vorläufige Anforderungsüberprüfung vornimmt. In der folgenden Phase B wird im Rahmen einer Gesamtprojektdefinition die Produktspezifikation samt Entwicklungsplanung vorgenommen. Zusätzlich kommt es zu einer Evaluierung des Festpreisangebots zur Durchführung des Projektes. Zu den vielfältigen Aufgaben in dieser Phase zählen die vertiefte Analyse von alternativen Systemlösungen, die Festlegung von Systemaufbruch und Produktbaum, das Einfrieren der Anforderungen, der Entwurf der technischen Lösungen sowie die detaillierte Erstellung von Zeit- und Kostenplänen. Zum Abschluss der Phase B wird die System Specification Review (SSR) durchgeführt, um in die eigentliche Entwicklungsphase eintreten zu können. Die zentrale Entwicklungsphase ist in zwei Teilschritte unterteilt. Phase C führt vom Entwurf zur Entwicklung. An ihrem Ende ist die Gesamtentwicklung abgeschlossen und der Beginn der eigentlichen Fertigung möglich. Alle Spezifikationen, Pläne und Fertigungsunterlagen können eingefroren werden. Ermöglicht wird dies durch umfangreiche Detailanalysen und -entwicklungen, den Bau von Entwicklungsmodellen sowie die Überarbeitung und Festlegung aller Pläne (für Management, Entwicklung, Zeit und Kosten). Am Beginn von Phase C wird mit der Preli- EADS ASTRIUM 67 minary Design Review (PDR) eine vorläufige Entwurfsüberprüfung als Endpunkt mit der Critical Design Review (CDR) die abschliessende Entwurfsüberprüfung durchgeführt. Die Laufzeiten variieren stark projektabhängig, typisch für die Raumfahrt sind ein bis zwei Jahre. Phase D schliesst mit der Fertigung, dem Zusammenbau und der Abnahme des Produktes die eigentliche Produktentwicklung ab. Dies geschieht durch den Zusammenbau und die Hochintegration der Teilsysteme ins Gesamtsystem, die Abnahme des Produktes mit testierter Raumfahrtqualifikation und Systemleistung sowie die Vorbereitung der Inbetriebnahme. 3.3.3 Kundenintegration Grundlagen Die Kundeneinbindung ist in weiten Teilen der Astrium-Strategie explizit integriert. Als Beispiel für eine Verankerung in der Geschäftsstrategie kann der Bereich der Earth Observation genannt werden: „[…] Astrium is aiming for close links with the most respected scientists and users in order to ensure user driven missions and systems […] early involvement of scientific and institutional users is essential“.11 Das generelle Ziel von EADS Astrium bei allen Kundenkontakten ist eine möglichst frühe und umfassende Kundeneinbindung während des gesamten Innovationsprozesses. Im Gegenzug legen viele Auftraggeber Wert darauf, auch Unterauftragnehmer zu kennen und Entscheidungen über deren Einbezug zu treffen. Gerade im Fall der Wissenschaftsmissionen der ESA finden auf strategischer Ebene (Zeithorizont 10 Jahre) bereits langfristige grundsätzliche Abstimmungen mit der ESAStrategie statt. Diese Abstimmung hat für beide Seiten den Vorteil, dass eine langfristige Planung möglich wird, welche eine effizientere Allokation von Ressourcen zulässt. Die spezifischen Ziele der Kundeneinbindung sind explizit verankert, beispielsweise für die Geschäftsentwicklungseinheiten: ¾ Profitabilitätssteigerung und Auftragsakquirierung zugunsten von Astrium ¾ Erstellung einer positiven Bindung zwischen dem Kunden und Astrium ¾ Kundenzufriedenheit am Ende des Auftrages zu überprüfen und zu dokumentieren 11 Interne Unterlagen EADS Astrium Earth Observation. 68 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Generell gilt, dass sich die Schlüsselpersonen des Auftraggebers wie auch des Auftragnehmers persönlich kennen (teilweise auch aus früheren Projekten). Durch eine derartige Vertrautheit erreicht man effiziente und effektive Kommunikation als wesentliche Grundlage einer erfolgreichen Einbindung. Organisation Die wichtigsten organisatorischen Instrumente, welche Astrium in Bezug auf die Kundeneinbindung einsetzt, sind zwei eng zusammenarbeitende, unter der Organisationseinheit Geschäftsentwicklung zusammengefasste Gruppen, nämlich die eigentlichen Geschäftsentwicklungseinheiten (Business Development Units) und das Key Account Management (KAM). Die Business Development Units wurden gezielt zur weiteren Verstärkung der Kundeneinbindung geschaffen. Diese Abteilungen besitzen zwar gewisse Ähnlichkeiten mit herkömmlichen Marketingabteilungen, sind aber mehrheitlich mit Ingenieuren besetzt. Für das Geschäftsfeld Erdbeobachtung, Navigation und Wissenschaft besteht die Geschäftsentwicklung aus ungefähr 20 Mitarbeitern, welche organisatorisch entsprechend der jeweiligen Key Accounts aufgestellt sind. Oberstes Ziel ist die langfristige Planung und Zusammenarbeit mit den Kunden. Bei der so genannten Vorakquisition, also bei den ersten Kundenbesuchen, ist stets auch ein Vertreter der Geschäftsentwicklung anwesend. Die genauen Aufgaben dieses Business Development Teams sind Vorakquisition, Aufnahme des ersten Kontaktes sowie Abstimmung mit den Kundenanforderungen. Dies ist eng verzahnt mit der Steuerung der Angebotspolitik von EADS Astrium. Schliesslich kommt es zur Begleitung des Vorentwicklungsprozesses, wobei zu beachten ist, dass sobald ein Auftrag gewonnen wurde, die Aktivität der Einheit zurückgeht, um schliesslich zu Beginn des eigentlichen Entwicklungsprozesses durch die Entwicklungsabteilung abgelöst zu werden. Mit dem Einsatz von Business Development sowie den zugehörigen Key Account Managern wird die Kundeneinbindung in dem Sinne geregelt, dass jeder Kunde innerhalb von Astrium seinen persönlichen Ansprechpartner besitzt. Key Account Manager innerhalb des Bereichs Erdbeobachtung betreuen die Bereiche Wissenschaft (mit besonderem Fokus auf die ESA), Export, Bodensysteme, Navigation sowie die nationalen Account Manager einzelner Länder. Als Hilfsmittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben stehen den Key Account Managern Datenbanken zur Verfügung, in denen Erfahrungen („Lessons learned“) aus vergangenen Projekten, Kundenrückmeldungen und Kontaktpartner zur Verfügung stehen. EADS ASTRIUM 69 Kundenauswahl Typische Merkmale der Kunden innerhalb der Raumfahrtbranche sind die Tätigkeit sowohl auf europäischer als auch internationaler Ebene, die sehr grosse Erfahrung sowie eine ausgeprägte eigene Technologiekompetenz. Dazu kommt das Umfeld des nahezu monopolistischen Marktes auf dem, unter Verwendung transparenter Ausschreibungsprozesse, die meisten Aufträge durch die öffentliche Hand vergeben werden. Wichtigster Punkt für eine erfolgreiche Kundeneinbindung ist die generelle Bereitschaft der Kunden am Innovationsprozess teilzunehmen. Astrium ist in der angenehmen Lage, dass viele Kunden von selbst zu enger Interaktion motiviert sind. Dabei spielen wissenschaftlicher Ehrgeiz, Forschungsdrang und kundenspezifische Lösungen, welche viele komplexe Entscheidungen vom Kunden selbst erfordern, eine entscheidende Rolle. Die relative Grösse der Kunden ist ebenso wie das vorhandene Wissen sehr unterschiedlich, jedoch gibt es auf der Auftraggeberseite eine Mindestgrösse, welche mit Rücksicht auf die Finanzierung eines Projekts nicht unterschritten wird. Zusätzlich existieren, weil sich die Marktteilnehmer meistens seit langem kennen, oft vielfältige Erfahrungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern. Die Kunden sind also genau bekannt und es besteht meistens auch ein starker Wille des Kunden, in den Prozess eingebunden zu werden. Auch ist der Informationsfluss zwischen Auftraggeber und Aufragnehmer viel spontaner und informativer als dies in anderen Branchen der Fall ist. Eine gezielte zusätzliche Motivation der Kunden ist daher nicht notwendig. Ein kleiner Markt sowie viele Unikaterstellungen zwingen Astrium automatisch zu „Markets of One“, d. h. zur Erstellung von kundenspezifischen Lösungen und damit zu einer engen Zusammenarbeit mit den Kunden. Da Kunden in der Raumfahrtindustrie über ein gewisses Grundniveau an Know-how und Professionalität verfügen, kommen durchaus konstruktive Vorschläge von Kundenseite. Die fachliche Kompetenz ist dabei bei der ESA mit Abstand am stärksten ausgeprägt und mit der industriellen Kompetenz vergleichbar. Ablauf Die Phase A (Machbarkeitsstudie) wird von einem kleinen Team (drei bis zehn Mitarbeiter) aus Generalisten mit Systemkompetenz durchgeführt. Die Teamzusammensetzung erfolgt basierend auf den jeweiligen Kompetenzen. Die Laufzeit beträgt je nach Umfang des Projektes zwischen mehreren Wochen und einem Jahr. Konkrete Aufgaben sind die Erstellung von Anforderungsanalyse, Funktionsanalyse, vorläufigen Spezifikationen sowie Konzeptvergleichen (Ideenwettbewerb, einfache Analysen). Die Zusammenarbeit mit dem Kunden läuft in dieser Phase im 70 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Rahmen eines transparenten, organisatorisch formalisierten Prozesses ab. Nach Erstellung eines Angebotes und der Auswahl als Kandidat folgen „Negotiation Meetings“ und im Falle einer Einigung ein Vertrag. Dabei ist bereits im Angebot die gesamte Aufbau- und Ablauforganisation mit einem hohen Detaillierungsgrad beschrieben. Im Verlauf der Phase kommt es zu regelmässigen „Progress Meetings“, bei denen neben Kundenvertretern aufseiten von Astrium die Projektleiter, Vertreter des System Engineering und eventuell benötigte Experten teilnehmen. Neben diesen Treffen auf der operativen Ebene gibt es auch auf einer höher gelegenen Hierarchieebene Präsentationsveranstaltungen zur Halbzeit der Phase A. Am Ende steht die Preliminary Requirements Review, welche eine vorläufige Anforderungsüberprüfung vornimmt. In der folgenden Phase B ist der Personalaufwand mit 10 bis 30 Personen für das Gesamtsystem etwas höher als in Phase A, die Teamzusammensetzung ist eine Mischung aus kreativen und strukturorientierten Mitarbeitern. Typische Laufzeiten in Raumfahrtprojekten sind dafür sechs bis zwölf Monate. Zu den vielfältigen Aufgaben in dieser Phase zählen die vertiefte Analyse von alternativen Systemlösungen, die Festlegung des Systemaufbruches, der Entwurf der technischen Lösungen sowie die detaillierte Erstellung von Zeit- und Kostenplänen. Die Kundenintegration erfolgt dabei prinzipiell genau gleich wie in Phase A, d. h. anhand eines genau definierten Projektablaufes mit regelmässigen Treffen auf verschiedenen Ebenen. Zusätzlich kommen in dieser Phase teilweise auch „Residents“ des Kunden zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Experten des Kunden, welche für einen bestimmten Zeitraum ein Büro der EADS Astrium beziehen und damit auch physisch Teil des Innovationsteams werden. Zahlenmässig handelt es sich dabei in der Regel um ein bis drei Personen. Generell werden die Teams auf beiden Seiten grösser und die Frequenz der Treffen ist nun fast wöchentlich. Die Business Development Einheit spielt in dieser Phase keine grosse Rolle mehr, ihr Schwerpunkt liegt beinahe ausschliesslich in der Geschäftsanbahnung. Bis Ende der Phase B (Produktdefinition) ist die Kundeneinbindung am grössten. Hier kann der Kunde den grössten Gestaltungseinfluss ausüben, auch wenn die Kosten für eine Abänderung in diesem Stadium bereits beträchtliche Grössenordnungen erreichen. Zum Abschluss der Phase B erfolgt der Systemaufbruch, d. h. das System ist definiert und es ist bekannt was entwickelt werden muss. Es wird eine System Specification Review durchgeführt, um in die eigentliche Entwicklungsphase eintreten zu können. Die zentrale Entwicklungsphase ist in zwei Teilschritte unterteilt. Phase C führt vom Entwurf zur Entwicklung. An ihrem Ende ist die Gesamtentwicklung abgeschlossen und der Beginn der Fertigung möglich. Alle Spezifikationen, Pläne und Fertigungsunterlagen können eingefroren werden. Ermöglicht wird dies durch um- EADS ASTRIUM 71 fangreiche Detailanalysen und -entwicklungen, den Bau von Entwicklungsmodellen sowie die Festlegung aller Pläne. Die Teamgrösse hängt stark vom jeweiligen Projektziel und -typ ab. Für Satellitenprojekte liegt sie meistens zwischen 50 und mehreren 100 Mitarbeitern. Die Zusammensetzung unterscheidet sich von den vorhergehenden Phasen dahingehend, dass der Schwerpunkt nun auf Fachspezialisten und weniger auf Kreativen und Generalisten liegt. Die Einbindung der Kunden erfolgt prinzipiell wie in Phase B allerdings mit abnehmender Intensität. So übernimmt der Kunde beim Aufbau des Engineering Models beispielsweise nur mehr eine Beobachterrolle. Astrium ist aber auch in den Phasen C/D ständig im Kontakt mit dem Kunden. Die primäre Aufgabe liegt aber in der Entwicklung gemäss (gemeinsam erstellter) Spezifikation. Phase D (Fertigung, Zusammenbau, Abnahme des Produktes) ist allerdings nicht mehr Teil der Innovationsfrühphase und wird daher nicht näher betrachtet. Betrachtet man den Ablauf der Frühphase bei Science Projekten, wie sie typischerweise mit der ESA durchgeführt werden, so beginnt dieser mit einer „Ideenphase“ noch vor Phase A. Die ESA entwickelt gemeinsam mit Wissenschaftlern Missionsideen (z. B. Beobachtung extraterrestrischer Planeten zur Beantwortung der Frage, ob es Spuren von Leben gibt). Die EADS Astrium ist dabei nur in Ausnahmefällen dabei. Gelegentlich wird eine Idee oder Anregung von Astrium an die ESA herangetragen. Das bedeutet, dass diese typischen Wissenschaftsmissionen zu Beginn durch die langfristige Planung der ESA (Zeithorizont rund 20 Jahre) und damit durch Wissenschaftler getrieben sind und die Industrie dabei eine eher passive bzw. reaktive Rolle innehat. Workshops, welche in diesem Umfeld abgehalten werden, werden von der ESA angestossen und durchgeführt. Für Projekte der Erdbeobachtung sieht die Situation etwas anders aus. Es kommt dabei zu einer engen Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern (z. B. Universitäten oder Max Planck-Institut) und dem deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR), um Szenarien aktiv zu beeinflussen. Astrium veranstaltet hier auch eigene Workshops, um beispielsweise zukünftige Bedürfnisse für Meteorologie und Klimaforschung zu diskutieren. Bei der ESA wird Wert auf grosse Prozesstransparenz gelegt und deshalb wird in einer Vielzahl von Dokumenten und Regelwerken (European Cooperation for Space Standardization ECSS) die Interaktion zwischen der ESA und ihren Auftragnehmern festgelegt. Allgemeine Leitlinien für die Kundeneinbindung auf operativer Ebene sind auch in den ECSS-Dokumenten unternehmensübergreifend geregelt. Gerade auf operativer Ebene werden sämtliche Kommunikationsmittel eingesetzt, bevorzugt wird aber der persönliche Kontakt oder das Telefon. Mindestens einmal pro Woche findet eine Kontaktaufnahme statt, um auch über Fortschritte oder Änderungen von Kundenseite her informiert zu bleiben. Der persönliche Kontakt wäh- 72 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION rend der B/C/D-Phasen kann oft einfach über die ständig vor Ort anwesenden Mitarbeiter des Auftraggebers hergestellt werden. Astrium versucht, stets die eigene Projektorganisation an die des Kunden anzugleichen. Man ist auf beiden Seiten bestrebt, die Kommunikationswege kurz zu halten, sodass auch ein spontaner und ungezwungener Informationsfluss stattfinden kann. Der Projektleiter ist in persona Bestandteil des geschlossenen Vertrages (welcher z. B. auch Lebensläufe der Schlüsselpersonen beinhaltet). Ansprechpersonen müssen somit sorgfältig und klar schon im Voraus bestimmt werden. Management der frühen Kundenintegration Die Motivation der Kunden stellt im Falle der ESA bzw. der Erdbeobachtung kein Problem dar. Aufseiten der Kunden arbeiten überwiegend Naturwissenschaftler und Ingenieure, welche schon alleine aufgrund ihrer persönlichen Mentalität und Interessen gerne an den F&E-Prozessen teilnehmen wollen. Dabei gilt es für die Astrium allerdings einige Punkte zu beachten. Prinzipiell sind die Kunden keine Angestellten des Herstellers und können bzw. wollen keine Verantwortung für den Verlauf der Entwicklung übernehmen, diese sehr wohl aber aktiv mitgestalten. Ob Astrium daher von ihrer Teilnahme profitiert, hängt vom Geschick des Projektleiters ab. Die ganze Bandbreite von einer wirklichen Mitarbeit bis hin zu einer kontraproduktiven Einmischung ist möglich. Prinzipiell neigen Kunden eher dazu, eine Lösung zu kritisieren, als konkrete Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Kontrolle durch genaues Betrachten des Kunden und seiner Aktivitäten ist notwendig. Die oben beschriebenen Phasen des Produktentwicklungsprozesses werden durch zwei Ausschreibungsvorgänge abgedeckt. Für die Projektphase A beträgt die Ausschreibungsdauer typischerweise sechs bis acht Wochen, für die B/C/D-Phasen drei Monate. Kundenkontakte während der Ausschreibungsphase in Form allfälliger Rückfragen an die ausschreibende Stelle sind zwar erlaubt, doch werden anschliessend sowohl Frage als auch Antwort anonymisiert und an alle Teilnehmer weitergeleitet. Die Ausschreibungsdauer wird von allen Teilnehmern als äusserst kurz wahrgenommen. Daher sind gute Kundenkontakte schon vor der offiziellen Ausschreibung notwendig, weil auf diesem Wege wichtige Vorinformationen zur Ausschreibung gesammelt werden können. Dies geht teilweise so weit, dass schon vor Bekanntgabe der Ausschreibung bei EADS Astrium Projektteams zusammengestellt und Anforderungen, welche das Projekt erfüllen muss, festgelegt werden. Finanziert wird diese Tätigkeit durch einen speziell dafür geschaffenen „Proposal Fonds“, welcher das EADS-interne Angebotsbudget verwaltet. EADS ASTRIUM 73 Einmal pro Jahr wird mit den Hauptkunden eine „Customer Satisfaction Review“ durchgeführt, um Rückmeldungen zu bestimmten Projekten, aber auch zur generellen Arbeitsweise von Astrium aus Kundenperspektive erhalten. Ebenfalls jährlich veranstaltet Astrium ein internes „Business Development Seminar“, in welchem sich alle Business Development Mitarbeiter sowie einige Mitarbeiter aus anderen Business Units treffen. Dort werden Erfahrungen, Prozessverbesserungsvorschläge und Pläne für das folgende Jahr besprochen. Zur Kontrolle der Kundenintegrationsprozesse werden hochrangige Reviews durchgeführt. Diese basieren auf Überprüfungsmeilensteinen durch projektfremde Personen, welche vom Kunden durchgeführt werden. Aufseiten der Astrium nehmen daran nur Mitglieder des Managements teil. Im gesamten Unternehmen wird besonderer Wert auf intensive Kundenbeziehungen gelegt und es findet ein ausgeprägter bilateraler Informationsfluss mit den Kunden statt. Die Übergabe von akquirierten Aufträgen durch Business Development Einheiten zur Entwicklungsabteilung von Astrium erfolgt für den Kunden transparent. Erfahrungen aus vergangenen Projekten werden beispielsweise in internen Knowledge-Datenbanken systematisch festgehalten und verarbeitet. Es finden auch regelmässige Treffen statt und am Projektende tritt das Business Development für den Kunden wieder verstärkt in Erscheinung, um die Kundenzufriedenheit zu erfragen und „Lessons learned“ zu besprechen. 3.3.4 Zusammenfassung Im Sinne der Dreiteilung des frühen Innovationsprozesses in Gelegenheits-, Ideenund Konzeptphase werden bei der Kundenintegration der EADS Astrium im Rahmen wissenschaftlicher Projekte alle drei Felder abgedeckt. Die Gelegenheit entspricht dem ursprünglichen Missionsgedanken (z. B. extraterrestrische Beobachtung). Das „Mission Statement“ enthält neben dem eigentlichen Ziel der Mission oft auch schon eine technischer Idee bzw. findet sich diese innerhalb der einzelnen betrachteten Technologien. Das Konzept entspricht bei Astrium dem Entwurf, welcher das Ergebnis des iterativen Prozesses der Phasen A und B darstellt und zu Beginn der Phase C in seinen wesentlichen Punkten feststeht. Die abschliessende Entwurfsüberprüfung erfolgt dann mit der Critical Design Review ungefähr zur Halbzeit der Phase C. Die Zusammenarbeit mit dem Kunden in einem typischen ESA-Projekt beginnt also mit dem Preliminary Mission Definition Document. Darin ist die erste grobe Vorstellung der ESA festgehalten. Im Rahmen der Phase A erfolgt nun eine Überprüfung der Machbarkeit und dabei eine Präzisierung der Anforderungen. Dies passiert in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden. Alle sechs Wochen kommt es 74 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION zu Progress Meetings und zur Halbzeit zu einem Midterm Treffen. Die Rolle der ESA wäre prinzipiell mit dem Einsammeln der Lösung erfüllt, aber da sie über sehr gut ausgebildete, interessierte Experten verfügt, welche sich auch aktiv in den Prozess einbringen wollen, kommt es zu einer gemeinsamen Konzeptentwicklung. Generell findet im Bereich der Kundeneinbindung häufig eine informelle Kommunikation bei verschiedenen Anlässen statt. Es sind beispielsweise jährliche Direktorentreffen zu nennen, bei denen die Führungsebene von Astrium mit Führungskräften der wichtigen Auftraggeber zusammentrifft und so ein genereller Austausch von Informationen stattfinden kann. Auf operativer Ebene, bei konkreten Projekten, ist der Kundenkontakt am intensivsten und es finden regelmässige Besprechungen und Reviewmeetings statt. Bemerkenswert ist die Besonderheit, dass einige ESAMitarbeiter während des gesamten gemeinsamen Innovationsprojektes bei EADS Astrium Büroräume nutzen, um aus erster Hand Informationen zu erhalten bzw. Einfluss zu nehmen (intern wird diese Form der Zusammenarbeit teilweise „fürsorgliche Belagerung“ genannt). Als Fazit lässt sich feststellen, dass Astrium die Spezifikation bei ganz neuen Entwicklungen gemeinsam mit der ESA festlegt. Die ESA als Kunde setzt zunächst einen sehr weitgehenden Rahmen, welcher schliesslich gemeinsam im Sinne der notwendigen Detaillierung ausgefüllt wird. Dabei führen die hohen Anforderungen des Kunden einerseits zur Notwendigkeit von Innovationen und andererseits zur kooperativen Realisierung derselben. Der Kunde greift also durch Vorgaben und direkten Input in den Innovationsprozess ein, lässt aber dem Hersteller Freiräume bei der technischen Umsetzung. Abbildung 14 gibt einen zusammenfassenden Überblick der frühen Kundenintegration bei EADS Astrium. EADS ASTRIUM Warum? Ziele ¾ Minimierung des Entwicklungsrisikos ¾ Nutzung der Kompetenzen des Kunden als Quelle von Ideen und Anregungen sowie zur Kontrolle Wann? Phase ¾ Als Anstoss am Beginn der Gelegenheitsphase und im Verlauf der Machbarkeitsstudie ¾ In der Ideenphase zur Abstimmung der Missionsziele und der erforderlichen Systemspezifikation; in der Spezifikationsentwurfphase zur Festlegung der detaillierten Spezifikation ¾ In der Konzeptphase zur Verfeinerung und Validierung der Anforderungen Wen? Kundencharakteristika ¾ Auftraggeber mit grosser Expertise im Bereich der Kernkompetenz von Astrium, insbesondere die europäische Weltraumagentur ESA Wie? Prozesscharakteristika ¾ Business Development Einheiten und Key Account Management zur Sicherstellung einer permanenten Betreuung des Kunden ¾ Operative Einbindung im Rahmen der Projekte durch regelmässige Treffen und Review Meetings bzw. durch „Residents“, welche im Gebäude der Astrium arbeiten ¾ Genau spezifizierte öffentlich zugängliche Ausschreibungen und Prozessabläufe Besonderheiten ¾ Im Bereich der betrachteten Wissenschaftsprojekte Fokussierung auf einen zentralen Kunden ¾ Kunde steuert durch die Spezifikation der genauen Anforderungen in der Innovationsfrühphase vor dem Beginn des eigentlichen Entwicklungsprozesses Abbildung 14: Übersicht der frühen Kundenintegration der EADS Astrium 75 76 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 3.4 Hilti Diamond Systems 3.4.1 Rahmenbedingungen Hilti wurde 1941 gegründet und entwickelte sich von einem kleinen Familienunternehmen zu einem weltweit tätigen High-Tech-Konzern. Durch die Martin Hilti Familienstiftung wird die Firma noch immer von der Familie Hilti kontrolliert. Hilti operiert in mehr als 120 Staaten und hat mehr als 14.000 Mitarbeiter. Rund zwei Drittel aller Angestellten arbeiten in den Marktorganisationen, d. h. in Verkauf, Beratung und Service. Die 1.500 Mitarbeiter umfassende Zentrale liegt in Schaan, Liechtenstein. Hilti versteht sich selbst als weltweiter Partner für Profis am Bau. Firmenziel ist es, die Produktivität der Kunden durch das Angebot technologisch führender Produkte und Systeme zu erhöhen. Die Produktpalette umfasst Drilling und Demolition, Direct Fastening, Diamond Systems, Anchoring Systems, Firestop, Installation, Positioning, Screw Fastening Systems sowie Cutting & Sanding. Die drei Hauptsäulen von Hiltis Strategie sind Innovationsexzellenz, direkte Kundenbeziehungen und effektives Marketing. In die F&E werden jährlich rund 4,5 % des Gesamtumsatzes investiert, d. h. ca. 136 Mio. CHF. Der Grossteil davon sind Ausgaben für interne Forschungstätigkeiten, nur ein Anteil von ca. 20 % betrifft externe Projekte. Die F&E-Struktur enthält verschiedene Bereiche wie CuttingTechnologies (Abbaumethoden), Drive-Technologies (Antriebsmotoren), Elektronik und Materialien. Für einzelne Projekte wird aus den verschiedenen Pools jeweils ein passendes Team zusammengestellt, wobei die F&E-Abteilung als Profitcenter agiert. Die besondere Beziehung zu den Kunden zeigt sich auch in der Firmenmission, in der unter anderem folgende Aussagen enthalten sind: „Wir wollen die besten Partner unserer Kunden sein. Ihre Anforderungen bestimmen unser Handeln.“ Hilti legt grossen Wert auf Innovationen, um ihre führende Stellung im Premiumsegment des Marktes zu halten. Dies zeigt sich nicht nur in der wichtigen Rolle, welche die Grundlagenforschung spielt, sondern auch in Hiltis Value Proposition (= Hilti Mehrwert) als Kombination von qualitativ hoch stehenden Produkten und Kundenservices. Deshalb werden gezielt neben Produkt- auch Dienstleistungsinnovationen angestrebt. HILTI DIAMOND SYSTEMS 77 Organisatorisches Umfeld Die Organisation besteht aus Geschäftseinheiten (Business Units), welche zu Geschäftsfeldern (Business Areas) zusammengefasst sind. Daneben gibt es firmenübergreifende Funktionsbereiche (Corporate Functions). Die grossen Marktorganisationen, mit mehr als zwei Dritteln aller Mitarbeiter, sind für Vertrieb und Marketing in den jeweiligen Ländern zuständig. Dieser Marktschwerpunkt ist ein Ergebnis von Hiltis Direktverkaufskonzept. Der Bereich Hilti Diamond Systems macht rund 10 % des Gesamtumsatzes der Hilti aus. Zur Produktpalette gehören Geräte aus den Bereichen Kernbohrung, DiamantSägen sowie Trenntechnik und Oberflächenbehandlung. Das Marktpotenzial für Diamantprodukte besteht zu ca.75 % aus Verbrauchsmaterialien, den so genannten Consumables. Neben Diamantprodukten bietet Hilti den Kunden auch umfangreiche Serviceleistungen, welche je nach Kundengruppe differenziert angeboten werden. Diese Leistungen bilden einen wesentlichen Teil des Mehrwertes, welchen Hilti ihren Kunden bietet (Hilti Value Proposition). Als Ergebnis ihrer Innovationsbemühungen konnte die Diamanttechnik in jüngster Vergangenheit etliche Erfolge feiern. So wurden in den letzten drei Jahren sechs komplett neue Produkte entwickelt sowie zahlreiche weitere Verbesserungen erzielt. Neue Produkte machen rund 30 % des Umsatzes aus. Als Beispiel sei das Modell DD EC-1 erwähnt, bei dem eine Leistungssteigerung von bis zu 100 % und eine verbesserte Handlichkeit erreicht werden konnten. Möglich wurde das einerseits durch eine Kombination von sehr hoher Drehzahl mit einem innovativen Bewegungsablauf der Bohrkrone. Zudem wurde das Gerät, erstmalig in seiner Klasse, mit einer weitgehend unabhängigen Wasserversorgung ausgerüstet, in der das Bohrwasser gefiltert und dem System wieder zugeführt wird. In den Marktorganisationen sind im Marketing Produktmanager für die einzelnen Produktbereiche (z. B. Diamond, Bohrmontage, Anchoring) etabliert, deren Hauptaufgabe die Umsetzung der Product Leadership Strategy darstellt. Eine so genannte Trade-Initiative bündelt nun Produkte aus verschiedenen Business Units für ein spezielles Kundensegment und erstellt damit einen „Product Basket“. Dies bedeutet, dass nicht mehr die einzelne Produktfamilie im Vordergrund steht, sondern die Anwendungskette des Kunden. In diesem Sinne gibt es beispielsweise einen Trade Interior Finishing, der sämtliche Produkte verschiedener Business Units und Areas umfasst, welche für Tätigkeiten im Bereich des Innenausbaus benötigt werden. Im Bereich der Diamond Systems wurde der Trade Diamond Service Contractor (DSC) eingerichtet. Dabei handelt es sich um einen Spezialfall, da er sich zu 80 % aus Diamond-Produkten zusammensetzt und daher in der Business Unit Diamant-Technik 78 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION angesiedelt ist. Neben der klassischen Marketing Struktur wird gerade damit begonnen, innerhalb der Marktorganisationen auch einen Trade Marketing mit eigenen Trade-Verantwortlichen aufzubauen. In dieser neuen Organisation ist ein Heavy-User-Verkäufer für Diamond Service Contractors oder Baufirmen mit eigenen Diamantabteilungen nicht mehr für eine bestimmte Region, sondern für einen Trade zuständig. So wird es beispielsweise in der Marktorganisation Deutschland im Heavy-User-Bereich 15 „Tradespezialisten“ unterstützt von zwei Field Engineers geben. Externes Umfeld Diamanttechnik ist eine Technologie, welche lange auf demselben Niveau stagnierte. Über viele Jahre wurden deswegen hauptsächlich Anstrengungen unternommen, um auf der Herstellerseite die Kosten zu senken. Es fanden dadurch vor allem inkrementelle Verbesserungen statt. Die Kerntechnologie der Diamantgeräte (Universalmotor oder konventioneller Drehstrommotor) war aber die Gleiche geblieben. In den letzten Jahren gelang jedoch ein grosser Sprung, indem mit Hochfrequenzmotoren eine neue Motorentechnologie eingesetzt wurde. Ausgelöst wurde diese Innovation durch erhöhte Kundenanforderungen bezüglich Produktivität und Handling. Auch bei der Abbautechnik gab es Verbesserungen. Dieser Schritt war notwendig geworden, da ein Punkt erreicht worden war, an dem selbst geringe Fortschritte kaum noch erzielt werden konnten und es daher immer schwerer geworden war, sich von der Konkurrenz zu differenzieren. Im Allgemeinen ist die Dynamik aber eher gering, die Entwicklung der Werkzeuge läuft in der Regel kontinuierlich ab, radikale Sprünge, wie der auf die neue Motorentechnologie, sind nicht regelmässig zu erwarten. Betrachtet man das Marktumfeld, so ist Hilti in diesem Segment eines der wenigen Unternehmen, welches in der Lage ist, den gesamten Kundenprozess abzudecken. Darüber hinaus investiert Hilti im Vergleich massiv in die F&E und damit in Innovationen. Einer der grössten Konkurrenten von Hilti Diamond Systems ist Tyrolit, ein Unternehmen der Swarowski-Gruppe. Allerdings haben sich zwei weitere Konkurrenten vor kurzem zusammengeschlossen und sind nun umsatzmässig doppelt so gross wie Hiltis Diamant-Division. Auch auf dem Gebiet der Verbrauchsgüter (Consumables) gibt es zwei bis drei grosse Wettbewerber und Hauptkonkurrenten. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Motorenbereich, wo es eine Vielzahl an kleinen und nur zwei bis drei grosse Anbieter gibt. Hilti stellt Motoren selbst her oder entwickelt sie zusammen mit ihren Schlüssellieferanten. Für die nächsten Jahre lässt sich ein starker Trend zur Konsolidierung des Marktes, d. h. zu Zusammenschlüssen oder Akquisitionen, erkennen. Hilti konzentriert sich allerdings auf Wachstum aus HILTI DIAMOND SYSTEMS 79 eigener Kraft und zielt dabei auf eine führende Position und einen weltweit signifikanten Marktanteil ab. Hilti ist die Innovationsführerin ihrer Branche, wobei die Innovationen meistens unter Mitwirkung spezieller Kunden generiert werden. Vereinfacht ausgedrückt kommt die Idee vom Kunden und die Lösung von Hilti. Die Trockenabbau-Lösung des Modells PCC stellt ein Beispiel für eine aktive Kundenintegration dar. Sie kam dadurch zustande, dass Kunden in Kernkraftwerken Probleme mit anfallendem Bohrschlamm und den enormen Kosten bei dessen Entsorgung haben. Der Kunde suchte deshalb nach einem Weg, die Bohrungen ohne den Anfall von Schlamm vornehmen zu können. Hilti veranstaltete daraufhin einen Workshop zur Problematik des Rückbaus kerntechnischer Anlagen. Teilnehmer waren zwei verschiedene Kunden, zwei Dienstleister, ein Atomkraftwerksexperte, der Vertriebsleiter, der für das F&E-Projekt verantwortliche Manager aus der Forschung, der Verantwortliche für das Technologieprojekt aus der Entwicklung sowie der Leiter des Trades Diamond Service Contractor. Gemeinsam wurden die Problemstellung konkretisiert sowie erste Ideen und Lösungsansätze generiert. Nach mehreren Versuchen mit Prototypen, konnten die ersten Lösungen den Kunden vorgestellt werden. Darauf aufbauend gelang es Hilti, die so genannte PCCTrockenabbaulösung weiterzuentwickeln und damit, mithilfe von Ideen und Anregungen der Kunden, eine wesentliche Innovation im Trockenabbau zu erzielen. 3.4.2 Innovationsprozess Der Innovationsprozess bei Hilti setzt sich aus drei Teilen zusammen: dem F&EProjekt, dem Technologie-Projekt und dem Time-to-Money-Projekt. Die letzte Phase lässt sich ihrerseits in fünf Schritte (Definitionsphase, Konzeptphase, Designphase, Launch-Vorbereitungsphase und Markteinführungsphase) und sechs Gates unterteilen, wobei für die Frühphase nur die beiden ersten Schritte bis hin zur Konzeptphase relevant sind (vgl. Abb. 15). Am Anfang steht das so genannte F&EProjekt. Es umfasst einerseits die Erfassung der Kundenbedürfnisse über allgemeine Marktforschung und andererseits die Grundlagenforschung der eigenen Forschungsund Entwicklungsabteilung. Als ein mögliches Instrument werden Fokusgruppen eingesetzt, welche von einem externen Institut befragt werden. Ebenso kommen Lead-User-Workshops oder Kundeninterviews infrage, um Probleme und Anliegen der Kunden detailliert zu erfassen. Mittels Quality Function Deployment (QFD) werden diese Bedürfnisse dann nach ihrer Wichtigkeit klassifiziert. Das F&EProjekt ist zentral innerhalb der Forschung angesiedelt, ebenso wie die erste Hälfte des Technologieprojektes. Die zweite Hälfte des Technologieprojektes erfolgt dann dezentral in den jeweiligen Entwicklungsabteilungen der Business Units. Das ge- 80 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION samte Time-to-Money-Projekt wird dann gemeinsam zwischen Entwicklung und Marketing (ebenfalls dezentral in den Business Units) abgewickelt. Früher Innovationsprozess Gelegenheitsphase F&E-Projekt Technologieprojekt Ideenphase Definitionsphase Konzeptphase Konzeptphase Abbildung 15: Frühphase des Innovationsprozesses der Hilti Diamond Systems F&E-Projekte sind stark intern getrieben und finden nur bei neuen Technologien statt. Basierend auf einem Problem des Kunden (z. B. Trockenbohren in armiertem Beton) wird ein Problem definiert, für welches dann eine Lösung gesucht wird. Neben diesen Anwendungsproblemen kann auch die Suche nach Einsparungspotenzialen den Anstoss zur Entwicklung bzw. Suche neuer Technologien geben. In beiden Fällen kommen zur Durchführung des Projektes praktisch keine konzeptionellen Vorschläge von Kundenseite. Das Time-to-Money-Projekt beginnt erst dann, wenn alle relevanten Risiken aus einer Technologie ausgeschaltet sind. 3.4.3 Kundenintegration Grundlagen Die Hilti Unternehmensstrategie „Champion 3C“ – „Customer“, „Competence“ und „Concentration“ – richtet das Unternehmen klar auf die Bedürfnisse der Kunden aus. Seit mehr als fünf Jahren orientiert sich Hilti an dieser Strategie. Der Kunde steht dabei an erster Stelle, daher der Buchstabe C für das englische Wort Customer. Konzentration auf Key-Kunden und auf die Lösung ihrer Probleme lautet das Rational. Die zentrale Bedeutung des Kunden spiegelt auch Hiltis Organigramm wider. Der Kunde steht zuoberst, bedient durch die Regionen und Märkte. Hilti Mitarbeiter werden intensiv geschult, um Kundenanforderungen mit gezielter Beratung und Anwendungs- bzw. Produktwissen optimal erfüllen zu können. Die Strategie Champion 3C steht dabei in allen Bereichen im Mittelpunkt, so auch in der Konzernforschung und Entwicklung. Die Entwickler haben ebenfalls direkten Kun- HILTI DIAMOND SYSTEMS 81 denkontakt, um ein besseres Marktverständnis zu entwickeln. Auch die Vertriebskanäle richten sich stets auf maximalen Kundennutzen aus. Hilti offeriert seinen Kunden einzigartige Kompetenz (zweites C von Competency): Die Produkte, Systeme und Serviceangebote zeichnen sich durch richtungsweisende Innovationen und umfassende Qualität aus. Hilti versteht sich als kompetenter Ansprechpartner für den Profi am Bau. Das dritte C steht für Concentration, also Konzentration. Diese findet sich sowohl bei den Märkten als auch den Produkten und ermöglicht Hilti, ein Führungsrolle zu übernehmen und zu behaupten. Das Unternehmen konzentriert sich auf Produkte und Märkte mit und in denen es Führungspositionen erlangen und halten kann. Man setzt also nicht auf so genannte „Me-too-Produkte“. Hilti will in den Märkten, in denen sie tätig ist, die Nummer eins, zwei oder drei sein. Dies erfordert massive Investitionen, um die Rolle der Innovationsführerin zu behalten. Um die Zufriedenheit der Kunden, aber auch die interne Effizienz weiter zu steigern, hat Hilti weltweit einheitliche Geschäftsprozesse definiert. Die Strategie wird konkretisiert durch die drei Stossrichtungen „Product Leadership“, „Market Reach“ und „Operational Excellence“. Zur Messung der Effizienz dieser Bemühungen werden Messgrössen wie der Binding-Index (Wie stark ist der Kunde mit dem Produkt an Hilti gebunden?) oder auch der HILTI-Fan-Index (Würde uns der Kunde uneingeschränkt weiterempfehlen?) herangezogen. Diese Zuwendung zum Kunden manifestiert sich ganz deutlich durch die Aktivitäten im Servicebereich der Hilti Diamond Systems. Nicht nur die physischen Produkte, sondern auch die Dienstleistungen sollen auf den jeweiligen Kunden angepasst werden. Im Rahmen einer neuen Servicestruktur wird gerade ein dreistufiges Partnerschaftsmodell aufgebaut. Darin werden Standard-Partner, Advanced-Partner und Top-Partner unterschieden (vgl. Abb. 16). Der Standardkunde kann aus der kompletten Produktpalette auswählen und profitiert von diversen Dienstleistungen wie 2-Jahre-Reparaturservice, 24-h-Lieferservice für Werkzeuge oder VorortBeratungen. Dieses Angebot wird beim Advanced Service durch ein Fleet Management ergänzt. Beim Top Service wird dann unter anderem die direkte Einbindung in den Innovationsprozess sowie Projektunterstützung und Mitgliedschaft im Hilti Top Club angeboten. Die Preise für die einzelnen Produkte und Serviceangebote werden dabei mit steigenden jährlichen Abnahmemengen immer attraktiver und sind international harmonisiert. 82 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Top Advanced Standard ¾ Basisprogramm ¾ Einmalgeschäft ¾ < 15% des jährlichen Bedarfs ¾ Spitzenprogramm ¾ Loyalitätsübereinkommen ¾ > 30%des jährlichen Bedarfs ¾ Erweitertes Programm ¾ Lieferung von Werkzeugen ¾ 15 bis 30 % des jährlichen Bedarfs Entwicklung der Partnerschaft Basis Service 24-Stunden-Service Testgeräte Ferndiagnostik Top Service Leihgeräte Flottenmanagement Trockenbohreinsätze Projektengineering Abbildung 16: Partnerschaftsniveaus für Diamond Service Contractors der Hilti Diamond Systems Für Hilti liegt der grosse Vorteil der Kundeneinbindung in den Innovationsprozess darin, dass man die Entwicklung schneller vorantreiben kann und eine grössere Sicherheit hat, kundengerechte Produkte zu entwickeln. Produkte müssen baustellentauglich sein, deshalb muss auch schon während der Entwicklung das Produkt zusätzlich zum Labor auf der Baustelle getestet werden. Wichtig ist, dass man schon früh mit Prototypen zum Kunden geht bzw. den Kunden bei der Entwicklung des Prototypen einbindet, um so die Effizienz der Entwicklung zu steigern und die Anzahl der notwendigen Änderungen zu reduzieren. Der Kunde soll deshalb so schnell wie möglich das Produkt – am besten im Einsatz direkt auf der Baustelle – testen können. Ziel ist es, dem Kunden Mehrwert durch Produkte und Serviceangebote zu bieten. Grundlage dafür ist, dass mit den Produkten ein deutlicher Mehrwert erzielt werden kann. Durch das Angebot an speziellen Services soll dem Kunden der nötige Wettbewerbsvorteil geboten werden. Dies erfolgt durch das Top-Service-Angebot, welches in den meisten Märkten Flottenmanagement als tragende Säule hat. HILTI DIAMOND SYSTEMS 83 Hiltis Kultur basiert auf einem strengen Ethikkodex und steht für Seriosität und Ehrlichkeit. Der Kunde sollte wann immer möglich dieselben ethischen Grundsätze vertreten. Fokuskunden sind im Speziellen Kunden bei denen Loyalität und Partnerschaft ebenfalls eine zentrale Rolle in ihrem Geschäftsverständnis spielen. Das gemeinsame Ziel sollte eine langfristige Partnerschaft sein, welche auf dem Prinzip des „Value for money“ beruht. Dabei ist beiderseitiges Commitment sehr wichtig. Die Vertrauenskultur zum Kunden wird oft durch persönlichen Kontakt aufgebaut (z. B. kennt man die Geschäftsführer persönlich). Auch Gegenseitigkeit, im Sinne von Profit für beide Seiten, stellt ein Ziel dar. Die Kunden sollen darüber hinaus Meinungsbildner sein und so die Hilti-Produkte für weitere Unternehmen attraktiv machen. Organisation Kundenauswahl Hilti ist im Bereich Diamantdienstleister prinzipiell auf grosse und mittlere Kunden fokussiert. Die Differenzierung gegenüber der Konkurrenz findet über die Qualität statt und zielt auf Partnerschaften, welche in eine Win-Win-Situation münden. Hilti teilt die Kunden prinzipiell in zwei Kategorien ein, das Profi-Segment (Dienstleister) und das Mainstream-Segment des Bauhaupt- (z. B. die Firma HochTief)- und Nebengewerbes (z. B. Installateure und Elektriker). Gerade im ProfiSegment verfügt Hilti über sehr genaue Kenntnisse ihrer Kundenstruktur. Zahlenmässig handelt es sich dabei in den deutschsprachigen Ländern um rund 1.200 Kunden in Deutschland, 300 in der Schweiz und 200 in Österreich. Die Pflege der Beziehungen ist Hilti ein zentrales Anliegen und wird entsprechend intensiv und gründlich betrieben. So werden Grosskunden beispielsweise regelmässig an den Hauptsitz nach Schaan eingeladen. Die Profi-Kunden – im Falle der Diamond Systems die so genannten Diamond Service Contractors (DSC)12 – werden verstärkt in den Innovationsprozess miteinbezogen. Der professionelle Anwender kann die Qualität der Produkte, im Besonderen der Consumables sehr schnell und kompetent beurteilen. Die Produktentwicklung geschieht für Diamond Service Contractors und Mainstream-Segment jedoch gemeinsam. Teilweise werden die Diamantwerkzeuge und Systeme dann in leicht abgewandelter Form für Dienstleister und Mainstream-Kunden auf den Markt gebracht. Diese zweistufige Marktbearbeitung – zunächst „Formel 1“ und anschlies12 Unter dem Begriff Services Contractor (= Dienstleister) werden neben den unabhängigen Dienstleistern auch noch integrierte Dienstleister, d. h. eigene Gruppen innerhalb grosser Baufirmen, verstanden. 84 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION send Volumengeschäft – ist auch sehr wichtig für die strategische Positionierung, um die getätigten Innovationsinvestitionen optimal zu nützen. Prinzipiell sucht Hilti-Kunden, welche eine echte Partnerschaft eingehen wollen, sodass der Aufbau einer Win-Win-Beziehung möglich ist. Der Kunde soll loyal und vertrauenswürdig sein, da dadurch die Penetration und Profitabilität (von Hilti bei und mit diesen Kunden) steigt. Die Grösse des Kunden spielt gerade für den Markt der Diamond Service Contractors ebenfalls eine zentrale Rolle. Hilti konzentriert sich stark auf die grossen Player der Branche. Dabei möchte Hilti Meinungsbildner für sich gewinnen, welche dazu beitragen, die Bekanntheit bei weiteren potenziellen Kunden zu steigern. Daneben spielen auch Wissen und Kompetenz eine wesentliche Rolle, um den Kunden sinnvoll in den Innovationsprozess involvieren zu können. Daher sind diese Fähigkeiten der Kunden auch ein zentrales Kriterium bei der Kundenauswahl. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Auswahl der Fokusgruppen und Lead-User sind die regionalen Unterschiede. Es reicht nicht, nur Kunden aus dem deutschsprachigen Raum zu befragen, da Kunden beispielsweise in den USA oder Japan ganz andere Bedürfnisse haben können. Prinzipiell erfolgt der direkte Erstkontakt in den meisten Fällen über die Business Units und ihre lokalen Organisationseinheiten. Ablauf Kunden spielen im Verlauf des gesamten frühen Innovationsprozesses der Hilti Diamond Systems eine wesentliche Rolle. Dies beginnt im F&E-Projekt, wo sie als Bedürfnisträger und Ideengeber auftreten. In den späteren Phasen, wenn bereits konkrete Vorstellungen über das Produkt bestehen, geht die intensive Kundeneinbindung weiter – durch Fokusgruppen, Lead-User-Workshops und Feldtests von Prototypen, so genannte Customer Acceptance Tests (CAT). Diese Schritte der Kundenintegration werden im Folgenden näher beleuchtet. Die F&E-Projekt-Phase entspricht bei Hilti einer reinen F-Phase und beinhaltet noch keine eigentliche Entwicklung. Forschungsprojekte werden durch Ideen und Kundenbedürfnisse angestossen. Die eigentliche Marketingabteilung ist dabei noch wenig involviert, da eine allgemeine Marktorientierung und weniger gezielte Marktforschung dominiert. Diese Marktorientierung geschieht bei Hilti vor allem über das eigene, weltumspannende Vertriebsnetz, welches sich direkt an den gewerblichen Endverbraucher richtet. Je nach Bedürfnis stehen den Verkaufsberatern lokale Hilti Center oder der telefonische Kundendienst des entsprechenden Landes zur Verfügung. Der Direktvertrieb ist ein sehr starkes Instrument, um Kundenanforderungen besser zu verstehen sowie langfristige Beziehungen aufzubauen. Als nächster HILTI DIAMOND SYSTEMS 85 Schritt schliesst sich als zweite Phase ein so genanntes Technologieprojekt an. Dafür muss das F&E-Projekt soweit fortgeschritten sein, dass die Entwicklung eines konkreten Produktes möglich ist. Es kommt dabei nun zu einer starken Interaktion zwischen Produktentwicklung und Marketing. Bereits in diesem frühen Stadium werden, zur Vorbereitung der folgenden Phase, erste Marktzahlen erhoben und Abschätzungen der Marktpotenziale durchgeführt. In diesem zweiten Prozessschritt werden das neue bzw. verbesserte Produkt entwickelt und erste Baumuster angefertigt. Diese stehen am Beginn der dritten Phase, dem Time-to-Money-Projekt. Hier ist wiederum die Interaktion mit dem Kunden entscheidend. Grundsätzlich wird das Ziel verfolgt, den Lead-Usern möglichst schnell einen ersten Prototyp vorstellen zu können. Ausgewählte Kunden erhalten eine erste Version, um das neue Produkt in der Praxis zu testen. Die Kunden geben so wichtiges Feedback für Verbesserungen und Weiterentwicklungen. Teure Änderungen an späteren Serienprodukten können damit in vielen Fällen verhindert werden. Der prinzipielle Ablauf enthält die folgenden drei Schritte: ¾ Input des Problems meist über Vertriebskanäle; bei Diamond Systems nicht systematisch; nicht speziell auf Nischen oder Randgruppen abzielend; führt zur so genannten Business Opportunity Description ¾ Konzeptioneller Teil; verschiedene Vorschläge werden erarbeitet und anhand von Technologieträgern und Prototypen realisiert; Auswahl und Anreicherung mit Unterstützung von Fokusgruppen ¾ Überprüfung und Verfeinerung des Konzeptes (d. h. der Value Proposition) durch Lead-User und Customer Acceptance Tests; dabei wird schon das Gesamtpaket inklusive des Preises betrachtet Die Identifikation von Fokusgruppen und Lead-Usern wird sehr ernst genommen und sorgfältig durchgeführt. Für den Erfolg dieser Methoden ist es wesentlich, dass die Resultate und Erkenntnisse auch repräsentativ für die Märkte und Regionen sind. Fokusgruppen gibt es also nicht nur in der frühen Phase des F&E-Projekts, sondern auch im Time-to-Money-Projekt. Dabei handelt es sich in Letzterem um eine Abfrage, wie die Kunden zu einer neuen Lösung stehen würden. Zum Teil gibt es zur Unterstützung dieser Workshops bereits Beispiele – frühe Prototypen – für die neuen Lösungen. Fokusgruppen im Sinne von Diamond Systems entsprechen eher den klassischen Lead-Usern (im Gegensatz zu der Verwendung des Namens Lead-User bei Hilti Diamond Systems). Lead-User werden etwas später, am Beginn des Time-to-Money-Projektes zu spezifischen Themen eingesetzt. Ihre Teilnahme stellt eigentlich eine andere Art der Customer Acceptance Tests dar und dient dazu, 86 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION bereits ausgewählte Lösungen zu diskutieren und Anregungen zur Verbesserung zu erhalten. Die Fokusgruppe dient somit der Auswahl einer Lösung bzw. „Value Proposition“ aus mehreren Angeboten (und damit der Konzepterstellung) und der Lead-User-Ansatz ebenso wie der Customer Acceptance Test der Bestätigung dieser Value Proposition (und damit der Konzeptverfeinerung; z. B. „Das ist die Lösung, was halten Sie davon?“). Top-Partner sind ab der Time-to-Money-Phase involviert, wobei von ihrer Seite her selten grosse Innovationssprünge, sondern meistens kleine Schritte (z. B. Handlingverbesserung) angestossen werden. Die LeadUser im obigen Sinne setzen sich vor allem aus Top-Partnern zusammen. Für die Fokusgruppen wäre dies eine zu starke Einschränkung. Hier gilt es vielmehr eine statistische Streuung zu berücksichtigen. Dazu stellt die Marktforschung, mit dem Ziel der Zusammenstellung einer statistisch repräsentativen Gruppe, Daten zur Auswahl zur Verfügung. Es ist entscheidend, dass die Auswahl der Fokusgruppen statistisch abgesichert ist, die Auswahl also repräsentativ ist und nicht willkürlich beliebige Kunden integriert werden. Zusätzlich muss auch auf regionale Unterschiede eingegangen werden, da die einzelnen Länder unterschiedliche Bedürfnisse haben. Marktorganisationen, welche an der Thematik interessiert sind, beteiligen sich, wobei entweder ein bis zwei Fokusgruppen für alle Länder oder länderspezifische Gruppen durchgeführt werden. Kunden werden von der jeweiligen Business Unit nach Trade und Grössenklasse vorspezifiziert. Die Durchführung erfolgt mit einer externen Firma, welche auch die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Die Gruppengrösse umfasst 8 bis 12 Personen, wobei auch die Funktionen der Teilnehmer auf Kundenseite ein wesentliches Auswahlkriterium darstellen. Im Bereich der Dienstleister kommen meistens die selben Kunden zum Einsatz. Entscheidend ist, dass Kunden Anwendungen und Problemstellungen haben, in denen sie den zum jeweiligen Projekt passenden Bedarf selbst verspüren. Für die Durchführung der Customer Acceptance Tests besteht eine eigene Richtlinie. Sie werden in der Konzeptphase abgehalten und führen zur Bestätigung der Value Proposition. Operativ erfolgt die Durchführung in den Märkten, d. h. auf den Baustellen. Seitens Hilti sind die jeweiligen Projektleiter und Produktmanager ebenso wie die Entwickler vertreten. In vielen Fällen werden nach den Tests die verwendeten Testgeräte für Top-Kunden bereitgestellt. Die Customer Acceptance Tests schliessen die Konzeptphase ab, an deren Ende der „Point of no return“ des Gesamtprojektes steht. Management der frühen Kundenintegration HILTI DIAMOND SYSTEMS 87 Eine wichtige Frage stellt sich bezüglich der Anreize, welche die Kunden zur aktiven Mitarbeit motivieren. Weshalb sollte ein Lead-User bereit sein, seine Ideen preiszugeben, deren Geheimhaltung ihm eventuell einen Wettbewerbsvorteil bieten könnte? Weder werden Kunden dafür bezahlt, an den Workshops teilzunehmen, noch haben sie danach irgendwelche Ansprüche auf die Verwertung möglicher Innovationen (z. B. durch Patente). Die Lösung liegt zum einen sicherlich in extrinsischen Motiven. Die Kunden haben ein Interesse daran, dass ihre Meinung, ihre Sorgen und Probleme gehört und vor allem gelöst werden. Viele der Hilti-Kunden haben vielleicht Lösungsideen, ihnen fehlt aber das Know-how und die Infrastruktur, diese auch umzusetzen. So sind sie froh, wenn die Lösung der Anwendungsprobleme durch konkrete Produktentwicklung und -umsetzung realisiert wird und daraus „massgeschneiderte“ Geräte und Systeme entstehen. Nehmen Kunden an LeadUser-Workshops teil, können sie ihre Anliegen direkt einbringen und haben die Möglichkeit, Produkte nach ihren Präferenzen zu beeinflussen. Zudem werden sie auch die Ersten sein, die Innovationen testen und schliesslich anwenden dürfen. Dazu kommt noch die intrinsische Motivationskomponente. Wichtig ist, dass dem Kunden das Gefühl vermittelt wird, dass seine Meinung und Mitarbeit für Hilti sehr wichtig sind. Hilti versteht es, den ausgewählten Kunden durch Einladungen zu Mitgliederevents und ähnlichen Veranstaltungen dieses Gefühl zu vermitteln. In diesen Treffen und Workshops stellt sich oft ein „Community-Gefühl“ ein, welches zur gemeinsamen Ideenentwicklung motiviert. Es kommen also Experten zusammen, um sich auszutauschen und in gewissem Grade die „Peer-Anerkennung“ zu suchen. Gerade aufgrund dieser fundierten Vertrauenskultur zwischen Hilti und seinen Kunden ist es für Konkurrenten äusserst schwierig, mit der Dynamik und Innovationsrate von Hilti mitzuhalten. Der Vorteil für die Kunden besteht also darin, dass sie frühzeitig in den Entwicklungsprozess eingebunden werden und ihre Ideen und Anliegen einbringen können und somit ihre Probleme gelöst bzw. ihre Bedürfnisse bestmöglich erfüllt werden. Zudem sind sie die Ersten, welche die neuen Produkte testen und anwenden können, und sie gehören einem exklusiven Zirkel von Experten an. Bei den Fokusgruppen spielen auch noch andere extrinsische Faktoren eine Rolle, da deren Teilnehmer einen Spesenersatz erhalten. Ausserdem wird ihnen ein aufwändiges Rahmenprogramm geboten, Hilti lädt zum Essen ein und zeigt Produktion und Entwicklung. Der Kunde soll spüren, dass er für Hilti sehr wichtig ist. Darüber hinaus soll er die Herstellerseite kennen lernen und dadurch besser verstehen. Im Profi-Segment, bei den Dienstleistern, sind es rund 40–50 Kunden, welche verstärkt befragt bzw. miteinbezogen werden. Zudem werden ausgewählte Grosskunden zu 88 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Workshops nach Schaan eingeladen, wo sie im Rahmen der oben beschriebenen Instrumente direkten Einfluss auf den Entwicklungsprozess nehmen können. Bereits sehr früh, in der F&E-Phase oder spätestens in der Technologie-Phase, wird die Intellectual Property (IP)-Abteilung involviert und startet Patentrecherchen, um so mögliche Patente einzugeben und Innovationen langfristig gegenüber den Konkurrenten abzusichern. Die Schutzrechte liegen immer bei Hilti. Die Kunden müssen, bevor sie involviert werden, eine Geheimhaltungserklärung unterschreiben. Sie haben keine Ansprüche auf Innovationen, welche aus gemeinsamen Workshops entstehen. Hilti setzt Patente vor allem als Schutz vor Konkurrenten ein, um sich den entscheidenden Vorteil bei ihren Kerntechnologien zu sichern. Lizenzvergabe als zusätzliche Einnahmequelle ist kein strategisches Ziel, Patente werden also als „Legal Tools“ und nicht als „Financial Assets“ betrachtet. 3.4.4 Zusammenfassung Prinzipiell legt Hilti für ihre Kernprodukte grossen Wert auf die eigene Entwicklung der Technologien von den ersten Grundlagenforschungen bis hin zum fertigen Produkt. Nur wenn eine Technologie nicht zu den Kernkompetenzen gehört, werden mit externen Partnern Entwicklungsvereinbarungen abgeschlossen. Diese starke Autonomie auf technischer Seite wird bei Hilti durch eine aussergewöhnlich hohe Marktorientierung ergänzt. Während des gesamten Innovationsprozesses, speziell in der Frühphase desselben, ist Hilti bestrebt, ihre Kunden und damit die Marktseite aktiv einzubinden. Hilti gilt nicht ohne Grund als Musterbeispiel bezüglich Kundeneinbindung. Die Unternehmung setzt diverse, gut abgestimmte Modelle der Kundeneinbindung ein. Bezüglich des Innovationsgrades kann man feststellen, dass einzelne Komponenten oder Funktionalitäten der Geräte neu entwickelt werden, um Kundenprobleme zu lösen, dass es sich aber meistens um keine völlig neuen Produkte handelt. Die Bedürfnisse der Kunden werden ganz am Beginn eines Innovationsprojektes mittels Interviews von Fokusgruppen, Lead-User-Workshops und im stetigen direkten Kontakt mit Kunden eruiert und dienen als entscheidender Input. Die Lead-User bilden dabei die zentrale Säule in Hiltis kundengetriebenem Innovationsmanagement. Im Verlauf des eigentlichen Entwicklungsprojektes wird die Rolle der Kunden besonders dann relevant, sobald erste Anschauungsmodelle vorhanden sind. Ab diesem Zeitpunkt ist die Kundeninteraktion wieder intensiver, beispielsweise durch Instrumente wie Customer Acceptance Tests und Workshops. Fokusgruppen werden eingesetzt, um Kundenbedürfnisse zu identifizieren. Lead-User-Workshops liefern wichtige Inputs für neue Entwicklungen. Im anschliessenden Prozess des Qua- HILTI DIAMOND SYSTEMS 89 lity Function Deployments (QFD) wird die Wichtigkeit der einzelnen Features beurteilt, um schliesslich die Kunden erste Prototypen in Workshops und auf der Baustelle testen zu lassen. Die Forschung und Entwicklung folgt aber von Anfang an immer dem Ziel der optimalen Bedürfnisbefriedigung der Kunden. Hilti will die Kunden verstehen und möglichst gut kennen, auf professionelle „Customer Intelligence“ wird grosser Wert gelegt. Man ist bestrebt vom „Bauchgefühl“, dem gedachten Kundenwunsch, wegzukommen und es durch eine aktive Teilnahme des Kunden an der frühen Innovationsphase zu ersetzen. Alle Methoden der Kundeneinbindung sind sorgfältig konzipiert und werden koordiniert eingesetzt. Zusammenfassend sind die wichtigsten dieser Charakteristika in Abbildung 17 dargestellt. 90 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Warum? Ziele ¾ Ausdruck der strategisch verankerten Ausrichtung nach dem Kunden ¾ Zur Auswahl („Fokusgruppen“) und Bestätigung („Lead-User“ und Customer Acceptance Test) einer Value Proposition Wann? Phase ¾ Einerseits im Rahmen des F&E-Projektes in der Gelegenheitsphase und ¾ Andererseits ab der Hälfte der Definitionsphase und während der gesamten Konzeptphase Wen? Kundencharakteristika ¾ Für die Fokusgruppen einen statistisch relevanten Querschnitt der betroffenen Märkte ¾ Für die Lead-User-Workshops innovative Vorreiterkunden, oft aus dem Pool der Top-Partner Wie? Prozesscharakteristika ¾ Klassische Marktorientierung gewährleistet durch Aufstellung mit dominierenden Marktorganisationen ¾ Darüber hinaus Partnerschaftsmodell mit Stufen von „Standard“ über „Advanced“ bis hin zu „Top“ ¾ Fokusgruppen zur Unterstützung der Konzeptauswahl und Lead-User-Workshops zur Bestätigung des Mehrwerts des selektierten Konzeptes, gefolgt von Customer Acceptance Tests zu Beginn der Konzeptphase Besonderheiten ¾ Starker Kundenbezug durch Organisation und Direktvertrieb gegeben ¾ Umfassendes, die Integration begleitendes, Servicekonzept als Mehrwert für die Kunden Abbildung 17: Übersicht der frühen Kundenintegration der Hilti Diamond Systems ZUMTOBEL STAFF 3.5 91 Zumtobel Staff Die Zumtobel AG ist ein österreichischer Konzern der Lichtindustrie. Unternehmensziel ist es, mit Licht Erlebniswelten zu schaffen, die Arbeit zu erleichtern und Kommunikation sowie Sicherheit zu erhöhen. Technologische Führerschaft und kompromissloses Bekenntnis zu Kreativität und Innovation stellen die zentralen Werte der Zumtobel AG dar. Die Unternehmensgruppe ist in die Geschäftsfelder Leuchten und Lichtlösungen, Lichtkomponenten und Verbindungstechnik, Lichtmanagement sowie Kunststoffleuchten aufgeteilt. Die Zumtobel AG erwirtschaftete in der Periode 2002/03 mit ca. 8.000 Mitarbeitern beinahe 1,2 Mrd. EUR Umsatz. Im Mittelpunkt dieser Fallstudie steht der Teilkonzern Zumtobel Staff GmbH in Dornbirn, welcher als Premium-Marke und Innovationsführer der Zumtobel AG positioniert ist und den Bereich Leuchten und Lichtlösungen vertritt. Der Schwerpunkt wird dabei auf die beiden Sparten Industrie- und Officeleuchten gelegt. Zumtobel Staff versteht sich als kompetenter Partner der Architekten sowie Licht- und Elektroplaner und verfügt über Tochterfirmen, Produktionsstätten und Vertretungen in über 70 Ländern weltweit. Im Geschäftsjahr 2002/03 trug Zumtobel Staff mit 2.765 Mitarbeitern 455 Mio. EUR zum Konzernumsatz bei, wovon über 30 % auf neu entwickelten Lichtsystemen basierten. Zwecks Erschliessung von Outside-in-Innovationen bindet die Zumtobel Staff mit Forschungsinstituten, Universitäten, Lieferanten und Behörden zahlreiche externe Quellen im Sinne eines interorganisationalen Netzwerkes in ihre F&E-Organisation ein. Der eigentliche Schlüssel des Erfolges der Zumtobel Staff liegt aber in einer konsequenten Orientierung an den Kundenanforderungen. Um daraus neue Geschäftsideen erschliessen zu können, wird eine Vielzahl an Methoden und Techniken eingesetzt. Ein sehr hoher Stellenwert kommt den indirekten Kunden, den Architekten und Lichtplanern, zu. Sie sind visionäre Ideenträger und bringen so eine Vielzahl von Innovationsimpulsen ein, welche oft zu neuen Produkten führen. Von Elektroinstallateuren gehen Produktinnovationen insbesondere basierend auf ihren Montageerfahrungen ein und Designer werden im Rahmen von konkreten Aufträgen integriert. Der Endkunde wird vorwiegend durch Beobachtungen ins interorganisationale Netzwerk eingebunden. Im Folgenden sollen vor allem die indirekten Kunden der Zumtobel Staff betrachtet werden, wobei der Schwerpunkt auf den Architekten und Lichtplanern liegt, da diese das grösste Innovationspotenzial für die gesamte Leuchtenlösung darstellen (meistens nicht in technologischer, sondern in gestalterischer Hinsicht). 3.5.1 Rahmenbedingungen 92 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Organisatorisches Umfeld Die Zumtobel Staff beschäftigt knapp 100 Mitarbeiter in der F&E-Abteilung, wobei die gesamte Mitarbeiterzahl rund 2.700 beträgt. Der Umsatz betrug zuletzt 430 Mio. EUR, wovon mit dem Ziel der Innovationsführerschaft rund 2 % (d. h. ein im Branchenvergleich eher hoher Wert) für die F&E aufgewendet wurden. Die Forschung und Vorentwicklung der Zumtobel Staff ist zentral organisiert und befindet sich im österreichischen Dornbirn. Ihr Auftrag ist es, visionäre Technologien und darauf aufbauend Plattformen, welche auf allen Kontinenten in die Produkte eingesetzt werden können, zu entwickeln, um die technologische Führerschaft aufrechtzuerhalten. Basierend auf den stark divergierenden Anforderungen der verschiedenen kontinentalen Märkte und den länderspezifischen Normen und Leuchtenbauvorschriften ist die Produktentwicklung dezentral organisiert und wird auf den Kontinenten Europa, Amerika und Australien im Rahmen der dortigen Gesellschaften vorgenommen. Diese dezentrale Entwicklungsorganisation erlaubt Zumtobel Staff, einen ausgeprägten Kundenkontakt zu pflegen und visionäre Kunden weltweit in den Innovationsprozess einzubinden. Nur ein geringer Anteil der F&E-Ausgaben fliesst in externe F&E-Projekte. Generell werden rund 20 % des Umsatzes mit Sonderprodukten, welche ausserhalb des katalogisierten Produktportfolios liegen, erzielt. Diese speziellen Produkte werden in Sonderprojekten gemeinsam mit externen Spezialisten entwickelt und führen aus technologischer Sicht zwar meistens zu inkrementellen Innovationsschritten, gesamthaft gesehen aber zu innovativen Lösungsansätzen, welche sich im Idealfall zu komplett neuen eigenen Produktlinien entwickeln können. Radikale technologische Innovationen kommen meistens aus dem Technologiebereich und zwar entweder von der eigenen Forschung (z. B. neue Arten der Lichtbrechung oder -lenkung) oder aus anderen Branchen. So waren die letzten drei erfolgreichen bahnbrechenden Innovationen der Leuchtenbranche die LED-Technologie der Lampenhersteller, die Waveguide-Technologie eines Technologieunternehmens aus einer anderen Branche und die Durchlichtmikrostruktur aus der eigenen Forschungsabteilung. Innerhalb der letzten drei Jahre wurden abgesehen von den einfachen Produktverbesserungen mehr als 30 neue Produktfamilien in den Markt eingeführt. Der Anteil dieser neuen Produkte am gesamten Umsatz lag mit 34 % über dem internen Ziel von 30 %. ZUMTOBEL STAFF 93 Externes Umfeld Die Technologiedynamik der Beleuchtungsbranche nimmt kontinuierlich zu. Dadurch steigt die Zahl der Innovationen permanent an und die Produktlebenszyklen werden immer kürzer. Betrachtet man die Produkte dieser Branche genauer, so zeigt sich, dass sie sich aus drei Teilen zusammensetzen mit denen jeweils ein eigener Industriezweig verbunden ist, nämlich der Lampe, dem Betriebsgerät und der Leuchte. Dabei haben nur die Leuchtenhersteller, wie Zumtobel, direkten Kontakt zum Kunden. Der Markt der Lampenhersteller ist im Wesentlichen ein Oligopol gebildet von General Electric, Osram und Philips. Dazu kommen noch ungefähr sieben kleinere Hersteller, welche aber zusammen weniger als 30 % des weltweiten Umsatzes erwirtschaften. Innovationen im Bereich der Lampen werden von den drei grossen Marktteilnehmern vorangetrieben und gesteuert. Auch alternative Lampensysteme, beispielsweise die LED-Technologie, werden mittlerweile von ihnen kontrolliert. Bei der Entscheidung bezüglich der Einführung einer Innovation bzw. neuer Technologie spielen die drei grossen Player, alleine schon durch ihren grössenbedingten Einfluss auf die Normung, eine entscheidende Rolle. Zumtobel Staff nimmt im Segment der Lampen nur die Rolle eines OEM-Kunden ein, welcher von den Lampenherstellern hin und wieder zu Workshops eingeladen wird, um ihnen die frühzeitige Abschätzung von Marktentwicklungen zu ermöglichen. Der Markt für Betriebsgeräte ist nicht so stark konzentriert wie der Lampenmarkt. Den gesamten Markt mit einem Umsatz von ca. 1 Mrd. EUR teilen sich zwölf grössere Hersteller. Die grössten drei, nämlich Osram, Philips und die zur Zumtobel AG gehörende Tridonic, erzielen davon rund 40 bis 50 %. Der Leuchtenmarkt unterscheidet sich grundsätzlich von den Märkten für Lampen und Betriebsgeräte. Er besteht praktisch aus mehr als 1.000 kleinen und mittleren Unternehmen. Die drei grössten Hersteller decken weniger als 10 % des weltweiten Umsatzes ab und haben in ihren jeweils stärksten Regionen weniger als 15 % Marktanteil (z. B. Zumtobel Staff in Europa rund 10 %, weltweit 3–4 %). Dieser „kontinentale Markt“ kann damit erklärt werden, dass die Leuchtenindustrie vor allem Bauprojekte bearbeitet und damit in einem stark regional geprägten Geschäft tätig ist. Zumtobel Staff ist innerhalb des Baumarktes im Bereich der professionellen Innenraumbeleuchtung im Non-residential Bereich (d. h. nicht im privaten Wohnbau) tätig. Firmenintern wird dieser Markt in die drei Bereiche Industrie, Büro und Verwaltung sowie Kunst/Kultur und Geschäft/Shop aufgeteilt. Zwischen öffentlichen und privaten Auftraggebern wird nicht unterschieden, da in diesem Segment Auf- 94 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION träge zumeist per Ausschreibung vergeben werden und keine gravierenden Unterschiede in der jeweiligen Abwicklung bestehen. Prinzipiell wird bei Zumtobel zwischen Sonder- oder Projektgeschäft und Standardprodukten unterschieden. Letztere werden über einen Katalog im Rahmen des regulären Vertriebes angeboten, während die Sonderleuchten immer aus einem einzelnen Projekt und der konkreten Zusammenarbeit mit mindestens einem externen Partner entspringen. Auf die genaue Unterscheidung dieser beiden Produktentstehungsprozesse wird im weiteren Verlauf dieser Fallstudie noch im Detail eingegangen, wobei der Fokus auf die Sonderprojekte gelegt wird. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet kann man von Direkt- und Mittlergeschäft sprechen. Im Rahmen des Direktgeschäfts sind die Kunden Bauherren, Elektroinstallateure und Grosshändler, während sie im Mittlergeschäft indirekt Lichtplaner und Architekten sind. Beide stellen also nicht die Endkunden, im Sinne des Benutzers der Leuchte oder Lichtlösung dar, spielen aber aufgrund der speziellen Wertschöpfungssituation der Branche, auf die im nächsten Abschnitt eingegangen wird, eine wesentliche Rolle im Innovationsprozess der Zumtobel Staff. Die eigentlichen Kunden und Partner der Zumtobel Staff – die Architekten, Lichtplaner und Elektroinstallateure – haben einen Auftrag des Auftraggebers oder Bauherren, bauen selbst aber nicht. Der Architekt ist eigentlich Mittler und nicht Kunde. Er ist kein Fachmann und weiss im Normalfall beispielsweise nicht, wie viel Stück von einer Leuchte in welchen Abständen zu montieren sind. Diese Funktion erledigt bei kleineren Projekten der Elektroplaner und bei grösseren Projekten der Lichtplaner. Das Ergebnis ist in beiden Fällen eine Ausschreibung an den Elektroinstallateur. Dieser ist der eigentliche, zahlende Kunde der Zumtobel Staff. Der Planer entscheidet, ob die Ausschreibung erfüllt ist oder nicht. Die Kette ist dabei für Standard- und Sonderprojekte die gleiche, wobei innerhalb der Kette, abgesehen von Zumtobel Staff vor allem der Architekt und der Planer an einer hochwertigen Lösung interessiert sind. Für den Elektroinstallateur gilt dies nicht im gleichen Masse, da diesem bei hochwertigen Lösungen typischerweise das Fabrikat vorgeschrieben wird und er deshalb weniger Spielraum hat, um seine Marge zu verbessern. Diese Auftragskette („Kette am Bau“) unterscheidet sich von der eigentlichen Wertschöpfungskette, welche entlang des Produktaufbaues über Vorlieferanten zum Lampenhersteller, Betriebsgerätehersteller und Leuchtenhersteller verläuft (vgl. Abb. 18). Innerhalb dieser Kette gibt es starke Kämpfe um den jeweiligen Anteil an der Wertschöpfung. So haben es die Lampenhersteller beispielsweise geschafft, durch die in Energiesparlampen integrierten Betriebsgeräte, das Geschäft der reinen Betriebsgerätehersteller zu schmälern. Ein weiteres Beispiel sind Halogenlampen ZUMTOBEL STAFF 95 mit integriertem Reflektor (so genannte „Cool-Beam“-Lampen), welche in das Geschäftsfeld der Leuchtenhersteller eingreifen. Wertschöpfungskette Vorlieferant Lampenhersteller Betriebsgerätehersteller Leuchtenhersteller/ Produzent Bauherr Auftragskette Leuchtenhersteller/ Produzent Elektrogrosshandel Elektroinstallateur Licht-/ElektroPlaner Architekt Bauherr Abbildung 18: Wertschöpfungskette und Auftragskette der Zumtobel Staff 3.5.2 Innovationsprozess Zumtobel Staff verfolgt für Standardprodukte und Sonderprodukte zwei unterschiedliche Produktdefinitionsprozesse. Für Standardprodukte gibt es einerseits einen Technology-Push durch die hauseigene Forschung und Vorentwicklung. Dadurch ergeben sich oft grosse Sprünge, beispielsweise neue Lichtlenkungsmethoden. Daneben können Entwicklungsprojekte auch durch die Market-Pull-Funktion der Vertriebs-, Verkaufs- oder Marketingorganisationen in den Regionen gestartet werden. Ausgangspunkt sind dabei die jeweiligen Anwendungsfelder sowie die zahlreichen durch das Marketing betreuten „anonymen“ Kunden. Dabei handelt es sich um den Outside-in-Teil des Standardinnovationsprozesses. Für Sonderprojekte stehen am Beginn des Prozesses auf der Marktseite immer das konkrete Projekt und damit der konkrete Kunde bzw. der Architekt oder Planer. Zumtobel Staff folgt einem strukturierten Innovationsprozess, welcher sich von der Erfindung bis zur erfolgreichen Markteinführung erstreckt. Er ist in vier, grösstenteils parallel ablaufende Teilprozesse unterteilt, nämlich den Technologieentwicklungsprozess, den Produktentwicklungsprozess, den Produktmarketingprozess und 96 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION den Markteinführungsprozess. Der Produktmarketingprozess hat in seiner strukturierten Form nur für die Entwicklung von Standardprodukten Gültigkeit. Er beginnt mit einer Lead-User-Phase (noch vor Beginn des eigentlichen Produktentwicklungsprozesses) und läuft über eine Conjoint-Measurement-Phase (zur Ermittlung der Mehrpreisbereitschaft) parallel zur Konzeptfindung in der Entwicklung hin zu einer Akzeptanztestphase während der Konzeptfestlegung und Prototypenentwicklung. Er dient der Entwicklung von Nachfolgeprodukten für Standardprodukte. Lead-User werden in diesem Zusammenhang die grössten Benutzer bzw. Käufer des alten Produktes genannt, welche eingebunden werden, da angenommen wird, dass sie die Anforderungen an das Nachfolgeprodukt am besten kennen. Diese Kundengruppe setzt sich aus Installateuren oder direkten Industriekunden zusammen. Sie werden auch als Teilsample für das Conjoint-Measurement-Verfahren (alte und neue Produktfeatures) sowie für die Akzeptanztests später im Prozess herangezogen. Bei dieser Art von Entwicklung handelt es sich um das klassische Tagesgeschäft der Zumtobel Staff. Verantwortlich für den Produktmarketingprozess ist der Produktmanager. Früher Innovationsprozess Gelegenheitsphase Partner- und Projektauswahl Anforderung Ausschreibung Ideenphase Projektzusammenarbeit mit konkretem Kunden Konzept -phase Auslegung Konstruktion Konzept Abbildung 19: Frühphase des Innovationsprozesses der Zumtobel Staff Sonderprojekte basieren im Gegensatz dazu immer auf einem konkreten Projekt und damit einem konkreten Partner bzw. Kunden. Die möglichen Gelegenheiten werden damit quasi schon in der Auswahl der Partner vorherbestimmt. So ist die Wahrscheinlichkeit höher, innovative Produkte aus der Integration zu erzielen, wenn Architekten und Lichtplaner mit ausgewiesenen innovativen Referenzen bzw. hohem Potenzial ausgewählt werden. Die Entwicklung der Produktideen erfolgt dann gemeinsam mit den integrierten Kunden am Beginn des Projektes, welches gegen Ende in einen grösstenteils standardmässig ablaufenden Produktentwicklungsprozess übergeht (vgl. Abb. 19). Die Kundenintegration erfolgt bei Sonderleuchten über den ZUMTOBEL STAFF 97 Verlauf des gesamten Prozesses, da diese Produkte speziell und zunächst auch ausschliesslich nach den Anforderungen der Kunden entwickelt werden. Das Ergebnis des Innovationsprozesses ist bei diesen Projekten immer ein fertiges Produkt, welches im Projektrahmen zur Anwendung kommt. Im Idealfall kann die Innovation des Endprodukts dann auch noch in Form einer neuen Standardproduktlinie multipliziert werden. Die Integration des Kunden ist also über den gesamten Prozess gegeben, hat ihre höchste Intensität aber in der Frühphase bis hin zur Konzeption des Produktes. Beispiele für diese Art von Sonderprojekten in der Leuchtenbranche sind spezielle Leuchtenlösungen, welche im Zuge grosser Bauprojekte von den Architekten passend zur Architektur entworfen werden. Ein Architekt hat also die Idee und den Willen, eine eigene Leuchtenlösung zu kreieren. Beispielsweise hat das Architekturbüro Herzog & de Meuron aus Basel im Zuge des Zubaues zum Gebäude der Helvetia Patria Versicherung in St. Gallen im Sinne eines Gesamtentwurfs auch spezielle hoch innovative Leuchten entwickelt. Diese zeichnen sich einerseits durch ihren transparenten Korpus und andererseits durch eine innovative Befestigungslösung an den Raumdecken aus. Beide Attribute führen dazu, dass der offene lichtdurchflutete Eindruck der Gebäudearchitektur noch weiter verstärkt wird. Im Zuge eines Ausschreibungsverfahrens wurde nach einem innovativen Leuchtenhersteller zur Realisierung dieser Lösung gesucht und die italienische Firma Artemide mit der Ausführung betraut. Die Leuchtenlösung hat schliesslich auch Einzug in das Standardprogramm Artemides gefunden und wird nun über die klassischen Vertriebswege angeboten. Die folgenden Ausführungen zur Kundenintegration in die frühen Innovationsphasen befassen sich gezielt mit der Organisation und dem Management solcher Sonderprojekte bei Zumtobel Staff. Neben der Kundeneinbindung spielt auch die Integration anderer externer Innovationsquellen eine wesentliche Rolle. Die Forschungsinstitute und Universitäten werden im Rahmen konkreter Forschungsaufträge eingebunden, beispielsweise in den Bereichen Materialforschung oder Lichtlenkung. Daraus resultieren wertvolle Erkenntnisse für technologische Innovationen. Die Lieferanten gelten ebenfalls als Technologieträger und werden daher zur Erschliessung neuer Technologien in die Projekte eingebunden. Auch die Behörden stellen mit ihren neuen Normen eine Innovationsquelle dar, weshalb zwei Angestellte der Zumtobel Staff weltweit in den entsprechenden Gremien mitarbeiten. 3.5.3 Kundenintegration 98 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Grundlagen Zumtobel Staff besitzt eine klar formulierte Strategie, in der die Innovationsführerschaft als wesentliches Ziel verankert ist. Dies manifestiert sich beispielsweise in einer hohen Risikobereitschaft im F&E-Umfeld, wo bis zu 10 % der Ressourcen auf so genannte „Jokerprojekte“ mit hohem Potential aber auch hohem Risiko verteilt werden. Entscheidend ist aber die angestrebte individuelle Betreuung von Schlüsselkunden (Architekten und Lichtplanern), basierend auf der Erkenntnis, dass die Mittler zwischen Zumtobel und den eigentlichen Auftraggebern im Sinne von Vordenkern eine wichtige Rolle spielen und daher zentral betreut werden müssen. Dahinter steckt eine langfristige strategische Fokussierung der Zumtobel Staff, welche trotz ihrer mehrjährigen Ausrichtung flexibel durch ergänzende Initiativen adaptiert wird. Beispielsweise wurde vor kurzem eine Initiative gestartet, neben den Schlüsselkunden gezielt und verstärkt Elektroinstallateure zu betreuen. Die Schlüsselkunden übernehmen die Rolle eines Partners, welcher in den Sonderprojekten im Wechselspiel mit Zumtobel Staff seine jeweiligen Kompetenzen (formale Gestaltung bei Architekten sowie technische Planung und Datenermittlung bei Lichtplanern) einbringt. Es wird von ihnen erwartet, aktuelle und marktgängige Produkte und Konzepte zu entwickeln. Durchbrüche in der Lichttechnik stehen nicht im Fokus solcher Integrationsprojekte. Gerade Architekten übernehmen vielmehr die Rolle von Trendscouts bzw. liefern schöne Leuchten und komplementieren mit ihrer Anwendungskompetenz die Expertise Zumtobels. Lichtplaner sind demgegenüber auch in der Lage, profunden technischen Input zu liefern. Es wird von den Architekten und Lichtplanern also erwartet, dass sie Ideen einbringen, welche effizient realisiert werden können und das Potenzial für ein Standardprodukt aufweisen. Die dazu notwendigen Kompetenzen sind vielfältig. Auf Seite der Architekten ist ein Interesse für Licht und das Streben nach einer bestimmten Lichtwirkung notwendig. Für Lichtplaner spielt zusätzlich noch technisches Wissen eine grosse Rolle. Sie müssen in der Lage sein, mit neuen Konzepten planerisch umzugehen, um diese Lösungen ihren Kunden, also den Bauherren, verkaufen zu können. Das übergeordnete Ziel ist also zunächst der Umsatz, welcher mit den strategischen Partnern im Sonderprojekt erzielt wird. An zweiter Stelle folgt der Input für die Standardprodukte, welche aus den Sonderprodukten entstehen sollen. Prinzipiell betrachtet Zumtobel Staff den kompletten Prozess vom Beginn des Projektes bis hin zum fertigen Produkt. Sollte es, wie angestrebt, zu einer Standardisierung des gemeinsam entwickelten Sonderproduktes kommen, sind die Partner meist auch noch involviert und ihr Aufwand wird abgegolten. ZUMTOBEL STAFF 99 Neben diesem strategischen gibt es auch noch einen kulturellen Aspekt. Kreativität und Innovation gehören zu den höchsten Werten der Zumtobel Staff und werden täglich gelebt. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die Firma als Familienunternehmen schon immer stark von der weltoffenen und aufgeschlossenen Haltung der Familie Zumtobel geprägt worden ist. Auch der momentane Firmenleiter, Herr Jürg Zumtobel, verkörpert diesen Anspruch durch seine hohe Verbundenheit mit den Produkten und der Technologie sowie sein visionäres Mitgestalten der Lichtindustrie. Der hohe Stellenwert der Innovation zeigt sich auch in Form eines internen Buches, welches die Werte des Unternehmens enthält und an sämtliche Mitarbeiter verteilt wird. Die Vision basiert demnach auf Kernkompetenzen, Kernprodukten und Kerndifferenzierung, Kreativität und Innovation. Entsprechend tragen die Kunden ihren Innovationsbedarf und ihre Innovationsideen umfassend an die Zumtobel Staff heran und die Mitarbeiter leiten die Informationen vollständig an die verantwortlichen Stellen weiter. Der Teilkonzern Zumtobel Staff erschliesst so eine Vielzahl von Innovationsideen. Der Schlüssel zur ausgeprägten Innovationsbereitschaft der Mitarbeiter und Kunden liegt also in der stark innovativen Unternehmenskultur der Zumtobel Staff. Innovation gehört zum Alltag und wird umfassend durch Anerkennung der erbrachten Leistungen honoriert. Basierend auf der gewachsenen innovativen Unternehmenskultur ist die Innovationsfähigkeit und -bereitschaft eines Mitarbeiters ein wesentliches Kriterium für eine Beförderung. Innerhalb der gesamten Zumtobel Staff herrscht eine Atmosphäre der Offenheit gegenüber Ideen und Einflüssen von aussen. Dies zeigt sich beispielsweise auch darin, dass keine eigene Designabteilung aufgebaut worden ist, sondern ausschliesslich mit externen Designern zusammenarbeitet wird. Organisation Im Unterschied zur klassischen Definition der Lead-User, bei der es sich um fortschrittliche Anwender eines Produktes handelt, übernehmen deren Rolle im Falle von Zumtobel Staff Architekten und Planer (so genannte „strategische Partner“). Die Pflege dieser Sonderkunden kommt sowohl den Sonderprojekten als auch dem Standardproduktentstehungsprozess zugute. Betreut werden die Sonderkunden innerhalb der Abteilung International Projects von einer zentralen Gruppe mit dem Namen „Strategic Partner Development“. Die Abteilung für internationale Projekte ist neben den Produktmanagern und der Planung unter dem Geschäftsführer für Marketing und Vertrieb angesiedelt und beschäftigt rund 20 Mitarbeiter (davon 6 für die Gruppe Strategic Partner Development). Dabei erzielt sie selbst keinen Umsatz, sondern erfüllt eine Unterstützungsfunktion für Vertrieb und Marketing, indem sie versucht, die Beziehung zu Kunden aufrechtzuerhalten. Man könnte die Tätig- 100 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION keit also mit Vorverkauf bezeichnen, auch wenn teilweise selbst Aufträge akquiriert werden. Das primäre Ziel ist es, Projekte und damit Umsatz mit strategischen Partnern zu generieren. Dabei liegt der Fokus auf aussergewöhnlichen Projekten mit innovativen Produkten. Strategic Partner Development ist intensiv in den eigentlichen Innovationsprozess eingebunden, ist bei der Erstellung von Anforderungsliste und Pflichtenheft involviert bzw. liefert immer wieder auch selbst Innovationsideen. Kundenauswahl Zumtobel Staff unterscheidet an speziellen Kundengruppen Schlüsselkunden (Key Accounts) und Lead-User aufseiten der zahlenden Kunden sowie die im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehenden „Front End Kunden“ wie Architekten und Lichtplaner. Dabei können strategische Partner auch teilweise identisch mit LeadUsern sein. Unter Front End Kunden oder strategischen Partnern werden dabei Architekten und Planer verstanden, welche Trends erkennen können und in ihren Anforderungen der Zeit voraus sind. Ein Beispiel dafür ist das Erkennen der Entwicklung, dass in Zukunft mehr mit Glas gebaut werden wird. Um zeitgerecht und verlässlich an solche Informationen zu gelangen, bedarf es eines beinahe tagtäglichen Umgangs mit den ausgewählten Partner. Diese sind meistens Architekten, manchmal allerdings auch Lichtplaner, da man bestrebt ist, für alle relevanten Gruppen offen und durchgängig zu bleiben. Eine weitere Gruppe von wichtigen Kunden, welche speziell behandelt wird, sind die so genannten Schlüsselkunden (Key Accounts) beispielsweise der Spar Konzern oder die Swatch Gruppe. Es handelt sich dabei um Kunden mit grossem Umsatzvolumen, welche im Gegensatz zu den strategischen Partnern allerdings über wenig eigene Leuchtenkompetenz verfügen. Sie werden durch den mit ihnen erzielten Umsatz weiter unterteilt, wobei je nach Grösse drei Kategorien unterschieden werden (A, B, C). Für diese Kunden betreibt Zumtobel Staff ein klassisches Key Account Management, dessen zentrale Kompetenz in Dornbirn liegt. Entsprechende Konzepte der Kundenbetreuung werden hier entwickelt und dann weltweit ausgerollt. Während für Key Accounts vor allem die Höhe des Umsatzes und damit Grösse bzw. finanzielle Attraktivität zählen, sind bei der Auswahl der strategischen Partner der Ruf, die Kompetenzen und besonders die vergangenen Erfahrungen wichtig. Die Grösse des Partners ist unerheblich, da dieser nicht direkt kauft und seine Grösse damit keinen Einfluss auf den Umfang möglicher Projekte hat. Neben der prinzipiellen Eignung des potenziellen Partners ist vor allem entscheidend, dass er in der ZUMTOBEL STAFF 101 Lage ist, sich im Projektumfeld durchzusetzen. Wenn es der Mittler nicht einmal schafft, seine eigenen Ideen in ein Projekt hineinzubringen, dann eignet er sich nicht als strategischer Partner für die Zumtobel Staff. Das Auswahlverfahren funktioniert folgendermassen: Die Länder benennen Kunden, d. h. Personen bzw. Büros mit Potenzial. Beispielsweise würde der Vertriebsleiter Schweiz wegen des zu erwartenden Umsatzes ein Architekturbüro wie Herzog & de Meuron nennen. Ein Rolle bei der Auswahl spielen auch der Leiter der Abteilung International Projects, der Geschäftsführer Marketing sowie der Inhaber und gleichzeitig Vorstandsvorsitzende. Zumtobel verfügt über einen sehr guten Überblick der Architekturszene und der eigenen Position in den wichtigsten Märkten, nämlich in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Darauf aufbauend werden Ziele bezüglich der Auswahl von strategischen Partner festgelegt, beispielsweise Vorgaben über eine Aufteilung von 50:50 betreffend des Anteils an deutschsprachigen und fremdsprachigen Partnern. Gerade bezüglich der Fremdsprachigkeit werden gezielt italienische, französische und englische Architekten und Planer mit Potenzial als strategischer Partner gesucht. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Vertrieb, der gefragt wird, wer als innovativ gilt und an wen eine Annäherung noch nicht geklappt hat. Mit diesen potenziellen Partnern nimmt dann die Strategic Partner Development Gruppe Kontakt auf und versucht, über intensive Kommunikation das erste Projekt zu starten. Der Beziehungsaufbau, bis zum Beginn einer konkreten Zusammenarbeit, bewegt sich in einem zeitlichen Rahmen von drei bis sechs Monaten. Für beide Kundengruppen gilt aber, dass es sich um innovationsfreundliche Kunden handelt, welche bereit sind, für überlegene Produkte das Preis/Leistungsverhältnis von Zumtobel Staff zu akzeptieren. Analysiert man den Markt anhand der Innovationsfreundlichkeit, so handelt es sich bei den bevorzugten Kunden um Vertreter der Innovatoren, der frühen Abnehmer oder der frühen Mehrheit. Die späte Mehrheit sowie die Nachzügler werden nicht als potenzielle Kunden anvisiert. Die Kompatibilität der Firmenkulturen spielt eine wichtige Rolle bei der Einbindung der Kunden bzw. Partner. Ein grosser Vorteil der Zumtobel Staff ist die durch die Eigentümerfamilie vorgelebte Beziehung zu Architektur, Kunst und Kultur. Dadurch kommt es manchmal auch zur Durchführung von Projekten, welche vor allem kulturell und weniger finanziell interessant sind. Das Commitment („Ja, dieses Projekt will ich realisieren.“) ist für den jeweiligen Partner von entscheidender Bedeutung, da er sonst Gefahr läuft, früher oder später das Vertrauen des Bauherren zu verlieren. Generell sind Vertrauen und Commitment im Leuchtengeschäft des oberen Preissegments sehr wichtig. 102 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Die räumliche Distanz zum Kunden bzw. Partner spielt keine grosse Rolle für die Zusammenarbeit. Entweder fliegen die Mitarbeiter zum Kunden oder dieser kommt nach Dornbirn. Geographisch konzentrieren sich die für Zumtobel Staff wichtigen Architekten und Lichtplaner auf Europa und die USA, da sich dort die meisten Büros befinden. So findet beispielsweise die Zusammenarbeit mit einem Stararchitekten wie Norman Foster in London statt, auch wenn das entsprechende Bauprojekt in Südostasien geplant ist. Ablauf Der Produktdefinitionsprozess für Sonderprodukte der Zumtobel Staff unterscheidet sich gerade in der Anfangsphase wesentlich von dem für Standardprodukte. Am Beginn des Prozesses für ein Sonderprojekt steht auf der Marktseite immer das konkrete Projekt und damit der konkrete strategische Partner (Planer oder Architekt) als Mittler zum Kunden. Am Beginn eines solchen Sonderprojektes steht immer der konkrete Kunde im Rahmen eines konkreten Projektes. Eine genaue gemeinsame Zielfestlegung ergibt sich automatisch durch das Marktumfeld der Baubranche, in welcher konkrete Spezifikationen den Standard darstellen. Die Kommunikation zwischen den Partnern und Zumtobel Staff erfolgt über die Abteilung Internationale Projekte. Die dafür geeigneten Mitarbeiter haben einen starken technischen Background, hohe Kreativität sowie Erfahrung im Leuchtengeschäft. Sie müssen auch über eine ausgeprägte Dialogfähigkeit verfügen und die jeweils notwendigen sprachlichen Fähigkeiten mitbringen. Eine zentrale Aufgabe dieser Mitarbeiter ist es, frühzeitig zu erkennen, ob das angedachte Produkt technisch realisierbar ist. Die Betreuung der strategischen Partner erfolgt permanent, im Idealfall auftragsneutral, d. h. unabhängig von einem konkreten Projekt. Alle zwei bis drei Monate werden die Kunden besucht und nach spezifischen Anforderungen gefragt. Im weiteren Verlauf der daraus entstehenden Diskussionen werden Konstrukteure und Entwickler beigezogen. Ziel dieser speziellen Kundenbetreuung ist ein permanenter Austausch. Dieser Dialog ist ein wesentlicher Bestandteil der Integration und wird mit Meilensteinen bis hin zur Bemusterung unterstützt. Zwischen diesen Meilensteinen erfolgen zahlreiche Kontakte per Telefon oder E-Mail. Die Ansprechpartner aufseiten von Zumtobel Staff sind dabei nicht nur die speziellen Betreuer aus dem Strategic Partner Development, sondern vor allem auch die Konstrukteure. Falls sich ein Projekt abzeichnet, intensiviert sich die Kommunikation, es kommt zu ersten Projektmeetings, zu einer Aufgabenbeschreibung, dem Bau von ersten Prototypen sowie ersten Kostenabschätzungen. ZUMTOBEL STAFF 103 Die Planer erhalten neben einer grundsätzlichen Beratung auch spezielle Planungsprodukte, beispielsweise Software zur Auslegung der Lichtlösung. Das Ziel dieser systematischen Bemühungen der Zumtobel Staff sind Ausschreibungen, als Ausgangsbasis für das Angebot des Elektroinstallateure, in denen „Zumtobel Staff oder gleichwertig“ vorgeschrieben wird. Die beste Strategie gegen hochwertige Konkurrenz liegt also darin, die Planer von den eigenen Produkten zu überzeugen. Eine Schwierigkeit dabei besteht darin, dass die eigentliche Wertschöpfungskette von der Angebotskette abweicht. Die Planer werden von den Architekten statt direkt vom Leuchtenhersteller bezahlt und sind dadurch nicht direkt „käuflich“. Die eigentliche Entscheidung für eine Licht-/Leuchtenlösungen wird im Dreieck zwischen Bauherr, Architekt und Lichtplaner getroffen. Für Zumtobel Staff ist es wichtig, das starke Element in dieser Gruppe zu erkennen und sich ab einem möglichst frühen Zeitpunkt mit ihrem Lobbying für den Architekten oder den Planer zu entscheiden. Im Gegensatz zu diesen beiden speziellen Kundengruppen werden die Elektrotechniker durch das reguläre Vertriebssystem betreut. Die Schnittstelle zwischen F&E und Marketing stellt dabei kein Problem dar. Viele Abläufe in den definierten Prozessen, beispielsweise die Bewertung von Produktideen, sehen enge Zusammenarbeit vor. Generell zieht sich durch den gesamten Innovationsprozess der Einsatz von Dreipersonen-Teams bestehend aus Produktmanagern der Marketingseite, Entwicklern und Vertretern der Produktion. Im Bereich der operativen Bedarfserfassung kommt der weltweiten Marktorganisation ein hoher Stellenwert zu. Kreative Vertriebs- und Marketingleute konnten schon zahlreiche neue Geschäftsideen wie leuchtende Tapeten oder auf Induktion basierende Leuchten anstossen. Auch durch die F&E-Mitarbeiter werden Kundenbesuche durchgeführt, diese sind aber vorwiegend projektbegleitend organisiert. Sie können das Bewusstsein für neue Geschäftsfelder wecken, helfen in erster Linie aber die Potenziale inkrementeller Innovation auszuschöpfen. Die strategische Bedarfserfassung ist durch Anwenderbeobachtungen und Trendanalysen gewährleistet. Die Anwenderbeobachtung erfolgt nicht regelmässig und erstreckt sich vor allem auf die Elektroinstallateure und damit das Tagesgeschäft. Diese werden bei ihren Montagen beobachtet, um Innovationen im Montageprozess erschliessen zu können. Darüber hinaus werden die Markttrends durch professionelle Partizipation an Lichtmessen eruiert, wo Herr Zumtobel teilweise persönlich teilnimmt. Mit der Messepräsenz strebt Zumtobel Staff in erster Linie nicht die Gewinnung neuer Kunden an, sondern den Austausch von Erfahrungen und Erkenntnissen mit ihren aktuellen und potenziellen Kunden. Oft werden die visionären Kunden messebegleitend zu Side-Events zwecks Diskussion neuer Trends eingeladen. 104 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Im Verlauf des eigentlichen Entwicklungsprozesses werden auch Elektriker bzw. Elektroinstallateure eingebunden. Dabei spielt das bisherige Kaufverhalten eine wesentliche Rolle. Bevorzugt werden Kunden eingebunden, welche das Vorgängerprodukt stark gekauft haben bzw. als kritische Abnehmer in Erscheinung getreten sind. Gegenüber dem Elektroinstallateur wird vor allem die Montagefreundlichkeit sowie das Preis/Leistungsverhältnis betont. Elektroinstallateure streben naturgemäss danach, ihre Margen gegenüber ihren Kunden zu erhöhen. Sie bevorzugen daher Produkte, bei denen sie dementsprechende Spielräume gegenüber dem Planer haben. Begriffe in diesem Zusammenhang sind „Spec Switching“ (Wechsel auf ein anderes in der Regel günstigeres Produkt) bzw. das von Zumtobel Staff angestrebte „Spec Locking“ (Festhalten an der ursprünglichen Spezifikation). Generell gilt für alle Kundengruppen, dass im Rahmen der operativen Ideengenerierung Kundenanfragen ausgewertet und Mitarbeiter aus dem Kundensegment angestellt werden. Anfragen werden systematisch aufgenommen, geclustert und regelmässig ausgewertet. Der jeweilige Produktmanager sammelt Anfragen, welche entweder über den Vertrieb oder über das Internet einlangen. Diese kommen vor allem von heutigen Anwendern aus dem Segment der Elektroinstallateure. Inputs entstehen aber auch bei Endkundenkontakten bzw. Kontakten mit industriellen Benutzern beispielsweise Handelsketten oder grossen Autowerken (über Key Account Management betreut). Ein interessanter Aspekt der Leuchtenbranche ist der Umstand, dass der eigentliche Anwender bzw. Endnutzer der Produkte im Normalfall überhaupt keine Möglichkeit hat, auf die Beleuchtung Einfluss zu nehmen. Daher ist es nicht direkt sinnvoll, endkundennahe Features in die Produkte einzubauen. Management Die Motivation der eingebunden Kunden erfolgt bei den strategischen Partnern auf zwei Ebenen. Einerseits durch intrinsische Motive wie die Möglichkeit, das meistens stark ausgeprägte Ego durch die Gestaltung einer Sonderleuchte zu befriedigen. Im Sinne von „grosse Namen wollen grosse Marken“ ist die Zumtobel Staff eine der ersten Anlaufstellen für renommierte Kunden (z. B. „Stararchitekten“). Im Gegenzug stellt dies für den Kunden einen Anreiz dar, Innovationsideen einzubringen. Die zweite Ebene bilden extrinsische Faktoren, wie die Einladung zu exklusiven Events und die mögliche Umsatzbeteiligung im Falle einer Standardproduktion der gemeinsam entwickelten Sonderleuchten. Ein wichtiger Aspekt zur Gewinnung gefragter Architekten ist die Fähigkeit von Zumtobel Staff, sich selbst als kompetent für die Realisierung einer Lösung darstellen zu können. Architekten suchen zur Umsetzung ihrer lichttechnischen Ideen grosse, finanzstarke und kompetente Partner. Manchmal geht das Ego der Architekten soweit, dass sie keine Leuchten eines ZUMTOBEL STAFF 105 bestimmten Leuchtenherstellers akzeptieren, weil er Konkurrent ihres bevorzugten Partners ist. Zumtobel Staff versteht es, für diese anspruchsvollen Kundengruppen die Kundenanforderungen umfassend in spezifische Lösungen umzusetzen und erzielt so eine hervorragende Kundenzufriedenheit. Für die Motivation der Kunden zu den Conjoint-Messungen bzw. den Akzeptanztests im Rahmen des Standardproduktentwicklungsprozesses werden meist kleine materielle Anreize („Goodies“) verteilt. Der Erfolg wird dann, neben dem positiven Image durch das eigentliche Projekt, durch die Übertragung auf Standardprodukte gemessen. Das heisst erfolgreich ist eine innovatives Prestigeprojekt dann, wenn die speziell entwickelten Produkte später Einzug in den Standardkatalog finden und damit zu neuen Produkten bzw. Produktgruppen werden. Zumtobel Staff ist bestrebt, möglichst viele Sonderleuchten in das Standardprogramm aufzunehmen. Dazu erfolgt alle sechs Monate eine Beurteilung der Sonderleuchten hinsichtlich ihrer Standardisierbarkeit. Auf dem Weg in das Standardleuchtenprogramm existiert noch ein Zwischenschritt von so genannten „Specials“, für die eine eigene Broschüre zusätzlich zum normalen Katalog herausgegeben wird. Falls sich diese Specials am Markt bewähren, werden sie in einem zweiten Schritt Teil des Standardprogramms. Jedes Jahr werden rund zehn Produkte als Special ausgewählt, wovon es schliesslich nur ein bis zwei wirklich zum Standard schaffen. Der Prozess der Partnereinbindung unterliegt keiner speziellen Kontrolle. Die Job Description und Zielvereinbarungen des verantwortlichen Managers enthalten die notwendigen Vorgaben, um den Prozess zu steuern. Beispielsweise ist die Zahl der pro Jahr neu zu akquirierenden strategischen Partner festgelegt. Eine Fluktuation der Partner ergibt sich vor allem dadurch, dass immer wieder Architekten und Lichtplaner aus diesem Kreis herausfallen, wenn sie nicht innovativ sind bzw. ihre Ideen und damit Zumtobel Staff als Realisierungspartner bei den Projekten nicht durchsetzen können. Das bedeutet, dass diese spezielle Form der Integration beendet wird, wenn sich nach einer gewissen Frist (bei Stararchitekten drei bis fünf Jahre) keine konkreten Projekte ergeben. Eine weitere Steuergrösse ist, ähnlich wie im klassischen Vertrieb, das „Lichtvolumen“ bei Architekten – d. h. wie viel Prozent seines Umsatzes der Partner mit Zumtobel erzielt. Beispielsweise könnte ein Richtwert ein Anteil von Zumtobel-Produkten von 5 bis 10 % im zweiten Jahr der konkreten Partnerschaft sein. Bei Lichtplanern ist es nicht möglich, solche Vorgaben zu machen, da diese gemäss ihrer Rolle um Unabhängigkeit bemüht sein müssen. Bezüglich des Innovationsgrades führen Sonderleuchten, d. h. Leuchten aus Sonderprojekten, aus speziell leuchtentechnischer Sicht betrachtet, meistens zu kleinen 106 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Schritten bzw. inkrementellen Innovationen. In Hinsicht auf die Form und Funktionalität kommt es jedoch immer wieder zu echten Durchbrüchen. Da es am Anfang eines Sonderprojektes nicht sicher ist, ob die zu entwickelnde Leuchte je eine Kleinserie bzw. ein Standardprodukt werden wird, muss der erste Verkauf die gesamten Kosten abdecken. Dies bedeutet, dass technologisch keine aufwändigen und damit teuren Schritte gesetzt werden können. Andererseits handelt es sich bei solchen Leuchten aber oft um sehr aktuelle marktgängige Produkte, welche eine Vorreiterrolle für neue Produktfamilien übernehmen können. Beispielsweise das „milde Licht“, welches mit Architekten und Lichtplanern für das schweizerische Unternehmen SFS Stadler entwickelt wurde und mittlerweile ein Standardprodukt geworden ist. Die eigene Konstruktionsabteilung ist laufend in die Sonderprojekte eingebunden und kann dadurch die gewonnen Erkenntnisse innerhalb Zumtobels verteilen und verwenden. Dies gilt auch für Projekte, welche nicht realisiert werden und stellt sicher, dass die gesamte Organisation am Lernprozess teilnimmt, der durch die innovativen Vorzeigeprojekte ausgelöst wird. Als Rahmen dafür dienen die genau definierten Prozesse für die Entwicklung von Sonderprojekten und deren Umwandlung in Standardprodukte über den Zwischenschritt der Specials. Verträge mit dem Partner gibt es oft erst dann, wenn eine Lösung entsteht, bei der Rechte festgelegt werden müssen. Wenn ein Produkt bzw. eine formale Schöpfung, welche in Zusammenhang mit einem strategischen Partner entstanden ist, als schützenswert erachtet wird, kommt es zu einer Anmeldung als Gebrauchsmuster oder Patent. Zumtobel Staff übernimmt in diesen Fällen die Rechte, meldet an und hält die Schutzrechte. Die beteiligten Architekten bzw. Lichtplaner erhalten dann je nach verkauften Stückzahlen, welche über den ursprünglichen Projektumfang hinausgehen, Lizenzgebühren. In den letzten Jahren wurden rund 115 Schutzrechte angemeldet, davon 15 bis 20 mit externen Partnern. Die Kundengruppe kennt und akzeptiert dieses Vorgehen. 3.5.4 Zusammenfassung Betrachtet man die Sonderprojekte als Ausdruck der frühen Kundenintegration (auch wenn bei Zumtobel Staff Mittler zum Kunden eingebunden werden), so gibt es mit der Strategic Partner Development Gruppe spezielle Betreuer innerhalb der Organisation der Zumtobel Staff für strategische Partner aus der relevanten Kundengruppe der Architekten und Lichtplaner. Diese Spezialisten beraten und informieren die Partner einerseits durch die Bereitstellung von speziellen Unterlagen, primär aber durch bevorzugt persönliche Besuche. ZUMTOBEL STAFF 107 Entsprechend werden partnerschaftlich Speziallösungen entwickelt, welche auf das jeweilige Gebäudedesign abgestimmt sind, wobei der Architekt in erster Linie Produktanforderungen einbringt und den Entwicklungsprozess als Berater bezüglich der Funktionsausprägungen unterstützt. Ins Entwicklungsprojekt werden dann je nach Bedarf weitere Partner beispielsweise Lichtdesigner einbezogen. Durch die Nutzung verschiedener Wissensquellen entstehen neue visionäre Speziallösungen. Parallel dazu werden die täglich eingehenden Kundenanfragen gesammelt und gruppiert. Diese verdichteten Bedarfsinformationen werden periodisch mit den im Rahmen der Sonderprojekte entwickelten Speziallösungen abgeglichen. Findet sich für eine Sonderlösung eine grössere Nachfrage, so können dafür kleinere Serien lanciert werden. Dadurch gelingt es Zumtobel Staff, sowohl die technische als auch die gestalterische Innovationsführerschaft aufrechtzuerhalten. Einen Überblick der frühen Kundenintegration bei Zumtobel Staff gibt Abbildung 20. 108 FALLSTUDIEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Warum? Ziele ¾ Generierung von Umsatz durch gemeinsame innovative Sonderprojekte ¾ Umwandlung der Sonderprodukte in Standardprodukte (wo immer möglich und sinnvoll) Wann? Phase ¾ Im Verlauf des gesamten Prozesses im Rahmen von Sonderprojekten, welche für spezielle Produkte durchgeführt werden Wen? Kundencharakteristika ¾ Ausgesuchte Architekten und Partner ¾ Kriterien neben der Innovativität und dem kulturellen Fit sind einerseits das Umsatzpotenzial und andererseits die Fähigkeit des Partners, seine Ideen im Rahmen seiner Projekte durchsetzen zu können ¾ Bereitschaft für langfristige, mehrjährige Zusammenarbeit muss gegeben sein Wie? Prozesscharakteristika ¾ Gruppe Strategic Partner Development im Geschäftsbereich Marketing und Vertrieb ¾ Spezielle permanente Betreuung der strategischen Partner ¾ Eigener Entwicklungsprozess für Sonderprodukte als Ergebnis der Partnerintegration Besonderheiten ¾ Integration von Architekten und Lichtplanern als fachmännische Vertreter des Bauherrn und Nutzers ¾ Der Beginn der Integration löst den Innovationsprozess aus (Extremfall der frühen Integration) und erstreckt sich über den gesamten Innovationsprozess bis hin zum fertigen Produkt ¾ Innovation entsteht durch die komplementären Kompetenzen von Hersteller und integriertem Partner Abbildung 20: Übersicht der frühen Kundenintegration der Zumtobel Staff CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 4 4.1 109 Konzeptualisierung der frühen Kundenintegration Charakteristika der frühen Kundenintegration In diesem Abschnitt werden die Fallstudiendaten ausgewertet, um daraus eine Konzeptualisierung des Konstruktes der frühen Kundenintegration aufzubauen. Die Analyse der Fallstudien erfolgt dabei mit einer doppelten Zielsetzung. Zunächst sollen die grundsätzlichen Determinanten der frühen Kundenintegration ermittelt werden. Diese bestimmen die spezifische Rolle des integrierten Kunden und damit den jeweiligen Ablauf der Integration. Der zweite Analyseaspekt zielt dann auf die Identifikation derjenigen Gestaltungsfelder, welche die wesentlichen Dimensionen der frühen Kundennähe darstellen. Durch die Ausprägung dieser Gestaltungsfelder werden die operative Gestaltung und die Durchführung der Integration bestimmt. Daher erfolgt anschliessend eine ausführliche Beschreibung der für eine erfolgreiche Integration relevanten Gestaltungsfaktoren. 4.1.1 Vergleich der Fallstudienergebnisse Für den Fallstudienvergleich werden Kriterien herangezogen, welche nicht im Analyseraster (vgl. Abb. 8) der ersten Einzelfallanalysen enthalten sind. Dieser Schritt ist notwendig, um die vorhandenen Daten unabhängig von der ersten Analyse vergleichen und damit neue, zusätzliche Erkenntnisse gewinnen zu können (vgl. Eisenhardt 1989). Als Vergleichskriterien werden daher diejenigen strategischen Grundlagen und Rahmenbedingungen herangezogen, welche anhand der Einzelfallanalyse als wesentlich für die frühe Kundenintegration identifiziert worden sind. Bei der Erhebung der Daten sowie der Analyse der Einzelfallstudien wurde überprüft, welche der generellen in der Literatur beschriebenen strategischen Grundlagen der Einbindung von Kunden für den speziellen Fall der frühen Kundenintegration hohe Relevanz aufweisen. Da die strategischen Grundlagen aus Arbeiten über verschiedene Formen der Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess stammen, spiegeln sie prinzipiell mögliche Merkmale der Kundeneinbindung unter verschiedensten Rahmenbedingungen wider. Die Ausgangsbasis bildeten also die in Abschnitt 2.1 aus der Literatur hergeleiteten strategischen Grundlagen der erfolgreichen Einbeziehung von Kunden in den Innovationsprozess (vgl. Abb. 7). Dem Fokus dieser Arbeit entsprechend liegt ein erster Erkenntnisschritt zunächst darin, durch die Einzelfallanalyse diejenigen strategischen Grundlagen zu identifizieren, welche für alle betrachteten Fälle relevant sind. Aufseiten des Herstellers waren dies eine strategische und organisatorische Einbettung sowie ein organisatorischer 110 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Lernprozess, aufseiten des Kunden dessen Kompetenzen und Motivation. Für die Interaktion zwischen den beiden Partnern spielen vor allem Struktur und Form der Einbindung sowie die Beziehungsvariablen (samt Kommunikation) eine entscheidende Rolle. Zusätzlich zu diesen Elementen wurden auch noch drei Rahmenbedingungen, welche Auswirkungen auf die Ausprägung der frühen Kundenintegration haben, identifiziert. Es sind dies die Position des Kunden in der Wertschöpfungskette, der Zeitpunkt der Integration im Verlauf der Innovationsfrühphase sowie die spezifischen Ziele des Herstellers und damit der erwartete Kundenbeitrag. Abbildung 21 zeigt einen Überblick dieser Kriterien. Rahmenbedingungen ¾ Position des Kunden in der Wertschöpfungskette ¾ Zeitpunkt der Integration im Verlauf der Frühphase ¾ Ziel des Herstellers und erwarteter Kundenbeitrag Strategischen Grundlagen Hersteller Integrationsprozess Kunde ¾ Übereinstimmung mit Strategie ¾ Organisatorische Ausformung (Schnittstelle F&E/Marketing) ¾ Rahmen der Einbindung (Passende Strukturen, Form der Einbindung) ¾ Beziehungsvariablen ¾ Kompetenz (Wissen und Fähigkeiten) ¾ Motivation Abbildung 21: Kriterien für den Vergleich der Fallstudienergebnisse Im Folgenden werden die jeweiligen Ausprägungen der einzelnen Fallstudien anhand dieser neuen Kriterien herausgearbeitet. In einer vergleichenden Analyse erfolgt daraus schliesslich die Herleitung der Determinanten und Gestaltungsfelder der frühen Kundenintegration. CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 111 Bayer MaterialScience Bayer Polymers hat die Ausrichtung nach dem Kunden bereits auf Ebene der Divisionsstrategie explizit verankert. So ist „one lead to the customer“ der zentrale Leitsatz, der auf den Aufbau und die Ziele der gesamten Organisation ausstrahlt. Die Gründung des Creative Centers mit dem speziellen Fokus auf die Marktseite und dem aktiven Kontakt zum Kunden ist ein deutliches Zeichen zur Festigung dieses Ansatzes. Man kann also von einer strategischen Verankerung (Übereinstimmung mit der Strategie) und durchgängigen organisatorischen Verankerung des Kundeneinbindungsgedankens sprechen. Das Creative Center erfüllt zwar auch Aufgaben, welche typisch für klassische in der F&E angesiedelte Innovationsgruppen sind, es ist aber grundsätzlich auf den Markt fokussiert. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass rund 80 % aller externen Kontakte mit Kunden erfolgen. Rund um diese spezielle Gruppe existieren die klassischen Organisationsformen des Marketings samt Key Account Management und der technologiefokussierten Forschung. Die Schnittstelle zum Marketing stellt dabei kein Problem dar. Die interne Kommunikation funktioniert ausgezeichnet und Kontakte zu bzw. Treffen mit wichtigen Kunden werden immer mit dem Key Account Management abgestimmt. Die interne organisatorische Ausformung bei Bayer muss die Kundenbedürfnisse verstehen können und adäquat zur Entwicklung neuer Produkte verwenden. Diese Fähigkeit wird durch das Creative Center in zweifacher Hinsicht unterstützt. Zunächst werden die Informationen, welche durch Kundenintegration gewonnen werden, in einem internen Prozess aufgearbeitet und zu fertigen Konzepten weiterentwickelt. Die Schnittstelle zum nachgelagerten Segment Industry Innovations funktioniert durch das Vorhandensein eines definierten Übergabeprotokolls (Balanced Innovation Card) problemlos. Zusätzlich arbeitet das Creative Center am Aufbau eines internen Innovationsnetzwerkes, um sein Wissen weiterzugeben und zu einer prinzipiell offenen Innovationskultur beizutragen. Der eigentliche Rahmen der Einbindung wird aus Workshops gebildet, welche meist an neutralen Orten mit einer zielgerichteten Auswahl an Kunden durchgeführt werden. Durch die überwiegende Betrachtung präkompetitiver Themen ist es möglich, auch konkurrierende Kundenunternehmen zu gemeinsamen Workshops einzuladen. Generell zeigen sich am Beginn der Innovationsfrühphase Spitzen bezüglich der Häufigkeit derartiger Treffen. Viele Kunden nehmen daher nur einmal bzw. wenige Male an Integrationsworkshops teil. Die Mitarbeiter des Creative Centers sind sehr bemüht, Vertrauen als Grundlage einer offenen Atmosphäre herzustellen. Als Zeichen dieser Offenheit werden das Wissen und die Überlegungen von Bayer immer als erstes auf den Tisch gelegt. Es 112 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION gelingt dadurch, auch ohne detaillierte Vertraulichkeitsvereinbarungen zu einem Informationsaustausch zu gelangen, von dem beide Seiten profitieren. Vertrauen, Commitment und Gegenseitigkeit sind die wichtigsten Beziehungsvariablen, welche in diesem Zusammenhang genannt werden. Die Entwicklung klarer Ziele und das Controlling spielen nur eine untergeordnete Rolle. Die Einbindung der Kunden erfolgt, angestossen durch das Creative Center, in Form von Kundenbesuchen bzw. Workshops an neutralen Orten. Die Motivation der Kunden, sich in den frühen Innovationsprozess zu integrieren, erfolgt durch die Schaffung einer Situation in der beide Parteien profitieren. Prinzipiell wird der Kunde durch Bekanntgabe von neuesten Trends und Technologien motiviert. Sein Nutzen liegt (vor allem bei den kleineren Partnern) also in einer Ausweitung der eigenen Möglichkeiten durch den Partner Bayer. Dies gestaltet sich nicht immer problemlos. Da Bayer meistens nicht den nächstgelegenen Kunden, sondern oft den OEM integriert, sind die Anreize für dessen Vertreter oft nicht direkt ersichtlich. So ist es beispielsweise nur schwer möglich, interessante Vertreter eines Automobilherstellers zu einer längerfristigen Zusammenarbeit im oben beschriebenen Sinne zu gewinnen. Entscheidend ist die Auswahl der richtigen Personen beim Kunden, welche in der Lage sind, ihren Nutzen zu erkennen und in ihren Unternehmen zu kommunizieren. Das Hauptziel der Kundenintegration für das Creative Center ist die Abschätzung von Marktpotenzialen in Form von Roadmaps für Marktentwicklungen und Technologien. Es kommen daher nur die Kunden als Partner infrage, welche selbst Interesse und Kompetenz auf dem Gebiet der Entwicklung zukünftiger Szenarien aufweisen. Der Kunde muss ein Alleinstellungsmerkmal (z. B. Fachkompetenz oder Marktstellung) aufweisen, welches ihm ermöglicht, einen für Bayer wichtigen Beitrag zu leisten. Eine weitere wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration ist die Fähigkeit in der „gleichen Sprache zu sprechen“. Der erwartete Kundenbeitrag besteht für das Creative Center in Szenarien und Roadmaps zu vorher festgelegten Themen, welche mit den eigenen abgeglichen werden können. Der Kunde muss also in der Regel Marktwissen in der Form von Trends und zukünftigen Entwicklungen rund um sein Produkt besitzen. Technologisches Wissen im Sinne von Polymerkompetenz wird bei der Kundenintegration nicht erwartet. Zulieferer und kleine Start-ups werden bei solchen technischen Fragestellungen als externe Partner herangezogen. Eine Zusammenfassung dieser Analyse zeigt Abbildung 22. CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 113 Position des Kunden in der Wertschöpfungskette Hersteller Zulieferprodukt Modulzulieferer Tier 1 Supplier Kunde Hersteller Endprodukt (=Kunde des Kunden) Absatzmittler (opt.) Endkunde Benutzer Integration Strategische Grundlagen Hersteller Integrationsprozess Übereinstimmung mit Strategie ¾ Bayer sieht sich als Technologieführer und Lösungsanbieter, der in eine eigene Abteilung investiert, um die erste Adresse für neue Lösungen zu sein, eigene Technologieabteilung näher an den Markt zu bringen Organisatorische Ausformung Rahmen der Einbindung ¾ Kunden werden besucht, zu Bayer oder an neutrale Orte zu Workshops eingeladen ¾ Durch die vorwettbewerbliche Betrachtung ist es möglich, auch konkurrierende Kundenunternehmen zu gemeinsamen Workshops einzuladen Beziehungsvariablen ¾ Eigene Organisationseinheit unabhängig vom klassischen Marketing (unter Vorstand Marketing und Innovation) ¾ Vertrauen und Gegenseitigkeit spielen wesentliche Rolle („gleiche Augenhöhe“ mit den Kunden) ¾ Das Creative Center ist ein interdisziplinäres Team (aus Chemikern, Physikern und Ingenieuren), welches direkten Kontakt zu den Kunden hat ¾ Nur durch Offenlegung des eigenen Wissensstandes kommt es zu einer Öffnung aufseiten der Kunden Kunde Kompetenz ¾ Auf Gelegenheiten ausgerichtetes Marktwissen Motivation ¾ Prinzipiell wird der Kunde durch Bekanntgabe von neuen Trends und Technologien motiviert ¾ Auswahl der richtigen Personen beim Kunden entscheidend Der Kundennutzen liegt (vor allem bei den kleineren Partnern) in einer Ausweitung der eigenen Möglichkeiten durch den Partner Bayer Zeitpunkt der Integration ¾ Am Beginn der Frühphase (Gelegenheitsidentifikationsphase) ¾ Abschätzung von Marktpotenzialen und Technologieentwicklungen ¾ Kunde muss Alleinstellungsmerkmal (Fachkompetenz oder Marktstellung) aufweisen Ziele des Herstellers und erwarteter Kundenbeitrag Abbildung 22: Charakteristika der frühen Kundenintegration der Bayer MaterialScience 114 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION EADS Astrium Die Kundeneinbindung wird bei Astrium in weiten Teilen der Strategie explizit angesprochen. Diese strategische Verankerung manifestiert sich unter anderem darin, dass im gesamten Unternehmen besonderer Wert auf intensive Kundenbeziehungen gelegt wird und ein ausgeprägter bilateraler Informationsfluss mit den Kunden stattfindet. Dies zeigt sich auch in einer Transparenz interner Abläufe gegenüber den Kunden, beispielsweise bei der Übergabe von erhaltenen Aufträgen von den Business Development Einheiten zur Entwicklungsabteilung. Diese Business Development Einheiten bilden einen Bestandteil der organisatorischen Ausformung der frühen Kundenintegration bei EADS Astrium. Aufträge werden durch sie geführt und zusammen mit der Vorentwicklung akquiriert. Daneben gibt es noch ein Key Account Management, welches Kundenbetreuung im klassischen Sinn betreibt. Durch die geringe Zahl an Kunden und die Grösse der Aufträge (bezüglich des Auftragsvolumens und der Laufzeit) gibt es keine herkömmliche Marketingorganisation. Die eigentliche operative Durchführung der Integration passiert durch die Entwicklungsabteilung im Zuge der gemeinsamen Definition der Produktspezifikation. Der organisatorischer Lernprozess wird sowohl auf persönlicher Ebene durch regelmässige Treffen (z. B. Business Development Meetings) als auch IT-basiert durch Wissensdatenbanken unterstützt. Dadurch wird sichergestellt, dass Erfahrungen aus vergangenen Projekten gerade auch bezüglich des jeweiligen Kunden aufgearbeitet und festgehalten werden. Die Rahmen der Einbindung entspricht dem eines regulären komplexen Entwicklungsprojektes. Die verwendeten Instrumente reichen dabei über Workshops und regelmässige Review-Treffen bis hin zu Job-Rotation und Einbezug der Mitarbeiter des Kunden als „Residents“ vor Ort bei Astrium. Grundsätzlich besteht eine enge Verzahnung mit den technologischen Abteilungen der Kunden im gesamten Verlauf eines Projektes. Beziehungsvariablen in Form von Vertrauen und Commitment spielen eine wesentliche Rolle. Durch die begrenzte Grösse des Marktes kennen sich viele Marktteilnehmer bereits persönlich und es gibt vielfältige Erfahrungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern. Dadurch, sowie durch eine weitgehende kulturelle Übereinstimmung, wird der Aufbau einer Vertrauensbasis erleichtert. Bezüglich der Motivation der Kunden, also der generellen Bereitschaft der Kunden, am Innovationsprozess teilzunehmen, ist EADS Astrium in der angenehmen Lage, dass viele Kunden von selbst zu enger Interaktion motiviert sind. Dies beruht auf CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 115 dem wissenschaftlichen Ehrgeiz und Forschungsdrang vieler Kundenmitarbeiter sowie der grossen Zahl kundenspezifischer Lösungen, welche viele komplexe Entscheidungen vom Kunden selbst erfordern. Die relative Grösse der Kunden ist ebenso wie das vorhandene Wissen sehr unterschiedlich ausgeprägt. EADS Astrium erwartet aus Finanzierungsgründen allerdings eine Mindestgrösse des Kunden. In der Satellitenbranche ist es für den Kunden unumgänglich, ebenfalls Entwicklungs-Know-how zu besitzen. Dies mag unterschiedlich ausgeprägt sein und von den personellen wie auch finanziellen Ressourcen des Kunden abhängen. Jeder Kunde muss jedoch zumindest im Stande sein, Mindestanforderungen zu spezifizieren sowie deren Einhaltung bei Abschluss des Projektes zu überprüfen. Vom Auftragnehmer wird die Einhaltung der spezifizierten Funktionalität erwartet. Der erwartete Kundenbeitrag der EADS Astrium ist also eine Minimierung des Entwicklungsrisikos durch die Nutzung des Kunden als Quelle von Ideen und Anregungen sowie als Kontrollinstanz. Die Kompetenzen des Kunden müssen sich also für bestimmte Bereiche mit denen des Herstellers decken. Abbildung 23 fasst diese Kriterien für die EADS Astrium zusammen. 116 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Position des Kunden in der Wertschöpfungskette Hersteller Endprodukt Kunde Benutzer Integration Strategische Grundlagen Hersteller Integrationsprozess Übereinstimmung mit Strategie ¾ Die Kundeneinbindung ist in weiten Teilen der AstriumStrategie explizit verankert ¾ Im gesamten Unternehmen wird besonderer Wert auf intensive Kundenbeziehungen gelegt und es findet ein ausgeprägter bilateraler Informationsfluss statt Organisatorische Ausformung ¾ ¾ Aufträge werden geführt durch die Business Development Einheiten und zusammen mit der Vorentwicklung akquiriert Rahmen der Einbindung ¾ Es besteht eine enge Verzahnung mit den technologischen Abteilungen der Kunden Kunde Kompetenz ¾ Technisches Fachwissen auf dem Gebiet der Kernkompetenz des Herstellers Motivation Beziehungsvariablen ¾ Durch die Beschränktheit des Marktes spielt persönliche Bekanntheit eine grosse Rolle ¾ Die kulturelle Übereinstimmung im engen Satellitenmarkt ist wesentlich für den Aufbau einer Vertrauensbasis Durch die geringe Zahl an Kunden und die Grösse der Aufträge (Auftragsvolumen und Laufzeit) gibt es keine klassische Marketingorganisation ¾ Kunden von selbst durch wissenschaftlichen Ehrgeiz und Forschungsdrang zu enger Interaktion motiviert ¾ Die grosse Expertise der Kunden führt dazu, dass sie teilweise zu viel Einfluss auf den Entwicklungsprozess nehmen wollen Zeitpunkt der Integration ¾ Ab der Ideengenerierungsphase über den gesamten Verlauf des frühen Innovationsprozesses ¾ Minimierung des Entwicklungsrisikos ¾ Kunden als Quelle von Ideen und Anregungen sowie als Kontrollinstanz Ziel des Herstellers und erwarteter Kundenbeitrag Abbildung 23: Charakteristika der frühen Kundenintegration der EADS Astrium CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 117 Hilti Diamond Systems Prinzipiell legt Hilti für ihre Kernprodukte grossen Wert auf die eigene Entwicklung der Technologien von den ersten Grundlagenforschungen bis hin zum fertigen Produkt. Diese starke Autonomie auf technischer Seite wird durch eine aussergewöhnlich hohe Marktorientierung ergänzt. Diese manifestiert sich am deutlichsten in der Aufbauorganisation mit starken Marktorganisationen und einem ausschliesslichen Fokus auf das eigene Vertriebsnetz. Diese starke Kundenorientierung zeigt sich auch in der strategischen Verankerung des Kunden als einer von drei Kernbausteinen der Hilti Strategie. Dadurch wird die Basis für eine erfolgreiche Integration gelegt. Auf der operativen Ebene ist Hilti bestrebt, den Kunden während des gesamten Innovationsprozesses, speziell in der Frühphase desselben, aktiv einzubinden. Die organisatorische Ausformung erfolgt ihm Rahmen eines definierten Prozesses, in welchem eine Reihe von Methoden zur Kundenintegration enthalten sind. Dazu werden im Bereich der Diamond Systems die Kunden prinzipiell in ein Profi-Segment und einen Mainstream-Markt eingeteilt. Der Erstkontakt zum Profikunden erfolgt dabei über die Betreuer im neu geschaffenen Trade Diamond Service Contractors. Forschungsprojekte werden, basierend auf Bedürfnissen der Kunden, innerhalb der Forschung gestartet und vorangetrieben. Im weiteren Verlauf des Prozesses wird die Rolle der Kunden wieder besonders relevant, sobald erste Anschauungsmodelle vorhanden sind. Ab diesem Zeitpunkt kommt es zu einer intensiven Interaktion mit ausgewählten Kunden. Der Rahmen der Einbindung wird dabei durch Fokusgruppen, Lead-User-Workshops und Customer Acceptance Tests festgelegt, welche die Definitions- und Konzeptphase der eigentlichen Produktentwicklung begleiten. Im Rahmen eines erweiterten Servicegedankens wird die Integration auch durch die Schaffung von speziellen Partnerschaftsniveaus und damit verbundenen Aktivitäten unterstützt. Die Auswahl der Kunden erfolgt dabei einerseits nach deren Kompetenzen und andererseits basierend auf der Stufe der Partnerschaft, auf welcher sich der jeweilige Kunde befindet. Als Lead-User im Sinne der Überprüfung der Value Proposition eines neuen Konzeptes kommen beispielsweise nur Kunden aus der höchsten Partnerschaftsstufe, so genannte Top-Partner infrage. Diese zeichnen sich neben ihrer Innovativität auch durch einen hohen Umsatzanteil mit Hilti-Produkten und eine hohe Loyalität aus. Generell legt Hilti viel Wert auf langfristige Beziehungen mit ihren ausgewählten Partnern. Der Grundstock dafür wird durch ein deutliches Commitment, eine ausgereifte organisatorische Verankerung und professionelle Prozesse gelegt. Auch spielen die Beziehungsvariablen Vertrauen und Gegenseitigkeit wesentliche Rollen. 118 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Die Motivation der Kunden erfolgt durch die Erarbeitung einer gemeinsamen Problemlösung, zu welcher sich Hilti als kompetenter Partner anbietet. Darüber hinaus bietet die Mitgliedschaft im Top-Partner-Club auch noch soziale Vorteile beispielsweise erhöhtes Prestige und die Möglichkeit intensiver persönlicher Interaktion. Eine Zusammenfassung der frühen Kundenintegration der Hilti Diamond Systems aus dem Blickwinkel dieser Kriterien zeigt Abbildung 24. CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 119 Position des Kunden in der Wertschöpfungskette Hersteller Endprodukt Kunde Benutzer Integration Strategische Grundlagen Hersteller Integrationsprozess Übereinstimmung mit Strategie ¾ Kunden sind eine der drei zentralen Säulen der Strategie ¾ Spezielle Kundenorientierung auch durch den Direktvertrieb bedingt Organisatorische Ausformung ¾ Erstkontakt zum Profikunden erfolgt dabei über die Betreuer im neu geschaffenen Trade Diamond Service Contractors (Teil der Marktorganisation) ¾ Keine spezielle Abteilung zur Kundenintegration etabliert Rahmen der Einbindung ¾ ¾ Kunden werden im Rahmen von Realisierungsprojekten durch Fokusgruppen, Lead-UserWorkshops und Customer Acceptance Tests eingebunden Kompetenz ¾ Anwendungsorientiertes Marktwissen Motivation ¾ Primär durch die gemeinsame Erarbeitung von Problemlösungen; der Kunde sucht einen kompetenten Partner, welcher sein Problem löst ¾ Zusätzlich werden durch verschiedene genau definierte Stufen der Zusammenarbeit Möglichkeiten geboten, exklusiven Gruppen anzugehören und dadurch spezielle Vorteile zu geniessen Im Rahmen eines erweiterten Servicegedankens auch durch die Schaffung von speziellen Partnerschaftsniveaus und damit verbundenen Aktivitäten Beziehungsvariablen ¾ Kunde Grosses Interesse an langfristigen Partnerschaften mit den Kunden; es wird daher Commitment gezeigt und versucht, Vertrauen aufzubauen Zeitpunkt der Integration ¾ Ende der Frühphase tlw. Überschneidung mit dem Beginn des eigentlichen Produktentwicklungsprozesses Ziel des Herstellers und erwarteter Kundenbeitrag ¾ Optimierung von Konzepten ¾ Kunden müssen innovativ und an Lösung interessiert sein Abbildung 24: Charakteristika der frühen Kundenintegration der Hilti Diamond Systems 120 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Zumtobel Staff Zumtobel Staff integriert systematisch im Rahmen von Sonderprojekten Architekten und Lichtplaner als fachmännische Vertreter der eigentlichen Kunden in seinen Innovationsprozess. Diese Integration ist eine Ausdruck der Offenheit des Unternehmens, welche auf einer offenen innovationsfreundlichen Firmenkultur sowie einer entsprechenden strategischen Verankerung basiert. Mit der Gruppe Strategic Partner Development gibt es spezielle Betreuer innerhalb der Organisation der Zumtobel Staff, welche die Integration der strategischen Partner operativ umsetzen. Diese Spezialisten beraten und informieren die Partner einerseits durch die Bereitstellung von speziellen Unterlagen, primär aber durch persönliche Gespräche und Besuche. Diese organisatorische Ausformung wurde zusätzlich zum traditionellen Marketing und Key Account Management geschaffen. Grundsätzlich werden aber alle Projekte in einem interdisziplinären Team aus Vertretern von F&E, Marketing und Produktion abgewickelt. Den Rahmen der Einbindung bilden so genannte Sonderprojekte. Deren Ziel ist es, partnerschaftlich Speziallösungen zu entwickeln, welche zunächst als Sonderprodukte umgesetzt und im Idealfall später zu innovativen Standardprodukten umgewandelt werden können. Die Integration der Kunden stellt in Form des Starts gemeinsamer Projekte gleichzeitig den Beginn des Innovationsprozesses dar. Sie verläuft über den gesamten Prozess und endet erst, wenn das Sonderprodukt entwickelt und verkauft wurde bzw. nach der Umwandlung in ein Standardprodukt. Die Auswahl der Partner erfolgt basierend auf ihrer innovativen Grundhaltung, fachlichen Qualifikation und Fähigkeit, sich im Rahmen eines Bauprojektes mit ihren Ideen durchzusetzen. Das Ziel der Zumtobel Staff ist es, langfristige Partnerschaften mit innovativen Partnern zu erreichen. Dabei spielt der Aufbau einer gemeinsamen Vertrauensbasis sowie ein gegenseitiges Commitment eine wesentliche Rolle. Die Basis für diese Beziehungsvariablen bildet der beidseitige Nutzen, als Manifestation der Gegenseitigkeit. Die Motivation der Kunden liegt in der Möglichkeit, im Rahmen der Integration mit einem angesehenen Spezialisten individuelle Sonderlösungen realisieren zu können. Der von Zumtobel Staff erwartete Kundenbeitrag ist neben der fachlichen Qualifikation des Partners auch seine Fähigkeit, eine Lösung im Bauprojekt durchsetzen zu können. CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 121 Es kann nur dann zu einer nachhaltigen Verstärkung der Innovationsfähigkeit kommen, wenn die gemeinsam entwickelten innovativen Produkte auch realisiert werden und zum wirtschaftlichen Erfolg führen. Abbildung 25 fasst diese Punkte zusammen. Position des Kunden in der Wertschöpfungskette Hersteller Endprodukt Architekt Lichtplaner Endkunde Bauträger Benutzer Integration Strategische Grundlagen Hersteller Integrationsprozess Übereinstimmung mit Strategie ¾ Die Offenheit nach aussen und Integration von speziellen Kunden durch die Kultur der Eigentümerfamilie an höchster Stelle verankert Organisatorische Ausformung ¾ ¾ Strategic Partner Development Gruppe zusätzlich zum traditionellen Marketing und dem Key Account Management mit Kundenintegration betraut Rahmen der Einbindung ¾ Kunden werden im Rahmen von Sonderprojekten eingebunden ¾ Aufgrund der Machtverhältnisse erfolgt die Betreuung durch Strategic Partner Development auch an Bürostandorten prominenter Kunden Beziehungsvariablen ¾ Ziel sind langfristige auf Vertrauen basierte Beziehungen ¾ Das Commitment beider Seiten muss gegeben sein; Gegenseitigkeit gibt es in der Baubranche allerdings sehr selten Kunde Kompetenz ¾ Technisches Fachwissen auf einem die Kompetenz des Herstellers ergänzenden Feld Motivation ¾ Kreative Kunden werden durch die Möglichkeit motiviert, ihre eigenen Kreationen mit einem kompetenten Partner umsetzen zu können ¾ Für Kunden mit Installationskompetenz werden auch Sachspenden eingesetzt Alle Projekte werden in einem interdisziplinären Team aus Vertretern von F&E, Marketing und Produktion abgewickelt Zeitpunkt der Integration ¾ In der Ideengenerierungsphase ¾ Realisierung gemeinsamer Innovationsprojekte ¾ Partner muss neben der fachlichen Qualifikation auch Durchsetzungsvermögen für innovative Lösungen mitbringen Ziel des Herstellers und erwarteter Kundenbeitrag Abbildung 25: Charakteristika der frühen Kundenintegration der Zumtobel Staff 122 4.1.2 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Determinanten und Gestaltungsfelder Die detailliertere vergleichende Betrachtung der Daten anhand der als wesentlich identifizierten Kriterien ermöglicht nun, im Sinne generell auftretender Merkmale, die Ableitung der relevanten Determinanten und Gestaltungsfelder der frühen Kundenintegration. Determinanten Vergleicht man die fokussierten Analysen der Fallstudien des vorherigen Abschnittes so lässt sich zunächst bezüglich der Rahmenbedingungen feststellen, dass die Position des Kunden in der Wertschöpfungskette keinen wesentlichen Einfluss auf die frühe Kundenintegration aufweist. Die vorhandenen Unterschiede bezüglich der Distanz und der Beziehung zwischen den Unternehmen und ihren integrierten Kunden wirkt sich nicht entscheidend auf Gestaltung, Ablauf und Management der Integration aus. Ein derartiger Einfluss ist allerdings bei den beiden anderen Rahmenbedingungen feststellbar. Dabei zeigt sich für den Zeitpunkt der Integration folgendes Bild. Die Integration der Kunden erfolgt bei Bayer MaterialScience ganz am Beginn der Frühphase bzw. des Innovationsprozesses. Das Creative Center strebt gemeinsam mit den Kunden Szenarien und Roadmaps für zukünftige Entwicklungen an. Zu diesem Zeitpunkt liegen noch keine konkreten Produktideen bzw. Konzepte vor. Es werden vielmehr gemeinsam mit den integrierten Kunden neue Geschäftschancen gesucht und deren zukünftige Entwicklung abgeschätzt. EADS Astrium beginnt mit der frühen Kundenintegration erst im nächsten Schritt der Innovationsfrühphase, der Ideengenerierungsphase. In dieser Phase ist im Zuge einer gemeinsamen Entwicklung der genauen Spezifikationsinhalte die Intensität der Integration am höchsten, auch wenn diese über den gesamten Verlauf des frühen Innovationsprozesses anhält. Auch bei Zumtobel Staff zeigt sich die engste Zusammenarbeit während der Phase der Ideenentstehung. Da dort prinzipiell langfristige Partnerschaften angestrebt werden, besteht oft schon vor dem eigentlichen Innovationsprojekt Kontakt zwischen Hersteller und Partnern, doch die relevante Interaktion passiert, wenn es um das Finden und Verfeinern von Ideen geht. Die Konzepte, welche aus den Ideen entwickelt werden, stehen bei Hilti Diamond Systems im Mittelpunkt der Kundenintegration. Am Ende der Frühphase werden Kunden eingebunden, um bestehende Konzepte zu beurteilen und an deren Auswahl und Verbesserung mitzuwirken. Dabei kommt es teilweise zu einer Überschneidung mit dem Beginn des eigentlichen Produktentwicklungsprozesses. Eine ähnliche Differenzierung zeigt sich auch bei den mit der frühen Kundenintegration verbundenen Zielen des Herstellers und den erwarteten Kundenbeiträgen CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 123 bzw. der eng damit verknüpften notwendigen Kompetenz des Kunden. Bayer MaterialScience erwartet sich von der Integration ein besseres Verständnis der Marktentwicklungen und -potenziale. Im Dialog mit den integrierten Kunden sollen Szenarien abgestimmt und darauf aufbauend Roadmaps mit möglichst realistischen Time-to-Market-Schätzungen entwickelt werden. Zusammenfassend formuliert liegt das Ziel also in der Identifikation von Trends sowie deren Ausarbeitung und Aufbereitung. Als wesentliche Eigenschaft muss ein potenzieller Integrationspartner ein Alleinstellungsmerkmal, welches in seiner Fachkompetenz oder Marktstellung begründet sein kann, aufweisen. Der gewünschte Kundenbeitrag ergibt sich dann aus der Umsetzung dieser Eigenschaft in Form einer konstruktiven Teilnahme am Innovationsprojekt. Für Hilti Diamond Systems müssen die ausgewählten Kunden vor allem selbst innovativ bzw. an Innovationen interessiert sein. Dadurch spielen sie oft eine Vorreiterrolle am Markt und sind an kompetenten Lösungen ihrer, in vielen Fällen neuartigen, Probleme interessiert. Hiltis Ziel ist es, in interaktiven Workshops Informationen bezüglich der Verbesserung von selektierten Produktkonzepten zu erhalten, also eine Auswahl und Konzeptverfeinerung zu erreichen. Zumtobel Staff geht noch einen Schritt weiter. Ziel der Kundenintegration dort ist es, gemeinsam mit dem Kunden innovative Sonderprodukte zu entwickeln, welche Zumtobel alleine nicht realisieren könnte. Dazu bedarf es einer komplementären Kompetenz des Kunden, welche im Bereich des Designs bzw. der Lichtplanung liegt. Zusätzlich ist neben der fachlichen Qualifikation des Partners auch entscheidend, dass dieser die Fähigkeit mitbringt, die gemeinsame Lösung im Bauprojekt durchzusetzen. Für EADS Astrium liegt das primäre Ziel in einer Minimierung des Entwicklungsrisikos. Durch die gemeinsame Erarbeitung einer detaillierten Spezifikation leistet der Kunde einen wertvollen Beitrag als Quelle von Ideen und Anregungen sowie als Kontrollinstanz. Dies ist nur möglich, da der Kunde über ein ähnliches Kompetenzprofil wie Astrium selbst verfügt. Man kann also die Erfüllung der Ziele, welche der Hersteller an die frühe Kundenintegration knüpft, auf die Kompetenz des Kunden – grundsätzlich einzuteilen in Marktwissen und technisches Wissen – beziehen. Nur wenn der Kunde mit dem geeigneten Kompetenzprofil ausgestattet ist, kann er den gewünschten Beitrag erbringen und dadurch zur Erfüllung der Herstellerziele beitragen. Diese Kompetenz des Kunden stellt gleichzeitig einen wesentlichen Einflussfaktor auf die Gestaltung und Durchführung der frühen Kundenintegration dar. 124 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Die zentralen Unterschiede der untersuchten Fälle zur frühen Kundenintegration liegen demnach im Zeitpunkt der Integration in die Innovationsfrühphase und der Kompetenz der integrierten Kunden bzw. dem jeweils angestrebten Ziel der Hersteller. Tabelle 3 fasst diese Unterschiede zusammen. Unternehmen Zeitpunkt der Integration Herstellerziel/erwarteter Kundenbeitrag Kompetenz des Kunden Bayer Material Science Am Beginn der Frühphase Abschätzung von Marktpotenzialen und Technologieentwicklungen Auf Gelegenheiten ausgerichtetes Marktwissen Kunde muss Alleinstellungsmerkmal (Fachkompetenz oder Marktstellung) aufweisen EADS Astrium Ab der Ideengenerierungsphase über den gesamten Verlauf des frühen Innovationsprozesses Minimierung des Entwicklungsrisikos Hilti Diamond Systems Ende der Frühphase tlw. Überschneidung mit dem Beginn des eigentlichen Produktentwicklungsprozesses Optimierung von Konzepten Zumtobel Staff In der Ideengenerierungsphase Realisierung gemeinsamer Innovationsprojekte Kunden als Quelle von Ideen und Anregungen sowie als Kontrollinstanz Technisches Fachwissen auf dem Gebiet der Kernkompetenz des Herstellers Anwendungsorientiertes Marktwissen Kunden müssen innovativ und an Lösung interessiert sein Partner muss neben der fachlichen Qualifikation Durchsetzungsvermögen für innovative Lösungen mitbringen Technisches Fachwissen auf einem die Kompetenz des Herstellers ergänzenden Feld Tabelle 3: Zentrale Unterschiede der Fokussierung der frühen Kundenintegration in den betrachteten Fallstudien CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 125 Der Vergleich der Fallstudien liefert also zunächst zwei Determinanten, welche die Ausprägung früher Kundenintegration bestimmen. Es sind dies der Zeitpunkt der Integration in die Innovationsfrühphase sowie die spezielle Kompetenz des Kunden (vgl. Abb. 26). Die Charakteristika und Ausprägungen dieser Determinanten werden in Abschnitt 5.1.3 näher beschrieben und als Basis einer Typologie spezifischer Kundenrollen der frühen Kundenintegration verwendet. Je nach Integrationszeitpunkt und Kompetenz des Kunden zeigen sich bei den untersuchten Unternehmen unterschiedliche Gestaltungen und Abläufe der frühen Kundenintegration. Die hinter diesen Ausprägungen liegenden Gestaltungsfelder werden im Folgenden näher betrachtet. Zeitpunkt der Integration Gelegenheitsphase Technisches Wissen Ideenphase Kompetenz des Kunden Konzeptphase Marktwissen Abbildung 26: Determinanten der frühen Kundenintegration als Ergebnis der Fallstudienanalyse Aus einer zusammenfassenden Betrachtung der strategischen Grundlagen der frühen Kundenintegration in den vier betrachteten Unternehmen werden nun Gestaltungsfelder identifiziert. Diese sind im Sinne von Dimensionen des Konstruktes der frühen aktiven Kundenintegration zu verstehen. Dieser Schritt einer Strukturierung eines Konstruktes durch die Erarbeitung der relevanten Dimensionen wird von Homburg als Konzeptualisierung bezeichnet, während die Operationalisierung die darauf aufbauende Entwicklung eines Messinstruments meint (Homburg 2000). Diese Dimensionen sind ihrerseits wieder aus Faktoren aufgebaut. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden diese Faktoren Gestaltungsfaktoren genannt und die übergeordneten Dimensionen entsprechend Gestaltungsfelder. Die folgende Herleitung der relevanten Gestaltungsfelder stellt also den ersten Schritt der Konzeptualisierung der frühen Kundenintegration dar. 126 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Gestaltungsfelder Ein Vergleich der Fälle ergibt eine Reihe von Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Einbettung, der Gestaltung und des Ablaufs der frühen Kundenintegration. Dabei lässt sich zunächst eine Unterteilung in übergeordnete und operative Gestaltungsfelder treffen. Die übergeordnete Ebene bildet den unternehmerischen Rahmen, in welchen die operative Integration eingebettet ist. Unternehmerischer Rahmen Eine Gemeinsamkeit aller untersuchten Unternehmen ist der Umstand, dass der Grundgedanke einer Öffnung des Innovationsprozesses bereits auf höchstem Niveau in der Strategie verankert ist. Ausgehend von einer derartigen Leitlinie werden die einzelnen strategischen Vorgaben und Ziele der Divisionen, Abteilungen und Gruppen geformt. Nur wenn die Integrationsaktivitäten in Übereinstimmung mit derartigen strategischen Vorgaben ablaufen, können sie nachhaltig betrieben werden und zum Erfolg führen. Das erste übergreifende Gestaltungsfeld ist daher die übergeordnete Strategie. Untrennbar mit einer strategischen Ausrichtung ist eine passende Kultur verbunden. Auch im Fall der frühen Kundenintegration konnte dies eindrucksvoll gezeigt werden. Eine offene Innovationskultur ist eine absolut notwendige Voraussetzung für den Erfolg. Es bedarf eines Klimas, in dem ein kreativer Austausch innerhalb der Abteilungen sowie über Unternehmensgrenzen hinweg (intra- und interorganisational) möglich ist. Dieser Dialog muss vom obersten Management vorgelebt und gefördert werden. Kultur bildet daher die zweite Säule des unternehmerischen Rahmens. Der dritte übergeordnete Aspekt ist eine prinzipielle strukturelle Verankerung der frühen Kundenintegration in der Organisation des Herstellers. Die Analyse der Fälle hat dazu verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, welche sich alle durch eindeutige Verantwortlichkeiten und entsprechende Ressourcenausstattung auszeichnen. Eine derartige übergeordnete Struktur schliesst den notwendigen Rahmen für die operative Gestaltung ab. Operative Gestaltungsfelder Auf der operativen Ebene lassen sich die Erkenntnisse des Fallstudienvergleiches in zwei Gruppen einteilen. Zunächst zeigen einige Kriterien die Notwendigkeit einer operativen Strukturierung der Kundenintegration. Primär durch den Rahmen der Einbindung, aber auch durch Faktoren der organisatorischen Ausformung wird CHARAKTERISTIKA DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 127 festgelegt, wie oft, welche Kunden, wo und mit welcher Intensität integriert werden. Die Fälle haben also gezeigt, dass für die operative Gestaltung der frühen Kundenintegration die Integration strukturell an die jeweiligen Rahmenbedingungen sowie die Intentionen des Herstellers angepasst werden muss. Diese Integrationsstruktur bildet das erste operative Gestaltungsfeld. Der zweite Gestaltungsschwerpunkt, welcher sich aus den Fällen herauskristallisiert hat, liegt in der operativen Durchführung des eigentlichen Integrationsprozesses. Dieses Feld deckt in Ergänzung zu den strukturellen Elementen Aspekte der kulturellen Übereinstimmung, der Kommunikation und der Beziehungsvariablen ab. Aufbauend auf einer gemeinsamen Vertrauensbasis spielen dabei das beidseitige Commitment und die Gegenseitigkeit des Nutzens durch die Integration wesentliche Rollen. Dabei hat sich die Motivation der Kunden als ein entscheidendes Element herausgestellt. Als Ergebnis dieses Interaktionsprozesses wird schliesslich – als Kernpunkt der Integration – neues Wissen generiert. Diese fünf identifizierten Gestaltungsfelder der frühen Kundenintegration sind in Abbildung 27 dargestellt. Unternehmerischer Rahmen Operative Gestaltungsfelder Strategie Integrationsstruktur Kultur Struktur Interaktionsprozess Abbildung 27: Gestaltungsfelder als Ergebnis der Fallstudienanalyse Im Folgenden werden, dem Fokus dieser Arbeit entsprechend, die beiden operativen Gestaltungsfelder weiter vertieft, indem für sie entsprechende Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration identifiziert bzw. entwickelt werden. Der unternehmerische Rahmen wird im Zuge der Aufstellung der Gestaltungsempfehlungen in Abschnitt 6.3 wieder aufgegriffen. 128 4.2 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration In diesem Abschnitt soll zum tieferen Verständnis der Ausgestaltung der frühen Kundenintegration eine genaue Analyse der relevanten operativen Gestaltungsfelder Integrationsstruktur und Interaktionsprozess durchgeführt werden. Dazu werden die wichtigsten hinter den Einflussfeldern liegenden Theorien und Forschungsfelder herangezogen und relevante Gestaltungsfaktoren identifiziert. In der umfangreichen und vielfältigen Literatur über Organisationslehre, Theorien der Firma sowie Management- und Innovationsforschung (z. B. Galbraith 1973; Miller 1993; Sanchez, Mahoney 1996; Daft 2001) wurden bereits Gestaltungselemente zur Unterstützung von Innovation in Unternehmen beschrieben. Dabei handelt es sich beispielsweise um Elemente der Organisationskultur, spezielle innovationsfördernde Rollen, aber auch die Art der intra- und interorganisationalen Verbindungen und die Natur von Incentivesystemen. Diese Ansätze passen sehr gut zu den identifizierten Gestaltungsfeldern der frühen Kundenintegration: Das Feld der Integrationsstruktur (struktureller Aspekt) behandelt die Einbindung des ausgewählten Kunden in die internen Teamstrukturen und Abläufe des Herstellers. Es wird gezeigt, dass verschiedene Kundenrollen verschiedene Arten der Anbindung des Kunden und damit unterschiedliche Typen von Integrations- und Koordinationsmechanismen erfordern. Die Ausprägung des Interaktionsprozesses (sozialer Aspekt) zwischen Hersteller und Kunden wird durch den Umstand dominiert, dass im Falle der frühen Kundenintegration der überwiegende, ergebnisrelevante Teil der Kontakte – und damit der Kommunikation – in einem persönlichen Umfeld stattfinden. Ein spezieller Fokus wird dabei auf die Kernaktivität der frühen Kundenintegration, die kognitiven Prozesse der Wissensentstehung, gelegt. Es wird Bezug darauf genommen, wie der Prozess der Wissensentstehung mit den Kundenrollen variiert und den Bedarf für verschiedene Arten von Wissensmanagementmechanismen in der frühen Kundenintegration impliziert. Als Grundtenor der empirischen Untersuchung hat sich dabei die Kundenmotivation als ein entscheidendes Element herauskristallisiert. Dies erklärt sich durch den grundsätzlich freiwilligen Charakter der Kundenintegration und betont die Notwendigkeit von Anreizsystemen in der Gestaltung des frühen Kundenintegrationsprozesses. Einige dieser Ansätze überlappen teilweise bezüglich der Gestaltungsinformationen, welche sie liefern. Zusammengenommen ermöglichen sie aber, die verschiedenen Beziehungen und Abhängigkeiten einer frühen Kundenintegration zu erfassen und die notwendigen Gestaltungselemente zur Unterstützung eines derartigen offenen Innovationssystems zu entwickeln. GESTALTUNGSFAKTOREN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 4.2.1 129 Strukturelle Gestaltung Prinzipiell müssen Unternehmen ihre Entwicklungsumgebung für neue Produkte so strukturieren, dass ein Mittelweg zwischen Flexibilität, welche für Kreativität und damit Innovation erforderlich ist, und Disziplin, zur Sicherstellung der Effektivität des Entwicklungsprozesses, gewährleistet ist. Dies gilt umso mehr für die Aufnahme von Beiträgen externer Teammitglieder. Frühere Studien der Innovationsforschung bzw. der Neuproduktentwicklung zeigen, dass die Muster der Interaktion zwischen einem Unternehmen und seinen Kunden mit der Rolle der Kunden im Entwicklungsprozess variieren (z. B. Leonard-Barton 1995; Kaulio 1998). Unternehmen müssen daher ein Umfeld schaffen, um die Interaktionsmuster der jeweiligen Rolle, welche ihre integrierten Kunden in der Innovationsfrühphase spielen sollen, zu ermöglichen (vgl. z. B. Nambisan 2002). Dadurch kann sichergestellt werden, dass Kundeninformationen genau und umfassend gesendet und empfangen werden. Relevante Eigenschaften der Hersteller-Kunden-Beziehung und damit Merkmale der Kundenintegration sind die Dauer, die Häufigkeit der Kontakte, die Stärke der Einbeziehung und eine wechselseitig verständliche Kommunikation (Brockhoff 2002). Ein wichtiger Gestaltungsfaktor ist dabei die Verbindungsstärke bzw. die Intensität zwischen dem Kunden und dem Hersteller. Gruner (1997) operationalisiert Intensität der Kundeneinbindung mit den folgenden Indikatoren: Häufigkeit der Kontakte und Anzahl der Verhandlungen („Häufigkeit der Treffen mit den Kunden“), Dauer der Verhandlungen („Dauer der gemeinsamen Zusammenarbeit“), Anzahl der Kooperationspartner (Anzahl der Kundenteilnehmer bei einem Treffen und Anzahl der vom Hersteller involvierten verschiedenen Kunden). Ein Mittel zur Erzielung einer stärkeren Bindung ist neben einer Erhöhung der Häufigkeit der Kontakte beispielsweise die Schaffung einer eigenen Position auf Herstellerseite, welche spezielle Integrationsaufgaben übernimmt. Weitere relevante Faktoren der strukturellen Integration sind dabei die zeitliche Struktur, die Zahl der Kunden sowie der Ort der Interaktion (vgl. Gruner 1997; Lettl 2004). Die zeitliche Struktur (wie oft und wie lange?) wird im Rahmen dieser Arbeit in die folgenden beiden Elemente aufgeteilt. Das Zeitmuster der Interaktion im Sinne der Intervalle, welche zwischen den einzelnen Interaktionen liegen (entspricht der Häufigkeit) und die Dauer der einzelnen Interaktionen. Kombiniert man diese beiden Elemente, so kann man von punktueller Interaktion sprechen, wenn zwischen den einzelnen Interaktionen Intervalle ohne Interaktion liegen und die einzelnen Interaktionen von kurzer Dauer sind (max. 1 Tag). Auf der anderen Seite ist permanente Integration durch einen längerfristigen Charakter gekennzeichnet. Die- 130 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION ser kann sich entweder in einer kontinuierlichen Zusammenarbeit über eine längeren Zeitraum (mehrere Tage, Wochen oder Monate; beispielsweise im Rahmen eines mehrtägigen Workshops) oder überhaupt durch eine Integration in das Innovationsteam des Hersteller über eine längeren Zeitraum manifestieren (vgl. Lettl 2004). Prinzipiell lässt sich feststellen, dass es sich im Falle der frühen Kundenintegration (im Sinne der Definition einer frühen aktiven Kundenintegration im B-2B-Umfeld) tendenziell um längerfristige Lösungen handelt. Grund dafür ist primär eine relativ kleine Gruppe an Kunden, welche überhaupt infrage kommt, und damit ein beschränktes Reservoir an potenziellen Integrationspartnern. Auch die Zahl der Kunden, welche eingebundenen werden, stellt ein Instrument dar, mit dem die Integrationsstruktur beeinflusst werden kann. Prinzipiell hat die Kundenzahl doppelte Bedeutung. Erstens die Zahl der Kundenteilnehmer bei einem Interaktionsevent und zweitens die Zahl der verschiedenen Kundenfirmen im Laufe eines Projektes. Der Ort der Interaktion verkörpert einen weiteren Faktor der strukturellen Gestaltung. Räumlich betrachtet kann die Interaktion beim Hersteller, beim Kunden oder an einem neutralen dritten Ort stattfinden (vgl. Lettl 2004). 4.2.2 Prozessuale Gestaltung Die frühe Kundenintegration ermöglicht einem Unternehmen, ausgewählte Kunden in seine Organisation hineinzuholen und sie, als Teil eines „gemischten Innovationsteams“13, zumindest temporär quasi in „Angestellte“ zu transformieren. Allerdings ist ein derartiger offener Innovationsprozess aufgrund der höheren Komplexität schwerer zu managen und mit höherem Risiko verbunden als ein klassischer, ausschliesslich firmeninterner Prozess. Auch wenn die frühe Kundenintegration keine verteilte Innovationsgemeinschaft im Sinne einer „Community of Creation“ darstellt, so gilt doch auch für sie der Bedarf nach speziellen Kontroll- und Führungsmechanismen (vgl. Sawhney, Prandelli 2000). Dabei müssen speziell Fragestellungen der Interaktion bzw. Kommunikation14 mit den integrierten Kunden berücksichtigt werden. Der Fokus liegt daher im Folgenden auf den prozessbezogenen Gestaltungsfaktoren der Interaktion. Eine hohes Niveau an struktureller Integration wie im vorhergehenden Abschnitt beschrieben, muss nicht notwendigerweise in einem hohen Kooperationsniveau re13 Im Rahmen dieser Arbeit bedeutet „gemischtes Innovationsteam“ ein räumlich beim Hersteller angesiedeltes Team, welches neben Vertretern des Herstellers auch mindestens einen Kunden enthält. Die Grösse, Gestaltung und Bestandsdauer dieses Teams hängt dabei, wie in diesem Kapitel ausgeführt wird, wesentlich von den jeweiligen Kundenrollen ab. 14 Eine genaue Differenzierung zwischen Interaktion und Kommunikation liefert beispielsweise Homans (1972). Für die vorliegende Arbeit werden beide Begriffe nicht unterschieden. GESTALTUNGSFAKTOREN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 131 sultieren (Jassawalla, Sashittal 1998). Firmen müssen daneben auch noch eine Reihe an prozessbezogenen Faktoren berücksichtigen (vgl. Nambisan 2002) – nämlich die Transparenz der Rolle und des Prozesses sowie den kulturellen Fit zwischen den externen und internen Playern. Diese Faktoren haben eine generelle Auswirkung auf das Vertrauen und die Offenheit im Rahmen des Integrationsprozesses. Prozessund Rollentransparenz bezeichnet einen Zustand grosser Offenheit und Awareness durch intensive Kommunikation und Informationsaustausch. In diesem Zusammenhang bedeutet dies zunächst, dass die Erwartungen an die Rolle der integrierten Kunden für beide Seiten explizit gemacht werden (z. B. Dougherty 1992; Jassawalla, Sashittal 1998). Neben diesem klaren Verständnis ihrer eigenen Rolle müssen die Kunden auch verstehen, wie ihre Beiträge im Rahmen des Innovationsprozesses weiterverarbeitet werden. Dies schliesst Fragen nach den handelnden Personen ebenso ein wie solche nach dem übergeordneten Zeitplan. Für die frühe Kundenintegration sind sowohl die Klarheit bezüglich der Rollen als auch der Transparenz des Prozesses wesentlich. Eine diesbezügliche Unsicherheit auf einer der beiden Seiten kann zur Unzufriedenheit der Kunden führen und dadurch die Qualität der Kundenbeiträge negativ beeinflussen (Thomas, Dunn 1994). Der zweite Gestaltungsfaktor betrifft den kulturellen Fit und damit eine gemeinsame Grundlage bezüglich der geistigen Modelle und Vorstellungen (Dougherty 1992; Jassawalla, Sashittal 1998; Madhavan, Grover 1998). Als Grundlage der Beziehung sollten die Akteure gemeinsame mentale Modelle bzw. eine kognitive Kompatibilität (Sawhney, Prandelli 2000) bezüglich der Ziele, Prioritäten, Zeitpläne und Rahmenbedingungen aufweisen. Ein solche gemeinsame Grundlage hilft, die Anstrengungen der Kunden zielgerichtet zu fokussieren. Um tiefer in die Kundenrollen einzudringen, ist es hilfreich, auf die Wissensgenerierung durch die Integration näher einzugehen. Die Schaffung neuen Wissens stellt das zentrale Thema jedes Innovations- bzw. Neuproduktentwicklungsprozesses dar (vgl. Leonard-Barton 1995; Madhavan, Grover 1998; Aslanidis, Korell 2003).15 Der „Knowledge-based View of the Firm“ dient daher als theoretischer Rahmen für die folgenden Überlegungen. Dabei wird nicht in allen Details auf den weit entwickelten Forschungszweig des Wissensmanagements eingegangen, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde und zur Herleitung der Gestaltungsprinzipien nicht notwendig ist. Es kann aus diesen Forschungen aber abgeleitet werden, dass die soziologische Perspektive der Wissens- und Wertentstehung eine wesentliche Rolle bei der frühen Kundenintegration spielt (z. B. Nahabiet, Goshal 1998; Nonaka, 15 Es existiert kein einheitliches Modell des Zusammenhangs zwischen Innovation und Wissen (vgl. Barker 2002). 132 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Konno 1998). Gemeinschaftliche Wissensentstehung beruht auf sozialen Beziehungen, welche durch die persönliche Interaktion zwischen den einzelnen involvierten Personen – hier zwischen Vertretern des Herstellers und des Kunden – entstehen. Die Umsetzung des so entstehenden Wissens hängt an den integrativen Fähigkeiten der Herstellerfirma und damit an den Systemen und Prozessen, welche diese unterstützen (z. B. Kogut, Zander 1992; Nadler, Tushman 1997; Adams, Day et al. 1998; Verona 1999). Bezüglich der Art und der Entstehung von Wissen lassen sich folgende Einteilungen treffen. Auf der Ebene des Grundtyps bzw. der Vermittelbarkeit besteht die klassische Unterscheidung in implizites und explizites Wissen (vgl. Nonaka, Takeuchi 1995) und auf einer inhaltlichen Ebene die Trennung in marktbezogenes und technologiebezogenes Wissen (vgl. Gassmann, Gaso 2004). Schliesslich können noch bezüglich der Art der Wissensentstehung die zwei grundsätzlichen Typen der Wissensakquise und der Wissenskonversion unterschieden werden (Huber 1991; Nonaka, Takeuchi 1995). Wissensakquisition meint die Aneignung von Wissen über ein Produkt oder eine Technologie aus verschiedenen Quellen. Die Wissensumwandlung wird durch die Transformation von Wissen von einem Typ in einen anderen (z. B. die Umwandlung von faktischem Wissen über ein Produkt in experimentelles Wissen über seine Benutzung innerhalb eines bestimmten Kontextes) charakterisiert. Wissensakquisition kann im Rahmen der frühen Kundenintegration vor allem im Rahmen des Netzwerkes des gemischten Innovationsteams passieren. Das Wissen der einzelnen Teammitglieder kann innerhalb des Teams transferiert werden. Dabei kann es zu einer direkten Akquisition des Kundenwissens durch den Hersteller oder zu einem Wissensaustausch zwischen verschiedenen Kunden kommen. Im Sinne eines Netzwerkes (Alavi 2000) sind alle Verbindungen möglich, auch vom Hersteller zum Kunden, um diesen beispielsweise über bestimmte Merkmale einer Technologie zu informieren. Der zweite und für diese Arbeit wichtigere Prozess bezieht sich auf die Wissenskonvertierung. Nonaka und Takeuchi (1995) haben in ihrer Wissensentstehungsspirale vier grundsätzliche Arten der Wissenskonvertierung identifiziert – die Sozialisation (implizit zu implizit), die Externalisation (implizit zu explizit), die Kombination (explizit zu explizit) und die Internalisation (explizit zu implizit). Im Hinblick auf den Fokus dieser Arbeit, einem Hersteller und ausgewählten seiner Kunden den Austausch und die Schaffung von produkt- und anwendungsbezogenem Wissen zu ermöglichen, sind vor allem die Kombination und die Externalisation von Bedeu- GESTALTUNGSFAKTOREN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 133 tung. Beispielsweise können integrierte Kunden neues Wissen aus der Kombination vielfältiger expliziter Wissenselemente des Herstellers synthetisieren. Auf der Umwandlung von implizitem in explizites Wissen basierende Kundeninnovationen unterstreichen die Bedeutung individueller und verteilter Kognitionssysteme (vgl. z. B. Leonard, Sensiper 1998). Damit solche Innovationen auftreten können, müssen die Kunden in der Lage sein, vielfältige Interpretationen eines gegebenen Produktes oder einer gegebenen Technologie zu machen sowie diese mit anderen Mitgliedern des gemischten Innovationsteams auszutauschen. Ein wesentlicher Fokus liegt also auf der Einbindung des impliziten Kundenwissens über ein Produkt samt Anwendungskontext und dessen Umwandlung in explizites Wissen zur Nutzung innerhalb des Innovationsprozesses des Herstellers. Ein verteiltes Wahrnehmungssystem unterstützt solche Interpretationen und Dialoge innerhalb des Innovationsteams durch die Unterstützung hochentwickelter Formen von Selbstreflexion und Kommunikation. Nonaka und Konno (1998) sprechen in diesem Zusammenhang vom „Interacting Ba“ in dem Individuen ihre geistigen Modelle austauschen, aber gleichzeitig auch ihre eigenen reflektieren und analysieren. Solche Prozesse können zu innovativen Ergebnissen führen, welche aus der gemeinsamen Wissensbasis des gemischten Innovationsteams entspringen. Wie vorher angemerkt, variieren die Natur der Wissensakquisition und Wissenskonvertierung mit den Kundenrollen in der frühen Kundenintegration. Dementsprechend müssen die Instrumente der Unterstützung der Wissensgenerierung durch den Hersteller rollenspezifisch ausgewählt und angepasst werden. Kundenteilnahme im Innovations- und Produktentwicklungsprozess basiert fast ausschliesslich auf einem freiwilligen Engagement der Kunden. Diese erwarten wie auch immer geartete Vorteile durch die Ausübung ihrer Rolle als Mitentwickler. Die Literatur beschreibt verschiedene Arten der Kundenmotivation, um die potenziellen Anreize für eine aktive Teilnahme der Kunden in der Produktentwicklung zu erhöhen. Darunter fallen beispielsweise erhöhtes Selbstbewusstsein durch ihren stärkeren Einfluss, mehr Wahlmöglichkeiten sowie eine stärkere Anpassung des Produktes an ihre Bedürfnisse (z. B. Schneider, Bowen 1995; Brockhoff 2003). Daher kann die Identifikation und sorgfältige Analyse dieser Vorteile wertvolle Einsichten liefern, wie der Hersteller die Grundhaltung und das Engagement der Kunden zur Zusammenarbeit im Wertschöpfungsprozess durch die Wahl geeigneter Gestaltungselemente der frühen Kundenintegration erhöhen kann. Betrachtet man die möglichen Kundenvorteile genauer, so lassen sich, im Zusammenhang mit früher Kundenintegration, zunächst die beiden grossen Gruppen der produktbezogenen und sozialen (gruppenbezogenen) Vorteile unterscheiden (vgl. 134 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Nambisan 2002). Auch wenn der produktbezogene Nutzen traditionellerweise den Hauptantrieb für Kundenbeteiligung darstellt (z. B. Wayland, Cole 1997; Brockhoff 1998), so verdienen im Fall der frühen Kundenintegration auch die sozialen Konsequenzen Beachtung16. In der Literatur wurden verschiedene Quellen von produkt- oder servicebezogenen Kundenvorteilen identifiziert, wobei diese sowohl physischer als auch immaterieller Natur sein können. Eine Verbesserung der Qualität des Produktes, welche der Kunde durch seine direkte Beteiligung an der Innovationsfrühphase erzielt, stellt den wichtigsten immateriellen Kundenvorteil dar. Aus Sicht der Agency-Theorie kann die Motivation der Kunden auf ihrem Gefühl beruhen, dass ihre aktive Beteiligung notwendig ist, um die Qualität des Produktes oder Services zu garantieren (z. B. Mills 1986; Lengnick-Hall 1996). Beispielsweise kann im Servicebereich der Kunde als Prinzipal die Erfüllung des Servicevertrages durch den Service-Agenten überwachen (Larsson, Bowen 1989). Ein weiterer produktbezogener Vorteil, welchen die Kunden durch die Integration gewinnen können, ist ein Wissenszuwachs (z. B. Thomas, Dunn 1994; Brockhoff 2003). Sehr oft vergrössert die Kundenintegration das Wissen der Kunden sowohl über das Produkt als auch die dahinter liegenden Technologien, wodurch sie in die Lage versetzt werden, das Produkt in einer umfassenderen Art und Weise zu nutzen und damit die potenziellen Vorteile der Nutzung zu vergrössern. Zudem können Kunden davon ausgehen, dass es durch ihre Teilnahme in der Produktentwicklung möglich ist, den Hersteller dahingehend zu beeinflussen, bestimmte im Anwendungskontext des Kunden sehr wertvolle Produkteigenschaften einzubauen. Diese Erzielung physischer Vorteile wurde oft im Markt für Unternehmenssoftware beobachtet, wo Kunden aus einer bestimmten Industrie (z. B. Automobilindustrie) aktiv an der Produktentwicklung teilnehmen, um sicherzustellen, dass ihre ureigensten Interessen durch das Produkt abgedeckt werden (z. B. Hoch, Roeding et al. 1999). Neben diesen von aussen kommenden, extrinsischen Anreizen können Kunden schliesslich auch deshalb bei der Produktentwicklung mitwirken, weil sie dies als intrinsisch attraktiv empfinden und es sowohl ihre Neugierde bezüglich des Produktes oder der Technologie als auch ihre kreativen Energien befriedigt (Bateson 1983). 16 Die gruppenbezogenen Vorteile spielen auch bei Kundencommunities (d. h. vor allem in B-2-C-Märkten) eine wesentliche Rolle; einerseits im Verhältnis des Kunden zum Hersteller, andererseits vor allem aber innerhalb der Kundengruppe selbst. GESTALTUNGSFAKTOREN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 135 Der zweite Typ von Vorteilen entsteht aus dem Umstand, dass ein Kunde durch die Teilnahme an der frühen Kundenintegration meistens in eine ausgewählte Gruppe von Anwendern eingebunden ist. In bestimmten Fällen (siehe z. B. das Fallbeispiel Hilti in Abschnitt 3.4) wird vom Hersteller bewusst angestrebt, dass die integrierten Kunden sich als Teil einer exklusiven Gemeinschaft fühlen. Daher bedürfen alle Vorteile, welche aus so einer Mitgliedschaft resultieren könnten, der Aufmerksamkeit des Herstellers. Die Gruppen der ausgewählten Kunden bieten diesen mehr als nur ein Forum zur Klärung produktbezogener Fragestellungen. Die Kunden entwickeln als Mitglied einer sozialen Gruppe17 auch starke soziale Identitäten und durch ihre Teilnahme können persönliche Beziehungen entstehen (Prahalad, Ramaswamy 2000). Solche sozialen Beziehungen liefern dem Kunden eine Reihe von Vorteilen. Zunächst bewirken sie einerseits durch den Gebrauch der gleichen Produkte und andererseits durch Gruppennormen, welche sich im Laufe der Zeit entwickeln können, ein Gefühl der Zugehörigkeit und gemeinsamen Identität. Zusätzlich ermöglicht das Forum der Gruppe den Kunden, ihre innovativen und wertschöpfenden Ideen mit anderen zu teilen und dadurch die Möglichkeit zu haben, altruistisch zu handeln.18 Kunden nutzen solche Gruppen oft auch zur Diskussion von nicht produktbezogenen Problemen. Die Gemeinschaft kann also auch als Chance empfunden werden, andere Probleme geschäftlicher und persönlicher Natur zu lösen. Schliesslich werden die Beiträge der Kunden nicht nur vom Hersteller, sondern auch von anderen Gruppenteilnehmern wahrgenommen. Dadurch kann die Erlangung einer speziellen Position innerhalb der Gruppe erfolgen. Dies befriedigt einerseits den Wunsch des Kunden nach Anerkennung in der Gruppe („Peer Recognition“) und andererseits sein soziales Statusstreben. Im Einzelfall kann dies sogar so weit gehen, dass das Produkt in den Hintergrund und die Gemeinschaft innerhalb der sozialen Organisation, in diesem Fall des Innovationsteams, in den Vordergrund tritt (Oliver 1999). Für die intrinsische Seite der Motivationsstruktur des Kunden, kann die OpenSource-Softwareentwicklung als Ansatzpunkt für mögliche Erklärungen dienen. Was motiviert einen Linuxprogrammierer dazu, Programmcode zu schreiben und diesen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen? Neue Untersuchungen zeigen, dass vor allem der persönliche Nutzen (Wissensvermehrung, Erhalt besserer und günstiger Software und Spass am Programmieren) und Ego-Gratifikation (Wunsch nach Anerkennung, Reputation in der Peergroup, Mitarbeit im Team prominenter Programmierer und die angenommene Unersetzbarkeit für das Team) Open-Source- 17 18 Zur Theorie der sozialen Gruppen siehe z. B. Homans (1972). Vgl. Ekeh (1974) für Details der sozialen Austauschtheorien. 136 KONZEPTUALISIERUNG DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Entwickler antreiben (vgl. Gassmann 2001; Achtenhagen, Müller-Lietzkow et al. 2003; von Krogh 2003; von Krogh, von Hippel 2003). Achtenhagen, MüllerLietzkow et al. (2003) weisen darüber hinaus darauf hin, dass auch Karriereüberlegungen wie das Zeigen des eigenen Talents oder die Beteiligung an Open-Sourcebasierten Unternehmen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Die jeweilige Bedeutung der oben beschriebenen Arten von Kundenvorteilen variiert mit den Kundenrollen der frühen Kundenintegration. Daher müssen die Hersteller die passenden Gestaltungselemente sorgfältig abgestimmt auf die jeweilige Rolle des Kunden einsetzen. Eine zusammenfassende Übersicht der relevanten operativen Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration zeigt Tabelle 4. Gestaltungsfeld Gestaltungsfaktoren Integrationsstruktur Verbindungsstärke Ausprägungen Kontinuum (tief – hoch) Zeitliche Struktur Interaktionsprozess Dauer und Häufigkeit Zahl der Kunden Einzelkunde Kundengruppe Ort der Interaktion Beim Hersteller/Kunden An neutralem Ort Prozess- und Rollentransparenz Kontinuum (tief -–hoch) Kultureller Fit Kontinuum (tief – hoch) Wissensgenerierung Akquisition Konvertierung Art des Kundenvorteils Produktbezogen Gruppenbezogen Motivationstyp Intrinsisch Extrinsisch Tabelle 4: Operative Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration Dabei gilt zu beachten, dass in drei Fällen die Ausprägungen der identifizierten Gestaltungsfaktoren durch Kontinuitäten repräsentiert werden, entlang derer die verschiedenen Kundenrollen angeordnet sind. Es gilt also – wie auch Gruner (1997) gezeigt hat – je stärker diese Elemente ausgeprägt sind und damit je intensiver die Kunden eingebunden und integriert werden, desto grösser ist die Erfolgswahrscheinlichkeit der frühen Kundenintegration und damit des Innovationsprozesses. GESTALTUNGSFAKTOREN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 137 Eine detaillierte Diskussion der Gestaltungsmöglichkeiten zur Erreichung dieser hohen Intensität bzw. der rollenspezifischen Werte der anderen Faktoren findet sich in Abschnitt 6.3.2. Zunächst werden im folgenden Kapitel, im Sinne einer von den Determinanten bestimmten Typologie, spezifische Kundenrollen entwickelt und beschrieben. 4.3 Zusammenfassung Die Fallstudien aus Kapitel 3 wurden in zwei Schritten analysiert. Anhand des Analyserasters erfolgte zunächst eine Einzelfallanalyse der vier Fallstudien und schliesslich ein Fallstudienvergleich basierend auf relevanten aus der Literatur gefundenen Kriterien. Ziel war es, einerseits diejenigen Gestaltungsmerkmale herauszufiltern, welche entscheidenden Einfluss auf den jeweiligen Erfolg der frühen Kundenintegration haben und andererseits bereits erste Hinweise auf die Ausprägungen der jeweiligen Gestaltungsfaktoren zu gewinnen. Auf der Basis der identifizierten relevanten Merkmale früher Kundenintegration wurden zwei Dimensionen und damit Gestaltungsfelder des Konstruktes frühe aktive Kundenintegration eingeführt, nämlich die Integrationsstruktur und der Interaktionsprozess. Darüber hinaus wurde der unternehmerische Rahmen mit den drei Gestaltungsfeldern Strategie, Kultur und Struktur als wesentlich für die frühe Kundenintegration identifiziert. Die Integration des Kunden muss also – in einem passenden Rahmen – neben der strukturellen auch auf der prozessualen Ebene erfolgen. Der Hersteller hat, in Abstimmung mit den jeweiligen Kundenrollen, explizite Massnahmen zu ergreifen, um den Kunden effektiv in den eigentlichen frühen Innovationsprozess zu integrieren. 138 5 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Spezifische Kundenrollen der frühen Kundenintegration Im Folgenden werden zunächst die möglichen Rollen der Kunden in der frühen Innovationsphase identifiziert. Dies erfolgt aufbauend auf Erkenntnissen aus den Fallstudien mit speziellem Fokus auf die Ziele und Ergebniserwartungen des integrierenden Herstellers. Die Beiträge der Kunden werden als Kriterien verwendet, anhand derer die Ausprägungen und Managementanforderungen des jeweiligen Kundenintegrationsprozesses beschrieben werden. Basierend auf allgemeinen Überlegungen zu Kundenrollen sowie den im Fallstudienvergleich identifizierten Determinanten wird eine Systematik aufgebaut. Die daraus resultierende Typologie der Kundenrollen erweitert und ergänzt den klassischen Lead-User-Ansatz. Schliesslich wird der Prozesscharakter der Integration näher beleuchtet und mit den Gestaltungselementen zu einem konzeptionellen Managementmodell der frühen Kundenintegration vereint. Dieses Modell dient im weiteren Verlauf als Grundlage der praktischen Implikationen und Gestaltungsempfehlungen in Abschnitt 6.3. 5.1 Rahmen der frühen Kundenintegration In dieser Arbeit wird ein spezieller Fokus auf die Ziele und Erwartungen gelegt, welche einen Hersteller zur frühen Kundenintegration motivieren, sowie auf die daraus resultierenden Rollen der integrierten Kunden. Die genaue Differenzierung der möglichen Kundenrollen in der Innovationsfrühphase stellt eine Lücke in der vorhandenen Literatur dar und bildet den Kernpunkt dieses Kapitels. Dabei werden zunächst die Ergebniserwartungen des Herstellers an die Kundenintegration betrachtet, um daraus Schlüsse auf die notwendigen Beiträge der Kunden und damit schliesslich deren Rollen zu ziehen. Konkret werden verschiedene, auf den Strategien und Zielen des Herstellers basierende, Ausprägungen der frühen Kundenintegration identifiziert. Die jeweils korrespondierenden Kundenrollen werden dann detaillierter analysiert. Welches Ziel verfolgt der Hersteller durch die Einbindung der Kunden? Was ist der von Kunden erwartete Beitrag? Diese Fragestellungen stehen im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen. Bisherige Arbeiten zu Ergebnissen der Kundeneinbindung betrachten jene meist auf einer übergeordneten unspezifischen Ebene, ohne die Verbindung zu den resultierenden Rollen der Kunden und den Implikationen für die Praxis herzustellen. Dabei stellen gerade Herstellerziele und Kundenrollen wesentliche Einflussfaktoren für die Gestaltung und das Management der frühen Kundenintegration dar. Betrachtet man die Einflusskette, welche zu den Ergebnissen der RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 139 frühen Kundenintegration führt (vgl. Abb. 28), so stehen die Ziele des Herstellers am Anfang. Basierend auf klaren und konkreten Zielen öffnet der Hersteller seinen Innovationsprozess, um Kunden einzuladen, eine aktive Rolle zu übernehmen und einen, ihrem Wissen und Können entsprechenden, Beitrag zu leisten. Die Kunden müssen also basierend auf diesen Zielen verschiedene Rollen einnehmen und verschiedene Beiträge beisteuern. Nur mit den richtigen Kundenbeiträgen kann die frühe Kundenintegration zu den gewünschten Verbesserungen des Innovationsergebnisses führen. Dieses kann dann im Sinne eines geschlossenen Regelkreises mit den ursprünglichen Herstellerzielen verglichen werden und eventuell notwendige Adaptionen bei einem der Einflussfaktoren auslösen. Die Ergebnisse der frühen Kundenintegration werden also durch die voneinander abhängigen Themengebiete der Ziele des Herstellers, Rolle des Kunden und Kundenbeiträge beeinflusst. Da die Messung des Integrationserfolges nicht Teil dieser Arbeit ist, steht der Unterschied zwischen den erwarteten und den tatsächlich erreichten Ergebnissen nicht im Vordergrund. Ein derartiger Erfolgsnachweis stellt, gerade mit Fokus auf spezifische Ergebnisse früher Kundenintegration, eine grosse Herausforderung für zukünftige Forschungsprojekte dar. Ein erster Ansatz dazu könnte die Ermittlung der Erfolgsraten für die unterschiedlichen zielorientierten Ausprägungen der frühen Kundenintegration sein und falls diese unterschiedlich ausfallen, wovon auszugehen ist, die Aufstellung eines Erklärungsansatzes für diese Unterschiede. Ziele des Herstellers Rolle des Kunden Ergebnis der Kundenintegration Kundenbeiträge Abbildung 28: Einflusskette auf das Integrationsergebnis 140 5.1.1 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Ziele des Herstellers Das prinzipielle Rational hinter der frühen Kundenintegration im Speziellen und der Integration von Kunden im Allgemeinen ist die Steigerung des Innovationserfolges des integrierenden Unternehmens. Die externen Rahmenbedingungen werden dabei von steigenden F&E-Ausgaben und hohen Misserfolgsraten neuer Produkte bestimmt. Der Hersteller erwartet aus der Zusammenarbeit mit dem Kunden also Vorteile, welche er mit seinen eigenen Ressourcen und Kompetenzen alleine nicht erzielen könnte. Ähnliche Überlegungen gelten prinzipiell auch für den Kunden, werden jedoch, da diese Arbeit die Perspektive des Herstellers einnimmt, hier nicht näher behandelt. Der Hersteller integriert Kunden in die frühen Innovationsphasen, um gemeinsame Ideen für Produkte mit höherem Markt- und Geschäftspotenzial zu entwickeln. Das übergeordnete Ziel liegt also in der Erzielung besserer Innovationsresultate (vgl. z. B. von Hippel 1988; Lilien, Morrison et al. 2002; Lettl 2004). Die Integration von Kunden wirkt sich aber nicht automatisch immer positiv auf den Innovationsprozess des Herstellers aus, sie kann auch mit bestimmten Nachteilen bzw. Risiken verbunden sein. Potenzielle Nachteile können grundsätzlich in der Schwierigkeit des Aufbaus und Erhaltes eines technologischen Vorsprunges, einer grösseren Abhängigkeit von externen Partnern sowie einem wachsenden Abstimmungsbedarf und damit der Gefahr erhöhter Kosten und verlängerter Dauer liegen (vgl. Kirchmann 1994; Brockhoff 2002; Enkel, Kausch et al. 2005). Betrachtet man bestehende Untersuchungen, welche sich mit generellen Zielen von F&E-Kooperationen bzw. mit Kundeneinbindungszielen von Herstellern beschäftigen, so zeigt sich, dass die meisten Studien eine Makrosicht (im Sinne einer Unterscheidung in Mikro- und Makroebene) einnehmen (z. B. Kirchmann 1994; Gruner 1997). Auch wenn diese Arbeiten nicht speziell auf die Frühphase und eine aktive Kundenrolle fokussieren, sind ihre grundsätzlichen Aussagen dennoch auf die vorliegende Arbeit übertragbar. Dementsprechend liegen die übergeordneten Ziele von F&E-Kooperationen (und damit von Kundenintegration als einer spezifischen Konfiguration derselben) vor allem in einer Reduktion von Ressourcen und Kosten der Entwicklung einer technologischen Innovation, einer Steigerung bezüglich Qualität und Geschwindigkeit auf dem Weg hin zu F&E-Resultaten, einer Reduktion technologischer und wirtschaftlicher Innovationsrisiken sowie einer Vorbereitung der Eröffnung neuer Märkte (Rotering 1990; Sakakibara 1997; Gerpott 1999; Hauschildt 1998). Nach thematischer Zusammenfassung lassen sich daraus drei Hauptgruppen bilden, nämlich akquisitorische, effektivitätssteigernde und effizienzsteigernde Ziele. Diese drei Grundtypen werden auch marktbezogene, risikobezogene und ressourcenbezogene Ziele genannt (Kirchmann, Warschburger 2003). Hinter jedem Hauptziel stecken mehrere Unterziele bzw. Intentionen des Herstellers: Be- RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 141 zogen auf den Markt sind dies ein besseres Verständnis des Anwendermarktes, stärkere Kundenbeziehungen, verbesserte Innovationsabsatzprognosen und Wettbewerbsinformationen. Bezüglich des Risikos wurden eine reduzierte Fehlerrate während des Innovations- und F&E-Prozesses sowie eine generell verbesserte Produktqualität empirisch nachgewiesen. Synergieeffekte führen schliesslich zu einer Zeitund Kostenreduktion und damit zur Einsparung wertvoller Ressourcen auf dem Weg zu erfolgreichen Innovationen (vgl. Tab. 5). Art der Ziele/Fokus Intentionen Akquisitorische Ziele/ Marktfokus Besseres Marktverständnis durch Einblicke in den Anwendermarkt, Gewinnung von Informationen über den Wettbewerb Verbesserung der Wettbewerbsposition durch Referenzkunden, Marktausweitung, verbesserte Prognosen und die Erzielung von Imageeffekten Verstärkung der Kundenbindung durch intensivere Beziehung Effektivitätssteigernde Ziele/ Risikofokus Risikominderung durch Fehlerreduktion Einblicke in die Produktnutzung durch den Kunden und Gewinnung von Kunden-Know-how Optimierung der Qualität und technischen Leistungsfähigkeit des Neuproduktes Effizienzsteigernde Ziele/ Ressourcenfokus Reduktion von F&E- und Produktionskosten Zeitersparnis durch Duchlaufzeitverkürzung des Innovationsprozesses Erhöhung der Zahl gleichzeitig realisierbarer Innovationsprojekte und Synergieeffekte in F&E Tabelle 5: Integrationsziele des Herstellers auf der Makroebene Die Mikrosicht auf die Ziele der Kundenintegration führt direkt auf den Fokus dieser Arbeit – die spezifischen Ziele des Herstellers. Biemans (1992) zählt folgende Punkte als mögliche Beiträge der Kundenintegration zum Innovationsprozess auf: ¾ Generierung neuer Produktideen ¾ Verfügbarkeit von genauen Informationen bezüglich der Kundenbedürfnisse ¾ Feedback zu Konzepten und Prototypen 142 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION ¾ Hilfestellung während der Entwicklung ¾ Unterstützung beim Innovationsmarketing Dieser Ansatz eignet sich (mit den Erkenntnissen aus der Makrosichtweise als Rahmen) als Startpunkt für die Entwicklung der spezifischen Herstellerziele. Dazu werden aus den obigen Punkten die Hilfestellung während der eigentlichen Entwicklung sowie das Innovationsmarketing für die folgenden Überlegungen ausgeklammert, da sie nicht mehr in der Innovationsfrühphase und damit ausserhalb des Schwerpunktes dieser Arbeit liegen. Es verbleiben also die Generierung neuer Produktideen, Informationen über Kundenbedürfnisse und Feedback zu Konzepten. Für den im Rahmen dieser Arbeit untersuchten konkreten Innovationsbeitrag des Kunden, ist aber eine weiter gehende Zielkonkretisierung notwendig, welche in dieser Form noch nicht existiert. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass der Zusammenhang zwischen den spezifischen Zielen des Herstellers für frühe Kundenintegration und den jeweiligen Kundenrollen bzw. den daraus resultierenden Beiträgen bisher nicht vertiefend untersucht worden ist. Die nachfolgenden Ausführungen versuchen diese Lücke zu schliessen. Dazu werden im folgenden Abschnitt zunächst die prinzipiell möglichen Kundenrollen während des Innovationsprozesses betrachtet. 5.1.2 Generische Rollen des Kunden Die klassische Annahme der Wirtschaftswissenschaften sieht den Kunden als Nachfrager, welcher Bedürfnisse erkennen lässt (z. B. Brockhoff 1998). Kunden werden dabei ganz allgemein als Quelle von aus Bedürfnissen resultierenden Produktideen verstanden. Eine genauere Betrachtung der möglichen Funktionen des Kunden im Wertschöpfungsprozess hat in der strategischen Managementliteratur zur Identifikation von fünf übergeordneten Rollen geführt. Es sind dies Ressource, Mitentwickler, Käufer, Nutzer19 und Produkt (Lengnick-Hall 1996; Kaulio 1998; Nambisan 2002). Die ersten beiden Rollen liegen auf der Eingangsseite, die anderen drei hingegen auf der Ausgangsseite organisationaler Aktivität. Der Kunde als Käufer oder als Produkt kann keinen signifikanten Beitrag zur Innovationsentstehung, im Sinne einer aktiven Rolle leisten, sondern ist vielmehr Objekt des Wertschöpfungsprozesses (Lengnick-Hall 1996). Diese beiden Rollen werden daher nicht weiter betrachtet. Die Rolle der Ressource bezeichnet die Funktion des Kunden als Innovationsquelle, 19 In diesem Zusammenhang wird – obwohl sämtliche Rollen aus der Anwendungserfahrung des Kunden entstehen – eine spezielle Kundenrolle „Nutzer“ genannt, weil der Kundenbeitrag dabei direkt auf die Verwendung des Produktes zurückgeht (vgl. Lengnick-Hall 1996; Nambisan 2002). RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 143 die des Mitentwicklers seine Mitwirkung an Produktdesign und -entwicklung und die des Benutzers seine Einbindung in Produkttests und Produktverbesserungen. Diese drei Rollen werden im Folgenden detaillierter betrachtet und im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit für diese Arbeit analysiert. Generell lässt sich für alle Rollen anmerken, dass ihre Wirksamkeit von Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren beeinflusst wird. Diese können Charakteristika des Kunden, des Prozesses der Einbindung oder des Herstellers sein (Brockhoff 2002). Auf der Seite des Herstellers stehen beispielsweise Merkmale des Entwicklungsprozesses wie der Neuheitsgrad, die Phase im Innovationsprozess in welcher der Kunde einbezogen wird, das Controlling und der Unsicherheitsgrad. Der Einfluss des Kunden manifestiert sich, allgemein betrachtet, in seiner Innovationsbereitschaft, seiner finanziellen Potenz sowie seiner Prognosefähigkeit für segmentspezifische zukünftige Bedürfnisse. Relevante Merkmale des Kundeneinbindungsprozesses sind Dauer und Häufigkeit der Kontakte, Stärke der Einbeziehung sowie eine wechselseitig verständliche Kommunikation. Die wichtigsten dieser Rahmenbedingungen wurden bereits im vorhergehenden Kapitel behandelt und finden als Determinanten oder Gestaltungsfaktoren früher Kundenintegration Eingang in das konzeptionelle Managementmodell. Im Folgenden erfolgt aber zunächst die Analyse der generischen Kundenrollen. Kunde als Ressource Die am besten dokumentierte Rolle des Kunden in der Managementliteratur ist die als Ressource für Information und Wohlstand für das Unternehmen (z. B. LengnickHall 1996). Für diese Arbeit ist der Fokus auf den Kunden als Quelle neuer Produktideen bzw. Gelegenheiten beschränkt. In der Marketing- und Innovationsliteratur wurde diese Kundenrolle im Rahmen der Ideenentstehung und Produktkonzeptualisierung ausführlich erforscht (z. B. von Hippel 1986; Leonard-Barton 1995; Brockhoff 1998; Christensen 2000; Brockhoff 2002; von Hippel, Katz 2002). Zahlreiche Arbeiten argumentieren dafür, dass Kunden eine zentrale Rolle bei der Generierung neuer Produktideen spielen sollen, andere wiederum weisen auf die Gefahr hin, dass Kundeneinbindung in die frühen Innovationsphasen nur zu inkrementellen Innovationen führen kann.20 Aber selbst unter solchen Bedingungen, bei denen eine frühe Kundeneinbindung eine anerkannt viel versprechende Ressource darstellt, haben Kunden bis jetzt vor allem eine grösstenteils passive Rolle gespielt. Eine Ausnahme stellt die für den Technologiesektor beschriebene Kundenrolle des Lead20 Es liegt nicht im Fokus dieser Arbeit, diesen Disput detailliert wiederzugeben oder gar endgültig zu lösen. Wohl aber kann ein Beitrag geleistet werden, der aufzeigt, dass eine gezielte, richtig geführte frühe Kundenintegration in den Innovationsprozess zur Steigerung der Innovationsfähigkeit des Herstellers beitragen kann. 144 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Users dar, welche eine aktive Teilnahme des Kunden bei der Ideenfindung im Innovationsprozess des Herstellers beinhaltet (von Hippel 1986). Der Erfolg einer derartigen Einbindung wurde schon vielfach aufgezeigt (z. B. von Hippel, Thomke et al. 1999; Herstatt 2002b; Lettl 2004). Lead-User zeichnen sich dadurch aus, dass sie über ein grosses innovatives Potenzial verfügen, bestimmte Bedürfnisse vor dem Rest des Marktes aufweisen und durch die Lösung dieser Probleme stark profitieren würden.21 Brockhoff (2002) betont in diesem Zusammenhang die Übernahme einer quasi-fertigen Problemlösung des Kunden durch den Hersteller, auch wenn von Hippel das Vorhandensein einer Problemlösung des Kunden als Möglichkeit und nicht als Notwendigkeit ansieht (vgl. von Hippel 1986). Kunde als Mitentwickler Kunden können auch als Mitentwickler22 neuer Produkte eine aktive Rolle im Produktentwicklungsprozess einnehmen. Brockhoff (1998; 2002) versteht darunter die Integration von Mitarbeitern des Kunden in den Produktentwicklungsprozess des Herstellers als Ideengeber, Anreger, Gestalter und möglicherweise Problemlöser. Dabei reicht die Teilnahme der Kunden von Aktivitäten bei der Produktauslegung bis hin zur eigentlichen Produktentwicklung. Als Mitentwickler können Kunden zu einer Reihe von Entwicklungsaktivitäten, beispielsweise der Validierung der Entscheidung für eine bestimmte Produktarchitektur, der Gestaltung und Priorisierung von Produkteigenschaften, der Festlegung von Anforderungen an Produktschnittstellen und der Aufstellung von Prioritäten und Messkriterien für den Entwicklungsprozess, beitragen. Die Rolle des Kunden als Mitentwickler ist häufiger bei Industriegütern als bei Konsumgütern anzutreffen (z. B. Garvin 1988), da diese Form der verschränkten Produktentwicklung besonders bei komplexen Produkten mit untereinander in Wechselwirkung stehenden Systemteilen im B-2-B-Umfeld (z. B. „Launching Customer“ in der Flugzeugindustrie) relevant ist. Aber auch in anderen Branchen verlassen sich die Hersteller auf Beiträge der Kunden, beispielsweise als Mitglieder von Produktentwicklungsteams bei der Konzeptauswahl (Chase, Garvin 1989; Kambil, Friesen et al. 1999). Auch im Konsumgüterbereich gibt es Beispiele für die Mitentwicklung spezieller Kunden bei Konzepttests, „Consumer Idealized Design“ oder der Auswahl von Komponenten (Page, Rosenbaum 1992; Ciccantelli, Magidson 1993; Kambil, Friesen et al. 1999). Eine Pionierfunktion übernimmt in diesem Zusammenhang die Softwarebranche. 21 22 Die Rolle des Lead-Users wird detailliert in Abschnitt 2.1 behandelt. In der englischsprachigen Literatur wird diese Kundenrolle als „Co-producer“ oder „Co-creator“ bezeichnet (vgl. Lengnick-Hall 1996; Nambisan 2002). RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 145 So nehmen grosse Softwareentwicklungsunternehmen (z. B. SAP und Microsoft) oft Vertreter des Kunden als Teilnehmer in ihre Produktentwicklungsteams auf (Hoch, Roeding et al. 1999).23 Kunde als Nutzer Die dritte Rolle schliesslich umfasst den Kunden als Quelle von Anwendungswissen und Nutzungserfahrung. Als primäre Empfänger und Benutzer von Produkten und Serviceangeboten können Kunden wertvolle Beiträge beim Test von Produkten liefern. Die Rolle des Kunden als Produkttester ist keinesfalls neu. Schon lange zeigen Studien, dass Kunden eine sehr produktive Rolle beim Testen von Prototypen und Produkten einnehmen können (z. B. Dolan, Matthews 1993; Nielsen 1994; Dahan, Hauser 2002). Ein derartiger Einsatz von Kunden erfolgt sowohl bei Industrieals auch Konsumgütern. Beispielsweise ist für die Softwareindustrie sehr gut dokumentiert, wie Kunden routinemässig als so genannte Beta-Tester eingesetzt werden und die Hersteller dadurch ihre Investitionen für interne Produkttests reduzieren können (z. B. Cusumano, Yoffie 1998; Hoch, Roeding et al. 1999). In dieser Rolle werden Kunden auch als Referenzkunden bezeichnet. Sie können ihre Erfahrungen an den Produkthersteller zurückgeben, wo diese dann zur Weiterentwicklung bzw. Überarbeitung der Produkte verwendet oder künftigen Anwendern vermittelt werden (Brockhoff 1998). Die Gruppe der Referenzkunden beinhaltet auch Nutzergruppen („Communities“) der Softwareindustrie sowie Fokusgruppen der Konsumgüterindindustrie. Die zugrunde liegende Gemeinsamkeit ist dabei die Ersterprobung neuer Produkte unter realistischen Einsatzbedingungen. Die Einbindung von Kunden in das Testen von Produkten ermöglicht das frühzeitige Auffinden von Produktschwächen und -fehlern und dadurch die Reduktion kostspieliger Überarbeitungen und Korrekturarbeiten. Ausserdem haben die Unternehmen durch die Auswahl verschiedener Kundentypen die Chance, einen Einblick in die Aufnahme ihrer Produkte in verschiedenen Umgebungen und Nutzungszusammenhängen zu gewinnen. Herausforderungen bei der Umsetzung der Kundenrollen 23 Die Softwarebranche ist in mehrfacher Hinsicht beispielgebend bezüglich der Kundenrollen im Innovationsprozess. Hervorzuheben sind hier einerseits die Agile-Computing-Ansätze wie z. B. Extreme Programming (XP), bei dem es im Rahmen einer stark modularisierten Produktentwicklung zu zahlreichen frühen Feedbackschleifen mit dem Kunden kommt (vgl. Beck 2000; Gassmann, Sandmeier et al. forthcoming). Andererseits stellt die sehr erfolgreiche Open-Source-Bewegung eine Extremform der Kundeninnovation dar, bei der die klassische Herstellerrolle komplett verschwunden ist (z. B. von Hippel 2001a; von Krogh 2003). 146 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Unternehmen sehen sich beim Einsatz von Kunden als Quelle neuer Produktideen auch mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Zunächst gilt es, die Auswahl der Kunden und die Entwicklung von Kontakten mit diesen kosteneffizient zu meistern. Eine grosse Herausforderung liegt auch in der Gestaltung geeigneter Anreize zur Unterstützung der Bereitschaft der Kunden, neue Ideen beizutragen. Ausserdem vergrössert die Kundeneinbindung in die Produktentwicklung oft den Grad der Unsicherheit des Projektes und kann neue Mechanismen zur Überwachung und Kontrolle der Entwicklungsqualität und -effizienz erfordern (Lengnick-Hall 1996). Schliesslich sind die Mittel zur Unterstützung dieser Interaktionen aufwändiger, teurer und im Falle von virtueller Einbindung auch technologieintensiver als ausschliesslich firmeninterne Innovationsinstrumente. Kundenintegration muss daher sorgfältig gesteuert werden, um sicherzustellen, dass die Vorteile der Kundenbeiträge die Kosten der steigenden Systemunsicherheit sowie der zusätzlich benötigten Rahmenelemente und Unterstützungsmechanismen überwiegen. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Aufnahme und Weiterverarbeitung des Kundenwissens bzw. des gemeinsam mit den Kunden generierten Wissens. Dabei können die hohen Kosten zur Strukturierung und Kanalisierung dieser Kundenbeiträge, welche durch die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur anfallen, beschränkend wirken (Nambisan 2002). Brockhoff (1997) und andere Autoren (z. B. Lengnick-Hall 1996; Enkel, Kausch et al. 2005) weisen auch auf mögliche Störungen von Produktentwicklungsprozessen durch Kundeneinbeziehung hin. Beginnend bei der fehlerhaften Identifizierung von Pilotkunden (insbesondere von Lead-Usern), dem Problem der zu starken Nischenorientierung (durch zu starke Fokussierung auf die ausgewählten Kunden) und dem „Not-Invented-Here-Syndrom“24, reichen die Ursachen bis hin zu opportunistischem Verhalten des Kunden. Ausserdem besteht die Gefahr, dass integrierte Kunden ihre Rolle als Mitentwickler von sich aus beenden und dadurch starke Störungen des Entwicklungsprozesses bewirken. Aus diesen möglichen Störungsursachen erwachsen dem Hersteller Kosten, welche in einem Optimierungsproblem den Vorteilen und Erlösen gegenüberzustellen sind (Brockhoff 1998). Tabelle 6 zeigt eine Übersicht der Charakteristika der drei beschriebenen generischen Kundenrollen. Ressource 24 Siehe dazu z. B. Katz und Allen (1982). Mitentwickler Nutzer RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 147 Rational Kunde wird als Informationsquelle betrachtet Teilnahme des Kunden an Produktentwurf und -gestaltung Kunde testet Prototypen und Produkte Ziele (primär und sekundär) Akquisitorische und effektivitätssteigernde Ziele Effizienzsteigernde und akquisitorische Ziele Effektivitätssteigernde und akquisitorische Ziele Phase der Neuprodukt-entwicklung Problemerkennung und Ideenformulierung Entwurf/Auslegung und Entwicklung Produkttest und Realisierung Ideengenerierung Ideenkonkretisierung Ideenkommerzialisierung Bedürfnisse, Ideen, quasi-fertige Problemlösung Auswahl- und Auslegungs-entscheidungen Rückmeldung aus Anwendungszusammenhang Kundenbeiträge Innovativität und Kreativität Entwicklungskompetenz Testkompetenz Tabelle 6: Charakteristika generischer Kundenrollen im Innovationsprozess Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der frühen Innovationsphase und daher im obigen Sinne vor allem auf der Rolle des Kunden als Ressource und Ideengeber. Allerdings ist die direkte Übernahme der vorgestellten Betrachtungsweise und damit eine ausschliessliche Fokussierung auf diese Kundenrolle für die vorliegende Arbeit aus zwei Gründen nicht möglich: ¾ Die Rolle des Kunden als Ressource wird grösstenteils passiv gesehen (Ausnahme Lead-User). Eine aktive Rolle des Kunden findet sich im bisherigen Kontext vor allem später im Innovationsprozess bei der Mitentwicklung, welche typischerweise von deutlich intensiveren und höherfrequenten Interaktionen geprägt ist als die Rolle der Ressource (z. B. Sawhney, Prandelli 2000). ¾ Die bisherigen Betrachtungen liegen – durch die Berücksichtigung des gesamten Neuproduktentwicklungs- bzw. Innovationsprozesses sowie ein umfassendes Verständnis der Kundeneinbindung generell – auf einem zu hohen Abstraktionsniveau, um genaue Aussagen über die konkreten Beiträge der Kunden und damit detaillierter Rollenbilder der frühen Kundenintegration zu ermöglichen. Gerade diese genaue Differenzierung der möglichen Kundenrollen im frühen Innovationsprozess stellt eine Lücke der bisherigen Forschung dar und bildet den Kern- 148 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION punkt dieser Arbeit. Durch den gewählten Fokus auf die Frühphase und das hohe Aktivitätsniveau des Kunden (wie beim Kunden als Mitentwickler) sind also Elemente aller drei generischen Rollen, wenn auch mit einem Schwerpunkt auf den Kunden als Ressource, zu berücksichtigen. Wie im späteren Teil der Arbeit gezeigt wird, kann der Kunde in der Frühphase nicht nur zur Identifikation von Gelegenheiten und Chancen, sondern auch zur gemeinsamen Entwicklung erster Ideen bis hin zu fertigen Konzepten sowie zum Testen derselben herangezogen werden. Wesentliche Elemente der drei generischen Rollen lassen sich somit auch auf einem konkreteren Niveau, beschränkt auf den ersten Teilabschnitt des Innovationsprozesses, wiederfinden. Diese Überlegungen zu generischen Kundenrollen werden dem Fokus der Arbeit entsprechend in den folgenden Abschnitten als Grundlage für die Aufstellung spezifischer Kundenrollen der frühen Kundenintegration herangezogen. 5.1.3 Organisationale Parameter In diesem Abschnitt werden die bisherigen Erkenntnisse dazu verwendet, prinzipielle Integrationsstrategien und spezifische Integrationsziele des Herstellers sowie dazu passende Kundenrollen zu identifizieren. Die im vorhergehenden Abschnitt besprochenen Herstellerziele und generischen Kundenrollen dienen dazu als Grundlage. Allerdings können diese Ziele und Rollen nicht direkt im nächsten Schritt verwendet werden, da sie nicht auf den vorliegenden Fokus ausgerichtet sind. Es gilt vielmehr, basierend auf der bisherigen Forschung, mithilfe der eigenen empirischen Daten gezielter auf die Innovationsfrühphase einzugehen und relevante Ausprägungen der Kundenintegration zu beschreiben. Dazu werden zunächst, aufbauend auf den Ergebnissen des Fallstudienvergleiches, drei Integrationsstrategien identifiziert, welche die Antriebe und Hintergründe der frühen Kundenintegration aufseiten der Hersteller abbilden. Der Fallstudienvergleich (vgl. Abschnitt 4.1) lieferte neben den relevanten Gestaltungsfeldern auch zwei Determinanten, welche die Ausprägung früher Kundenintegration bestimmen. Es sind dies der Zeitpunkt der Integration des Kunden in den frühen Innovationsprozess und die spezielle Kompetenz des Kunden, welche zu Erreichung der Ziele des Herstellers notwendig ist (vgl. Abb. 26). Die Charakteristika und Ausprägungen dieser Determinanten werden nun näher beschrieben. Zeitpunkt der Integration in den frühen Innovationsprozess RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 149 Betrachtet man die Phasen des Innovationsprozesses, so findet sich in der Literatur eine Vielzahl an möglichen Unterteilungen. Auch wenn die einzelnen Modelle jeweils aus unterschiedlich vielen, verschieden bezeichneten Phasen zusammengesetzt sind, so lassen sich doch als gemeinsamer Nenner drei generische Grundschritte identifizieren. Jeder prototypische Innovationsprozess setzt sich aus den folgenden Elementen zusammen: einer Phase, in der Ideen gesammelt oder entwickelt werden („Ideengenerierung“), einer weiteren, in der diese Ideen weiterentwickelt und spezifiziert werden („Ideenkonkretisierung“) und schliesslich einer dritten, in der die eigentliche Wertschöpfung passiert und die Ideen in Produkte umgewandelt werden („Ideenkommerzialisierung“) (vgl. Cooper, Kleinschmidt 1988; Gerpott 1999; Koen, Ajamian et al. 2001). In ähnlicher Weise bezeichnet Kirchmann (1994) diese drei prinzipiellen Schritte als Problemerkennung, Entwicklung und Realisierung. Kleinaltenkamp und Dahlke (1998) nennen sie Problemidentifikation, Entwurf der Problemlösung und Realisierung der selektierten Lösung. Im Fokus dieser Arbeit liegt nach diesen Einteilungen vor allem die erste Phase der Problemerkennung und Ideenformulierung sowie im Übergangsbereich auch noch der Beginn des eigentlichen Neuproduktentwicklungsprozesses.25 Zur genaueren Betrachtung dieses – im englischen Sprachraum oft „Fuzzy Front End“ (FFE) genannten – frühen Innovationsbereiches schlägt die amerikanische Product Development & Management Association (PDMA) ein Modell vor, welches aus fünf Segmenten besteht (Koen, Ajamian et al. 2002). Diese sind nicht sequenziell, sondern kreisförmig angeordnet, um dem zufälligen und unscharfen Charakter des FFE gerecht zu werden. Nach der Identifizierung der Gelegenheit („Opportunity“), folgt deren Analyse, dann die Ideengenerierung, Ideenanreicherung und Ideenauswahl („Idea“) sowie abschliessend die Konzeptdefinition („Concept“). Dabei kann der Innovationsprozess bei jedem einzelnen dieser Elemente beginnen und es müssen nicht notwendigerweise immer alle drei Segmente in voller Länge bzw. einer vorgegebenen Reihenfolge durchlaufen werden. 25 Für diese Arbeit wurde ein dreistufiges Innovationsprozessmodel gewählt: Frühphase (FFE) – Neuproduktentwicklungsphase (NPD) – Kommerzialisierungsphase (vgl. Gerpott 1999 und Brockhoff 2002 zu unterschiedlichen Abgrenzungen betriebswirtschaftlicher Innovationsprozesse). 150 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Früher Innovationsprozess Gelegenheitsphase Ideenphase • Gelegenheitsidentifizierung • Ideengenerierung • Gelegenheitsanalyse • Ideenbereicherung Konzeptphase • Konzeptdefinition • Ideenselektion Quelle: In Anlehnung an Koen, Ajamian et al. (2002) Abbildung 29: Phasen des frühen Innovationsprozesses Für diese Arbeit wird aus Gründen der Übersichtlichkeit auf ein dreistufiges sequenzielles Modell zurückgegriffen, welches aus dem PDMA-Modell die drei Grundbausteine Gelegenheit, Idee und Konzept übernimmt (vgl. Abb. 29). Ein derartiger Ablauf stellt zwar gegenüber den meisten realen Innovationsprozessen eine Vereinfachung dar, er ermöglicht aber eine Strukturierung der folgenden Überlegungen gerade im Hinblick auf die jeweils benötigten Kundenbeiträge. Aus den Charakteristika der einzelnen Phasen können Rückschlüsse auf die jeweils notwendigen Beiträge im Allgemeinen und auf die Inputs der Kunden im Besonderen gezogen werden. Kompetenz des Kunden Die Kunden müssen ein passendes Kompetenzprofil aus speziellem Wissen und Fähigkeiten aufweisen, um die vom Hersteller gewünschten Beiträge leisten zu können. Dabei kann auf einer inhaltlichen Ebene prinzipiell zwischen zwei grossen Bereichen unterschieden werden, dem Marktwissen und dem technischen Wissen (vgl. Gassmann, Gaso 2004). Beide Teilgebiete werden im Folgenden noch genauer unterteilt, um die hohe Spezifität der Kundenbeiträge darstellen zu können. Die Marktkompetenz des Kunden kann entweder in seiner Erfahrung als Benutzer des Produktes oder in seiner Kenntnis des Marktes begründet sein. Die zwei entsprechenden Ausprägungen können daher als applikationsbezogenes bzw. chancenbezogenes Marktwissen bezeichnet werden. Das applikationsbezogene Marktwissen – kurz Applikationswissen – beruht auf der Anwenderrolle und stellt die klassische Kompetenz eines in den Entwicklungsprozess eingebundenen Kunden dar (von Hippel 1988; Leonard-Barton 1995; Brockhoff 1998). Es tritt im hier betrachteten Rahmen allerdings in einer speziellen Aus- RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 151 prägung auf, da am Ende der Innovationsfrühphase, am Beginn des eigentlichen Neuproduktentwicklungsprozesses meistens noch keine Prototypen des kompletten Produktes, sondern erst Konzeptentwürfe vorliegen. Dies zeigt beispielsweise das Creative Center der Bayer MaterialScience. Dort werden am Ende der Frühphase geprüfte Konzepte zusammen mit genau definierten Unterlagen (einer so genannten „Balanced Innovation Card“) an die Produktentwicklung übergeben und erst damit der eigentliche Neuproduktentwicklungsprozess gestartet. Die Erfahrungen des Kunden mit bestehenden Produkten werden daher in den meisten Fällen nicht ausreichen, um auch komplett neue Konzepte beurteilen und an deren Verfeinerung mitwirken zu können.26 Kunden müssen daher eine spezielle Kompetenz aufweisen, um zur Beurteilung dieser Konzepte bzw. der Konzeptentwürfe herangezogen zu werden. Obwohl es noch keinen Prototypen des Produktes gibt und das Konzept – unter der Annahme mittlerer bis grosser Innovationshöhen – zu fundamental neuen Produkten führen kann, müssen sie in der Lage sein, qualifizierte Rückmeldungen zu geben und interaktiv an der Verfeinerung des Konzepte mitzuarbeiten. Dazu bedarf es mehr als einfacher Anwendungserfahrungen mit existierenden Produkten. Zur bewussten Abgrenzung von klassischem Applikationswissen soll dieses Wissen daher „vorausschauendes Applikationswissen“ genannt werden. Dieses beruht zwar auf dem Applikationswissen über bestehende Produkte, beinhaltet zusätzlich aber auch die Fähigkeiten zur Abschätzung des Produktpotenzials aus Anwendersicht und zur Formulierung konstruktiver Verbesserungsvorschläge. Kunden qualifizieren sich für derartige Aufgaben, wenn aus ihrem grundsätzlichen für die frühe Kundenintegration geeigneten Kompetenzprofil27 besonders das Interesse an neuen Lösungen und das Prozessverständnis zur Vorstellung der fertigen, auf dem zu beurteilenden Konzept aufbauenden, Produkte stark hervorstechen. Die zweite spezifische Ausprägung der Marktkompetenz des Kunden bezieht sich auf seine Fähigkeit, Marktchancen vorherzusagen. Dies bedeutet, dass der Kunde in der Lage ist, gemeinsam mit dem Hersteller zu einem sehr frühen Zeitpunkt – am eigentlichen Beginn des Innovationsprozesses – aktuelle Trends und Entwicklungen vorherzusagen bzw. abzuschätzen. Dies erfolgt naturgemäss auf einer übergeordneten Betrachtungsebene und kann breite gesellschaftliche bzw. technologische Ent- 26 27 Aus diesem Umstand entspringt das oft vorgebrachte Argument, dass Kundeneinbindung in die Innovationsfrühphase kontraproduktiv wäre bzw. zu keinen grossen Innovationssprüngen führt (z. B. Conway, McGuinness 1986; Atuahene-Gima 1995; Henard, Szymanski 2001). Für durchschnittliche Kunden sind diese Aussagen einleuchtend. Umso mehr ergibt sich also die Notwendigkeit, ausgewählte Kunden mit speziellen Kompetenzprofilen auszuwählen, um der „inkrementellen Innovationsfalle“ zu entgehen. Prinzipiell benötigen Kunden für alle Rollen der frühen Kundenintegration ein Bündel an Grundkompetenzen aus Innovationsfreude und -bereitschaft sowie einer besonders tiefen oder breiten Erfahrung mit den Produkten des Herstellers bzw. Substitutionsprodukten. 152 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION wicklungen betreffen, welche noch keine direkten Bezüge zu den Produkten und Technologien des Herstellers erkennen lassen. Diese Kompetenz ist typisch für das B-2-B-Umfeld. Grosse Unternehmen – gerade wenn sie am Ende der Wertschöpfung stehen und ihre Produkte direkt an Benutzer verkaufen – versuchen in vielen Fällen, die Zukunft ihrer Märkte mit Szenariotechniken und Zukunftsanalysen vorherzusagen bzw. den Blick für neue Marktchancen zu schärfen. Werden solche Unternehmen, in ihrer Rolle als Kunden, von einem ihrer Zulieferer in dessen Innovationsfrühphase integriert, so kann dieser im Dialog wertvolle Hinweise für die Entwicklung seiner eigenen Märkte und die erforderliche Richtung seiner Innovationsaktivitäten gewinnen. Kunden müssen also quasi die Kompetenz eines „TrendScouts“ mitbringen, um für derartige Aufgaben geeignet zu sein. Prinzipiell spielen die beiden Pole des Marktwissens bei jeder Art von Kundenintegration eine Rolle und müssen daher auf einem gewissen Grundniveau bei allen potenziellen Integrationskandidaten vorhanden sein. Die hier vorgestellte Unterteilung zeigt aber über diese grundsätzliche Qualifikation hinausgehende Kompetenzen (d. h. Kompetenzprofilschwerpunkte), welche bei der Kundenauswahl für spezifische Rollen entscheidende Bedeutung haben. Der zweite grosse Wissensblock, die Technologiekompetenz des Kunden, liegt im Produktbereich und beinhaltet zwei spezielle Wissensbereiche. Einerseits das Feld der Kernkompetenz des Herstellers und andererseits Fachwissen in einen dazu komplementären produktbezogenen Bereich. Auf dem Feld der Fachkompetenz des Herstellers kann der Kunden ein gleichberechtigter Partner sein, wenn er ebenfalls über tiefes Wissen auf diesem Gebiet verfügt. Er ist dann in der Lage, als Teil des Innovationsteams eine breite Palette an Aufgaben zu übernehmen. Die Kernkompetenz des Herstellers kann dabei technischer Natur sein oder auf einem anderen produktbezogenen Gebiet liegen. Auf dem Gebiet des zum Hersteller komplementären technischen bzw. sonstigen Wissens kann der Kunde beispielsweise spezielle Fähigkeiten im Bereich der Systemintegration, des Produktdesigns oder des Marketings aufweisen. Durch eine Bündelung derartiger Kompetenzen des Kunden mit denen des Herstellers entsteht ein Potenzial Innovationen zu realisieren, zu denen der Hersteller alleine nicht in der Lage gewesen wäre. Die Kompetenzen des Lead-Users – so wie er in der Literatur beschrieben wird (z. B. von Hippel 1986; Herstatt, von Hippel 1992; Lüthje, Herstatt 2004) – liegen für beide Wissensfelder (Markt und Technologie) im jeweiligen Mittelbereich, ohne spezielle Ausprägung in Richtung eines spezifischen Kompetenzschwerpunktes. Der klassische Lead-User verfügt, obwohl er teilweise selbst an den bestehenden Produkten Verbesserungen vornimmt oder eigene Prototypen entwirft, über kein RAHMEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 153 ausgeprägtes technisches Spezialwissen. Ausserdem benötigt er auch keine das Herstellerwissen ergänzenden Kompetenzen. Er zeichnet sich vielmehr durch seine speziellen „innovativen“ Bedürfnisse sowie einen grossen Problemdruck zur Befriedigung derselben aus. Auf der Seite des Marktwissens kann er ebenfalls zwischen den beiden betrachteten speziellen Wissensgebieten eingeordnet werden. Er muss kein Spezialist für die Identifikation von Trends sein, da dieser Schritt bereits vor seiner Einbindung erfolgt, sollte aber neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen sein. Auch die Beurteilung und Auswahl von bereits vorliegenden Konzepten ist nicht der Hauptgrund seiner Integration – dieser liegt vielmehr in der Generierung und Vertiefung von Ideen für Konzepte sowie in der Konzeptformulierung und -entwicklung. Einen zusammenfassenden Überblick über die identifizierten potenziellen Kompetenzfelder der Kunden gibt Abbildung 30. 154 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Marktwissen des Kunden Chancenbezogen Applikationsbezogen ¾ Kenntnis neuester Marktentwicklungen ¾ Erfahrung als Benutzer oder Anwender ¾ Gespür für kommende Entwicklungen und Trends ¾ Praxis mit bestehenden Produkten oder Substitutionsprodukten ¾ Potenzialabschätzung neuer (technologischer) Lösungen ¾ Möglicherweise Feedback zu selbst entwickelten Prototypen Technisches Wissen des Kunden Kongruent ¾ Überdurchschnittliches Fachwissen auf dem Gebiet der Kernkompetenz des Herstellers ¾ Im technologischen Bereich notwendig zur Spezifikation des innovativen Produktes Komplementär ¾ Fachwissen auf einem die Expertise des Herstellers ergänzenden Feld ¾ Bei technischen Produkten kann dieses beispielsweise in den Bereichen der Systemintegration, des Designs oder des Marketings liegen Abbildung 30: Dimensionen der Kompetenzen des Kunden 5.2 Integrationsstrategien des Herstellers Mithilfe der beiden beschriebenen Determinanten – Zeitpunkt der Integration in den frühen Innovationsprozess und Kompetenz des Kunden – wird nun ein Rahmen für die weitere Analyse aufgespannt. Darin werden im Folgenden aus Sicht des Herstellers zwei grundsätzliche Strategien für die frühe Kundenintegration sowie vier spezifische Herstellerziele samt entsprechender Kundenrollen identifiziert und beschrieben. 5.2.1 Fokus auf Effektivität Diese Strategie manifestiert sich in zwei Ausprägungen. Am Anfang der Innovationsfrühphase mit dem Rational der Auswahl der richtigen Gelegenheit bzw. des richtigen Innovationsfeldes und am Ende bei der Selektion und Verfeinerung des in der Entwicklungsphase weiter zu verfolgenden Konzeptes. INTEGRATIONSSTRATEGIEN DES HERSTELLERS 155 Zu Beginn des Innovationsprozesses zielt diese Strategie auf die Identifizierung neuer Gelegenheiten und Chancen mithilfe der aktiven Integration des Kunden. Der Hersteller trachtet danach, wertvolle Impulse für den weiteren Verlauf des Innovationsprozesses zu erhalten, sein spezifisches Ziel ist die Trendidentifikation. Daher liegt der Fokus auf Trends und Szenarios, welche neue Gelegenheiten im Markt aufzeigen. Dabei wird zunächst nicht nach einer spezifischen neuen Technologie gesucht, auch wenn die Integration in grundlegenden Technologieroadmaps zur Nutzung der identifizierten Chancen resultieren kann. Trotz ihrer Ausrichtung auf die Marktseite hat dieser Teil der effektivitätsfokussierten Kundenintegration primär keinen Akquisitionscharakter, sondern dient vor allem der Risikoreduktion durch einen frühen und engen Marktkontakt und damit vor allem der Effektivitätssteigerung. Die technologische Kompetenz des Kunden kann bei diesem Integrationsziel zwar auch eine Rolle spielen, ist aber auf jeden Fall dem Marktwissen untergeordnet. Die Rolle des Kunden ist die eines Sensors für neue Gelegenheiten und Marktentwicklungen. Der konkrete vom Kunden geleistete Beitrag besteht aus Informationen über Trends, neue Technologien oder Marktentwicklungen. So bindet das Creative Center der Bayer MaterialScience zur Identifikation neuer Geschäftsmöglichkeiten bereits ganz am Anfang des Innovationsprozesses Automobilhersteller ein. Es kommt dabei zur gemeinsamen Diskussion von Szenarien und dadurch zur Identifikation relevanter Trends. Diese werden dann innerhalb des Creative Centers angereichert und im weiteren Verlauf des Prozesses unter einer anderen Zielsetzung, aber wieder unter Einbezug ausgewählter Kunden, zu Konzepten weiterentwickelt. Betrachtet man das Ende der Innovationsfrühphase, so spielen Kunden auch dort im Sinne der effektivitätsfokussierten Strategie eine wichtige Rolle und es gibt zahlreiche Wege, ihren Input zu nutzen. Beispiele sind die Generierung und der Test von Konzepten oder die Selektion der beliebtesten Problemlösungen und Konzeptentwürfe (z. B. Dahan, Hauser 2002; Kohn, Niethammer 2002). Generell bezweckt der Hersteller mit einer derartigen Kundenintegration eine Konzeptverfeinerung. Die Rolle des Kunden liegt hier darin, Hilfe bei der Suche, Auswahl – daher der Name Selektor – und Verfeinerung der richtigen Lösung zu leisten. Lösung bedeutet in diesem Zusammenhang ein geprüftes Konzept für die vorher identifizierte Gelegenheit bzw. das behandelte Problem. Dieses Konzept muss nach Beendigung dieser Phase fertig für die Übergabe an den eigentlichen Neuproduktentwicklungsprozess sein. Zu diesem Zeitpunkt der Frühphase erfolgt die Qualifikation des Kunden für eine Integration nicht mehr aufgrund eines spezifischen technischen Wissens, sondern vielmehr durch seine Expertise als 156 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION potenzieller zukünftiger Nutzer und damit seine Applikationskompetenz. Aufbauend auf bereits vorhandenen Ideen und Konzeptentwürfen – entweder intern beim Hersteller entwickelt oder zusammen mit externen Partnern beispielsweise Kunden – wird das endgültige Konzept normalerweise aus einer Gruppe verschiedener Optionen ausgewählt und verfeinert. Es werden also aus bestehenden Ideen Konzepte entwickelt, welche dann in den eigentlichen Entwicklungsprozess eingebracht werden können. Auf dem Gebiet der Auswahl und Evaluierung durch den Kunden wächst die Anwendung neuer IT-Tools zur Verbesserung der Schnittstelle zwischen Hersteller und Kunde rapide. Neue Produktkonzepte, Prototypen und Vorserienmodelle können von den Kunden schneller, mit grösserer Genauigkeit und mit niedrigeren Kosten evaluiert werden, wenn virtuelle Neuproduktentwicklungswerkzeuge angewandt werden. Eine Forschungsinitiative am Massachusetts Institute of Technology (MIT) – genannt „Virtual Customer Initiative“ – arbeitet an der Erforschung und Entwicklung solcher Werkzeuge (vgl. Paustian 2001; Dahan, Hauser 2002). Manche Firmen erweitern die ursprüngliche Definition des Lead-Users, indem sie Kunden, welche eigentlich eine Selektor-Rolle einnehmen, als Lead-User bezeichnen (siehe dazu auch das Fallbeispiel Hilti in Abschnitt 3.4). Die effizienzfokussierte Integrationsstrategie ist auch eng mit den Methoden der Fokusgruppen und Kundenkliniken aus der Marktforschung verwandt. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal ist aber die aktive Rolle der Kunden und damit verbunden deren anspruchsvolles Kompetenzprofil. Daher spielt dabei auch, im Gegensatz beispielsweise zu den vom Marketing dominierten Fokusgruppen, die F&E-Abteilung des Herstellers eine entscheidende Rolle. Die traditionellen Aktivitäten der Kundeneinbindung sollen aber keinesfalls durch die frühe Kundenintegration ersetzt werden. Diese baut vielmehr auf den bereits etablierten Methoden auf und ergänzt diese. Die übergeordneten strategischen Ziele des Herstellers im effektivitätsfokussierten Strategietyp sind primär ein Streben nach Risikominimierung und damit nach einer Effektivitätssteigerung. Sehr oft spielen in diesen Phasen aber auch akquisitorische Ziele eine Rolle. Der Kunde erfährt durch seine aktive Mitwirkung an Ideenfindung sowie Auswahl und Verfeinerung des Konzeptes Anerkennung und Respekt. Dadurch fühlt er sich in gewisser Hinsicht an den Hersteller gebunden und ist in vielen Fällen auch stärker motiviert, Produkte des Herstellers zu kaufen. 5.2.2 Fokus auf Effizienz INTEGRATIONSSTRATEGIEN DES HERSTELLERS 157 Im Mittelpunkt dieser für den B-to-B-Bereich typischen Strategie stehen die technologischen Kompetenzen des Kunden. Ein Hersteller muss zwar zur erfolgreichen Entwicklung und Herstellung seiner Produkte über alle notwendigen Kompetenzen verfügen, diese jedoch nicht notwendigerweise zu jedem Zeitpunkt im eigenen Haus besitzen. Hier manifestiert sich deutlich das neue Paradigma eines offenen Innovationsprozesses. Falls es dem Hersteller vorteilhaft erscheint, notwendige Kompetenzen Externer in seine Prozesse zu integrieren, so wird er dieses tun. Mit Blickwinkel auf nachgelagerte Wertschöpfungsstufen bedeutet dies die Integration von innovativen, fortschrittlichen Kunden, welche – neben ihrer immanenten Expertise bezüglich ihrer Wünsche, Bedürfnisse und Anforderungen – ein hohes Niveau an technischem Wissen in den Innovationsprozess des Herstellers einbringen können. Ziel ist die Suche nach Synergien im technischen, produktbezogenen Wissensbereich (im Feld der Kernkompetenz des Herstellers oder komplementär dazu) und deren Nutzung zur Generierung innovativer Lösungen. Die Kunden müssen daher für derartige kooperative Innovationsprozesse offen und sensibilisiert sein, um zu diesem Ansatz zu passen. Die Nutzung des Marktwissens der Kunden hat nur eine geringe Bedeutung für die effizienzfokussierte Integrationsstrategie, innerhalb derer im Folgenden drei verschiedene Kundenrollen unterschieden werden. Die erste Rolle ist die des klassischen Lead-Users. Das von von Hippel bereits in den 1980er-Jahren entwickelte Lead-User-Konzept stellt den Prototyp dieses Strategietyps dar (von Hippel 1976; 1977; 1988). Von Hippel stellte fest, dass Kunden bzw. Benutzer eines bestimmten Produktes wesentlich für die schnelle und erfolgreiche Entwicklung innovativer neuer Produkte sein können. Dabei werden Lead-User als Kunden beschrieben, welche schon heute Bedürfnisse aufweisen, die erst Monate oder Jahre später allgemein relevant sein werden, d.h. die einen Bedarf lange vor dem restlichen Markt verspüren. Zusätzlich lässt sie ihre Situation stark von einer Befriedigung dieser Bedürfnisse bzw. einer Lösung ihrer Probleme profitieren. Der Lead-User zeichnet sich also durch ein spezielles Bedürfnisprofil aus, er muss aber zusätzlich sowohl auf der technischen als auch der anwendungsbezogenen Wissensebene gewisse Kompetenzen aufweisen, welche seine Einbindung in das Zentrum des frühen Innovationsprozesses ermöglichen. Lead-User haben in vielen Fällen genug technologische Kompetenz und Problemdruck, um selbst mit der Verbesserung bestehender Produkte oder sogar mit der Entwicklung eigener Prototypen zu beginnen. Trotzdem müssen Lead-User weder bezüglich ihres technischen Wissens noch ihres Marktwissens ausgewiesene Spezialisten sein. 158 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Von Hippel beschreibt anhand eines fünfstufigen Prozesses, wie Lead-User zu identifizieren und ihre Kompetenzen in den Neuproduktentwicklungsprozess zu integrieren sind. Am Beginn steht dabei die Identifikation neuer Markttrends und Produktgelegenheiten. Nach der Auswahl geeigneter Lead-User wird in interdisziplinären Workshops mit Vertretern des Herstellers versucht, Informationen über ihre speziellen Bedürfnisse und Anforderungen zu erhalten. Daraus können erste mögliche Lösungen und darauf aufbauende Produktkonzepte generiert werden. Diese Konzepte müssen schliesslich in einem grösseren Rahmen getestet werden, um die Übertragbarkeit der Lead-User-Bedürfnisse auf den allgemeinen Markt abzuschätzen zu können (vgl. z. B. Herstatt, von Hippel 1992). Es werden also prinzipiell Kunden gesucht, welche eigene Problemlösungen entwerfen bzw. entwickeln können und bereit sind, diese im Rahmen eines Lead-User-Workshops mit dem Hersteller zu einem tragfähigen Konzeptentwurf zu verfeinern. Aktuelle Publikationen zu diesem Thema zeigen, dass Lead-User-Projekte im Vergleich zu traditionellen Innovationsprojekten einen höheren Anteil an radikal neuen Produkten hervorbringen. Die Hauptgründe dafür werden darin gesehen, dass durch die Zusammenarbeit mit Lead-Usern Informationen über Bedürfnisse und Lösungen von den führenden Bereichen des Zielmarktes bzw. von Märkten mit ähnlichen Problemen in einer extremen Form verarbeitet werden (Lilien, Morrison et al. 2002). Es ist allerdings zu beachten, dass Lead-User nicht integriert werden, um die neuesten Trends und Marktchancen zu finden – dies wird bei dieser Methode bereits vor der Kundenauswahl durchgeführt. Das Ziel ihrer Integration liegt auch nicht darin, Konzepte zu Ende zu entwickeln oder zu selektieren, da das Hauptziel ihrer Integration die Hilfestellung bei der Erarbeitung von Konzeptentwürfen ist, welche dann im nächsten Abschnitt der Innovationsfrühphase weiterentwickelt werden. Ein aktuelles Beispiel für die erfolgreiche Anwendung des Lead-UserAnsatzes stellt die Medizinaltechniksparte des amerikanischen 3M-Konzerns dar. Sie suchte gezielt nach Anwendern bzw. potenziellen Anwendern, welche innovative oder andersartige technologische Lösungen für das elementare Problem der Wunddesinfektion während einer Operation gefunden oder entwickelt hatten. Man wurde in einem Parallelmarkt, nämlich der Veterinärmedizin, fündig und entwickelte gemeinsam mit den eingeladenen Tierärzten die Ideen für ein radikal neues Konzept in Form einer Desinfektionsfolie.28 28 Basierend auf von Hippel, Thomke et al. (1999). INTEGRATIONSSTRATEGIEN DES HERSTELLERS 159 In eigenen Interviews bei der Firma Hilti AG aus Schaan kam die Bedeutung der technologischen Innovationskompetenz einzelner Kunden ebenfalls zum Ausdruck. So werden bei Hilti über die Marktorganisationen identifizierte Anwender, welche eigene Prototypen für neue Geräte entwickelt haben bzw. an Hilti-Produkten Modifikationen vorgenommen haben, gezielt kontaktiert. Bei beidseitigem Interesse werden diese Kunden von den jeweils betroffenen Geschäftseinheiten zu LeadUser-Workshops im oben beschriebenen Sinne eingeladen. Neben der für den Lead-User typischen Mischung aus „innovativem“ Bedürfnisprofil, Anwendungswissen und grundsätzlicher technologischer Kompetenz, zeichnen sich die beiden anderen Rollen innerhalb dieses Strategietyps durch spezielle Ausprägungen ihres technischen Wissens aus. Komplementäres Wissen bzw. komplementäre Fähigkeiten, welche die Möglichkeiten des Herstellers abrunden, bilden die zweite grosse Gruppe mit dem spezifischen Herstellerziel einer Innovationsverstärkung. In diesem Fall sucht der Hersteller Unterstützung nicht bezüglich seiner Kernfähigkeiten, sondern zur Verstärkung seines eigenen Kompetenzprofils und damit seiner eigenen Innovationsfähigkeit. Beispiele für diesen Typ – mit dem Kunden in der Rolle eines Spezialisten – finden sich sowohl auf der Markt- als auch der Technologieseite. Bayer MaterialScience hat beispielsweise eine hoch innovative Handtasche mit leuchtender Polymerfolie im Inneren gemeinsam mit Bree, einem deutschen Gepäckhersteller im oberen Marktsegment, entwickelt und präsentiert. Dies ermöglichte Bayer, seine topaktuelle Polymertechnologie und damit seinen innovativen Ruf mithilfe eines nicht traditionellen Kunden zu verbreiten. Bree brachte sein Produkt- und Marktwissen im Bereich der luxuriösen Accessoires ein.29 Neben dem oben beschriebenen komplementären Wissenstyp zeigt sich ein weiteres spezifisches Phänomen, welches einen dritten Modus innerhalb der effizienzfokussierten Integrationsstrategie darstellt, die gemeinsame Spezifikationsausarbeitung. In Fällen, bei denen der Kunde tiefes kongruentes Expertenwissen auf dem Gebiet der Kernkompetenz des Herstellers besitzt, kann er auch die Rolle eines Co-Creators einnehmen, welcher die Innovation mithilfe der Spezifikation30, welche gemeinsam mit dem Hersteller entwickelt wird, vorantreibt und steuert. Diese Rolle des Kunden als Spezifikator verlangt ein Wissensniveau des Kunden, welches über das eines typischen Lead-Users weit hinausgeht und 29 30 Interview Bayer MaterialScience. In diesem Zusammenhang legt die „Spezifikation“ den Rahmen der Innovation fest und steht daher vor dem Konzept, welches dann auf ihr basiert, in der Ideenphase des FFE. 160 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION meistens nur in speziellen Branchen bzw. Technologiefeldern gefunden werden kann. Dieser Typ stellt auch insofern eine Besonderheit dar, als die Impulse, welche zur Integration führen, nicht notwendigerweise immer vom Hersteller kommen, wie es typisch und charakteristisch für die anderen Typen der frühen Kundenintegration ist. Kunden, welche das notwendige Wissen aufweisen, haben oft auch eine entsprechende Grösse und Machtposition gegenüber dem Hersteller und können im Sinne einer Integration ihres Zulieferers die Initiative übernehmen. Zusammenfassend zeigt Abbildung 31 wie über den Verlauf der Frühphase des Innovationsprozesses die jeweiligen Kundenrollen mit den übergeordneten Integrationsstrategien und den spezifischen Zielen des Herstellers zusammenhängen. Früher Innovationsprozess Gelegenheitsphase Ideenphase Konzeptphase Integrationsstrategie Effektivitätsfokussiert Effizienzfokussiert Effektivitätsfokussiert Ziele des Herstellers Rolle des Kunden Innovationsverstärkung Trendidentifikation Konzeptverfeinerung Spezifikationsausarbeitung Spezialist Sensor Selektor Spezifikator Abbildung 31: Kundenrollen als phasenspezifische Umsetzung der Integrationsstrategien des Herstellers AUSPRÄGUNGEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 5.3 161 Ausprägungen der frühen Kundenintegration Selektor a) Effizienzfokussiert a) Effektivitätsfokussiert b) Innovationsverstärkung b) Konzeptverfeinerung c) Ideenphase c) Konzeptphase Kompetenz des Kunden Technisches Wissen Kongruent Spezifikator Applikationsbezogen Spezialist Marktwissen Sensor a) Effizienzfokussiert a) Effektivitätsfokussiert b) Spezifikationsausarbeitung b) Trendidentifikation c) Ideenphase c) Gelegenheitsphase Chancenbezogen Komplementär Im Folgenden werden nun die Charakteristika der spezifischen Kundenrollen der frühen Kundenintegration – als Fazit der Abschnitte 5.1.1, 5.1.2 und 5.1.3 – näher betrachtet. Dazu werden die Rollen zunächst bezüglich der Kompetenzen der integrierten Kunden in eine Matrix eingeordnet (vgl. Abb. 32). Diese zeigt für jede Rolle, welches Wissensfeld der Kunden für eine erfolgreiche Erfüllung der Rolle besonders stark ausgeprägt sein muss. Legende: a) Integrationsstrategie b) Ziel des Herstellers c) Zeitpunkt der Integration Abbildung 32: Dominierende Kundenkompetenzfelder der spezifischen Kundenrollen der frühen Kundenintegration 162 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Eine zusammenfassende Übersicht der Charakteristika Kundenrollen der frühen Kundenintegration zeigt Tabelle 7. der identifizierten Sensor Spezialist Spezifikator Selektor Integrationsstrategie des Herstellers Effektivitätsfokussiert Effizienzfokussiert Effizienzfokussiert Effektivitätsfokussiert Herstellerziel/ Rational Trendidentifikation (Identifikation von Chancen und Problemen) Innovationsverstärkung (Ideenentwicklung und -verfeinerung) Spezifikationsausarbeitung (Ideenentwicklung und -verfeinerung) Konzeptverfeinerung (Konzeptentwicklung) Zeitpunkt der Integration Gelegenheitsphase Ideenphase Ideenphase Konzeptphase Dominierende Kundenkompetenz Chancenbezogenes Marktwissen (Trendsensibilität) Komplementäres Technologiewissen (und Bedürfnisträger) Kongruentes Technologiewissen (und Bedürfnisträger) Applikationsbezogenes Marktwissen (vorausschauend) Tabelle 7: Charakteristika der spezifischen Kundenrollen der frühen Kundenintegration In Abstimmung mit seiner Firmenstrategie gilt es für den Hersteller, seine mit der Kundenintegration verbundenen Ziele zu analysieren und darauf aufbauend – in Abstimmung mit den jeweiligen Unternehmenskompetenzen – die richtige Form der Kundenintegration auszuwählen. Man kann vier spezifische Ziele unterscheiden, welche innerhalb der zwei Integrationsstrategien der Kundenintegration in Betracht kommen, nämlich Trendidentifikation, Innovationsverstärkung, Spezifikationsausarbeitung und Konzeptverfeinerung. Aus diesen Zielen lassen sich vier Kundenrollen ableiten, welche dem Kunden in Ergänzung der klassischen Lead-User-Rolle im frühen Innovationsprozess zugeteilt werden können. Auf die spezifischen Managementaspekte des Integrationsprozesses wird in Kapitel 6 detailliert eingegangen. AUSPRÄGUNGEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 163 Innovationsverstärkung Mittels der Achsen „Früher Innovationsprozess“ und „Herstellerziel“ wird nun ein Rahmen aufgespannt, in welchen die Integrationsstrategien des Herstellers und die Kundenrollen eingetragen werden. Die Rolle des Lead-Users – des Prototyps der frühen Kundeneinbindung – kommt dabei als Referenzpunkt genau im Zentrum der Darstellung zu liegen (vgl. Abb. 33). Spezialist Trendidentifikation Sensor Lead-User Selektor Konzeptverfeinerung Frühe Kundenintegration Effektivitätsfokussiert Spezifikationsausarbeitung Spezifikator Effizienz- Effektivitätsfokussiert fokussiert Legende Herstellerziel Kundenrolle Früher Innovationsprozess Gelegenheitsphase Ideenphase Konzeptphase Abbildung 33: Rahmen der frühen Kundenintegration 164 5.4 SPEZIFISCHE KUNDENROLLEN DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Zusammenfassung Die obigen Überlegungen haben Folgendes gezeigt: Es können verschiedene Wege identifiziert werden, um den Kunden in den Innovationsprozess zu integrieren. Im Zentrum der Innovationsfrühphase wird die frühe Kundenintegration als Aktionsfeld rund um den klassischen Lead-User-Ansatz eingeführt. Passend zu den spezifischen Beiträgen, welche Kunden zur Neuproduktentwicklung liefern können, findet die frühe Kundenintegration während verschiedener Phasen innerhalb des frühen Innovationsprozesses mit unterschiedlichen Zielen, Intensitäten und Ausgestaltungen statt. Abhängig vom jeweiligen Ziel des Herstellers bzw. dem erwarteten Ergebnis können zwei Strategien unterschieden werden, welche die Art bestimmen, wie die Kunden integriert werden, nämlich effizienzfokussiert oder effektivitätsfokussiert. Diese Strategien führen zu vier, durch je eine Kundenrolle manifestierten, spezifischen Zielen der frühen Kundenintegration. Der Hersteller muss, nach der grundsätzlichen Entscheidung für die frühe Kundenintegration, unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen, die passende Strategie und das spezifische Integrationsziel festlegen. Die damit bestimmte Kundenrolle wird dann im Rahmen der beiden Gestaltungsfelder Integrationsstruktur und Interaktionsprozess operativ umgesetzt. Dabei gilt es, Kontingenzfaktoren wie das jeweilige Marktumfeld (Kundenspezifika, Wettbewerbssituation), die Spezifität der Produkte, den Entwicklungsstand der eingesetzten Technologien und die eigene Firmeninnovationskultur zu berücksichtigen. Diese erste Analyse betrachtet noch nicht die Fragestellung nach den notwendigen konkreten Ausprägungen der Gestaltungsfaktoren zur Realisierung der einzelnen Kundenrollen. Es zeigt sich, dass die frühe Kundenintegration die Effektivität des Innovationsprozesses durch die Ermöglichung kraftvoller neuer Wissensentstehung verbessern kann, ihre konkrete Anwendung aber nach einer sorgfältigen Gestaltung des Prozessaufbaus und der Durchführung verlangt. PROZESS DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 6 6.1 165 Ablauf und Organisation der frühen Kundenintegration Prozess der frühen Kundenintegration Neben der Betrachtung der Gestaltungsfelder und Gestaltungsfaktoren wird nun auf den zeitlichen Ablauf und damit den Prozesscharakter der Kundenintegration eingegangen. Dies erfolgt im Hinblick auf die Gestaltungsempfehlungen (siehe Abschnitt 6.3). Die bisherigen Betrachtungen haben auf die relevanten Einflussfelder und Gestaltungsfaktoren der frühen Kundenintegration sowie die dahinter liegenden Theorien fokussiert. Die Schritte des notwendigen Prozesses, in welchen diese Gestaltungselemente eingebettet sind, stehen im Zentrum der folgenden Überlegungen. Als Basis dienen einerseits die theoretischen Grundlagen aus dem Feld der F&E-Kooperationen und andererseits die empirischen Daten, welche für diese Studie erhoben wurden (siehe die vier Fallstudien Kapitel 3 und den Anhang „Interviewleitfaden und Ergänzungsfragen“). Zur Analyse des Prozesses der Kundenintegration wird auf die allgemeine Kooperationsliteratur zurückgegriffen. Zahlreiche Arbeiten aus den Gebieten der strategischen Managementlehre und des Innovationsmanagements beschäftigen sich mit F&E-Kooperationen im Allgemeinen bzw. Innovationskooperationen im Besonderen (z. B. Staudt, Toberg et al. 1992; Kirchmann 1994; Fuchs 1999; Marxt 2000). Auch wenn die frühe Kundenintegration keine klassische Kooperation darstellt, so unterscheiden sich die grundsätzlichen Ablaufschritte nicht wesentlich. Es können also für diese Arbeit die gleichen übergeordneten Phasen zur Prozessgliederung herangezogen werden. Phasen der Integration Es existieren zahlreiche Phasenmodelle für die allgemeine Struktur eines Kooperationsprozesses (Staudt, Toberg et al. 1992; Lorange, Roos 1993; Balling 1997; Fuchs 1999). Prinzipiell lassen sich aber immer drei grundsätzliche Abschnitte identifizieren, nämlich eine Gestaltungs-, Lenkungs-, und Entwicklungsphase. Fuchs detailliert diese drei Schritte in einem fünfstufigen Lebenszyklusmodell einer Kooperation und zwar als Initialisierung, Konfiguration, Design, Betrieb und Rekonfiguration (Fuchs 1999). Fontanari (1995) legt besonderes Augenmerk auf die Frühphase und unterteilt diese in drei Teilphasen, welche vor der eigentlichen Durchführung der Kooperation zu durchlaufen sind. Es sind dies eine strategische Analyse, in der nach möglichen Lösungen und 166 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Alternativen gesucht wird, die Partnersuche und -auswahl sowie die Verhandlungsphase mit dem Vertragsabschluss. Als Essenz der bestehenden Ansätze werden für die vorliegende Arbeit drei übergeordnete Prozessschritte unterschieden: ¾ Schritt 1: Initiierungsphase ¾ Schritt 2: Vorbereitungsphase ¾ Schritt 3: Realisierungsphase Hauptkriterien Initiierungsphase Entscheidung zur Kundenintegration Vorbereitungsphase Schritte Realisierungsphase Kundenintegrationsprozess Für jeden Schritt werden zwei Hauptkriterien eingeführt, welche die jeweils zu erreichenden Teilziele repräsentieren. Diese drei identifizierten Schritte der frühen Kundenintegration mit den jeweiligen Hauptkriterien sind in Abbildung 34 dargestellt. Ergebnisfestlegung Kundenauswahl Vertragsabschluss Operative Gestaltung Integration der Ergebnisse Abbildung 34: Kundenintegrationsprozess PROZESS DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 167 Initiierungsphase Am Beginn der frühen Kundenintegration steht, so wie in einem klassischen Kooperationsprozess, die Willensbildung, d. h. das Erkennen der Notwendigkeit und der strategische Entscheid für die externe Zusammenarbeit. Im Rahmen der Strategieprozesse des Herstellers kommt es in dieser Phase zu einer Identifikation und Bewertung von Wertschöpfungsprojekten, welche mithilfe integrierter Kunden oder durch andere Umsetzungsformen realisiert werden können (Fuchs 1999). Eine Entscheidung für die Öffnung des Innovationsprozesses für Externe soll immer in Einklang mit der Unternehmens- und Technologiestrategie erfolgen bzw. aus dieser hergeleitet werden. Der erwartete Beitrag durch die Integration des Kunden ist dabei – wie in der vorliegenden Arbeit gezeigt wurde – ein wesentliches Element, welches für den weiteren Verlauf des Prozesses eine entscheidende Rolle spielt. Beispielsweise wurde in Kapitel 5 gezeigt, dass den Kunden unterschiedliche Rollen zugeteilt werden können, je nach den vom Hersteller erwarteten Kundenbeiträgen. Das Technologie- und Innovationsmanagement hat also als ersten Schritt die eigentliche Integrationsentscheidung vorzubereiten und zu treffen. Als zweiten wichtigen Schritt gilt es, zur Klärung der Ergebniserwartung, die Kooperationsziele festzulegen. Prinzipiell können die Ziele in Ergebnis-, Aufwands- und Zeitziele eingeteilt werden, wobei für den Fokus der vorliegenden Arbeit in dieser Phase die Ergebnisziele die dominierende Rolle spielen. Ziele können dabei prinzipiell als Orientierungsgrössen für die Bewertung und Auswahl der Kunden dienen. Ausserdem bilden sie den Massstab zur Bewertung des Integrationserfolges im Verlauf und nach Ende der Integration. Mit der Zielfestlegung einher geht die Abgrenzung des Gegenstandsbereiches der Zusammenarbeit mit dem Kunden. Der Hersteller muss sich über diejenigen technologischen Bereiche im Klaren sein, welche er als seine Kernkompetenzen und Wettbewerbsvorteile betrachtet und welche er daher ohne externe Beteiligung betreiben will. In Ergänzung dazu eröffnen sich diejenigen Bereiche, in denen externe Kompetenzen eingebunden werden sollen. Nach der generellen Willensbildung (bzw. dem Erkennen der Notwendigkeit) und der prinzipiellen Festlegung auf ein gemeinsam mit dem Kunden zu erbringendes Ergebnis (d. h. des Kundenbeitrages), beinhaltet der nächste Prozessschritt die Suche der passenden Kunden sowie die Ausformulierung eventuell notwendiger Verträge. 168 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Konfigurationsphase Nach der Entscheidung für die frühe Kundenintegration stellen Auswahl und Gewinnung geeigneter Kunden zentrale Erfolgsfaktoren dar (vgl. z. B. Yoshingo, Rangan 1995). Potenzielle Partner müssen mit System gesucht werden sowie unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen (z. B. Konkurrenzsituation, Marktsituation, vergangene Erfahrungen), bezüglich ihrer Eignung geprüft werden. Dies geschieht einerseits durch die Abschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit der oben beschriebenen Ziele sowie andererseits durch eine Vorabbewertung des strategischen und kulturellen „Fits“ potenzieller Integrationspartner mit dem eigenen Unternehmen. Die infrage kommenden Kunden müssen, in Abhängigkeit von den in der Initiierungsphase festgelegten Ziele (d. h. den erwarteten Ergebnissen) dem Profil der jeweiligen spezifischen Rolle so weit wie möglich entsprechen. Nach der genauen Festlegung des Anforderungsprofils erfolgt zunächst ein Suchprozess zur Ermittlung geeigneter Kandidaten und schliesslich eine endgültige Auswahl. Der Suchvorgang kann sehr schnell (wie im Falle leicht überschaubarer Märkte) oder zeitlich aufwändig (mittels umfangreicher Aktivitäten mehrerer Abteilungen des Herstellers) ablaufen. Der Suchteil ist in den meisten Fällen mit einer Selektion möglicher Partner für die Kundenintegration verbunden. Neben den rollenspezifischen Selektionskriterien, welche engen Bezug auf die jeweiligen Rollencharakteristika nehmen müssen, spielt auch die grundsätzliche Übereinstimmung auf strategischer und kultureller Ebene eine wesentliche Rolle. Der strategische Fit (vgl. Rotering 1990; Teichert 1994) hängt im Umfeld der Kundenintegration von der Gefahr einer einseitigen opportunistischen Ausbeutung durch einen Partner und damit invers von den Vorteilen, welche beide Partner durch die frühe Kundenintegration erzielen können ab (vgl. Dutta, Weiss 1997). Der kulturelle Fit steigt, wenn die Entscheidungsprozesse und -geschwindigkeiten, die tolerierten Risiken und die arbeitsbezogenen Werthaltungen ähnlich ausgeprägt sind. Auch die Bereitschaft, sich auf kulturelle Unterschiede einzustellen, trägt zu einer Verbesserung des kulturellen Fits bei. Die Bedeutung der kulturellen Kompatibilität wird oft unterschätzt (z. B. George, Farris 1999).31 31 Es kann nicht generell behauptet werden, dass eine bessere kulturelle Übereinstimmung auch immer zu innovativeren und damit besseren Ergebnissen führt. Gerade bei der Erzielung komplett neuer Ansätze bzw. radikaler Innovationen können kulturelle Unterschiede innerhalb eines gewissen Rahmens auch als stimulierende Keime neuer Gedanken wirken (z. B. Leifer, McDermott et al. 2000; Syrett, Lammiman 2002). PROZESS DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 169 Ebenfalls in diese Phase des Prozesses fallen die Erarbeitung einer gemeinsamen Zielsetzung mit den ausgewählten Kunden sowie die (vorab notwendige) vertragliche Ausgestaltung der Integration. Die gemeinsamen Ziele und Motive müssen dabei offen diskutiert und fixiert werden (z. B. Kanter 1994). Dabei unterscheidet sich die gemeinsame Zielsetzung deutlich von den Einzelzielen der beiden Partner und sollte ebenso wie die Fragen des schützenswerten geistigen Eigentums, welches im Laufe der Integration entstehen kann, in einem Vertrag festgehalten werden. Dieser regelt auch den rechtlichen Rahmen, in welchem die Integration stattfinden wird. Dabei gilt es, für eine erstmalige Integration andere Dinge zu berücksichtigen als bei einer schon längerfristig laufenden Beziehung (mit bereits bestehenden Verträge bzw. einem vorhandenen Vertrauensverhältnis). Am Ende der Konfigurationsphase steht also eine Fixierung der Integrationsziele, der erforderlichen Prozesse und Abläufe sowie der Regeln zur Verwertung der Ergebnisse. Damit ist der Aufbau der Kundenintegration beendet. Dieser Schritt sollte nicht unterschätzt werden, denn erfahrungsgemäss passieren im Verlauf des Aufsetzens einer Kooperation die meisten derjenigen Fehler, welche schlussendlich zum Scheitern des gesamten Vorhabens führen (vgl. z. B. Doz, Hamel 1998). Realisierungsphase In diesem Schritt passiert die eigentliche Wertschöpfung der Kundenintegration. Nachdem geeignete Kunden gefunden und die Rahmenbedingungen festgelegt worden sind, beginnt die Kernaktivität der frühen Kundenintegration. Die Zusammenarbeit muss passend zu der gewählten Kundenrolle und den spezifischen Rahmenbedingungen gestaltet, die Integration operativ umgesetzt und die Verwertung der Ergebnisse im Innovationsprozess des Herstellers sichergestellt werden. Prinzipiell müssen Aspekte der Organisation, des Personal- und des Finanzmanagements der Zusammenarbeit mit dem integrierten Kunden berücksichtigt werden. Im Mittelpunkt dieser Aufgabe stehen neben der Auswahl der geeigneten Mitarbeiter, die Formulierung von Regeln der Zusammenarbeit sowie die Gestaltung der Arbeitsteilung zwischen dem Hersteller und dem Kunden. Der Schwerpunkt im Rahmen dieser Arbeit liegt dabei auf der organisatorischen Ausgestaltung der beiden identifizierten operativen Gestaltungsfelder – Integrationsstruktur und Interaktionsprozess – zur Ermöglichung einer effizienten gemeinsamen Wissensgenerierung. Schliesslich muss noch die Diffusion des neuen Wissens in andere relevante Abteilungen und den gesamten Innovationsprozess 170 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION sichergestellt werden. Auch eine eventuelle Beendigung (sowohl frühzeitig als auch geplant) des Integrationsprojektes fällt in diese Phase. 6.2 Konzeptionelles Managementmodell der frühen Kundenintegration Kombiniert man die Überlegungen der vorangegangenen Abschnitte, so ergibt sich das folgende konzeptionelle Modell (vgl. Abb. 35). Die Blöcke der Integrationsstrategie, der spezifischen Herstellerziele und der Kundenrollen sowie die operativen Gestaltungsfelder wurden den passenden Schritten des Prozessablaufs zugeordnet. Dieses Modell dient als Grundlage für den Aufbau konkreter Gestaltungsempfehlungen in Abschnitt 6.3. KONZEPTIONELLES MANAGEMENTMODELL DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION 171 Unternehmerischer Rahmen Initiierungsphase Vorbereitungsphase Realisierungsphase Kundenintegrationsprozess Strategie Entscheidung zur Kundenintegration Kultur Struktur Integrationsstrategie Effektivitätsfokussiert Effizienzfokussiert Ziele des Herstellers Ergebnisfestlegung Trendidentifikation Kundenauswahl Innovationsverstärkung Spezifikationsausarbeitung Konzeptverfeinerung Rolle des Kunden Sensor Spezialist Spezifikator Selektor Gestaltungsfeld Integrationsstruktur Interaktionsprozess Gestaltungsfaktoren ¾ Verbindungsstärke ¾ Zeitliche Struktur ¾ Zahl der Kunden ¾ Ort der Interaktion ¾ Prozess- und Vertragsabschluss Operative Gestaltung Integration der Ergebnisse Rollentransparenz ¾ Kultureller Fit ¾ Wissensgenerierung ¾ Kundenmotivation Abbildung 35: Konzeptionelles Managementmodell der frühen Kundenintegration Aufbauend auf empirischen Praxisbefunden (Fallstudien) konnte gezeigt werden, dass es neben dem Lead-User-Ansatz noch weitere aktive Rollen für den Kunden während der Frühphase des Innovationsprozesses gibt. Die Implementierung bzw. Realisierung dieser Rollen erfordert vom Hersteller den Einsatz von spezifischen Massnahmen in allen Schritten des Integrationsprozesses. Dieser Prozess muss darüber hinaus in Rahmenbedingungen eingebettet werden, welche seinen effizienten und nachhaltigen Ablauf sicherstellen. Der eigentliche Prozess der frühen Kundenintegration besteht also aus einer strategisch fundierten prinzipiellen Entscheidung zum Einbezug von externen Ressourcen in Form einer interaktiven 172 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION frühen Kundenintegration. Nach der Festlegung der Ziele und Ergebnisse erfolgt die Wahl der geeigneten Kundenrolle, die Suche und Auswahl passender Kunden sowie eine allfällige Vertragsgestaltung mit diesen. Die operative Umsetzung beginnt mit der organisatorischen Gestaltung des Integrationsprozesses und geht über den operativen Ablauf – mit dem Ergebnis gemeinsam generierten Wissens – hin zur Verwertung der Ergebnisse und schliesslich eventuellen Rekonfigurationsüberlegungen. Praktische Empfehlungen zur Gestaltung der frühen Kundenintegration gibt der nächste Abschnitt. 6.3 Gestaltungsempfehlungen und Thesen Das entwickelte konzeptionelle Gestaltungsmodell bildet einen Gestaltungsrahmen für das Management der frühen Kundenintegration. Nach der auf Theorie und Empirie basierenden Herleitung folgt nun die Diskussion der wichtigsten praktischen Implikationen dieses Modells. Dazu werden, mit Schwerpunkt auf der Realisierungsphase, Gestaltungsempfehlungen für die einzelnen Schritte des Integrationsprozesses entwickelt. Die Gestaltungsempfehlungen werden dabei zunächst entlang der Prozessschritte für alle spezifischen Rollen der frühen Kundenintegration einheitlich beschrieben und nur dort, wo eine rollenspezifische Unterteilung Sinn macht, wird auf Spezifika der Gestaltung einzelner Rollen im Detail eingegangen. Die Überlegungen sind folgendermassen gegliedert. Beginnend mit dem unternehmerischen Rahmen werden die einzelnen Schritte des Integrationsprozesses besprochen. Dabei wird jeder Prozessschritt in Hauptkriterien (Was ist das Ergebnis dieses Schrittes? Was muss erfüllt sein?) und weiter in Handlungsfelder (Wo kann und muss etwas gemacht werden, um das Hauptkriterium zu erfüllen?) unterteilt. Die Aussagen zu den einzelnen Handlungsfeldern werden schliesslich, in Form von Thesen, zu konkreten Handlungsempfehlungen verdichtet. 6.3.1 Unternehmerischer Rahmen Wie der Fallstudienvergleich ergeben hat, führt die eigentliche operative Gestaltung der frühen Kundenintegration nur in einem entsprechenden Umfeld zum Erfolg. Als entscheidende Rahmenbedingungen wurden dabei Strategie, Kultur und Struktur identifiziert. Zur Entwicklung der Gestaltungsempfehlungen werden daher, im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes (vgl. z. B. Bleicher 1991), zunächst diese drei Gestaltungsfelder betrachtet. Schliesslich wird der Fokus auf die eigentliche GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN operative Gestaltung der Realisierungsphase gelegt. frühen 173 Kundenintegration im Verlauf der Strategie, Kultur und Struktur sind übergreifende ordnende Kräfte, welche den organisationalen Abläufen eine einheitliche Form und Zielorientierung geben (Rüegg-Stürm 2002). Der Kundenintegrationsprozess ist diesem Verständnis nach derjenige Geschäftsprozess, welcher im Fokus dieser Arbeit steht und die zentrale Rolle im entwickelten Managementmodell einnimmt. Strategie Prinzipiell kann man im unternehmerischen Rahmen zwei strategische Ebenen unterscheiden. Eine übergeordnete generelle Unternehmensstrategie sowie eine Innovationsbzw. Technologiestrategie. Die Identifikation einer Unternehmensstrategie („Firm Level Strategy“), welche nicht nur die Wertschöpfung, sondern auch die Wertaneignung leitet, stellt einen wichtigen Aspekt des Aufbaus der frühen Kundenintegration dar. Eine derartige, dezidiert offene Innovationsstrategie (Open Innovation Strategie) bildet die Basis für alle weiteren Aktivitäten der frühen Kundenintegration. Aufbauend auf dieser prinzipiellen Unternehmensstrategie muss eine strategische Analyse der eigenen Kompetenzen und Technologien erfolgen und die strategische Ausrichtung festgelegt werden. Eine wesentliche Grundfrage der technologischen Produktinnovationsstrategien betrifft die Quellen für technologische Innovationen (z. B. Wolfrum 1994; Burgelman, Christensen et al. 2003). Basierend auf den Kenntnissen, wohin sich die Unternehmung strategisch in Zukunft bewegen soll und wo die Chancen und Risiken liegen, muss der Blick deshalb auf das Umfeld der Unternehmung geworfen werden (vgl. Linder, Jarvenpaa et al. 2003). Ausgehend von den Kernkompetenzen des Unternehmens werden zunächst noch auf einer abstrakten, übergeordneten Ebene potenzielle Felder einer Öffnung des Innovationsprozesses und mögliche Stossrichtungen der Zusammenarbeit mit Externen bestimmt. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, die Kompetenzen für Innovations- bzw. Technologiefelder im eigenen Haus auf- oder auszubauen oder sie aus externen Quellen zu beziehen. Als Grundlage einer erfolgreichen frühen Kundenintegration muss das Ergebnis der oben beschriebenen Überlegungen eine Innovationsstrategie sein, welche die Vorund Nachteile einer Öffnung gegenüber externen Partnern im Allgemeinen und Kunden im Speziellen berücksichtigt. Dabei bedeutet die grundsätzliche Bereitschaft der Öffnung gegenüber Externen und speziell gegenüber den Kunden nicht, dass sämtliche frühen Innovationsprozesse gemeinsam mit externen Partnern 174 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION durchgeführt werden müssen. Eine an die jeweilige Situation angepasste Innovationsstrategie ist daher unabdingbar. Eine passende Innovationsstrategie bildet die Grundlage für eine offene Innovationskultur und die strukturelle Verankerung der Kundenintegration. Im strategischen Gestaltungsfeld, muss basierend auf der Technologie- und Marktstrategie, eine derartige Strategie entwickelt werden. Dies bedeutet auf übergeordnetem Niveau zunächst eine strategische Verankerung der Bereitschaft zur Öffnung des Innovationsprozesses. These 1: Eine generelle offene Innovationsstrategie des Herstellers, als Ergebnis einer übergeordneten Analyse der eigenen Kompetenzfelder und des Umfeldes, ist als strategische Ebene des unternehmerischen Rahmens Grundvoraussetzung einer erfolgreichen frühen Kundenintegration. Kultur Die Unternehmenskultur bildet den Bezugsrahmen, innerhalb dessen sich die Mitarbeiter einer Unternehmung orientieren. Durch diesen gemeinsamen Sinnhorizont wird es möglich, Impulse der Aussen- und Innenwelt zu verarbeiten und als Gruppe handlungsfähig zu bleiben (Rüegg-Stürm 2002). Wesentliche Bestandteile einer Unternehmenskultur sind gemeinsame Normen, Sprachregelungen oder Denkmuster. Auch wenn meistens von „der Unternehmenskultur“ eines Unternehmens gesprochen wird, so muss bei genauerer Betrachtung eigentlich von vielen lokalen Ausprägungen ausgegangen werden, welche sich innerhalb von Abteilungen oder entlang von Prozessen manifestieren. Im Folgenden wird dennoch von einer geschlossenen Innovationskultur als gemeinsamer Grundhaltung einer Firma in Bezug auf Erneuerung, Kreativität, Innovation und den dahinter liegenden Prozessen ausgegangen. Erfolgreiche Kundenintegration, im Sinne eines nachhaltigen Prozesses, verlangt als Grundlage zunächst eine positiv ausgeprägte, auf Öffnung ausgerichtete Innovationskultur. Diese zeichnet sich sowohl durch einen offenen Umgang mit Neuem als auch durch eine hohe Bereitschaft zur aktiven Verbesserung bestehender Produkte und Prozesse aus. Darüber hinaus muss eine tief gehende Offenheit GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN 175 gegenüber Ideen von aussen gegeben sein. Nur wenn es Bestandteil der Unternehmenskultur geworden ist, die hohen Potenziale externer Ideen zu erkennen und aktiv zu suchen, kann man von einer offenen Innovationskultur sprechen. Um diese offene Innovationskultur zu erreichen, muss zunächst eine Vorbildwirkung des Managements gegeben sein. Diese basiert einerseits auf der Vorgabe passender Rahmenbedingungen und andererseits auf persönlicher Vorbildfunktion. Das obere Management muss also aktiv bei der Gestaltung der Kultur mitwirken und eine Beispielfunktion einnehmen. Ein wesentlicher Aspekt der aktiven Gestaltung einer offenen Innovationskultur ist dabei die schriftliche Verankerung des offenen Innovationsgedankens. Dies bedeutet, dass auf normativer Ebene eine Unternehmensvision bzw. Firmenmission entwickelt werden muss, welche eine Offenheit gegenüber Anregungen und Ideen von aussen etabliert. In weiterer Folge können auch ganze Funktionsbereiche oder Abteilungen umbenannt werden, um das Umdenken in Sachen Innovationsprozess innerhalb und ausserhalb des Unternehmens zu kommunizieren. Ein Beispiel für die konsequente Umsetzung dieses Gedankens ist Procter & Gamble. Dort erfolgte eine Umbenennung der Forschungs- und Entwicklungsabteilung (Research & Development oder R&D) auf Connect & Development oder C&D (Sakkab 2002). Ein derartiges, von oberster Stelle angestossenes Zeichen, stellt eine gute Grundlage für entsprechende Aktionen auf strategischer und operativer Ebene dar. Auch Ansprachen, Vorträge und persönliche Gespräche bieten zahlreiche Gelegenheiten, die Bedeutung des offenen Innovationsprozesses herauszustreichen und erfolgreiche Beispiele zu verbreiten. Ohne eine aktive Gestaltung der normativen Instrumente und ein Vorleben des offenen Innovationsgedankens durch das obere Management kann sich die für eine erfolgreiche Kundenintegration notwendige Firmenkultur nicht dauerhaft entwickeln. Eine weiteres wichtiges Handlungsfeld ist die Bekämpfung des Not-Invented-HereSyndroms (NIH)32, im Sinne einer grundsätzlichen Ablehnung von aussen kommender neuer Ideen. Dazu ist das bewusste Erkennen der Notwendigkeit einer Öffnung der Schlüssel zum Erfolg. Gerade in F&E-Abteilungen ist das NIHSyndrom traditionellerweise stark ausgeprägt, da dort hoch spezialisierte Fachleute, oft mit wenig direktem Kontakt nach aussen, für die Generierung von Innovationen verantwortlich sind. Es bedarf grosser Anstrengungen, die notwendige offene Kultur zu etablieren. Grundsätzlich ist die geistige und physische Mobilität der Mitarbeiter zu fördern. Dies kann einerseits durch Weiterbildungsveranstaltungen 32 Vgl. dazu Katz und Allen (1982). 176 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION und interne Schulungen und andererseits durch Jobrotationsmodelle erzielt werden. Entscheidend dabei ist eine höhere Exponierung der Ingenieure gegenüber den Kunden, was beispielsweise im Rahmen einer zeitlich beschränkten Aufgabe im Verkauf zu realisieren ist. Durch diese persönlichen Erfahrungen mit den Ansichten und Ideen der Kunden gelingt es, vorhandene Vorurteile und Ängste abzubauen und eine offenere Geisteshaltung zu erzielen. Eine Stufe darüber ist die Etablierung eines Innovationsprozesses angesiedelt, bei dem die Vertreter des herstellenden Unternehmens schon ab der Frühphase regelmässigen Kontakt zu Kunden, Zulieferern und Forschungseinrichtungen pflegen. Jeder Mitarbeiter verfügt darüber hinaus über ein Netzwerk von persönlichen Kontakten, welche jenseits von Unternehmens- oder Firmengrenzen betrieben werden. Diese informellen Netzwerke jedes Einzelnen sind potenzielle Innovationsquellen. Entscheidend ist es somit, den Mitarbeitern – vor allem in der F&E-Abteilung – zu kommunizieren, dass diese informellen individuellen Netzwerke genutzt werden sollen. Partnerschaften, in Form von Integrationsprozessen mit Externen, können in der Frühphase des Innovationsprozesses nur dann gestaltet und gelenkt werden, wenn sie von den entsprechenden Mitarbeitern auch akzeptiert werden. Das Bewusstsein, dass von einem unternehmensexternen Partner Wertvolles gelernt werden kann, muss gezielt vom Management bei allen Mitarbeitern gefördert werden. Der Schlüssel zur Öffnung des Innovationsprozesses liegt darin, eine derartige „Outsidein-Kultur“ zu etablieren. These 2: Die kulturelle Ebene des für erfolgreiche frühe Kundenintegration notwendigen unternehmerischen Rahmens bildet eine offene Innovationskultur des Herstellers, erreicht durch eine Vorbildwirkung des Managements und eine aktive Bekämpfung des Not-Invented-HereSyndroms. Struktur Eingebettet in das kulturelle Umfeld und basierend auf einer übergeordneten Innovationsstrategie stellt die Struktur ein weiteres zentrales Ordnungselement dar. Aufbauend auf einer offenen Innovationskultur gilt es daher, eine organisatorische Verankerung der Kundenintegration zu etablieren und damit den Prozess der GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN 177 Kundenintegration auch strukturell zu verankern. Eine eindeutige Regelung der mit der Integration verbundenen Aufgaben, der Verantwortlichkeiten und der Ressourcenzuteilung ist Voraussetzung für einen erfolgreichen Kundenintegrationsprozess. Um die Koordination der verschiedenen Partnerschaftsprojekte sicherzustellen, müssen dafür organisatorische Voraussetzungen geschaffen werden. Grundsätzlich gilt, dass die Flexibilität von Kooperationsprojekten nicht durch zu viel Formalismus und Bürokratie verloren gehen darf. Mit zunehmender Grösse einer Firma ist aber ein gewisses Mass an Zentralisierung der Kooperationskompetenz notwendig, um die Koordination und Priorisierung der Projekte sicherzustellen. Auch das deutsche Chemieunternehmen BASF hat die Wichtigkeit der Öffnung nach aussen erkannt und betreibt innerhalb der Abteilung für Forschungsplanung und Hochschulbeziehungen das Management der mehr als 800 externen Partnerschaften. Ziel ist es, gute Ideen zu identifizieren und zu evaluieren. Dabei werden Partner wie Universitäten und Start-ups, aber auch potenzielle Kunden aktiv eingebunden, um die jeweiligen Stärken zu kombinieren. In speziellen Fällen kann es auch zu einer Ausrichtung der relevanten Einheiten des Herstellers an der Organisationsstruktur des Kunden kommen. So wird beispielsweise in grossen Kooperationsprojekten der Triebwerkindustrie auf eine solche Organisationssymmetrie geachtet: MTU Aero Engines und Pratt & Whitney organisieren sich spiegelbildlich, um auf jeder Ebene ein direkte, horizontale Kommunikation zu fördern. Eine eigene Organisationseinheit zur Kundenintegration innerhalb der F&E zeigt die Bedeutung, welche die Öffnung des Innovationsprozesses für manche Vorreiterfirmen innehat. Beispielsweise hat Bayer MaterialScience mit dem Creative Center eine organisatorische Einheit gegründet, welche die marktseitige Verantwortung für die Frühphase des Innovationsprozesses übernimmt sowie die frühe Kundenintegration strukturiert und umsetzt. Mit fixer personeller und finanzieller Ressourcenausstattung verkörpert das Creative Center die Institutionalisierung des offenen Innovationsprozesses (vgl. Abschnitt 3.2). Doch auch mit weniger Aufwand sind, wie das folgende Beispiel zeigt, erfolgreiche Lösungen einer strukturellen Verankerung möglich. Um die Öffnung des seit kurzer Zeit institutionalisierten Innovationsprozesses sicherzustellen, ist bei der Endress & Hauser Flowtec AG ein im Marketing angesiedelter Mitarbeiter damit beauftragt, Studien, Recherchen und Szenarien bezüglich relevanter Entwicklungen im Markt durchzuführen. Dies geschieht einerseits durch einen engen Kontakt mit den 178 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Kunden und andererseits im Rahmen einer Technologiefrühaufklärung. Dabei wird mit F&E-Partnern eine Übersicht aller relevanten Projekte erstellt, welche sich bei Forschungsinstitutionen, Universitäten und Wettbewerbern mit relevanten Technologien beschäftigen. Wichtig bei dieser routinemässigen Erfassung interner sowie externer Quellen ist die Systematik der Abfrage, durch welche die Aussagekraft der Ermittlungen sichergestellt wird. Dieser ausgewählte Mitarbeiter, welcher die Verankerung der Kundenintegration als Teil seiner Jobdescription hat, fördert die Öffnung des Innovationsprozesses mit einfachen Mitteln. Diese Beispiele zeigen, wie der Verantwortlichkeit und Kompetenz für frühe Kundenintegration eine organisatorische Struktur gegeben werden kann. Auf der übergeordneten Ebene des unternehmerischen Rahmens bedeutet dies eine grundsätzliche strukturelle Verankerung der frühen Kundenintegration. Struktur dient als Basis, welche vor der Ausgestaltung und dem Durchlauf des eigentlichen Integrationsprozesses geregelt werden muss. In der Realisierungsphase des Prozesses wird dann die operative strukturelle Gestaltung der Integration näher beleuchtet. These 3: Eine prinzipielle strukturelle Verankerung der frühen Kundenintegration in der Organisation des Herstellers, von der Zuordnung eindeutiger Aufgaben und Verantwortlichkeiten bis hin zu speziellen Organisationseinheiten, stellt als strukturelle Ebene des unternehmerischen Rahmens eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Realisierung der frühen Kundenintegration dar. Die frühe Innovationsphase ist von Unsicherheit und schwer planbaren Lernprozessen geprägt. Es bedarf daher neben den dargestellten Rahmenbedingungen für eine frühe Kundenintegration eines (zumindest in den Grundrissen) standardisierten Vorgehens zur Abwicklung des eigentlichen Integrationsprozesses. Dieser Prozessansatz, elementarer Bestandteil des konzeptionellen Managementmodells, erhöht die Chance auf eine erfolgreiche frühe Kundenintegration, indem er den Rahmen für ein umfassendes Management der Integration bildet und die Entwicklung derselben nicht dem Zufall überlässt. Im Folgenden werden daher, für die grundlegenden Schritte (1) Initiierung, (2) GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN 179 Vorbereitung und (3) Realisierung der Partnerschaft, relevante Implikationen für das Management beschrieben. 6.3.2 Prozessschritte Notwendige Voraussetzung des effektiven und effizienten Prozessmanagements ist ein fundiertes Verständnis des betrachteten Prozesses. Das in Abschnitt 6.2 entwickelte Modell dient in diesem Sinne dem besseren Verständnis des Kundenintegrationsprozesses und kann nun als Grundlage zur Entwicklung fundierter Gestaltungsempfehlungen herangezogen werden. Diese orientieren sich an den im Managementmodell enthaltenen Phasen des Integrationsprozesses sowie den jeweils damit verbundenen Determinanten und Gestaltungsfeldern. Der Kundenintegrationsprozess wird für die Entwicklung der Gestaltungsempfehlungen zunächst in seine Segmente unterteilt. Für jeden Teilschritt werden dann diejenigen Handlungsschwerpunkte aufgezeigt, welche sich im Verlauf der Arbeit als wesentlich für den Erfolg der Kundenintegration herausgestellt haben. Jedem Handlungsschwerpunkt werden dabei Hauptkriterien sowie Handlungsfelder zur Optimierung dieser Kriterien zugeordnet. Die notwendigen Aktionen in diesen Handlungsfeldern werden schliesslich zu konkreten Thesen verdichtet. Ein spezieller Fokus wird auf die Realisierungsphase mit den beiden Gestaltungsfeldern Integrationsstruktur und Interaktionsprozess gelegt. Initiierungsphase Die erste Phase des Kundenintegrationsprozesses setzt sich aus der Willensbildung zur Integration des Kunden, der Auswahl der passenden Integrationsstrategie sowie einer Klärung der aus Herstellersicht mit der Kooperation verbundenen Ziele – und damit des erwarteten Ergebnisses – zusammen. Sie deckt damit die Fragen nach dem „Warum“ und „Wann“ der frühen Kundenintegration ab. Entscheidung zur Kundenintegration Aus diesen Überlegungen heraus folgt das erste Hauptkriterium des Integrationsprozesses, nämlich die Entscheidung zur Kundenintegration. Der erste zentrale Bestandteil der Initiierungsphase ist daher ein funktionierender und etablierter Prozess zur Erzielung der grundsätzlichen Integrationsentscheidung. Erst wenn die Entscheidung gefallen ist, dass ein Kunde in den frühen 180 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Innovationsprozess integriert Integrationsprozess zu laufen. werden soll, beginnt Der Anstoss zur Kundenintegration Grundkonstellationen heraus erfolgen: kann dabei der aus eigentliche verschiedenen ¾ aus einem Projekt zur Entwicklung einer Innovation ¾ aus der Behandlung eines Problems (mit einem bestehenden Produkt) ¾ aus einer Ausschreibung oder Spezifikation durch den Kunden ¾ vorausschauend im Sinne eines proaktiven Technologiemanagements All diesen Konstellationen ist das Erkennen eines Problems, im Sinne eines Unterschieds zwischen den sich abzeichnenden Anforderungen und den vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen, gemeinsam. Dies gilt auch, wenn der Fokus nicht auf der Integration des Technologie- sondern des Marktwissens des Kunden liegt. Die Kenntnisse eines fortschrittlichen, innovativen Kunden betreffend der Anwendung oder Applikation des Produktes stellen aus Sicht des Herstellers eine komplementäre Kompetenz dar (vgl. Abschnitt 5.2). Das erste Handlungsfeld dieses Hauptkriteriums ist die Ermittlung der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzlücken. Dieser Schritt ist ähnlich wie die grundsätzliche strategische Ausrichtung zur Öffnung des Innovationsprozesses im Rahmen des gesamten Unternehmens, aber auf einem konkreteren Niveau. Eingebettet in die grundsätzliche Innovationsstrategie bedarf es nun eines Prozesses, welcher – auf dem Niveau der einzelnen Geschäftseinheit oder Abteilung – die eigenen Kernkompetenzen sowie Felder zur Zusammenarbeit mit Externen festlegt. Diese grundsätzliche Orientierung muss fortlaufend durchgeführt und innerhalb der Firma kommuniziert werden und bildet damit die Basis zur strategischen Entscheidung, einen Kunden zu integrieren. Ein zielführendes Instrument dafür ist die Aufstellung eines Technologieportfolios mit dessen Hilfe strategische Schwerpunkte bezüglich relevanter Technologiefelder des eigenen Unternehmens dargestellt werden. So können beispielsweise Firmen, bei denen eine Portfolioanalyse ergibt, dass der Grossteil der Produkte auf reifen Technologien basiert, gezielt externe Kompetenzen zur Entwicklung technologischer Innovationen in ihre Innovationsprozesse integrieren. Der Hersteller wählt dabei eine von zwei möglichen spezifischen Integrationsstrategien aus. Entweder er möchte sein Effektivität erhöhen, indem er Kunden zur Unterstützung bei wichtigen grundsätzlichen Entscheidungen integriert GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN 181 („effektivitätsfokussierte Integrationsstrategie“) oder er nutzt gezielt die Kompetenz und Ressource der Kunden und erhöht dadurch seine Effizienz („effizienzfokussierte Integrationsstrategie“). In den einzelnen Organisationseinheiten kann diese operative Integrationsstrategie darin resultieren, dass die Integration der Kunden in die Ziele der verantwortlichen Manager einfliesst. These 4: Im Rahmen einer Integrationsstrategie des Herstellers bezüglich früher Kundenintegration müssen die spezifischen Ziele des Herstellers und damit die Rolle des Kunden für die Integration festgelegt werden. Ergänzend zur Ermittlung der eigenen Fähigkeiten gilt es im zweiten Handlungsfeld, die Chancen und Anforderungen von aussen zu erkennen. Diese können einerseits durch allgemeine Entwicklungen bzw. Trends des Marktes und andererseits durch konkrete Anforderungen der Kunden entstehen. Instrumente der Technologiefrühaufklärung sowie solche zur Ermittlung von Kundenbedürfnissen dienen zur Sammlung relevanter Informationen. Mit institutionalisierter Technologiefrühaufklärung, beispielsweise durch ein Netz von Horchposten, werden heute von vielen Firmen aktiv Bestrebungen unternommen, aktuelle Trends und Technologien zu identifizieren. Dies stellt den ersten Schritt einer Öffnung nach aussen dar. Aufgrund der Einschätzung verschiedener Anspruchsgruppen im Markt können, für die strategische Stossrichtung, Suchfelder für technologische Entwicklungen in aktuellen, neuen sowie auch branchenfremden Märkten erstellt werden. Durch die Interaktion mit der Umwelt der Firma werden so Chancen, Potenziale und Gefahren identifiziert, welche aktuelle und zukünftige Märkte bergen. Ein Beispiel für den erfolgreichen Transfer einer neuen Technologie in ein bestehendes Serienprodukt stellt das revolutionäre, wie umstrittene, Fahrzeugbedienungskonzept iDrive der BMW AG dar. Über einen Horchposten im Silicon Valley gelangte die Kerntechnologie aus der HighTech-Medizinindustrie zur F&E-Zentrale nach München, wurde schliesslich zur Serienreife weiterentwickelt und im Jahre 2002 in der 7er-Modellreihe der Öffentlichkeit vorgestellt. 182 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Das dritte Handlungsfeld beinhaltet schliesslich den Abgleich der eigenen Fähigkeiten und Ressourcen mit den eigenen Zielen sowie den externen Notwendigkeiten und Anforderungen. Aus einem Beurteilungsprozess heraus fällt die Entscheidung, welche Innovationsprozesse mit oder ohne externe Beteiligung angestossen werden. Dabei handelt es sich – dem Charakter der Frühphase entsprechend – um Projekte, mit hoher Unsicherheit und mittel- bis langfristigen Rentabilitätsfristen. Das Erkennen der Notwendigkeit der Kundenintegration beruht also, als Ergebnis einer Gegenüberstellung der eigenen Fähigkeiten mit den sich bietenden Chancen, auf der rechtzeitigen und zielgerichteten Identifizierung eines Bedarfs. These 4a: Je sorgfältiger die Entscheidung zur Kundenintegration auf einer Integrationsstrategie, resultierend aus einer detaillierten Analyse der eigenen Kompetenzen sowie einer Identifikation möglicher Kooperationsfelder, basiert, desto besser sind die Erfolgsaussichten des darauf aufbauenden Kundenintegrationsprozesses. Klare Ergebnisfestlegung Nach der grundsätzlichen Entscheidung für die Kundenintegration folgt als zweites Hauptkriterium der ersten Phase die Klärung der Integrationsziele. Die durch die Integration verfolgten Ziele stellen einen wesentlichen Parameter für das Management des Kundenintegrationsprozesses dar. Kundenauswahl, Zeitpunkt der Einbindung sowie operative Zusammenarbeit werden entscheidend vom erwarteten Ergebnis beeinflusst. Aus den übergeordneten Strategien heraus entstehen zunächst spezifische Integrationsstrategien und schliesslich konkrete Ziele, welche der Hersteller mit der frühen Kundenintegration verfolgt. Dabei lassen sich vier wesentliche Ziele unterscheiden – die Trendidentifikation, die Innovationsverstärkung, die Spezifikationsausarbeitung und die Konzeptverfeinerung. Die Sammlung aller relevanten firmeninternen Daten und darauf aufbauend eine detaillierte Problembeschreibung bilden dabei das erste Handlungsfeld. Neben der Aufarbeitung der im Rahmen des Entscheidungsprozesses gesammelten Daten GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN 183 innerhalb der direkt mit der Kundenintegration betreuten Organisationseinheit, werden zu diesem Zeitpunkt auch die anderen von der Integration betroffenen Abteilungen eingebunden. Diese firmeninterne Zusammenarbeit (aufseiten des Herstellers) läuft von einer Vorankündigung des geplanten Projektes, über eine Abstimmung der Ziele und Suchstrategien, hin zur Abklärung des bereits vorhandenen Wissens über potenzielle Integrationspartner. Darüber hinaus können bereits erste Gespräche zur Klärung von Teilnehmern anderer Abteilungen im geplanten Integrationsprojekt stattfinden. Diese firmeninterne Datensammlung erfüllt auch die wesentliche Funktion der frühzeitigen Information der in den weiteren Schritten direkt betroffenen Abteilungen (z. B. des Key Account Managements). Das zweite Handlungsfeld wird durch die konkrete Erarbeitung der Integrationsziele gebildet. Nach der grundsätzlichen Festlegung auf einen Integrationstyp erfolgt basierend auf einer genauen Beschreibung des Problems, welches mithilfe der Kundenintegration gelöst werden soll, eine detaillierte Ausarbeitung der Integrationsziele. Basierend auf der im Entscheidungsprozess gefundenen Lücke erfolgt eine Konkretisierung des durch die Integration des Kunden erwarteten Beitrages. Schliesslich gilt es im letzten Handlungsfeld, die Integration der wichtigsten Stakeholder und die weiteren Prozessschritte vorzubereiten. Dazu gehört innerhalb des Unternehmens die Entwicklung eines Konzeptes für das weitere Vorgehen. Die Regelung der abteilungs- und firmeninternen Verantwortlichkeiten bildet dabei den Schwerpunkt. Als Vorbereitung auf die eigentliche Kundensuche kann ausserdem bereits eine erste Kontaktaufnahme mit potenziellen Partnern im Sinne erster unverbindlicher Vorgespräche stattfinden. Auch eine Analyse der Vorgeschichte potenziell zu integrierender Kunden sowie erste „Marketingaktivitäten“, um den Markt auf die bevorstehende frühe Kundenintegration vorzubereiten, können bereits durchgeführt werden. These 4b: Je genauer bei der Ergebnisfestlegung das spezifische Ziel des Herstellers berücksichtigt wird, desto grösser sind die Chancen einer erfolgreichen Zielerreichung im folgenden Kundenintegrationsprozess. 184 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Abbildung 36 fasst die Hauptkriterien und Handlungsfelder der Initiierungsphase zusammen. Schritt Hauptkriterien Handlungsfelder Initiierungsphase ¾ Strategische Analyse der eigenen Kompetenzen und Technologien Entscheidung zur Kundenintegration ¾ Erkennen von Chancen und Anforderungen ¾ Abgleich der Fähigkeiten und Anforderungen ¾ Detaillierte Problembeschreibung Ergebnisfestlegung ¾ Erarbeitung der Integrationsziele ¾ Integration der wichtigsten Stakeholder Abbildung 36: Handlungsfelder der Initiierungsphase Vorbereitungsphase Basierend auf den Kenntnissen der eigenen Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken können potenzielle Innovationspartner identifiziert werden, welche helfen, die strategischen Zielsetzungen zu verfolgen. Potenzielle Innovationspartner umfassen neben Kunden und Lieferanten auch komplementäre Partner und Wettbewerber (Stichwort Coopetition). Die wesentlichen Schritte dieser Phase sind Suche, Auswahl, Verhandlungen und Vertragsabschluss. Es wird also primär die Frage beantwortet, wer integriert werden soll. Hauptkriterium Kundenauswahl Das Ziel der Integration und damit der Zeitpunkt der Integration und die Rolle des Kunden stehen zu diesem Zeitpunkt des Kundenintegrationsprozesses bereits fest. Es gilt daher jetzt, geeignete Mechanismen zur konkreten Suche potenziell geeigneter Kunden festzulegen. Neben den rollenspezifischen Selektionskriterien, GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN 185 welche engen Bezug auf die jeweiligen Rollencharakteristika nehmen müssen, spielt auch die grundsätzliche Übereinstimmung auf strategischer und kultureller Ebene eine wesentliche Rolle. These 5: Die Rolle des Kunden hat entscheidenden Einfluss auf die Kundenauswahl sowie die operative Gestaltung der frühen Kundenintegration. Erstes Handlungsfeld dieser Phase ist die Entwicklung einer Suchstrategie und geeigneter Selektionskriterien zum Auffinden potenzieller Kunden. Dabei ist zunächst die grundlegende Frage zu klären, welche Kunden für die Integration in die Innovationsfrühphase prinzipiell infrage kommen. Zunächst muss der Kunde ein der ihm zugedachten Rolle entsprechendes Kompetenzprofil aufweisen. Das bedeutet beispielsweise, dass ein Selektor in der Lage sein muss, Aussagen über zukünftige Entwicklungen in relevanten Märkten zu machen. Er muss also über eine gewisse „Szenarienkompetenz“ verfügen, eine Eigenschaft, welche von der Grösse und der Branche abhängt und nicht immer gleich stark ausgeprägt sein wird. Generell manifestiert sich der Einfluss des Kunden bezüglich der Wirksamkeit der von ihm bekleideten Rollen im Rahmen einer Integration durch den Hersteller in seiner Innovationsbereitschaft, finanziellen Potenz sowie seiner Prognosefähigkeit für segmentspezifische zukünftige Bedürfnisse (Brockhoff 2002). Neben der Suchstrategie und dem Kompetenzprofil des Kunden gilt es auch, Aspekte des Umfelds zu berücksichtigen. So spielt die Marktsituation, in welcher die Integration stattfindet eine Rolle. Die SIG Combibloc z. B hat durch die grosse Konzentration bei Grossserien-Fruchtsaftabfüllern nur wenige Kunden zur Verfügung, welche überhaupt für eine Integration infrage kommen. Eine Rolle spielen auch eventuelle Konkurrenzsituationen unter den Kunden, vor allem, wenn diese durch das Produkt des Herstellers beeinflusst werden. Im Falle von Hilti treten derartige Bedenken nicht auf, da die Produkte prinzipiell nicht mit Exklusivrechten vertrieben werden und daher keine Baufirma sich durch eine neue Hilti-Maschine einen nachhaltigen Wettbewerbsvorsprung sichern kann. Zumtobel Staff gibt sich selbst strategische Zielgrössen vor, welche „Stararchitekten“ in welcher Region wie stark integriert sein sollen. Hinter diesen 186 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Vorgaben stehen konkret festgelegte Kriterien, anhand derer potenzielle Integrationspartnern ausgewählt werden. Oft spielen persönliche Bekanntschaften und Mundpropaganda eine wesentliche Rolle. Auch die vergangenen Erfahrungen, welche man mit einem Kunden gesammelt hat, fliessen in die Auswahlkriterien mit ein. Dabei gilt es zur Sammlung des innerhalb der Firma vorhandenen, relevanten Wissens über die jeweilige Kundenzielgruppe mit den anderen betroffenen Abteilungen zusammenzuarbeiten (Wer kennt die Kunden und kann Aussagen über ihre Eignung zur Integration Auskunft geben?). Der Erstkontakt mit potenziellen Partnern kann über klassische Kanäle des Kundenkontaktes (z. B. Marketing, Verkauf, Key Account Management) erfolgen bzw. müssen diese Abteilungen immer über jeden direkten Kontakt zwischen F&E- bzw. Spezialabteilungen und den Kunden informiert und in etwaige Entscheidungen eingebunden werden. Die Partnerselektion kann aufgrund eines ausgearbeiteten Kriterienkataloges erfolgen, wobei persönliche Kontakte oftmals die ausschlaggebenden Faktoren für die Wahl eines geeigneten Partners darstellen. Zweites Handlungsfeld ist der eigentliche Kundensuchprozess. Die Durchführung einer systematischen Suche unter Einbeziehung verschiedener Kanäle und Abteilungen beinhaltet die Feststellung der Fähigkeiten der infrage kommenden Kunden sowie eine erste Vorauswahl anhand der erarbeiteten Selektionskriterien. In vielen Fällen ist dies kein isolierter, einmaliger Prozess, sondern das Umfeld wird im Rahmen der täglichen Aktivitäten praktisch permanent nach potenziellen Partnern abgesucht. Es ist vorteilhaft, ein Portfolio von möglichen Kooperationspartnern zu pflegen, da die Einbindung verschiedener Partner in verschiedenen Rollen zu den grössten Hebeleffekten zur Steigerung der Innovationskraft führt. Eine durch einen systematischen Prozess aufgebaute Partnerschaftskompetenz ermöglicht es, bei Bedarf spontan auf einen Partner zurückzugreifen, ohne zuerst den Partner selektieren und die Partnerschaft aufbauen zu müssen. Das dritte Handlungsfeld bildet schliesslich die Selektion potenzieller Integrationspartner. Dabei passiert, nach einer Abklärung des prinzipiellen Interesses vonseiten der Kunden, die eigentliche Auswahl der potenziellen Integrationspartner in bilateralen Gesprächen. GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN 187 These 5a: Je mehr die Rolle des Kunden bei der Kundenauswahl, in Form von entsprechenden Suchstrategien und Selektionskriterien, berücksichtigt wird, desto zielgerichteter kann diese erfolgen und desto grösser ist die Chance geeignete Kunden zu finden. Hauptkriterium Vertragsabschluss Im nächsten Schritt kommt es zur Verhandlung mit den selektierten Kunden. In dieser Verhandlungsphase erfolgt die endgültige Auswahl aus einer kleinen Gruppe von möglichen Integrationspartnern. Dabei spielen neben den Fähigkeiten der Kunden und ihrer zeitlichen und räumlichen Verfügbarkeit auch ihre Erwartungen sowohl hinsichtlich der Innovationsziele als auch in Bezug auf eine eventuelle Vergütung eine Rolle. Der Aufbau der Partnerschaft beinhaltet in erster Linie vertragliche Abstimmungen bezüglich der gemeinsamen Zielsetzung und Rahmenbedingungen der Integration. Die Festlegung der gemeinsamen Integrationsziele bildet das zweite wichtige Handlungsfeld. Fällt der Entschluss, die eigenen Kompetenzen mit dem selektierten Kunden zu stärken oder zu ergänzen, muss die rechtliche Ausgestaltung der Integration geregelt werden. Ein wesentliches Gestaltungsthema ist dabei die Klärung der Rechte am geistigen Eigentum (Intellectual Property IP). Unter den Begriff des geistigen Eigentums ist in diesem Zusammenhang der gemeinsame Wissensausstoss der frühen Kundenintegration zu verstehen. Die grosse Herausforderung bei gemeinsamen Innovationsvorhaben besteht diesbezüglich darin, dass die Aufteilung von Ertrag und Nutzen aus der Kooperation festgelegt werden muss, bevor deren eigentliche Grösse bekannt ist. Solche Regelungen beinhalten vor allem Fragestellungen, welche in den Bereich des Intellectual Property Managements fallen. Nicht immer wird man im Fall der frühen Kundenintegration mit den herkömmlichen Ansätzen zur Intellectual Property Regelung das Auslangen finden, da es sich dabei im Gegensatz zu einer klassischen F&E-Kooperation um die neue Form eines offenen Innovationsprozesses handelt. Manche Autoren sehen daher die Notwendigkeit, neue Mechanismen zu entwickeln, um in solchen gemeinsamen Innovationsvorhaben die ökonomische Renten mit den Kunden zu teilen (z. B. Nambisan 2002). 188 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Neben der klaren Regelung des geistigen Eigentums ist aber auch die gemeinsame Definition von Exit-Strategien von zentraler Bedeutung. Diese sollten von den Innovationspartnern nicht als Ausdruck von Misstrauen, sondern im Gegenteil als vertrauensbildende Massnahme verstanden werden. Nur auf der Grundlage klarer Positionen und geringer Unsicherheit kann das für eine erfolgreiche Integration notwendige Vertrauen aufgebaut werden. Der Hersteller muss am Ende der Verhandlungen einen Abgleich seiner in der Initiierungsphase aufgestellten Ziele mit den Verhandlungsergebnissen, d. h. den gemeinsamen Zielen durchführen. Danach erfolgt der Abschluss des Vertrages bzw. der Vereinbarung. In vielen Fällen kommt es gar nicht zu einem schriftlichen Vertrag mit detaillierter Ausarbeitung der wesentlichen Punkte der Integration sowie der Verwertung der Ergebnisse. Es genügt oft eine kurze einseitige Vereinbarung über Stillschweigen betreffend der Ergebnisse der im Rahmen der Integration durchgeführten Treffen. In vielen Fällen liegt auch schon eine persönliche Bekanntschaft und damit ein Vertrauensverhältnis vor, welches den Abschluss von umfangreichen schriftlichen Vereinbarungen unnötig macht. In manchen Märkten bzw. Branchen, beispielsweise der Raumfahrtindustrie, sind allerdings ausführliche Vertragswerke, oft im Zuge von Ausschreibungen öffentlicher Institutionen, vorgeschrieben und unerlässlich. These 5b: Je sorgfältiger beim Vertragsabschluss die gemeinsame Zielfindung durchgeführt sowie die Fragen des geistigen Eigentums geklärt werden, desto geringer ist das Konfliktpotenzial und desto höher die Erfolgswahrscheinlichkeit der interaktiven Zusammenarbeit. Die wesentlichen Kernpunkte der Vorbereitungsphase fasst Abbildung 37 zusammen. GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN Schritt Hauptkriterien 189 Handlungsfelder Vorbereitungsphase ¾ Entwicklung Suchstrategie und Selektionskriterien Kundenauswahl ¾ Kundensuchprozess ¾ Selektion potenzieller Integrationspartner ¾ Verhandlung mit selektierten Kunden Vertragsabschluss ¾ Festlegung der gemeinsamen Integrationsziele ¾ Klärung der Rechte am geistigen Eigentum Abbildung 37: Handlungsfelder der Vorbereitungsphase Realisierungsphase Im dritten Schritt wird die Partnerschaft schliesslich umgesetzt. In den beiden als relevant identifizierten Gestaltungsfeldern werden anhand der jeweiligen Gestaltungsfaktoren die Organisation und der Ablauf festgelegt. Damit werden die Ergebnisse erzielt und integriert. Durch das Finden der passenden Form der Zusammenarbeit sowie das Aufsetzen und Führen des eigentlichen Integrationsprozesses wird die Frage nach dem „Wie“ der frühen Kundenintegration beantwortet. These 6: Die für den Erfolg notwendige rollenspezifische Organisation der frühen Kundenintegration wird auf der operativen Ebene durch die Ausprägung der Gestaltungsfaktoren in den beiden Gestaltungsfeldern Integrationsstruktur und Interaktionsprozess bestimmt. 190 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Operative Gestaltung und Durchführung Gestaltungsfeld Integrationsstruktur Das Konstrukt der Integrationsstruktur steht für die strukturellen Aspekte der frühen Kundenintegration. Im Mittelpunkt steht hier die eigentliche operative Organisation (Wie organisiert?), während es beim Interaktionsprozess der Ablauf und soziale Aspekte sind. Es wird die Einbindung der ausgewählten Kunden in die internen Abläufe des Herstellers behandelt. Dabei verlangen verschiedene Kundenrollen unterschiedliche Anbindungsarten und damit unterschiedliche Integrations- und Koordinationsmechanismen. Im Folgenden werden für die identifizierten Gestaltungsfaktoren Verbindungsstärke, zeitliche Struktur, Ort der Interaktion und der Zahl der Kunden jeweils allgemeine sowie rollenspezifische Gestaltungsempfehlungen entwickelt. Verbindungsstärke Zur Erzielung einer situativ passenden Integrationsstruktur muss die Verbindungsstärke, oder auch Intensität der Kundenintegration, an die jeweilige Situation sowie den erwarteten Kundenbeitrag und damit die spezifische Kundenrolle angepasst sein. Je passender die Integrationsstruktur der frühen Kundenintegration ausgeführt ist und je flexibler sie an neue Situationen angepasst werden kann, desto erfolgreicher kann die Integration ablaufen. Ziel ist daher, keine möglichst hohe, sondern eine der jeweiligen Situation adäquate Verbindungsstärke. Gruner (1997) hat darauf hingewiesen, dass aufgrund der Form der Kundenintegration nicht notwendigerweise eine Assoziation mit der Intensität der Zusammenarbeit gegeben sein muss. So sind zwar bei Betrachtung der Integrationsform Tendenzaussagen zur Einbindungsintensität möglich, gleichzeitig sind aber sehr wohl innerhalb einer Form deutlich unterschiedliche Intensitäten denkbar. Im Folgenden wird daher gezeigt, womit die Verbindungsstärke generell beeinflusst werden kann. Die danach angeführten rollenspezifischen Unterschiede sollen als prototypische Richtlinien gelten, wobei es in der Praxis situativ zu anderen Grössenverhältnissen kommen kann. Wie in Abschnitt 4.2.1 gezeigt worden ist, liegen die Mittel zur Erzielung einer grösseren Verbindungsstärke in der Erhöhung der Häufigkeit der Kontakte, einer zeitlich andauernden räumlichen Integration des Kunden oder in der Schaffung spezieller Rollen bzw. Organisationseinheiten beim Hersteller. Die notwendige Stärke der Verbindung zwischen Hersteller und integriertem Kunden hängt von der Komplexität der Aufgabe des Kunden und von der zeitlichen Dringlichkeit ab. Je GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN 191 zeitkritischer eine Aufgabe ist, desto stärker muss die Anbindung des Kunden ausfallen. Auch eine höhere Komplexität oder Spezifität der Aufgabe verlangt nach einem höheren Grad an Ankopplung. Dies bedeutet, dass die Rollen des Spezialisten, des Spezifikators und des Selektors eine grössere Verbindungsstärke verlangen als die des Sensors. Sowohl der Spezialist als auch der Spezifikator zeichnen sich durch eine hohe Spezifität bzw. Komplexität der an sie gerichteten Anforderungen aus. Zusätzlich spielen beide eine wesentliche Rolle bei der Erreichung der oft zeitkritischen Ziele der Ideengenerierungsphase. Bei der Phase der Identifizierung von Gelegenheiten ist kein so strikter Zeitplan zu erwarten. Für das Selektieren und Verfeinern der Konzepte am Ende der Frühphase gilt aber sehr wohl wieder ein strafferer Zeitplan. Diese Phase vermischt sich oft auch schon mit dem Beginn des eigentlichen Neuproduktentwicklungsprozesses, welcher prinzipiell durch ein strengeres Zeitregime gekennzeichnet ist. Struktur ist, wie bereits oben erwähnt, neben der Kultur ein weiteres zentrales Ordnungselement. Die operative strukturelle Verankerung kann auch im Hinblick auf die Verbindungsstärke eingesetzt werden. Dies geschieht durch eine eindeutige Regelung der mit der Integration verbundenen Aufgaben, der Verantwortlichkeiten und der Ressourcenzuteilung. So ist die Verbindungsstärke zu den integrierten Kunden im Falle einer eigenen organisatorischen Einheit aufgrund der damit verbunden personellen Ressourcen und des speziellen kundenorientierten Fokus höher, als wenn die Integration in das Aufgabenportfolio einer bereits bestehenden Position integriert wird. Dieses Gestaltungselement stellt sicher, dass die Verbindung zwischen den internen Organisationseinheiten und den integrierten Kunden formell etabliert und aufrechterhalten wird. Drüber hinaus wird dadurch auch die Kanalisierung der Kundenbeiträge zu den richtigen Personen bzw. Abteilungen innerhalb der Organisation des Herstellers gewährleistet. Man kann die Aufgabe einer derartigen eigenen Einheit als die Funktion eines „Integrators“ betrachten. Dabei kann eine derartige Aufgabe sowohl für die drei Rollen mit hoher Verbindungsstärke – nämlich Spezialist, Spezifikator und Selektor – als auch für die verbleibende Rolle des Sensors eingerichtet werden. Letztere verlangt zwar nicht notwendigerweise intensive längerfristige Betreuung, aber es kommt für die jeweiligen Aufgabenstellungen zu punktuellen Kontakten mit verschiedenen Kunden. Daher spielen in diesen Fällen, zusätzlich zu den Kernaufgaben eines Innovationspartners, auch die Verkörperung der Kontinuität und die Pflege der Integrationskompetenz noch wesentliche Rollen. 192 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Eine eigene Organisationseinheit zur Kundenintegration innerhalb der F&EAbteilung oder des Marketings stellt die stärkste Manifestation der Öffnung des Innovationsprozesses für Kunden dar und bietet die besten Voraussetzungen für eine hohe Verbindungsintensität. Dabei muss eine derartige Institution allerdings nicht automatisch eine permanent hohe Verbindungsstärke bedeuten, da diese, wie im Folgenden gezeigt wird, auch eine wesentliche zeitliche Komponente aufweist. Zeitliche Struktur Die zeitliche Struktur muss an das Ziel und damit die Rolle angepasst werden, da sie von den Aufgabenstellungen nicht zu trennen ist. So bedarf die gemeinsame Erarbeitung einer Innovation eine längerfristige enge Zusammenarbeit, welche mit punktuellen Interaktionen nicht machbar wäre. Derartige singuläre Kontakte können aber für einen gezielten Input bzw. die fokussierte Behandlung eines Teilaspektes zu einem bestimmten Zeitpunkt der Innovationsfrühphase durchaus zielführend sein. Prinzipiell wird die zeitliche Struktur durch die Häufigkeit und die Dauer der einzelnen Intervalle bestimmt. Der Hersteller kann also die Zahl der Treffen beispielsweise im Verlauf eines Jahres sowie die Dauer der einzelnen Treffen und damit das Zeitmuster der Interaktion festlegen. Während die Rollen des Sensors und des Selektors meistens durch punktuelle Interaktionen charakterisiert sind, tritt bei den beiden anderen Rollen häufig eine temporäre Interaktion in Form einer Zusammenarbeit über einen längeren Zeitraum auf. Sowohl die Innovationsverstärkung des Spezialisten als auch die Spezifikationsausarbeitung des Spezifikators verlangen einen regen persönlichen Austausch zwischen den Vertretern des Kunden und den zuständigen Spezialisten des Herstellers. Nur dadurch ist es möglich, dass jede Seite ihr Spezialwissen (beim Spezialisten dominierend implizit, beim Spezifikator auch explizit möglich) einbringt und durch Kombination etwas innovatives Neues entsteht. Ausserdem gibt es in beiden Fällen prinzipiell nur wenige potenzielle Integrationspartner, welche daher besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Generell liegt es für alle Rollen der frühen Kundenintegration im beiderseitigen Interesse, im Sinne konstanter Geschäftsbeziehungen ein Netz verlässlicher Partner aufzubauen. Diese grundsätzlich langfristige Orientierung unterscheidet die frühe Kundenintegration von den anderen – vor allem im Konsumgüterbereich angewendeten – Formen der Kundeneinbindung. Es zeigt sich allerdings gerade GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN 193 auch in B-2-C-Märkten ein verstärkter Trend in Richtung des Aufbaus langfristiger Kundencommmunities.33 Im vorgegebenen Rahmen der durch die Rollen vorgegebenen Notwendigkeiten kann der Hersteller aber jederzeit steuernd bezüglich der zeitlichen Struktur eingreifen. Falls eine Erhöhung der Frequenz und damit der Verbindungsstärke notwendig erscheint, können persönliche Zwischentreffen einberufen werden oder die Frequenz der geplanten Meetings bzw. Meilensteine erhöht werden. Zahl der Kunden Die Zahl der Kunden, welche am Integrationsprozess teilnehmen, kann prinzipiell aus zwei Blickrichtungen betrachtet werden. Zunächst als Zahl der Kundenteilnehmer bei einem einzelnen Interaktionsevent (z. B. Workshop), also ein einzelner Kunde oder einer Kundengruppe und zweitens als Zahl der verschiedenen Kundenfirmen im Laufe des gesamten Innovationsprojektes. Beide Parameter müssen an die jeweilige Situation angepasst werden. Die Frage der Zahl der Kundenvertreter pro Treffen hängt primär von der jeweiligen Aufgabe ab. Sind spezielle Kompetenzen vonseiten des Kunden gefragt, welche eine Einzelperson alleine nicht abdecken kann bzw. ist eine grosse Anzahl verschiedener Meinungen und Erfahrungen notwendig, dann ist es vorteilhaft, wenn der Hersteller verschiedene Teilnehmer aus dem Kreis des integrierten Kundenunternehmens einlädt. Es ist auch vorstellbar, dass für gewisse Teilschritte die jeweils passenden Spezialisten bzw. Know-how-Träger eines Kundenunternehmens eingebunden werden. In vielen Fällen der frühen Kundenintegration wird eine Situation vorliegen, in welcher es vorteilhaft wäre, mehrere Kunden zu involvieren, dies aber aufgrund anderer Beschränkungen nicht möglich ist. So können beispielsweise die Verfügbarkeit der Personen, ein zu geringer Pool an potenziellen kompetenten Kandidaten, Motivationsprobleme oder der grösser werdende bürokratische Aufwand beschränkenden Einfluss auf die Zahl der tatsächlich integrierten Kunden ausüben. Auch bezüglich der Einbindung mehrerer Kundenunternehmen im Verlauf eines Innovationsvorhabens existieren externe Faktoren, welche die Entscheidung entscheidend beeinflussen. Zunächst die einfache Fragestellung, ob es mehrere Unternehmen gibt, welche den Selektionskriterien genügen. Ausserdem spielt auch eine eventuelle Konkurrenzsituation unter den Kunden eine Rolle. Dies gilt vor allem dann, wenn jene durch das Produkt des Herstellers beeinflusst wird. Nur 33 Für Beispiele aktueller Entwicklungen der Kundeneinbindung im B-2-C-Sektor siehe Abschnitt 7.2. 194 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION wenn die behandelten Fragestellungen entweder präkompetitiv gestellt werden oder aber die Produkte des Herstellers uneingeschränkt am Markt verfügbar sind und damit keinen nachhaltigen Differenzierungsvorteil gegenüber der Konkurrenz bieten, können konkurrierende Kundenunternehmen gleichzeitig eingeladen werden. Andererseits kann eine Gruppe in der verschiedene Kundenunternehmen vertreten sind auch ein grosser Anreiz für das einzelne Kundenunternehmen sein, überhaupt an der Integration teilzunehmen. Ein Austausch mit anderen Unternehmen, sowohl der eigenen, aber auch einer fremden Branche, wird von vielen Unternehmen als grosse Chance erkannt und eröffnet grosse Innovationspotenziale. Der Hersteller kann in solchen Fällen die Rolle eines Katalysators einnehmen, welcher seinerseits ebenfalls vom Ergebnis der Diskussionen bzw. Workshops profitiert. Bayer MaterialScience geht sogar soweit, „neutrale“ Workshops zu veranstalten, bei denen die Identität des Auftraggebers nicht kommuniziert wird und die von neutralen Dritten an neutralen Orten organisiert werden. Auch wenn sich keine generell gültigen Aussagen bezüglich einer optimalen Anzahl an integrierten Kunden für die einzelnen Kundenrollen machen lassen, so gelten doch die folgenden grundsätzlichen Überlegungen. Für die Rolle des Sensors und des Selektors ist es prinzipiell vorstellbar, mehrere Kundenunternehmen einzuladen, falls dies aus Konkurrenzgründen möglich ist. Die Entwicklung oder Diskussion von Szenarien wie auch die Verfeinerung von Konzepten verlangen prinzipiell ein kreatives Umfeld, für welches eine Vielzahl von Kompetenzen und Erfahrungswerten vorteilhaft ist. Für die Rollen des Spezialisten und des Spezifikators hingegen erscheint eine Einbindung verschiedener Kundenunternehmen für ein Innovationsprojekt nicht zweckmässig. Für alle vier Rollen hingegen gilt, dass mehrere Vertreter eines einzelnen Kundenunternehmens einem einzelnen Vertreter vorzuziehen sind und soweit wie möglich zu integrieren sind. Ort der Interaktion Die Interaktion kann räumlich betrachtet beim Hersteller, beim Kunden (Spezialfall in der Anwendungsumgebung) oder an einem neutralen dritten Ort stattfinden (vgl. z. B. Lettl 2004). Dabei bringt jeder einzelne dieser drei Orte eigene Vorteile mit sich. Die Durchführung beim Hersteller führt dazu, dass der Kunde die Gegebenheiten und Abläufe des Herstellers direkt erfahren und dadurch besser verstehen kann. Darüber hinaus liegt in der Einladung zum Hersteller eine Wertschätzung, welche nicht GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN 195 jedem Kunden zuteil kommt und zur Motivation verwendet werden kann. Der Standort des Kunden bringt vor allem Vorteile für den Hersteller, welcher Einblicke in die Abläufe des Kunden erhält. Dadurch können eventuell Rückschlüsse auf Bedürfnisse oder Hinweise auf weiteren Innovationsbedarf gewonnen werden. Eine spezielle Form stellt der direkte Ort der Anwendung eines Konzeptes oder frühen Prototyps oder auch eines bestehenden Produktes des Herstellers dar. Dadurch wird der Verwendungszusammenhang deutlich und etwaiges Verbesserungspotenzial tritt klarer zutage. Bezüglich der Interaktionsorte der einzelnen Kundenrollen zeigt sich, dass der Standort des Herstellers immer eine grundsätzliche Option darstellt. Die Trendidentifikation gemeinsam mit Kunden als Sensoren kann daneben zweckmässigerweise auch noch an einem neutralen Ort stattfinden. Dies ermöglicht eine gewisse Unabhängigkeit vom Hersteller und dadurch möglicherweise ein grösseres Potenzial für unverfälschte Beiträge und Meinungsäusserungen der Kunden. Beispiel hierfür sind Workshops in Hotels oder Veranstaltungszentren, möglicherweise unter Leitung eines neutralen Moderators. Für die Rolle des Spezialisten empfiehlt sich neben dem Herstellerstandort eventuell eine parallele gleichzeitige oder zeitversetzte Bearbeitung beim Kunden. So können Phasen persönlicher Treffen mit solchen abwechseln, bei denen jeder Partner seine spezifischen Kompetenzen in seiner eigenen Arbeitsumgebung einsetzt. Für die Konzeptverfeinerung, welche im Rahmen der Selektorrolle angestrebt wird, empfiehlt es sich, bereits funktionsfähige Konzepte direkt im Anwendungszusammenhang zu erproben und an Ort und Stelle über Verbesserungsmöglichkeiten zu diskutieren. Die Entscheidung über die beste Lokalität für das jeweilige Integrationstreffen muss im Verlauf eines Projektes immer wieder neu abgewogen werden und kann je nach Situation durchaus variieren. These 6a: Für eine erfolgreiche operative Gestaltung und Durchführung muss die Integrationsstruktur der frühen Kundenintegration mittels der Faktoren (1) Verbindungsstärke, (2) zeitliche Struktur, (3) Zahl der Kunden und (4) Ort der Interaktion an die Rolle des Kunden sowie die spezifische Situation angepasst werden. 196 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Gestaltungsfeld Interaktionsprozess In Ergänzung der Integrationsstruktur behandelt der Interaktionsprozess den Ablauf und die sozialen Aspekte der frühen Kundenintegration. Die dafür identifizierten Gestaltungsfaktoren der Prozess- und Rollentransparenz, des kulturellen Fits, der Wissensgenerierung und der Kundenmotivation werden nun zur Aufstellung von konkreten Handlungsempfehlungen herangezogen und daraus Thesen für das Konstrukt Interaktionsprozess abgeleitet. Prozess- und Rollentransparenz Im Einklang mit dem Gedanken der offenen Innovation ist die Transparenz des Integrationsprozesses und der jeweiligen Kundenrolle als notwendige Voraussetzung zu betrachten. Mittel des Herstellers, diese Transparenz zu erhöhen, liegen primär in einer offenen gegenseitig verständlichen Kommunikation (vgl. z. B. Brockhoff 1998). So kann der Hersteller beispielsweise spezielle Kundenrollen einführen, kommunizieren sowie die jeweils damit verbundenen Erwartungen deutlich hervorheben. Auch Darstellungen und Erklärungen des Innovationsprozesses des Herstellers für den Kunden fallen unter diese Kategorie. Sowohl die Prozess- als auch die Rollentransparenz sollen im Rahmen früher Kundenintegration so hoch wie möglich ausgeprägt sein. Hohe Transparenz ist immer auch ein Zeichen funktionierender Kommunikation und entspricht dem zugrunde liegenden Gedanken der notwendigen Öffnung des Innovationsprozesses. Gerade für die beiden durch intensive Interaktion geprägten Rollen Spezialist und Spezifikator nimmt eine hohe Prozess- und Rollentransparenz eine überragende Stellung ein. Diese beiden speziellen Formen der Zusammenarbeit können nur funktionieren, wenn der integrierte Kunde ein klares Verständnis seiner Rolle sowie der wesentlichen Parameter des Innovationsprozesses des Herstellers hat, in welchen er eingebunden ist. Die beiden anderen Rollen, welche typischerweise vor allem punktuelle Integrationsmuster beinhalten, profitieren ebenfalls von einer hohen Transparenz, sind gegenüber mangelnder Transparenz jedoch nicht im gleichen Masse empfindlich. Die hohe Bedeutung der Transparenz begründet das Bestreben des Herstellers nach dauerhaften, langfristigen Beziehungen zu seinen innovativen Kunden. Im Idealfall bringt der Kunde einerseits ein Verständnis der Abläufe beim Hersteller mit und andererseits besteht durch die lange Zusammenarbeit bereits ein GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN 197 Vertrauensverhältnis als wesentliche Grundlage der für Transparenz grundsätzlich notwendigen Offenheit. Kultureller Fit Eng verwandt mit der Transparenz, steht beim kulturellen Fit bzw. der kognitiven Kompatibilität der Aufbau eines gemeinsamen Verständnisses der für das Innovationsvorhaben wesentlichen Grundlagen im Mittelpunkt. Nur wenn alle teilnehmenden Partner eine gemeinsame gedankliche Grundlage aufweisen, können die Beiträge optimal fokussiert und die Effizienz des Integrationsprozesses dadurch erhöht werden. Ein häufiger und expliziter Austausch der relevanten Prozess- und Projektinformationen im Rahmen der frühen Kundenintegration ist ein Mittel um einen guten kulturellen Fit zu erreichen. Auch muss früh eine Kommunikationskultur entwickelt werden, welche den Anforderungen der Integration entspricht. Die Basis für ein derartiges gemeinsames Verständnis wird schon bei der Kundenauswahl gelegt. Der Hersteller muss bereits bei der Selektion der Kunden darauf Wert legen, dass die prinzipiellen Voraussetzungen für gemeinsame mentale Modelle vorhanden sind. Dies bedeutet nicht, dass komplette Übereinstimmung und Harmonie zwischen den Firmenkulturen und den persönlichen Vertretern beider Seiten herrschen muss. Gewisse Unterschiede im Sinne von Reibflächen können sich gerade bei kreativen Prozessen als hilfreich erweisen. Eine grundsätzliche gemeinsame Wertebasis muss aber vorhanden sein, um effizientes, interaktives Arbeiten zu ermöglichen. Gerade im B-2-B-Umfeld spielen daher persönliche Beziehungen und Erfahrungen eine wesentliche Rolle. Die mit der Kundenselektion betrauten Vertreter des Herstellers haben meistens persönliche Einschätzungen betreffend ihrer infrage kommenden Kunden oder können auf solche zurückgreifen. Auch beim kulturellen Fit zeigt sich eine prinzipielle Aufteilung der Rollen in zwei Gruppen. Während die Übereinstimmung beim Spezialisten und Spezifikator aufgrund der engen längerfristigen Zusammenarbeit besonders wichtig ist, können Kunden in den Rollen eines Selektors und vor allem eines Sensors auch bei nicht so hoher kognitiver Kompatibilität erfolgreich integriert werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein grundsätzliches gemeinsames Verständnis der Ziele, Prozesse und Modelle nicht auch bei diesen Rollen hilfreich und notwendig ist. Aufgrund der Aufgabenstellung und des meistens nur punktuellen Kontaktes ist es aber oft nicht möglich und zielführend, aktiv an wirklich tief gehenden gemeinsamen geistigen Modellen zu arbeiten. 198 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Wissensgenerierung Im Umfeld der frühen Innovationsphase sind die integrierten Kunden dazu aufgerufen, durch die Integration ihres Wissens über bestehende Produkte oder Technologien sowie Erfahrung mit deren Benutzung neues Wissen zu generieren. Die vorherrschende Art der Wissensgenerierung im Rahmen der frühen Kundenintegration ist dabei die Konvertierung. Diese passiert als grundsätzlicher Mechanismus bei allen vier Rollen. Eine dominierende Rolle spielt sie beim Selektor, wo das implizite Wissen des Kunden im Zuge der Diskussionen zur Konzeptverfeinerung durch Externalisation in explizites Wissen (z. B. konkrete Optimierungslösungen) umgewandelt wird. Ein derartiger Mechanismus tritt mehr oder weniger stark auch bei den anderen Rollen auf, wobei er jedoch dort durch andere Arten der Wissensgenerierung überlagert wird. So tritt bei den Sensoren und Spezifikatoren oft auch noch eine Konvertierung durch Kombination auf. Beim Spezifikator kann es durchaus passieren, dass sowohl der Hersteller als auch der Kunde bereits explizites Wissen (z. B. in Form von technischen Daten oder Spezifikationsentwürfen) in die gemeinsamen Innovationstreffen einbringen, dieses als Diskussionsgrundlage verwendet und neues Wissen (Innovation) daraus generiert wird. Ähnliches gilt für den Sensor, wenn man beispielsweise an fertige Szenarien beider Seiten denkt, welche abgeglichen werden bzw. aus denen Technologieroadmaps entwickelt werden können. Bei der Rolle des Spezialisten tritt zusätzlich zur Konvertierung durch Externalisation auch noch der Prozess der Wissensakquisition auf. Dies bedeutet, dass spezielles komplementäres Fachwissen des Kunden direkt durch den Hersteller aufgenommen werden kann, um in Ergänzung zu dessen eigenen Kompetenzen das Innovationspotential zu erhöhen. Daraus ergeben sich folgende Implikationen für die konkrete Gestaltung der frühen Kundenintegration. Das für den jeweiligen Wissensgenerierungsprozess notwendige Umfeld muss gestaltet werden. Dazu ist es notwendig, dass die Verantwortlichen Mitarbeiter des Herstellers über die jeweils dominierenden Mechanismen Bescheid wissen, um entsprechende Massnahmen ergreifen zu können. So gilt es, neben der Schaffung eines offenen austauschfreundlichen Umfeldes, beispielsweise Moderatoren einzusetzen, welche den Konvertierungsprozess (und die oft mühsamen und langwierigen Diskussionen davor) lenken und strukturieren können. Auch muss dafür gesorgt werden, dass Instrumente zur Verfügung stehen, implizites Wissen zu visualisieren (angefangen bei einfachen Wandtafeln bis hin zu komplexen Darstellungs- und Kreativitätsmethoden) und neu entstandenes (meist explizites) Wissen mit möglichst geringem Aufwand gespeichert, dokumentiert und verteilt werden kann. In Fällen, wo bereits explizites Wissen von einer oder beiden GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN 199 Seiten vorliegt, muss es möglich sein, dieses (evtl. schon vorab) darzustellen bzw. aufzubereiten, um ein möglichst einheitliches Grundverständnis am Beginn des Innovationstreffens sicherzustellen. Unternehmen können die Fähigkeit ihrer Kunden, an der Wissensgenerierung teilzunehmen, zusätzlich durch eine Erhöhung des Kundenwissens über Produkte und Technologien, deren potenzielle Benutzung sowie mögliche komplementäre Produkte erhöhen (Nambisan, Agarwal et al. 1999). Ein derartig gesteigertes Produkt- bzw. Technologiebewusstsein wird die Grenzen der kognitiven Prozesse des Kunden erweitern und kreative, innovative Ideen auslösen (vgl. Leonard-Barton 1995). Kundenmotivation Eine wesentliche Voraussetzung erfolgreicher Interaktion mit integrierten Kunden stellt die Kundenmotivation dar. Der Hersteller muss die zugrunde liegenden prinzipiellen Antriebe kennen, welche einen Kunden dazu motivieren, interaktiv an seinem innovationsorientierten Wertschöpfungsprozess teilzunehmen. Grundsätzlich gilt es dabei, die beiden Gestaltungsfaktoren der Art des Kundenvorteils und des Motivationstyps zu unterscheiden (vgl. Tab. 4 und Tab. 8). Basierend auf einem grundlegenden Verständnis dieser Aspekte, kann der Hersteller die Umgebung und den Prozess der frühen Kundenintegration attraktiv für die Kunden gestalten. Betrachtet man die Art des Kundenvorteils, so spielen sowohl produktbezogene als auch gruppenbezogene Vorteile für die frühe Kundenintegration eine Rolle. Der Hersteller kann verschiedene Mechanismen anwenden, um die vom integrierten Kunden empfundenen gruppenbezogenen Vorteile der frühen Kundenintegration zu verstärken. Zum Beispiel können Mechanismen etabliert werden, um Teilnehmern zu ermöglichen, die Beiträge andere Mitglieder wahrzunehmen und sichtbar anzuerkennen. Dies kann beispielsweise durch spezielle Titel oder einen bestimmten Status geschehen. Eine Möglichkeit stellt auch die Schaffung einer geschlossenen Gruppe dar, in welche der Zutritt nur nach Einladung erfolgt. Dies ist im Bereich der IT-unterstützten Communities eine viel diskutierte Variante (Sawhney, Prandelli 2000), für die frühe Kundenintegration allerdings bereits weit verbreitet. So sind die integrierten Kunden in den Innovationsteams immer ausgewählt und eingeladen. Dadurch können die Kunden die Mitgliedschaft in einer derartigen Gruppe als Belohnung für ihre Beiträge empfinden. Dieser Aspekt, der gruppenbezogenen Vorteile, ist bei allen Rollen wichtig, wird aber immer auch von anderen Faktoren überlagert. So ist ein Sensor oft primär am zusätzlichen Wissen 200 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION über Märkte und neue Trends interessiert, welches er selbst aus den Diskussionen gewinnen kann bzw. welches während seiner Integration entsteht. Spezialisten, Spezifikatoren und Selektoren können vor allem von den verbesserten Produkteigenschaften profitieren, die letzten beiden verstärkt auch von der Möglichkeit einer verbesserten Produktqualität. Unternehmen können dabei eine Vielzahl an Gestaltungselementen im Rahmen ihrer frühen Kundenintegration einsetzen, um den Eindruck der Kunden zu verstärken, dass ihre produktbezogenen Vorteile durch ihr direktes Engagement gewachsen sind. So können die Hersteller beispielsweise den spezifischen Beiträgen der Kunden, zusammen mit einer Darstellung der Ergebnisse, welche die Kunden bezüglich der Produkteigenschaften oder Qualität realisieren konnten, hohe Sichtbarkeit geben. In ähnlicher Weise können Kundeninnovatoren frühzeitig über neue Produktversionen informiert oder zu Produktdemonstrationen eingeladen werden – alles Aktivitäten, welche die produktbezogenen Erfahrungen der Kunden insgesamt erweitern und vertiefen. Der Motivationstyp kann grundsätzlich intrinsisch oder extrinsisch sein. Extrinsische Anreize in Form von materiellen Aufwendungen stellen unabhängig von den oben erwähnten indirekten Produktvorteilen eine weitere Möglichkeit der Motivation dar. Dabei kommt direkten monetären Entschädigungen im B-2-BUmfeld meistens nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Wenn selektierte Kunden in die F&E-Zentrale des Herstellers eingeladen werden, so werden zwar meistens Aufenthalts- und Reisekosten erstattet bzw. Tagessätze als Spesenersatz ausbezahlt, der wesentliche Aspekt bei derartigen Einladungen liegt aber in der besonderen Rolle und den damit verbunden Einflussmöglichkeiten, welche der Kunde erhält. Prinzipiell sind Kunden, welche vom Hersteller integriert werden, in den meisten Fällen auch intrinsisch motiviert. Es macht ihnen Spass und sie empfinden eine innere Befriedigung, wenn sie sich in den Innovationsprozess des Herstellers einbringen und zur Erzielung von Ergebnisse beitragen können. These 6b: Für eine erfolgreiche operative Gestaltung und Durchführung muss der Interaktionsprozess der frühen Kundenintegration an die Rolle des Kunden sowie die spezifische Situation angepasst werden. Diese Anpassung erfolgt mit den Faktoren (1) Prozess- und Rollentransparenz, (2) kultureller Fit, (3) Wissensgenerierung und (4) Kundenmotivation. GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN 201 Integration der Ergebnisse Erstes Handlungsfeld ist dabei die Dokumentation und Speicherung der Ergebnisse. Neben der direkten Verwertung der Ergebnisse der Kundenintegration im jeweiligen Innovationsprojekt, sollten die Ergebnisse des Integrationsprozesses auch anderen im Innovationsprozess tätigen Personen und Abteilungen zugänglich gemacht werden. Dazu ist es notwendig, einen Kommunikationsprozess zu etablieren, welcher die Verbreitung der Integrationsresultate zum Ziel hat. Prinzipiell müssen organisatorische Lernprozesse beim Hersteller institutionalisiert werden, über welche die Ergebnisse der Integration an die relevanten Stellen des Innovationsprozesses fliessen und somit in den allgemeinen Wissensschatz aufgenommen werden können. These 7: Je mehr die organisatorischen Lernprozesse des Herstellers institutionalisiert und unterstützt werden, desto besser kann die Integration der Ergebnisse der frühen Kundenintegration in das Unternehmen des Herstellers erfolgen. Die Handlungsfelder und Hauptkriterien zusammengefasst in Abbildung 38 dargestellt. der Realisierungsphase sind 202 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Schritt Hauptkriterien Handlungsfelder Realisierungsphase ¾ Passende Integrationsstruktur etablieren Operative Gestaltung ¾ Interaktionsprozess aufsetzen und durchführen ¾ Kundenmotivation fördern ¾ Dokumentation und Speicherung der Ergebnisse Integration der Ergebnisse ¾ Kommunikationsprozess etablieren Abbildung 38: Handlungsfelder der Realisierungsphase Charakteristika der spezifischen Kundenrollen der frühen Kundenintegration In den vorhergehenden Abschnitten wurde der Aufbau der frühen Kundenintegration in einem theoretischen Rahmen, welcher die relevanten Einflussfelder sowie die Prozesse der eigentlichen Wissensgenerierung umfasst, betrachtet. Dabei wurden bereits bestehende Konstrukte bezüglich ihrer Implikationen für die Durchführung erfolgreicher früher Kundenintegration analysiert und im Abgleich mit den empirischen Befunden die relevanten Gestaltungsfaktoren identifiziert. Die notwendigen Ausprägungen dieser Faktoren wurden zunächst allgemein hergeleitet und zuletzt zu Gestaltungsempfehlungen. Dabei wurden die einzelnen Kundenrollen der frühen Kundenintegration bezüglich ihrer Ausprägungen der Gestaltungsfaktoren beschrieben. Die Ergebnisse werden in Tabelle 8 gegenübergestellt. Interaktionsprozess Integrationsstruktur GESTALTUNGSEMPFEHLUNGEN UND THESEN 203 Sensor Spezialist Spezifikator Selektor Verbindungsstärke Mittel bis schwach Hoch Hoch Hoch Zeitliche Struktur Punktuell Temporär Temporär Punktuell Zahl der Kunden Einzelkunde oder Kundengruppe Einzelkunde Einzelkunde Einzelkunde oder Kundengruppe Ort der Interaktion Beim Hersteller oder an einem neutralen Ort Beim Hersteller oder parallel beim Hersteller und Kunden Beim Hersteller Beim Hersteller oder in Anwendungsumgebung Prozess- und Rollentransparenz Durchschnittlich wichtig Sehr wichtig Sehr wichtig Durchschnittlich wichtig Kultureller Fit Unwichtig Sehr wichtig Sehr wichtig Durchschnittlich wichtig Wissensgenerierung Konvertierung durch Kombination Akquisition und Konvertierung durch Externalisation Konvertierung durch Kombination Konvertierung durch Externalisation Art des Kundenvorteils Produktbezogen (Marktwissen) Produktbezogen (Eigenschaften) Produktbezogen (Eigenschaften und Qualität) Produktbezogen (Eigenschaften und Qualität) und gruppenbezogen Motivationstyp Extrinsisch Extrinsisch und intrinsisch Intrinsisch Extrinsisch und intrinsisch Tabelle 8: Ausprägungen der Gestaltungsfaktoren der Kundenrollen der frühen Kundenintegration 204 6.4 ABLAUF UND ORGANISATION DER FRÜHEN KUNDENINTEGRATION Zusammenfassung Zunächst wurde gezeigt, dass Investitionen in den Aufbau von früher Kundenintegration erst nach einer genauen Definition der spezifischen Rollen, welche die ausgewählten Kunden in der frühen Innovationsphase spielen sollen, durch den Hersteller erfolgen sollten. Diese verschiedenen Ausprägungen der frühen Kundenintegration sind abhängig vom gewünschten Output (vonseiten des Herstellers) und damit vom Innovationsbeitrag der Kunden. Je nach Beitrag, welchen der Kunde zur Innovation leistet, bindet ihn der Hersteller in einem anderen Segment der Frühphase, mit anderen Zielen, unterschiedlicher Intensität und spezifischen Formen ein - d. h. er teilt ihm jeweils eine andere Rolle zu. Diese Erkenntnisse resultieren in dem konzeptionellen Gestaltungsmodell, welches einen Gestaltungsrahmen für das Management bietet. Dazu wurde der Integrationsprozess zunächst in seine drei Hauptphasen unterteilt. Für jeden Teilschritt sowie für die drei übergeordneten Gestaltungsfelder erfolgte eine Darstellung derjenigen Handlungsschwerpunkte, welche sich im Verlauf der Studie als wesentlich für den Erfolg der Kundenintegration herausgestellt hatten. Jedem Handlungsschwerpunkt wurden dann Hauptkriterien sowie Handlungsfelder zugeordnet, um diese Kriterien zu optimieren. Darauf aufbauend folgte schliesslich eine Diskussion der wichtigsten praktischen Implikationen des Modells in Form von Gestaltungsempfehlungen und Thesen für eine effektive und effiziente Gestaltung der frühen Kundenintegration (vgl. Abb. 39). Planung, Aufbau und Durchführung der frühen Kundenintegration stellen eine herausfordernde Aufgabe dar. Das Verständnis des Managements und der Auswirkungen derartiger neuer Beziehungen mit den Kunden bildet die Grundlage der Gestaltung – der Organisation und des Ablaufs – der frühen Kundenintegration. Dabei muss der Hersteller nicht nur die Auswahl der spezifischen Rollen des Kunden in der Wertschöpfung treffen, sondern auch die diesen Rollen zugrunde liegenden Unterschiede, im Sinne von Interaktionsmustern, Wissensgenerierungsprozessen, und Motivationsaspekten, erkennen und bei der Gestaltung der frühen Kundenintegration berücksichtigen. ZUSAMMENFASSUNG 205 Unternehmerischer Rahmen Strategie Kultur Initiierungsphase Entscheidung zur Kundenintegration Struktur These 2 These 3 Integrationsstrategie Effektivitätsfokussiert Effizienzfokussiert These 4 These 4a Ziele des Herstellers Ergebnisfestlegung Trendidentifikation Innovationsverstärkung These 4b Vorbereitungsphase Kundenintegrationsprozess These 1 Spezifikationsausarbeitung Konzeptverfeinerung These 5 Kundenauswahl Rolle des Kunden These 5a Sensor Spezialist Vertragsabschluss Spezifikator Selektor These 6 These 5b Realisierungsphase These 6a Operative Gestaltung Integration der Ergebnisse These 6b Gestaltungsfeld Integrationsstruktur Interaktionsprozess Gestaltungsfaktoren ¾ Verbindungsstärke ¾ Zeitliche Struktur ¾ Zahl der Kunden ¾ Ort der Interaktion ¾ Prozess- und Rollentransparenz ¾ Kultureller Fit ¾ Wissensgenerierung ¾ Kundenmotivation These 7 Abbildung 39: Abfolge der Thesen im Prozess der frühen Kundenintegration 206 7 FAZIT Fazit Dieses abschliessende Kapitel setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Zunächst werden die zentralen Aussagen kurz zusammengefasst. Im zweiten Teil erfolgt ein Ausblick auf relevante Trends und Entwicklungen im Umfeld des Innovationsmanagements, welche die Bedeutung und Gestaltung früher Kundenintegration in naher Zukunft entscheidend beeinflussen können. Darauf aufbauend werden schliesslich die wichtigsten möglichen Schwerpunkte weiterführender Forschung aufgeführt. 7.1 Kernaussagen Die Ausrichtung nach den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden stellt ein zentrales Element für den Erfolg jedes Unternehmens dar. Als Antwort auf einen immer grösser werdenden Innovationsdruck öffnen immer mehr Firmen ihre Innovationsprozesse, um ihre Kunden aktiv zu integrieren. Dabei ist besonders die Frühphase der Innovation von herausragender Bedeutung, da in ihr die entscheidenden Weichenstellungen für den Innovationserfolg getroffen werden. Die im Fokus dieser Arbeit stehende interaktive Integration von Kunden in den frühen Innovationsprozess, frühe Kundenintegration genannt, bietet daher grosse Potenziale, erfolgreiche, neue Produkte zu kreieren. Im Mittelpunkt der Überlegungen stand die herausfordernde Aufgabe der Planung, des Aufbaus und der Durchführung der frühen Kundenintegration. Der Fokus wurde dazu auf Produktinnovationen mit mittleren bis hohen Innovationshöhen (d. h. keine Produktverbesserungen und -optimierungen) und technologieintensive Unternehmen des Investitionsgüterbereiches (B-2-B) gelegt. Untersuchungsgegenstand war der Kundenintegrationsprozess und seine Ausgestaltung (d. h. die prozessuale und strukturelle Integration ausgewählter Kunden in den Innovationsprozess des Herstellers). Ausgewählte Perspektiven der Kundenintegrationsforschung Eine genauere Betrachtung der bisherigen Forschung zum Themenkomplex der Einbindung des Kunden in den Innovationsprozess ergab eine Reihe von strategischen Grundlagen, welche als vorteilhaft für den Erfolg der Integration und damit des gesamten Innovationsprozesses identifiziert worden waren. Aufseiten des Hersteller waren dies die Einbettung der Integration in den Kontext der Firmenstrategie, das Verstehen der Kundenbedürfnisse, die Schnittstelle zwischen F&E-Abteilung und Marketing und der mit der Aufnahme externen Wissens KERNAUSSAGEN 207 verknüpfte organisatorische Lernprozess. Für den Integrationsprozess spielen die Kompatibilität der Kulturen, die Entwicklung klarer Ziele, passende Strukturen, die Form der Einbindung der Kunden, Beziehungsvariablen (wie Vertrauen und Gegenseitigkeit), die Kommunikation, die räumliche Dimension und das Controlling wesentliche Rollen. Als Merkmale des Kunden wurden seine Grösse relativ zum Hersteller, seine finanzielle Attraktivität, sein Ruf, sein Wissen, seine Motivation und schliesslich seine vergangenen Erfahrungen mit kooperativen Innovationsprozessen angeführt. Diese strategischen Grundlagen wurden für die Erstellung des Analyserasters zur Auswertung der Fallstudien verwendet. Ansätze der Einbeziehung des Kunden in den Innovationsprozess Zur Einordnung der frühen Kundenintegration in die gesamte Landschaft der kundenorientierten Innovation wurde eine Abgrenzung von der klassischen Marktforschung, der kundenspezifischen Konfiguration und einer generellen Kundenorientierung vorgenommen. Während Letztere eine prinzipielle (nicht auf den Innovationsprozess fokussierte) Ausrichtung sämtlicher wichtiger Unternehmensprozesse auf die Nachfrageseite der Wertschöpfungskette darstellt, unterscheiden sich die beiden anderen Ansätze hinsichtlich des dahinter liegenden Rationals von der frühen Kundenintegration. Die Marktforschung eines Herstellers zielt darauf ab, Kundenbedürfnisse so gut wie möglich zu verstehen, sie in die Sprache des Unternehmens zu übertragen und möglichst passende neue Produkte zu entwickeln. Die kundenspezifische Konfiguration gibt dem Kunden im letzten Drittel des Produktentwicklungsprozesses die Möglichkeit, gewisse individuelle Modulzusammenstellungen vorzunehmen. Dies ist zwar mit einer aktiven Rolle des Kunden verbunden, beeinflusst allerdings kaum noch die eigentliche Innovationsleistung (z. B. eine neue technologischen Lösung), welche meist schon früher im Prozess erbracht wurde. Die frühe Kundenintegration unterscheidet sich wesentlich von den drei anderen Ansätzen, indem sie das Übersetzungsproblem der Bedürfnisse in Produktanforderungen durch eine direkte Integration des Kunden in den frühen Innovationsprozess umgeht. Dadurch nimmt der Kunde auch direkt an der eigentlichen Innovationsphase teil und wird zum wesentlichen Erfolgsfaktor derselben. Konzeptualisierung der frühen Kundenintegration Die Untersuchung der Fallstudien diente vor allem dazu, aus den in der Literatur beschriebenen generellen strategischen Grundlagen diejenigen auszuwählen, welche sich für den Fokus dieser Arbeit in der Praxis als relevant herausgestellt haben. Die Fallstudien zur frühen Kundenintegration der Bayer MaterialScience, EADS 208 FAZIT Astrium, Hilti Diamond Systems und Zumtobel Staff ergaben die folgenden relevanten strategischen Grundlagen früher Kundenintegration. Auf der Herstellerseite die strategische (und organisatorische) Verankerung, im Integrationsprozess die Kompatibilität der Kulturen, passende Strukturen, die Form der Einbindung, die Beziehungsvariablen (Vertrauen, Commitment und Gegenseitigkeit) und die Kommunikation sowie auf der Kundenseite die Motivation. Darauf aufbauend wurden die beiden Gestaltungsfelder Integrationsstruktur und Interaktionsprozess als Dimensionen der Konzeptualisierung des Konstruktes frühe Kundenintegration entwickelt. Für jedes Gestaltungsfeld ergeben sich mehrerer Gestaltungsfaktoren. Für die Integrationstruktur sind dies die Verbindungsstärke, die zeitliche Struktur, die Zahl der Kunden und der Ort der Interaktion. Der Integrationsprozess wird bestimmt durch die Prozess- und Rollentransparenz, den kulturellen Fit, die Wissensgenerierung und die Kundenmotivation. Diese Gestaltungsfaktoren dienten im weiteren Verlauf zur Entwicklung der operativen Gestaltungsempfehlungen der frühen Kundenintegration. Integrationsstrategien und spezifische Kundenrollen der frühen Kundenintegration Der spezielle Fokus der Arbeit lag auf den spezifischen Rollen, welche Kunden im Rahmen der frühen Kundenintegration einnehmen können. Um diese Rollen herzuleiten, wurden zunächst die Ziele des Herstellers (bzw. dessen Ergebniserwartungen) betrachtet. Auf einer übergeordneten Ebene können diese in akquisitorische, effizienzsteigernde und effektivitätssteigernde Ziele eingeteilt werden. Daraus ergeben sich für die frühe Kundenintegration eine effizienz- oder eine effektivitätsfokussierte Integrationsstrategie. Das spezifische Integrationsziel effektivitätsfokussierter Kundenintegration am Anfang der Innovationsfrühphase ist die Trendidentifikation. Gemeinsam mit dem Kunden werden Entwicklungen und Trends diskutiert und ihre Auswirkungen auf den Markt abgeschätzt, um schliesslich entsprechende Szenarien und Roadmaps zu entwickeln. Die effizienzsteigernde strategische Ausrichtung zeigt neben dem Ziel der Ideengenerierung durch Lead-User noch zwei weitere spezielle Ergebnistypen, nämlich die Innovationsverstärkung und die Spezifikationsausarbeitung. Die Innovationsverstärkung zielt darauf ab, komplementäre Kompetenzen des Kunden zu nutzen, um gemeinsam zu einer innovativen Lösung zu gelangen, welche für den Hersteller nicht bzw. nur durch beträchtlichen zusätzlichen Ressourceneinsatz (d. h. Aufbau bzw. Einkauf von Kompetenzen ausserhalb der Kernkompetenzfelder) möglich wäre. Im Falle der Spezifikationsausarbeitung gemeinsam mit dem Kunden KERNAUSSAGEN 209 verfügt dieser über tief gehendes Expertenwissen und steuert die Innovation durch Vorgaben bzw. Spezifikationen (diese beinhalten Leistungsparameter und damit indirekt auch technologische Anforderungen). Die grundsätzliche Machbarkeitsabschätzung und Technologieentwicklung muss in diesen Fällen während der Spezifikationserstellung (oder bereits davor) erfolgen. Gegen Ende der Innovationsfrühphase stellt sich die Aufgabe der Entscheidung für ein bestimmtes Konzept und die Verfeinerung desselben bis zur Übergabe an den eigentlichen Entwicklungsprozess. Hier dominiert wieder die effektivitätsfokussierte Integrationsstrategie, mit dem spezifischen Ziel der Konzeptverfeinerung. Fehlentscheidungen in diesem Bereich sind nur mit hohem Zeit- und Kostenaufwand wieder zu korrigieren, sodass eine aktive Integration des Kunden für diese Phase zunächst risikominimierende und damit effektivitätssteigernde Ziele verfolgt. Darüber hinaus spielt das Anwendungswissen des Kunden eine entscheidende Rolle bei der Verfeinerung des Konzeptes hinsichtlich der Benutzungsfreundlichkeit und Praxistauglichkeit. Basierend auf diesen spezifischen Integrationszielen des Herstellers wurden vier mögliche Kundenrollen eingeführt, welche für die frühe Kundenintegration identifiziert werden konnten. Der Sensor hilft bei der Trendidentifikation, der Spezialist verstärkt die Innovationskompetenz der Herstellers, der Spezifikator bestimmt die Innovation mittels genauer Anforderungen und der Selektor unterstützt die Auswahl und Verfeinerung des, die Frühphase abschliessenden, Konzeptes. Diese Rollen können als Erweiterung der klassischen Lead-User-Rolle betrachtet werden. Diese stellt auch ein Beispiel der frühen Kundenintegration dar, fokussiert aber auf eine sehr spezielle Kundengruppe und eine spezifische Problemsituation. Ablauf und Organisation der frühen Kundenintegration Da die Innovationsfrühphase von Unsicherheit und schwer planbaren Randbedingungen geprägt ist, erleichtert ein standardisiertes Vorgehen die Integration. Dazu wurde der frühe Kundenintegrationsprozess in einen unternehmerischen Rahmen aus Strategie, Struktur und Kultur eingebettet und in drei Phasen eingeteilt. In der Initiierungsphase erfolgt zunächst vonseiten des Herstellers die grundsätzliche Entscheidung zur frühen Kundenintegration sowie die Festlegung der erwarteten Ergebnisse. Die Vorbereitungsphase beinhaltet den gesamten Prozess der Kundenauswahl einschliesslich der Verhandlungen und eines eventuellen Vertragsabschlusses. Auch die Festlegung gemeinsamer Integrationsziele ist Teil dieses Verhandlungspaketes. Die daran anschliessende 210 FAZIT Realisierungsphase setzt sich aus der eigentlichen operativen Gestaltung und Durchführung der Integration sowie der Integration der Ergebnisse zusammen. Gestaltungsempfehlungen und Thesen Den unternehmerischen Rahmen bilden die drei Elemente Strategie, Kultur und Struktur. Diese sind als übergreifende ordnende Kräfte zu verstehen, welche den organisationalen Abläufen eine einheitliche Form und Zielorientierung geben. Im Feld der Strategie bedarf es als Basis einer erfolgreichen frühen Kundenintegration einer übergeordneten generellen Innovationsstrategie, in welcher die Öffnung des Innovationsprozesses verankert ist. Aufbauend auf der allgemeinen Unternehmensstrategie muss der Hersteller in einer fundierten Analyse die eigenen Kernkompetenzen ermitteln und davon ausgehend mögliche Stossrichtungen der Zusammenarbeit mit Externen festlegen. Entscheidend ist die strategische Verankerung der prinzipiellen Bereitschaft zur Öffnung des Innovationsprozesses, welche als Basis für den gesamten Integrationsprozess eine wesentliche Rolle spielt. Ein weiteres wichtiges Element hinter einer erfolgreichen frühen Kundenintegration stellt die Kultur im Unternehmen des Herstellers dar. Passend zur Innovationsstrategie muss eine offene Innovationskultur etabliert werden. Wesentliche Schritte dafür sind eine Vorbildwirkung des Managements aber auch eine aktive Beschäftigung mit dem Not-Invented-Here-Syndrom, d. h. einer grundsätzlichen Ablehnung aller von aussen kommenden Ideen und Anregungen. Dessen Überwindung kann nur mit geistig und physisch mobilen Mitarbeitern gelingen, welche einerseits durch Weiterbildungsveranstaltungen, interne Schulungen und Jobrotationsmodelle gefördert werden und andererseits intensiven direkten Kontakt mit den Kunden haben. Das dritte Element des unternehmerischen Rahmens ist die Struktur. Im Gegensatz zur operativen Integrationsstruktur, welche im Rahmen der Realisierungsphase zu gestalten ist, muss hier eine prinzipielle strukturelle Verankerung der frühen Kundenintegration sichergestellt werden. Eine eindeutige Regelung der mit der Integration verbundenen Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Ressourcenzuteilung ist Voraussetzung für einen erfolgreichen Kundenintegrationsprozess. Um die Koordination der verschiedenen Integrationsprojekte sicherzustellen, müssen dafür organisatorische Voraussetzungen geschaffen werden. Dabei reicht das Spektrum von zusätzlichen Aufgaben im Rahmen einer bestehenden Position bis hin zu eigenen speziellen Organisationseinheiten. Eine derartige strukturelle Verankerung muss vor der Ausgestaltung und dem Ablauf des eigentlichen Integrationsprozesses geregelt werden. Grundsätzlich gilt, dass die Flexibilität von Kooperationsprojekten nicht durch zu viel Formalismus und Bürokratie verloren gehen darf. Es hat sich aber KERNAUSSAGEN 211 gezeigt, dass mit zunehmender Grösse einer Firma ein gewisses Mass an Zentralisierung der Integrationskompetenz notwendig ist, um die Koordination und Priorisierung der Projekte sicherzustellen. Gestaltungsempfehlungen Initiierungsphase Grundvoraussetzung einer erfolgreichen frühen Kundenintegration ist eine strategische Verankerung des Gedankens der offenen Innovation. Nur wenn die gemeinsamen Normen und Werte dieser Idee Rechnung tragen, kann sich eine Kultur etablieren, welche offen gegenüber Anregungen von aussen ist. Genau diese ist für die erfolgreiche Verwendung der Ergebnisse der Kundenintegration ein entscheidender Faktor. Aufbauend auf der übergeordneten Innovationsstrategie muss diese Grundausrichtung eines Unternehmens auch Einzug in die einzelnen Divisions- bzw. Abteilungsstrategien finden. Basierend auf der Bereitschaft und dem Willen zur Öffnung erfolgt als nächster Schritt die grundsätzliche Entscheidung zur Kundenintegration und die Festlegung einer Integrationsstrategie. Für diesen Schritt ist als wesentlicher Input die Technologiestrategie heranzuziehen. Unter Berücksichtigung der jeweils gültigen Rahmenbedingungen und mit Kenntnis der bereits ermittelten Stossrichtungen für die Integration einer externen Kompetenz, kann die Entscheidung für eine Integrationsstrategie und spezifische Integrationsziele erfolgen. Der nächste Schritt liegt in der genauen Ergebnisfestlegung der frühen Kundenintegration. Diese Zielfokussierung zu Beginn ist notwendige Voraussetzung für eine zielgerichtete Auswahl der Kunden sowie eine effiziente Gestaltung des gesamten Integrationsprozesses. Gestaltungsempfehlungen Vorbereitungsphase In diesem Schritt werden, basierend auf den in der Initiierungsphase festgelegten Zielen, geeignete Kunde gesucht, ausgewählt und mit ihnen über eine mögliche Integration verhandelt. Erstes Handlungsfeld der Kundenauswahl ist dabei die Entwicklung einer Suchstrategie und geeigneter Selektionskriterien zum Auffinden potenzieller Integrationspartner. Am Beginn steht die Sammlung des innerhalb der Firma vorhandenen, relevanten Wissens über die Kunden generell bzw. die jeweilige Kundenzielgruppe im Speziellen. Unter Einbeziehung aller relevanten Abteilungen werden eine Suchstrategie und geeignete Selektionskriterien aufgestellt. Damit erfolgt im nächsten Schritt die eigentliche Suche nach geeigneten Kunden sowie deren Auswahl. Persönliche Kontakte stellen dabei oft die ausschlaggebenden Faktoren bei der Partnerselektion dar. Nach der Auswahl kommt es in mehr oder weniger formalisierter Form zu Verhandlungen mit den Kunden. Im Falle eines gemeinsamen Verständnisses und damit einer Einigung 212 FAZIT wird eine Vereinbarung getroffen. In vielen Fällen kommt es dabei nicht zu einem Vertragsabschluss mit formalen Verträgen (z. B. über die Aufteilung gemeinsam generierten geistigen Eigentums), da die Integration als Vertrauensbeziehung geführt wird. Entscheidend ist aber, dass über die Rahmenbedingungen und die gemeinsamen Integrationsziele Übereinstimmung erzielt worden ist. Gestaltungsempfehlungen Realisierungsphase Im dritten Schritt schliesslich kommt es zur operativen Gestaltung und Umsetzung der Partnerschaft und zur Integration der Erkenntnisse und Ergebnisse. Diese Phase resultiert schliesslich in der Beendigung der Integration, falls diese auf Einmaligkeit ausgelegt war oder im Beginn neuer Integrationsprojekte. Die operative Gestaltung erfolgt anhand der beiden identifizierten Gestaltungsfelder Integrationsstruktur und Interaktionsprozess. Im Gestaltungsfeld Integrationsstruktur gilt es, aufbauend Innovationskultur, den Prozess der Kundenintegration auch Ebene zu strukturieren. Dabei stehen vor allem die folgenden zur Verfügung: die Verbindungsstärke, die zeitliche Struktur Zahl der integrierten Kunden und der Interaktionsort. auf einer offenen auf der operativen Gestaltungsfaktoren der Integration, die Eine hohe Verbindungsstärke kann durch eine hohe Frequenz der Treffen oder die Schaffung einer eigenen Position innerhalb des Herstellerunternehmens, welche den Kontakt (und die Verantwortung) für die Kunden bzw. deren Integration übernimmt, erzielt werden. Bei allen Rollen, mit Ausnahme des Sensors, wird eine hohe Intensität der Verbindung benötigt. Am höchsten ist die Intensität bei den Spezialisten und Spezifikatoren. Die zeitliche Struktur der Integration wird durch die Dauer und die Häufigkeit der Interaktion bestimmt. Dabei kommen für die Rollen des Sensors und Selektors vor allem punktuelle Zeitmuster für die Spezialisten und Spezifikatoren temporäre Muster zur Anwendung. Letztere erstrecken sich über einen längeren Zeitraum und bilden die Voraussetzung dieser auf intensiver Zusammenarbeit beruhenden Rollen. Die Zahl der integrierten Kunden hängt zunächst primär von der jeweiligen Rolle ab. Die Rollen des Spezialisten und Spezifikators schliessen durch ihre intensive bilaterale Kooperation die gleichzeitige Einbindung mehrerer Kunden (für ein Projekt) aus. Bei den beiden anderen Rollen zeigt sich, dass die Wettbewerbssituation der Kunden untereinander und das Differenzierungspotenzial durch die Produkte des Herstellers wesentliche Kriterien bei der Entscheidung zwischen Einzelkunden und Kundengruppen darstellen. Der Ort der Interaktion kann prinzipiell bei einem der beiden Partner (Hersteller oder Kunde) oder an einem neutralen dritten Ort KERNAUSSAGEN 213 angesiedelt sein. Neutrale Orte werden vor allem dann gewählt, wenn der Hersteller seine eigene Rolle nicht betonen will und das Ziel ein neutraler Workshop mit mehreren externen Partnern ist. Daher kommen neutrale Orte praktisch ausschliesslich in Kombination mit der Integration einer Kundengruppe zur Anwendung. Typisch für die Rolle des Spezifikators ist eine längerfristige physische Anwesenheit des Kunden direkt im Entwicklungsgebäude des Herstellers. Für den Selektor kann es je nach Reifegrad des diskutierten Konzeptes sinnvoll sein, zumindest Teile der Integration am Ort der späteren Anwendung durchzuführen. Neben einem hohen Niveau an struktureller Integration muss auch das Gestaltungsfeld Interaktionsprozess entsprechend gestaltet werden. Wesentliche Elemente dafür sind die Transparenz der Rolle und des Prozesses, der kulturelle Fit zwischen dem Hersteller und dem Kunden, die gemeinsame Wissensgenerierung sowie die Kundenmotivation. Um Transparenz im Sinne grosser Offenheit und Aufmerksamkeit zu erreichen, müssen die Erwartungen an den integrierten Kunden explizit kommuniziert werden. Neben einem klaren Verständnis ihrer eigenen Rolle müssen die Kunden eine genaue Vorstellung davon haben, wie ihre Beiträge im Rahmen des Innovationsprozesses weiterverarbeitet werden. Der zweite Gestaltungsfaktor betrifft den kulturellen Fit bzw. die kognitive Kompatibilität. Der Hersteller muss danach trachten, durch die Kundenauswahl und den Informationsaustausch während der Integration, ein gemeinsames Verständnis bezüglich der Rahmenbedingungen, Ziele und Prioritäten zu erzielen. Der dritte Faktor betrifft den Kern der Interaktion, die gemeinsame Wissensgenerierung. Dabei lassen sich folgende Einteilungen treffen. Einerseits erfolgt eine Unterscheidung in implizites und explizites Wissen und andererseits bezüglich der Wissensentstehung in Wissensakquise und Wissenskonversion. Wissensakquisition kann im Rahmen der frühen Kundenintegration vor allem im Rahmen der eigentlichen Interaktion passieren. Dabei kann es zu einer direkten Akquisition des Kundenwissens durch den Hersteller bzw. umgekehrt oder zu einem Austausch zwischen verschiedenen Kunden kommen. Im Hinblick auf die Wissenskonvertierung wurden für den Fokus dieser Arbeit die Kombination (explizit mit explizit) und die Externalisation (implizit zu explizit) als relevant identifiziert. Gerade diese beiden Wissensgenerierungsmechanismen manifestieren die Grundintention der frühen Kundenintegration. Hersteller müssen also dem Kunden die Möglichkeit geben, vielfältige Interpretationen eines gegebenen Produktes oder einer Technologie anzustellen sowie diese mit anderen Mitgliedern des Projektteams auszutauschen. Ein verteiltes Wahrnehmungssystem unterstützt solche Interpretationen und Dialoge innerhalb des Innovationsteams durch die 214 FAZIT Bereitstellung reicherer Formen der Selbstreflexion und Kommunikation. Die Rollen des Sensors und des Spezifikators basieren vor allem auf der Kombination externen Wissens, während bei den beiden anderen Rollen hauptsächlich die Externalisierung wesentlich ist. Dementsprechend müssen die Instrumente der Unterstützung der Wissensgenerierung durch den Hersteller ausgewählt und angepasst werden. Die Umsetzung des so entstehenden Wissens hängt an den integrativen Fähigkeiten der Herstellerfirma und damit an den Systemen und Prozessen, welche diese unterstützen. Die Kundenteilnahme im Innovationsprozess beruht in den meisten Fällen auf freiwilligem Engagement. Es müssen also Anreize vorhanden sein bzw. geschaffen werden, die zu einer entsprechenden Kundenmotivation führen. Derartige Anreize liegen in Vorteilen, welche dem Kunden durch das Ergebnis der Integration oder durch die Ausübung der jeweiligen Rolle erwachsen. Daher muss der Hersteller diese Vorteile sorgfältig analysieren, um durch die Wahl geeigneter Gestaltungselemente die Motivation des Kunden erhöhen zu können. Produktbezogene Vorteile stellen die wichtigste Gruppe dar, wobei die Möglichkeit direkt auf den Innovationsprozess einzuwirken und dadurch die Produkteigenschaften mitzubestimmen den Schwerpunkt bildet. Dazu kommt eine mögliche Verbesserung der Qualität des Produktes, welche der Kunde durch seine direkte Beteiligung erzielen kann. Der Hersteller kann diese grundsätzlich vorhandenen Vorteile verstärken, indem er dem Kunden die Bedeutung seiner Rolle verdeutlicht und die gewonnenen Erkenntnisse auch gegenüber anderen Marktteilnehmern klar kommuniziert. Neben diesen extrinsischen Anreizen wirken Kunden, intrinsisch motiviert, schliesslich auch darum bei der Produktentwicklung mit, weil sie es als attraktiv empfinden, ihre Neugierde bezüglich des Produktes oder der Technologie kreativ zu befriedigen. Für diese Seite der Kundenmotivation kann die Open-Source-Softwareentwicklung als Ansatzpunkt für mögliche Erklärungen und Gestaltungsansätze dienen. Es gilt ein Umfeld zu schaffen, in dem neben dem persönlichen Nutzen der Wunsch nach Anerkennung und Reputation erfüllt werden kann. Betrachtet man die Natur der Beiträge und der Interaktionen der frühen Kundenintegration, so lässt sich feststellen, dass bei allen Rollen vor allem die produktbezogenen Vorteile wesentlich sind. Für die Rolle des Selektors haben darüber hinaus auch gemeinschaftsbezogene Vorteile grosse Bedeutung, da die Kundenintegration am Ende der Innovationsfrühphase verstärkt dem Aufbau eines sozialen Beziehungsnetzes für und mit den integrierten Kunden dient. Der letzte Schritt der Realisierungsphase liegt schliesslich in der Integration der Ergebnisse der frühen Kundenintegration in den Innovationsprozess des Herstellers. Einerseits müssen die Erkenntnisse dokumentiert und gespeichert werden und KERNAUSSAGEN 215 andererseits gilt es, einen Kommunikationsprozess zu etablieren, welcher die firmeninterne Verbreitung der Integrationsresultate zum Ziel hat. Ein derartiger organisatorischer Lernprozess stellt den notwendigen abschliessenden Bestandteil erfolgreicher früher Kundenintegration dar. Die im Rahmen dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse zu Ablauf und Organisation der frühen Kundenintegration wurden in Thesen verdichtet, welche im Folgenden in Tabelle 9 noch einmal zusammenfassend aufgelistet werden. Daran anschliessend werden im Ausblick die wichtigsten Trends und Entwicklungen aufgezeigt, welche die Öffnung des frühen Innovationsprozesses – sowohl generell als auch speziell für Kunden – beeinflussen werden. Abschliessend folgt ein kurzer Überblick der wesentlichen offenen Forschungsschwerpunkte der frühen Kundenintegration. 216 FAZIT 1: Eine generelle offene Innovationsstrategie des Herstellers, als Ergebnis einer übergeordneten Analyse der eigenen Kompetenzfelder und des Umfeldes, ist als strategische Ebene des unternehmerischen Rahmens Grundvoraussetzung einer erfolgreichen frühen Kundenintegration. 2: Die kulturelle Ebene des für erfolgreiche frühe Kundenintegration notwendigen unternehmerischen Rahmens bildet eine offene Innovationskultur des Herstellers, erreicht durch eine Vorbildwirkung des Managements und eine aktive Bekämpfung des Not-Invented-Here-Syndroms. 3: Eine prinzipielle strukturelle Verankerung der frühen Kundenintegration in der Organisation des Herstellers, von der Zuordnung eindeutiger Aufgaben und Verantwortlichkeiten bis hin zu speziellen Organisationseinheiten, stellt als strukturelle Ebene des unternehmerischen Rahmens eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Realisierung der frühen Kundenintegration dar. 4: Im Rahmen einer Integrationsstrategie des Herstellers bezüglich früher Kundenintegration müssen die spezifischen Ziele des Herstellers und damit die Rolle des Kunden für die Integration festgelegt werden. 4a: Je sorgfältiger die Entscheidung zur Kundenintegration auf einer Integrationsstrategie, resultierend aus einer detaillierten Analyse der eigenen Kompetenzen sowie einer Identifikation möglicher Kooperationsfelder, basiert, desto besser sind die Erfolgsaussichten des darauf aufbauenden Kundenintegrationsprozesses. 4b: Je genauer bei der Ergebnisfestlegung das spezifische Ziel des Herstellers berücksichtigt wird, desto grösser sind die Chancen einer erfolgreichen Zielerreichung im folgenden Kundenintegrationsprozess. 5: Die Rolle des Kunden hat entscheidenden Einfluss auf die Kundenauswahl sowie die operative Gestaltung der frühen Kundenintegration. 5a: Je mehr die Rolle des Kunden bei der Kundenauswahl, in Form von entsprechenden Suchstrategien und Selektionskriterien, berücksichtigt wird, desto zielgerichteter kann diese erfolgen und desto grösser ist die Chance geeignete Kunden zu finden. 5b: Je sorgfältiger beim Vertragsabschluss die gemeinsame Zielfindung durchgeführt sowie die Fragen des geistigen Eigentums geklärt werden, desto geringer ist das Konfliktpotenzial und desto höher die Erfolgswahrscheinlichkeit der interaktiven Zusammenarbeit. 6: Die für den Erfolg notwendige rollenspezifische Organisation der frühen Kundenintegration wird auf der operativen Ebene durch die Ausprägung der Gestaltungsfaktoren in den beiden Gestaltungsfeldern Integrationsstruktur und Interaktionsprozess bestimmt. 6a: Für eine erfolgreiche operative Gestaltung und Durchführung muss die Integrationsstruktur der frühen Kundenintegration mittels der Faktoren (1) Verbindungsstärke, (2) zeitliche Struktur, (3) Zahl der Kunden und (4) Ort der Interaktion an die Rolle des Kunden sowie die spezifische Situation angepasst werden. 6b: Für eine erfolgreiche operative Gestaltung und Durchführung muss der Interaktionsprozess der frühen Kundenintegration an die Rolle des Kunden sowie die spezifische Situation angepasst werden. Diese Anpassung erfolgt mit den Faktoren (1) Prozess- und Rollentransparenz, (2) kultureller Fit, (3) Wissensgenerierung und (4) Kundenmotivation. 7: Je mehr die organisatorischen Lernprozesse des Herstellers institutionalisiert und unterstützt werden, desto besser kann die Integration der Ergebnisse der frühen Kundenintegration in das Unternehmen des Herstellers erfolgen. Tabelle 9: Thesen zur erfolgreichen frühen Kundenintegration AUSBLICK 7.2 217 Ausblick Die Ergebnisse dieser Arbeit ruhen im breiten Kontext eines offenen Innovationsparadigmas, welches kooperative Innovationsprozesse zum Imperativ in einem herausfordernden, sich rasch wandelnden Geschäftsumfeld macht. Generell zeigt sich ein verstärkter Trend zu neuen Formen der Innovationsentstehung, wobei die Kunden als zentrale Partner eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Im Folgenden wird ein Ausblick auf relevante Entwicklungen und Trends im Umfeld des Innovationsmanagements gegeben, von denen zu erwarten ist, dass sie die Bedeutung und Gestaltung früher Kundenintegration in naher Zukunft entscheidend beeinflussen werden (vgl. Abb. 40). Gruppen und Individuen als neue Orte der Innovationsentstehung Virtualisierung des Innovationsprozesses Frühe Kundenintegration Diskretisierung der Innovationsfrühphase Idea Supply Chain als Element des „360°Unternehmens“ Aufbruch der klassischen Eigentumsrechte Abbildung 40: Aktuelle Entwicklungen und Trends im Umfeld der frühen Kundenintegration 218 7.2.1 FAZIT Aktuelle Entwicklungen und Trends Virtualisierung des Innovationsprozesses Die beschriebenen Ausprägungen früher Kundenintegration basieren zu einem überwiegenden Teil auf persönlichen Interaktionen. In jüngster Zeit zeigen sich, vor allem im Bereich der Integration von Konsumenten (B-2-C), verstärkt Tendenzen, die persönliche Integration durch eine virtuelle zu ersetzen. Zwei aktuelle Entwicklungen verkörpern diesen Trend. Einerseits neue Kundenevaluations- und Marktforschungsmethoden, welche unter dem Begriff „Virtual Customer Initiative“ in einem Forschungsschwerpunkt am Massachusetts Institute of Technology (MIT) erforscht und entwickelt werden. Neue Produktkonzepte, Prototypen und Modelle können durch den Einsatz von neuen Produktentwicklungsinstrumenten vom Kunden schneller, mit höherer Genauigkeit und kostengünstiger beurteilt werden. Andererseits werden vermehrt so genannte „User Tool Kits for Innovation“ eingesetzt. Dabei werden bedürfnisbezogene Innovationsaufgaben mithilfe eines ITbasierten Entwicklungsbaukastens an den Kunden ausgelagert. Der Kunde wird dadurch in die Lage versetzt, eine komplette Serie von Entwicklungszyklen zur Entwicklung seines „persönlichen Produktes“ zu durchlaufen. Kombiniert mit Informationen über verwendbare Komponenten, Module und Produktbeschränkungen (z. B. produktionsbedingte Restriktionen) können diese Werkzeugsätze zeit- und kostenintensive Iterationsschleifen zwischen Herstellern und Kunden eliminieren. Auch wenn dieser Ansatz nicht für alle Märkte und Produkte geeignet ist, so findet er doch immer mehr Verwendung und weist als Extremform den Weg zu steigenden Wertschöpfungsanteilen der Kunden im Innovationsprozess. Beide Entwicklungen basieren auf neuen Kommunikationsund Informationstechnologien, wie dem Internet, schnellen Breitbandnetzen, neuen Algorithmen und Multimedia-Visualisierungswerkzeugen. Im Kontext der frühen Kundenintegration betrachtet fällt zunächst die Relevanz der Virtual Customer Ansätze für die Rolle des Selektors auf. Die bisherigen Realisierungsbeispiele gehen zwar noch in Richtung einer Virtualisierung klassischer Marketingtools (z. B. Conjoint Analysen) und verkörpern damit das alte Paradigma der möglichst genauen und effizienten Erfassung der Kundenbedürfnisse. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass diese Instrumente auch für eine aktive Kundenrolle adaptiert werden. Dies würde beispielsweise bedeuten, dass der Kunde nicht mehr „nur“ Merkmalskombinationen und Preispräferenzen auswählt, sondern die Möglichkeit hat, aktiv sein Wissen einzubringen und an der AUSBLICK 219 eigentlichen Innovationsentstehung mitzuwirken. Genau diese Mithilfe bei der Verfeinerung früher Konzepte charakterisiert ja die Rolle des Selektors. Aber auch für die anderen Rollen können durch diese neuen Technologien und Methoden gewisse Abläufe vereinfacht werden. Dies betrifft vor allem diejenigen Integrationsaktivitäten, bei denen eine persönliche Interaktion nicht unbedingt notwendig ist, da ein relevanter Anteil an explizitem Wissen des Kunden vorhanden ist bzw. eine Arbeitsteilung temporäre Phasen der Einzelarbeit erlaubt. Dies ist beispielsweise für bestimmte Phasen der Integration eines Spezialisten vorstellbar, bei denen jede Seite ihre Fachkompetenz in sequenziellen Schritten in das Konzept integriert und der Austausch der Zwischenergebnisse über eine IT-Plattform erfolgen könnte. Generell gilt aber für die frühe Kundenintegration, dass persönliche Interaktion, allein schon durch den systemischen Charakter der Aufgaben und den dominierenden impliziten Wissensmodus der meisten Innovationsprojekte, immer einen wesentlichen Bestandteil bilden wird. Daher werden für den eigentlichen innovativen Teil der Frühphase User Toolkits for Innovation auch nur sehr beschränkt Relevanz erlangen. Sie können aber, ergänzend eingesetzt, sehr wohl aufwändige Iterationsschleifen zwischen Hersteller und Kunde eliminieren. Zu beachten ist dabei, dass sich bei derartigen Ansätzen die eigentliche Innovationsleistung des Herstellers in die Entwicklung des Toolkits und einer passenden modularen Produktarchitektur verlagert. Gruppen und Individuen als neue Orte der Innovationsentstehung Betrachtet man den Ort der Innovationsentstehung in einem sozialen Sinn, so entwickeln sich gerade zwei extreme Formen, welche beide eine klare Emanzipation von der bisherigen Dominanz der Hersteller darstellen. KundenCommunities als netzwerkartige Kundengruppen, welche ohne starke Beeinflussungsmöglichkeit durch den Hersteller produktspezifische Aktivitäten durchführen, bilden dabei den ersten Extrempol. Die Spannweite derartiger Gemeinschaften reicht von der Gemeinsamkeit der Benutzung eines Produktes (z. B. Fahrer eines bestimmten Autotyps) bis zur kompletten, herstellerunabhängigen Entwicklung des Produktes. Diese extreme Form der Kundeninnovation passiert beispielsweise im Rahmen der sehr erfolgreichen OpenSource-Softwareentwicklung, welche durch autarke Communities dominiert wird. Die Vorbildfunktion für die frühe Kundenintegration liegt dabei vor allem im Bereich der intrinsischen Seite der Motivationsstruktur des Kunden. Hier kann die Open-Source-Bewegung als Ansatzpunkt für mögliche Erklärungen dienen. Was motiviert beispielsweise einen Linuxprogrammierer dazu, Programmcodes zu 220 FAZIT schreiben und diesen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen? Neue Untersuchungen zeigen, dass vor allem der persönliche Nutzen und die Befriedigung des eigenen Egos Open-Source-Entwickler antreiben. Im Folgenden soll skizziert werden, wie zusätzlich zu diesen Motivationsaspekten weitere Elemente der Open-Source-Entwicklung auf andere Industrien übertragen werden könnten. Dazu wird der Begriff „geführte Kundennetzwerke“ bzw. Managed Customer Networks (MCN) eingeführt, um eine Mischform zwischen Kunden-Communities und der frühen Kundenintegration zu beschreiben, welche sich sehr wahrscheinlich in nächster Zeit etablieren wird. Die Idee dahinter liegt in der Kombination der Innovationskraft von Communities mit der Steuerbarkeit und Fokussierung der Modelle persönlicher Interaktion. Ein geführtes Kundennetzwerk soll sich dabei durch folgende Charakteristika auszeichnen: ¾ Das zugrunde liegende Rational ist die Kombination der Vorteile persönlicher Interaktion mit der Dynamik, Kreativität und Innovationskraft von Communities. ¾ Der Vorteil des Kunden liegt in der unmittelbaren Beeinflussung der Innovation sowie in den Vorzügen und sozialen Anreizen einer Gruppenzugehörigkeit. ¾ Als Instrumente kommen sowohl virtuelle Netzwerke und als auch persönliche Treffen zum Einsatz. ¾ Die Interaktionsintensität ist hoch und es kommt zu einem Austausch von implizitem und explizitem Wissen. ¾ Der Organisationsgrad ist mittel, d. h. niedriger als bei der frühen Kundenintegration, aber höher als bei autarken Communities. ¾ Die Initiative zum Aufbau und zur Teilnahme kommt sowohl vom Hersteller als auch vom Kunden. Einer der entscheidenden Vorteile eines geführten Kundennetzwerkes liegt in seinem mittleren Organisationsgrad. Prinzipiell kann zwischen einem hohen Organisationsgrad mit fokussiertem Vorgehen, welches sich an einen einzelnen Interaktionspartner richtet und niedrig organisiertem, ungerichtetem Vorgehen im Sinne des Interagierens mit einer grossen Gruppe unterschieden werden. Geführte Kundennetzwerke liegen genau zwischen diesen beiden Ausprägungen und besitzen gerade dadurch das höchste Innovationspotenzial. So weisen sie zwar ebenfalls AUSBLICK 221 einen gewissen Organisationsbedarf auf, verfügen aber auch über ein nicht steuerbares Eigenleben, welches die für Durchbruchsinnovationen nötigen kreativen Freiräume sicherstellt. Darüber hinaus geht die Initiative für geführte Kundennetzwerke zu annähernd gleichen Teilen vom Hersteller und den Kunden aus (d. h. der Kunde ist diesbezüglich aktiver als bei der frühen Kundenintegration). Dies erhöht die Chance, ein längerfristiges hohes Commitment auch vonseiten des Kunden zu erhalten. Prahalad und Ramaswamy (2004) beschreiben das andere Extrem einer kompletten Individualisierung der Innovationsentstehung. Sie stellen die Zukunft des Wettbewerbs als einen komplett neuen Ansatz der Wertschöpfung dar, in dem personalisierte Co-Creation-Erfahrungen – ermöglicht durch technische und soziale Infrastruktur – jedem Kunden erlauben, einzigartigen Nutzen innerhalb eines Netzwerkes aus Firmen und Kunden-Communities mitzuentwickeln.34 Die Gründe sehen sie in einer Konvergenz von Industrien und Technologien, welche zu allgegenwärtigen Anschlussmöglichkeiten an Informationsquellen und zu einer Globalisierung des Wissens geführt hat. Als Konsequenz daraus entwickelt sich die Rolle des Kunden von der eines passiven Empfängers hin zu einem aktiven Wertschöpfungspartner. Es bedarf daher eines neuen Bezugsrahmens der Wertschöpfung, welcher dieser veränderten Situation gerecht wird. Vermehrt interagieren einzelne Kunden mit einem Netzwerk an Unternehmen und KundenCommunities, um an Wertschöpfungsprozessen zu partizipieren. Weder können Unternehmen Wertschöpfung länger autonom betreiben noch ist der Wert in den Produkten und Serviceangeboten per se eingebettet. Produkte nehmen nunmehr die Rolle von Artefakten ein, um die herum überzeugende individuelle Erfahrungen kreiert werden müssen. Als Ergebnis wird der Fokus der Innovation von den Produkten und Serviceangeboten zu Erfahrungsumgebungen wandern, mit denen Einzelne interagieren können, um ihre eigenen Erlebnisse mitzugestalten. Derartige personalisierte Co-Creation-Erfahrungen können eine Quelle von einzigartigem Wert sowohl für den Kunden als auch den Hersteller darstellen. Allerdings müssen Unternehmen für diese entstehenden Gelegenheiten neue strategische Ansätze (eine neue Theorie des Wettbewerbs) aufbauen. Die Herausforderungen betreffen dabei sowohl funktionale und organisatorische Aspekte als auch Fragestellungen der zugrunde liegenden Infrastruktur und der Corporate Governance. Von Hippel (2005) beschreibt in seinem neuesten Buch ähnliche Entwicklungen und spricht dabei von einer rasch wachsenden Demokratisierung der Innovation. Benutzer sind durch Verbesserungen der Computerund 34 Es erfolgt dabei keine Unterscheidung mehr zwischen B-2-B- und B-2-C-Märkten. 222 FAZIT Kommunikationstechnologien immer mehr in der Lage, ihre eigenen Produkte und Services zu entwickeln. Dabei sind diese fortschrittlichen Kunden (Lead-User) – sowohl Einzelpersonen als auch Firmen – oft bereit, ihre Innovationen frei mit anderen zu teilen und dadurch Kundeninnovationsgemeinschaften auf einer breiten gemeinsamen Wissensbasis zu schaffen. Der Trend in Richtung einer demokratischen Innovation ist zunächst vor allem in der Informationsverarbeitungsund Softwarebranche, aber in ersten Ansätzen auch bereits für physische Produkte sichtbar. Die Kundeninnovation bietet dabei einen wertvollen Grundstock der Herstellerinnovation und ist darüber hinaus in der Lage, einen grösseren volkswirtschaftlichen Nutzen als reine Herstellerinnovationssysteme produzieren. Idea Supply Chain als Element des „360°-Unternehmens“ Es gibt bei vielen Unternehmen neben den klassischen Marketingaktivitäten noch keinen etablierten Prozess zur Integration von Kunden in den Innovationsprozess, so wie dies mittlerweile für die Integration der Zulieferer selbstverständlich ist. Als Zukunftsvision kann in Anlehnung an die klassische Supply Chain von einer Idea Supply Chain gesprochen werden. So wie ein Unternehmen die Zulieferkette strategisch und operativ kontrollieren und flexibel managen muss, so gilt es in Zukunft auch, mit den Ideen und Innovationsanregungen von aussen zu verfahren. Aktuelle Studien zur Supply Chain zeigen, dass grössere Geschwindigkeit und bessere Kosteneffektivität nicht ausreichen, um relevante Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Um eine so genannte „Triple A Supply Chain“ zu bilden, bedarf es der folgenden drei Kriterien. Agilität, Anpassungsfähigkeit und einheitliche Ausrichtung. Ähnliche Ziele werden auch auf der anderen Seite der Wertschöpfungskette – für die „Ideen-Nachschub-Kette“ – wesentliche Rollen spielen. Es reicht nicht mehr, einzelne Kunden für spezielle Projekte in den Innovationsprozess zu integrieren, das Ziel muss sein, einen Zulieferprozess zu etablieren, der einen kontinuierlichen Strom an hochwertigen Ideen und weiterem Innovationsinput für alle Phasen des Innovationsprozesses sicherstellt. Dabei spielt es, in Analogie zur Versorgung mit Zulieferteilen, eine wesentliche Rolle, auf Änderungen der Bedürfnisse zu reagieren sowie Störungen ruhig und gedämpft meistern zu können. Auch eine Anpassung an interne und externe Rahmenbedingungen muss ständig erfolgen, ebenso wie eine Abstimmung mit den integrierten Kunden bzw. Partnern der Nachfrageseite. Ein nahe liegender nächster Schritt ist nun die Kombination der Zuliefer- mit der Nachfrageseite, zu einer Vision eines „360°-Unternehmens“, in welchem sowohl die Zulieferprozesse für Güter und Services als auch jene für externe Ideen in die AUSBLICK 223 operativen Prozesse integriert werden. Dabei kann für die Ideenseite von vier grossen Partnergruppen nämlich den Kunden, Zulieferern, Komplementäranbietern und Universitäten bzw. Experten ausgegangen werden. Derartig umfassende operative Kooperationen werfen die folgenden Fragen auf: ¾ Wie schaut ein gut funktionierendes 360°-Unternehmen aus und was kann es leisten? ¾ Was sind die Gefahren der Öffnung bzw. Auslagerung und wie können sie überwunden werden? ¾ Wie können Prozesse, welche ein Hersteller nicht vollständig kontrolliert, trotzdem von diesem transformiert und optimiert werden? ¾ Was sind die Rollen und Verantwortlichkeiten der direkt betroffenen Personen und des Managements? ¾ Welche kulturellen Herausforderungen gibt es in 360°-Unternehmen und wie können sie gemeistert werden ? Von entscheidender Wichtigkeit ist es, das ganze Spektrum an möglichen Kooperationspartnern auszunutzen, denn die Einbindung verschiedener Partner in allen Phasen des Innovationsprozesses führt zu den grössten Hebeleffekten zur Steigerung der Innovationskraft. Ausserdem ist es vorteilhaft, eine Auswahl an permanenten Partnern aufzubauen. Dieses ermöglicht, in Verbindung mit einer in einem systematischen Prozess aufgebauten Partnerschaftskompetenz, bei Bedarf spontan auf einen Partner zurückzugreifen, ohne zuerst einen langen Selektionsprozess und Beziehungsaufbau durchlaufen zu müssen. Das Ziel liegt damit darin, ein Portfolio von Partnerschaftskontakten zu pflegen, welches einerseits Übersicht über das Wissen Externer gewährt, aber auch Aufschluss über die Gewichtung der beabsichtigten Innovationen gibt. Aufbruch der klassischen Eigentumsrechte Ein wesentlicher Aspekt jeder Art von offener Innovation ist die Frage der Verwertung der generierten Ergebnisse und damit der Rechte am geistigen Eigentum. Gemeinschaftliche Innovationsfrühphasen verlangen nach neuen Mechanismen zur Verteilung der innovationsbezogenen ökonomischen Renten. Traditionellerweise waren Unternehmen in der Vergangenheit unter anderem auch aufgrund möglicher Probleme mit dem geistigen Eigentum nur zögerlich dazu bereit, externe Partner (wie z. B. Kunden) in die Entwicklung neuer Produkte 224 FAZIT einzubinden. Die Entstehung eines digitalen Wirtschaftsraumes, in dem kollektive Methoden der Wissensgenerierung eine bedeutende Rolle einnehmen, bedingt eine erneute Betrachtung der Art und Weise, wie die ökonomischen Renten einer Innovation verteilt werden. Diese Fragestellung ist besonders schwierig zu beantworten, wenn die neue Idee Ergebnis eines gemeinsamen Prozesses ist, in dem die genauen Beiträge der einzelnen Teilnehmer nur schwer zu unterscheiden sind. Der Hersteller muss sein Interesse an einem Vorteil aus der Kundenintegration mit der Notwendigkeit einer Aufteilung der ökonomischen Renten aus einer derartigen Gemeinschaftsinnovation unter eine Hut bringen. Wahrscheinlich wird es daher notwendig, neue Rechte bzw. Lizenzformen im Industriegüterbereich zu schaffen, wie dies beispielsweise im Softwarebereich vor kurzem durch die Creativ Commons License bereits geschehen ist. Dabei brechen neue Forschungsergebnisse im B-2-C-Bereich mit traditionellen Annahmen. Die klassische Ansicht der Innovationsforschung geht davon aus, dass Menschen erwarten, für ihre kreative Arbeit bezahlt zu werden. Daraus ergibt sich der Bedarf, die Schaffung geistigen Eigentums zu schützen und zu belohnen. Die neuesten Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der von Benutzern bzw. Konsumenten geführten Innovationen zeigen interessanterweise, dass Kunden offensichtlich sehr oft bereit sind, ihre Kreativität frei zur Verfügung zu stellen (z. B. von Hippel 2005). Ein Grund dafür könnte sein, dass es sich dabei um ihre einzige praktizierbare Option handelt. Patente sind teuer in der Anschaffung und bieten oft nur schwachen Schutz. Manche Leute bewerten daher die Steigerung ihrer Reputation und potenzielle Vernetzungseffekte durch eine freie Verbreitung ihre Arbeit höher als die Summen, welche sie durch eine rechtlichen Schutz ihre Ideen erzielen könnten. Dies würde bedeuten, dass die immateriellen Anreize für viele Kunden dominieren und entsprechend verstärkt werden müssen. Es eröffnet sich also für Unternehmen die Chance durch eine geschickte Gestaltung ihrer offenen Innovationsprozesse, mit geringem Aufwand zu grossen Vorteilen zu gelangen. Diskretisierung der Innovationsfrühphase Vorbildfunktion für besondere Rollen des Kunden bzw. spezielle interaktive Innovationsprozesse hat traditionellerweise die Softwarebranche. Dort herrscht bereits seit Jahrzehnten eine Tradition der intensiven Zusammenarbeit mit dem Kunden, aber auch neue Formen beispielsweise das Extreme Programming (XP), eine durch den Hersteller angestossene Methode der intensiven Kundeneinbindung, werden permanent entwickelt und können auf ihre Übertragbarkeit in andere Industrien geprüft werden. AUSBLICK 225 XP ist ein aktueller Ansatz des Software Engineerings, welcher primär auf dem Prinzip der Kundenintegration in einen schnellen und iterativen Prototypingprozess basiert. Anstelle der mehrjährigen Entwicklungsprojektplanung nach möglichst detaillierten, aus Kundenaussagen abgeleiteten Entwicklungszielen eines klassischen Software-Projektes steht am Beginn eines Extreme Programming Projektes der Fokus auf dem gemeinsam herausgearbeiteten Basisbedürfnis des Kunden. Die Realisierung eines derartigen Basisbedürfnisses dauert oft nur vergleichsweise kurze Zeit, wodurch Kosten, Dauer, Umfang und Qualität gut abschätzbar und daher zielgenau erfüllbar sind. Der erste Release oder Prototyp kann nach kurzer Zeit dem Kunden als Lösung für sein primäres Problem präsentiert werden. Basierend auf dieser Grundlösung können dann – wieder gemeinsam mit dem Kunden – weitere relevante, aktuelle Produktanforderungen identifiziert werden, welche im nächsten Release realisiert werden. Es stellt sich die Frage, ob sich die Funktionsweise von XP, welche für die Software-Entwicklung eine neue Dimension der Kundenintegration darstellt, auch auf die Produktentwicklung von Industriegütern übertragen lässt und welches die relevanten Implikationen für so einen Transfer sind. Folgende Erkenntnisse lassen sich direkt ableiten: ¾ Die Frühphase muss in sequenzielle Unterphasen unterteilt werden, in denen der kreative Prozess stattfindet. ¾ Nach jeder Teilphase wird Kundenwissen freigesetzt und in die nächste Teilphase integriert. ¾ Statt zahlreicher Feedbackschleifen spät im Prozess, gibt es wenige im Verlauf der gesamten Frühphase (von der Spezifikationserstellung bis zum ausgereiften Prototypen). Dabei bestimmen folgende Determinanten die Übertragbarkeit Vorgehensweise auf das B-2-B-Umfeld industrieller Güter: der XP- ¾ Kundenbedürfnis aufteilbar und nicht systemisch ¾ F&E in Teams und nicht funktional organisiert ¾ Produktsystemarchitektur modular nicht integriert ¾ Steuerung und Projektplanung iterativ und nicht sequenziell Aus dem Blickwinkel der in dieser Arbeit identifizierten Kundenrollen, würde eine derartige Vorgehensweise eine Verschmelzung der Rollen des Spezifikators und 226 FAZIT Selektors in einem Kunden bedeuten. Dies impliziert im industriellen Umfeld ein komplexes und seltenes Kompetenzprofil des Kunden, verspricht aber Vorteile durch reduzierten Akquisitions- und Kommunikationsaufwand im Vergleich zur Integration zweier verschiedener Kunden. 7.2.2 Offene Forschungsschwerpunkte Die Bedeutung eines offenen Innovationsprozesses wird auch in Zukunft weiter zunehmen. Nur durch diese Öffnung wird es Unternehmen gelingen, unter den sich immer weiter verschärfenden Randbedingungen, die notwendigen Innovationen hervorzubringen. Dabei wird, wie im vorhergehenden Abschnitt skizziert wurde, sowohl die Verbreitung der frühen Kundenintegration ansteigen als auch deren Ausgestaltung und Einbindung in die Öffnung des gesamten Unternehmens wesentliche Veränderungen erfahren. Daraus, sowie basierend auf den Ergebnissen dieser Arbeit, welche spezifische Kundenrollen und Gestaltungskonzepte der frühen Kundenintegration aufgezeigt hat, ergeben sich folgende mögliche zukünftige Forschungsschwerpunkte: ¾ Im Sinne eines mehrstufigen Forschungsdesigns wäre der nächste grosse Schritt eine quantitative Validierung des entwickelten konzeptionellen Managementmodells. Dies würde auch weiter gehende Erkenntnisse über den tatsächlichen Verlauf früher Kundenintegrationsprozesse liefern. ¾ Ein zentraler weiterer Forschungsschwerpunkt läge in einer näheren Untersuchung des Zusammenhangs der frühen Kundenintegration mit dem Innovationserfolg des Herstellers. Ein erster Ansatz für einen derartigen Erfolgsnachweis könnte die Ermittlung der Erfolgsraten der unterschiedlichen Ausprägungen der frühen Kundenintegration sein. Dazu müssten zunächst die Auswirkungen der einzelnen eingesetzten Strategien, Rollen und Unterstützungsmechanismen auf die Erfolge der Neuproduktentwicklung bzw. des Innovationsprozesses (z. B. den ProduktMarkt-Fit und die Durchlaufzeit) erhoben werden. ¾ In der vorliegenden Arbeit wird der Fokus auf die Sichtweise des Herstellers gelegt. Die Ziele der Kunden sind nicht Thema dieser Arbeit. Generell lässt sich feststellen, dass eine Forschungslücke darin besteht, die verschiedenen Rollen der Kundenintegration aus Sicht des Kunden zu betrachten. Dazu müssten Daten aus Kundensicht, vor allem für den Interaktions- und Motivationsteil, erhoben werden. AUSBLICK 227 ¾ Ein Abgleich mit den bestehenden Ergebnissen kann wertvolle Einsichten in mögliche Interaktionseffekte der verschiedenen Gestaltungselemente liefern und damit das Modell weiter bereichern. ¾ Offene Fragen stellen auch die Erweiterung der frühen Kundenintegration zu einem Managed Customer Network bzw. ihre Integration in den grösseren Zusammenhang einer erweiterten Unternehmung („360°-Unternehmen“) dar, wie dies in Abschnitt 7.2.1 angedeutet worden ist. ¾ Schliesslich ergibt sich noch die interessante Fragestellung der Übertragbarkeit der erarbeiteten Ergebnisse auf andere Innovationsarten als Produktinnovationen. Dies könnte beispielsweise eine Anpassung des Modells an die Spezifika der frühen Integration von Kunden zur Erhöhung der Innovationsfähigkeit für Prozesse und Serviceangebote bedeuten. Es lässt sich also abschliessend feststellen, dass die Integration des Kunden im Rahmen der frühen aktiven Kundenintegration grosse Potenziale bietet, die Innovationsfähigkeit des Herstellers zu erhöhen. Zur Nutzung dieser Chancen bedarf es eines sorgfältig aufgesetzten Prozesses, welcher strategisch und strukturell in den Innovationsprozess des Herstellers eingebettet sein muss. Das entwickelte Managementmodell ermöglicht eine effektive und effiziente Integration von Kunden entlang von vier identifizierten spezifischen Kundenrollen. Diese Arbeit stellt allerdings nur einen kleinen Baustein im grossen Feld der Erforschung offener Innovationsprozesse dar. Das Bestreben nach Erweiterung und Validierung bestehender Modelle sowie die sich permanent verändernden Rahmenbedingungen sorgen für einen praktisch unerschöpflichen Strom an neuen interessanten Aufgabenstellungen für zukünftige Forschungsaktivitäten. 228 REFERENZEN Referenzen Achtenhagen, L., J. Müller-Lietzkow, et al. (2003). "Das Open Source-Dilemma: Open Source-Software zwischen freier Verfügbarkeit und Kommerzialisierung." Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung - zfbf 55(August 2003): 455-481. Adams, M. E., G. S. Day, et al. (1998). "Enhancing new product development performance: an organizational learning perspective." Journal of Product Innovation Management 15(5): 403-422. Alavi, M. (2000). Managing organizational knowledge. Framing the domains of IT management. R. W. Zmud. Cincinnati, OH, Pinnaflex. Allen, T. J. (1991). 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How Customers Think: Essential Insights into the Mind of the Market. Boston, HBS Press. 244 ANHANG 1 Anhang Anhang 1: Interviewleitfaden und Ergänzungsfragen Interviewleitfaden „Kundeneinbindung in den Innovationsprozess“ Allgemeine Fragen 1. Wie würden Sie die Technologiedynamik Ihrer Branche beschreiben? 2. Wie schaut die Wettbewerbsintensität und -struktur Ihrer Branche aus (z. B. Oligopol)? 3. Wie würden Sie die Struktur Ihres Marktes mit Blick auf die Kunden beschreiben (z. B. viele grosse Kunden oder zersplittert)? 4. Charakterisieren Sie bitte kurz Ihre Hauptkunden (bzw. Kundentypen)! 5. Wie schaut die Wertschöpfungskette in Ihrem Umfeld aus und wo stehen Sie bzw. Ihre Kunden? 6. Wie viele Mitarbeiter hat Ihre F&E-Abteilung? 7. Wie hoch ist der Umsatz Ihres Unternehmens (bzw. der Division für den die F&E-Abteilung arbeitet)? 8. Wie hoch sind die Investitionen in Ihre F&E-Abteilung (absolut oder in Prozent des Umsatzes)? 9. Wie ist das Verhältnis zwischen internen und externen F&E-Ausgaben (falls verfügbar)? 10. Wie gross ist der Anteil der radikalen Innovationen (im Vergleich zu inkrementellen Innovationen) in Ihrem Unternehmen? 11. Was waren die letzten drei erfolgreichen („bahnbrechenden“) Innovationen Ihres Produkt-/Marktbereiches? INTERVIEWLEITFADEN UND ERGÄNZUNGSFRAGEN 245 12. Was waren die Quellen dieser Innovationen? 13. Anzahl neuer Produkte (exkl. Produktverbesserungen) im Markt innerhalb der letzten drei Jahre? 14. Anteil neuer Produkte (nicht älter als drei Jahre) am Umsatz Ihrer Abteilung/Division? 15. Wie beurteilen Sie generell die Verfügbarkeit von finanziellen, materiellen und personellen Ressourcen in Ihrem Unternehmen/Wettbewerbsumfeld? Kundeneinbindung allgemein 16. Wie ist Ihr Innovationsprozess strukturiert? In welchen Schritten läuft er ab? Bitte geben Sie einen ganz groben Überblick (evtl. mit Diagramm)! 17. An welchen Stellen dieses Prozesses binden Sie Kunden ein? 18. Beobachten, beteiligen oder integrieren Sie Ihre Kunden und wie hoch ist der Grad der Kundenaktivität? 19. Wie ist der Kundeneinbindungsprozess organisatorisch verankert? 20. Wer ist für die Kundeneinbindung verantwortlich und wie wird diese mit dem Innovationsprozess koordiniert? 21. Welche Erfahrungen haben Sie mit dieser Kundeneinbindung gemacht (Vorteile und Nachteile, Resultate)? 22. Was sind aus Ihrer Sicht die kritischen Erfolgsfaktoren der Einbindung von Externen (besonders Kunden)? 23. Wo sehen Sie noch Verbesserungsmöglichkeiten und Potenziale der Kundeneinbindung in den Innovationsprozess? 24. Binden Sie auch andere externe Partner in Ihren Innovationsprozess ein (z. B. Zulieferer und Universitäten)? 246 ANHANG 1 Die folgenden fünf Fragenblöcke bitte (falls möglich) auf Kundeneinbindung in den frühen Phasen des Innovationsprozesses (Fuzzy Front End, Identifikation von Chancen und Trends, Ideen- und Konzeptgenerierung, Auswahl und Bewertung von Ideen und Konzepten) beziehen! Bei allen fünf Blöcken bitte nach Möglichkeit Beispiele (erfolgreich und/oder nicht erfolgreich) zur näheren Erläuterung sowie die jeweiligen kritischen Erfolgsfaktoren hinzufügen! Herstellerinterne Grundlagen der Kundeneinbindung 25. Inwiefern beeinflusst die Geschäftsstrategie/Technologiestrategie (speziell der Fokus auf bestimmte Kernkompetenzen) die Art und Weise der Kundeneinbindung (Wen einbinden und wann?) und ist diese Strategie den Mitarbeitern bekannt? 26. Wie stellen Sie sicher, dass innerhalb der F&E (und in anderen relevanten Abteilungen) eine Atmosphäre herrscht, welche offen gegenüber Anregungen von aussen ist? Wie sorgen Sie dafür, dass eine organisationsweite Orientierung hin zum Verstehen der Kundenbedürfnisse erfolgt? 27. Was unternehmen unterstützen? Sie, um diesen organisatorischen Lernprozess zu 28. Welche Rolle spielt die Schnittstelle zwischen F&E und Marketing in Ihrem Innovationsprozess und welche Instrumente setzen Sie ein, um diese Zusammenarbeit zu fördern? Kundenbezogene Grundlagen der Kundeneinbindung 29. Welche Rolle spielen die folgenden Kundencharakteristika bei der Auswahl der eingebundenen Kunden? Bitte beschreiben Sie kurz, warum diese Punkte relevant sind (bzw. warum nicht) und wie Sie diese berücksichtigen! (a) Grösse des Kunden relativ zur Ihrer Unternehmung? (b) Finanzielle Attraktivität des Kunden? (c) Ruf des Kunden? (d) Wissen und Kompetenzen (Ressourcen und Skills) des Kunden? (e) Vergangene Erfahrungen des Kunden mit partnerschaftlicher Innovation? (f) Andere Kundencharakteristika, welche für Sie eine Rolle spielen? INTERVIEWLEITFADEN UND ERGÄNZUNGSFRAGEN 247 30. Wodurch werden die Kunden zur Einbindung bzw. Mitentwicklung motiviert (extrinsische Motivation z. B. durch Bezahlung oder intrinsische Motivation z. B. durch bessere Produkte)? Grundlagen der Interaktion zwischen Hersteller und Kunden 31. Inwiefern berücksichtigen Sie die Kompatibilität Ihrer Firmenkultur mit der des eingebundenen Kunden? 32. Welche Rolle spielt die Entwicklung klarer gemeinsamer Ziele und wie stellen Sie diese sicher? 33. Wie sieht der Prozess der Kundeneinbindung aus? 34. Welche operativen Strukturen wählen Sie für die Kundeneinbindung (z. B. organisationsübergreifende Teams)? 35. Welche der folgenden Beziehungsvariablen spielen bei Ihren Kundeneinbindungen eine Rolle? Bitte beschreiben Sie kurz, warum diese Punkte relevant sind (bzw. warum nicht)! (a) Commitment? (b) Vertrauen? (c) Gegenseitigkeit? (d) Andere Beziehungsvariablen, welche für Sie eine Rolle spielen? 36. Beschreiben Sie kurz den Kommunikationsprozess zwischen Ihrer Firma und den eingebundenen Kunden! 37. Welche Rolle spielt die räumliche Dimension bei der Kundeneinbindung (z. B. virtuelle Einbindung bei grosser räumlicher Distanz)? 38. Wie managen und kontrollieren Sie den Prozess der Kundeneinbindung (z. B. Audits und reguläre Fortschrittsberichte)? Methoden/Instrumente der Kundeneinbindung 39. Welche speziellen Methoden/Instrumente zur Kundeneinbindung wenden Sie an (z. B. Lead-User-Workshops und Interviews) und wie laufen diese ab? 40. Welche Erfahrungen haben Sie mit diesen Methoden gemacht? 248 ANHANG 1 41. Gibt es andere Methoden, welche Sie einmal verwendet haben bzw. in Zukunft verwenden möchten? Ergebnis/Ziele der Kundeneinbindung 42. Welche Rolle soll der Kunde einnehmen (z. B. Berater, Mitarbeiter, Lernender, Partner)? 43. Welchen Beitrag erwarten Sie sich von den eingebundenen Kunden bzw. durch die Zusammenarbeit mit ihnen (z. B. Ideen, Spezifikationsdetails, Konzepte, Marktchancen, Trends)? 44. Welche Kompetenzen bzw. welches Wissen müssen die eingebunden Kunden haben, um den erwarteten Beitrag leisten zu können? 45. Führt die Kundeneinbindung eher zu inkrementellen oder zu radikalen Innovationsschritten? 46. Wie gehen Sie mit der Frage des geistigen Eigentums für Beiträge welche durch die Einbindung Externer (speziell Kunden) entstanden sind um? 47. Anzahl der Patente innerhalb der letzten drei Jahre und wie viele dieser Patente wurden gemeinsam mit externen Partnern (besonders mit Kunden) eingereicht? INTERVIEWLEITFADEN UND ERGÄNZUNGSFRAGEN 249 Ergänzungsfragen zu Interviewleitfaden "Kundeneinbindung in den Innovationsprozess" Übergeordnete Gestaltungsfelder der Kundenintegration Kultur Hauptkriterium: offene Innovationskultur (zu Frage 26) 48. In welcher Form gestaltet das Top-Management eine offene Innovationskultur bzw. nimmt es seine diesbezügliche Vorbildwirkung wahr? 49. Gibt es einheitliche Normen, Dokumente, Geschichten und Mythen, die die Innovationskultur unterstützen? 50. Wie bekämpfen Sie das „Not-Invented-Here-Syndrom“ (NIH)? Struktur Hauptkriterium: organisatorische Verankerung der Kundenintegration (zu den Fragen 19 und 34) 51. Wie haben Sie die Funktionen, Verantwortungen und Ressourcenzuteilung für die Kundenintegration festgelegt? 52. Falls Sie eine eigene Organisationseinheit für die Kundenintegration etabliert haben, bitte beschreiben Sie diese! Strategie Hauptkriterium: Qualität der Innovationsstrategie bezüglich Kundenintegration (zu Frage 25) 53. Wie legen Sie die Kernkompetenzen und Kooperationsfelder („Stossrichtung der Kundenintegration“) fest? 54. Wie erfolgt das Umsetzen der strategischen Ziele (Vorgehensweise, strategische Initiativen)? Prozessorientierung (zu den Fragen 19, 20 und 33) 55. In welche Phasen gliedert sich Ihr Kundenintegrationsprozess (z. B. Initiierungsphase, Vorbereitungsphase und Realisierungsphase)? Initiierungsphase Hauptkriterium: Entscheidung zur Kundenintegration 56. In welcher Form fliessen die Kenntnisse der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen ein? 57. Wie werden die Chancen und Anforderungen erkannt? 58. Wie ist der Abgleich zwischen den Fähigkeiten und den Anforderungen organisiert? 250 ANHANG 1 Hauptkriterium: Klare Ergebniserwartung 59. Wie kommen Sie zu einer klaren Problembeschreibung? 60. Welcher Prozess liegt der Erarbeitung der Integrationsziele zugrunde? 61. Wie stellen Sie sicher, dass die wichtigsten Stakeholder integriert werden? Vorbereitungsphase Hauptkriterium: Kundenauswahl 62. Wie werden Suchstrategie und die Selektionskriterien entwickelt? 63. Wie funktioniert der Kundensuchprozess? 64. Wie erfolgt die Selektion potenzieller Integrationspartner? Hauptkriterium: Vertragsabschluss (zu Frage 32) 65. In welcher Form und mit welcher Strategie wird mit den Kunden verhandelt? 66. Wie werden die gemeinsamen Integrationsziele festgelegt? Realisierungsphase Hauptkriterium: Operative Durchführung (zu den Fragen 34 und 38) 67. Wie wird die geeignete Integrationsform ausgewählt? 68. Wie erfolgt das Management (Personal und Finanzen) der Integration? 69. Wie wird der Integrationsprozess kontrolliert? Hauptkriterium: Integration der Ergebnisse (zu Frage 27) 70. Wie werden die Ergebnisse der Integration dokumentiert und gespeichert? 71. Wie wird der firmeninterne Kommunikationsprozess zur Weitergabe der Ergebnisse unterstützt? Ziele des Herstellers (zu den Fragen 42 und 43) 72. Wie würden sie die Rollen des Kunden im Rahmen der Integration bezeichnen? 73. Sind Sie mehr am Marktwissen oder am Technologiewissen der Kunden interessiert? 74. Welche Ergebnisse erwarten Sie sich von der Kundenintegration (Identifikation von Gelegenheiten, Ideen oder Konzepte)? Erfolgsmessung (zu den Fragen 22 und 38) 75. Wie messen Sie den Erfolg der Kundenintegration (Kriterien, Zielvorgaben, Reportingstelle)? INTERVIEWVERZEICHNIS 251 Anhang 2: Interviewverzeichnis Unternehmen Name Position Ort Datum Acutronic Peter Terstappen Vice President Operations Bubikon 25.2.2003 awtec Andreas Schlegel Geschäftsführer Zürich 28.2.2003 Jochen Ganz Geschäftsführer Zürich 28.2.2003 Hermann Perrey Vice President Research and Leverkusen 4.6.2003 Bayer Chemicals Development Bayer Dieter Boesveld Creative Center Leverkusen 4.6.2003 MaterialScience Eckhart Foltin Head of Creative Center Leverkusen 4.6.2003 Zürich 1.12.2003 Telefoninterview 2.12.2004 Telefoninterview 21.4.2005 Georg Heger New Technologies & Services Telefoninterview 1.12.2003 Paula C. Alves New Technologies Leverkusen 4.6.2003 Dornbirn 1.4.2004 Rodrigues Bowler PET (Pty) Ltd Bernd Sass Werksleiter Kapstadt, RSA 30.7.2002 Collano AG Alex Hofman Project Manager St. Gallen 13.2.2004 Thomas Wolf Innovationsprojekte St. Gallen 13.2.2004 Andrea Appel Customer & Service Wien 28.3.2004 Continental Management Telefoninterview 12.11.2005 EADS Astrium Daniel J. Britton Principal Engineer Rudolf Benz Senior Engineer Telefoninterview 8.12.2003 St. Gallen 29.10.2003 Friedrichshafen 18.12.2003 14.12.2004 Telefoninterview Rainer Behrle Head of R&D Coordination ENS 25.4.2005 St. Gallen 29.10.2003 Friedrichshafen 18.12.2003 14.12.2004 Endress+Hauser Guido Hugentobler Verkaufsingenieur St. Gallen 27.4.2004 E-proPlast GmbH Modesto Pesavento Werksleitung Schmalkalden 24.7.2002 Esterform Paul Cooke Direktor Tenbury Wells, GB 22.7.2002 Eternal Water Ltd James Holani Plant Manager Wakatane, NZ 12.8.2002 252 ANHANG 2 Unternehmen Name Position Fuba Automotive Markus Deutsch Business Manager Antenna GmbH Geberit Ort Datum Hannover 15.11.2003 Systems Korea Mario von Ballmoos Bereichsleiter Jona 4.3.2003 Installationssysteme Hilti Corporation Walter Eggenberger Bereichsleiter F&E Jona 4.3.2003 Friedhelm Schöpe Program Manager New Busi- Telefoninterview 20.2.2003 ness & Technology Hilti Deutschland Erik Peyer Verkaufsleiter Region Bayern Kaufering 24.2.2003 Hilti Deutschland Hr. Jasper Customer Service Kaufering 24.2.2003 Hr. Schlömer Product Manager Kaufering 24.2.2003 Hr. Schubert Ideenmanager Kaufering 24.2.2003 Hr. Skender Flottenmanagement Kaufering 24.2.2003 Marco Meyrat Geschäftsführer Kaufering 24.2.2003 Martin Reuter Marketing Manager Technik Kaufering 24.2.2003 Uwe Beugler Technischer Leiter Kaufering 24.2.2003 Wolf Hiemeyer Marketingleiter Telefoninterview 27.2.2003 Matthias Paetow Manager Research & Applica- Kaufering 24.2.2003 Hilti EntwicklungsGmbH Hilti Diamond tion Light Duty Systems Reinhard Schindler Systems Head of Diamond Service Con- Schaan 27.11.2003 tractor Segment 24.11.2004 Hilti Schweiz IBM Research Hr. Werder Field Engineering Telefoninterview 14.3.2003 Walter Hehl Content Manager Industry Solu- Rüschlikon 1.3.2004 tion Lab Walter Pletscher Manager Industry Solution Lab Rüschlikon 1.3.2004 IP Plastics Alexey Lychkouski Direktor Minsk, BY 2.8.2002 Köksan A.S. M. Murat Kökoglu Direktor Gaziantep, TR 4./5.8.02 Logitech Aldo Bussien Vice President Engineering Romanel/Morges 26.5.2003 Romanel/Morges 26.5.2003 St. Gallen 12.1.2004 Control Devices Bernhard Gander Vice President Corporate Business Development MTU Aero Engines Klaus Broichhausen Ehm. Head of Aerodynamic Design INTERVIEWVERZEICHNIS 253 Unternehmen Name Position Ort Datum Polycorp Istvan Konkoly- Agent / Thege Plastic GmbH Budapest 26.8.2002 Laczko Mihaly Direktor Budapest 26.8.2002 Henry J. Louw Executive Chairman Kapstadt, RSA 29.7.2002 Ryan Munnik Production Manager Kapstadt, RSA 29.7.2002 Jorge Viana Business Unit Manager PET Kapstadt, RSA 29.7.2002 Suzanne Louw Operations Manager Kapstadt, RSA 31.7.2002 Graham P. Neuville Plant Manager Jakarta, RI 8.8.2002 Soebekti Hambali Chairman Jakarta, RI 8.8.2002 Mulyadi Kosasih Direktor Jakarta, RI 8.8.2002 Reichart Beratung Sybille V. Reichart Geschäftsführerin Dornbirn 20.5.2003 Roche Diagnostics Gertraud Ehrlich- Manager System Integration Penzberg 11.4.2003 Weinreich Knowledge Management Labo- Penzberg 11.4.2003 Thege Polyoak PT Dynaplast Tbk rat. Diagn. Rolf A. Herb Sauer GmbH Hr. Schrickel Produktionsmanager PET Neustadt b. C. 23.7.2002 Siemens Building Günter Zepf Group Innovation Manager Zürich 4.12.2003 Frank Schüller Produktmanager PET Troisdorf 8.7.2002 Technologies SIG Blowtec 9.7.2002 SIG Corpoplast Klaus Hartwig Manager Technology Center Hamburg 10.7.2002 SIG Holding Werner Fillmann Vorstand Neuhausen 3.7.2002 Anton Demarmels CTO Neuhausen 19.7.2002 Thurn-Produkte Adi Frank Thurn Geschäftsleitung Much 25.7.2002 Unique Warren Miller CEO Pendergrass, USA 14.8.2002 Voith Paper Alexander Projektierung St. Pölten 21.6.2003 Wassermann Papiermaschinene Winterthur 26.2.2003 Dornbirn 17.5.2004 Winterthur Diether Kuhn Head of Marketing and Channel Management Support Zumtobel Staff GmbH Klaus Vamberszky Mitglied der Geschäftsleitung 14.12.2004 254 ANHANG 2 Christoph H. Wecht Curriculum Vitae Persönliche Daten Geburtsdatum: 16.3.1967 Geburtsort: St. Pölten, Österreich Ausbildung 2001 – 2005 Universität St. Gallen (HSG), Doktorandenstudium 1999 – 2000 Pfeiffer University at Charlotte, NC, Abschluss: Master of Business Administration (MBA) 1986 – 1995 Technische Universität Abschluss: Dipl.-Ing. 1977 – 1985 Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium St. Pölten; Abschluss: Matura Wien, USA; Maschinenbaustudium; Berufstätigkeit seit 2005 Gründungspartner und geschäftsführender Gesellschafter der BGW AG, St. Gallen und Wien 2001 – 2004 Forschungsassistent am Institut für Technologiemanagement (ITEM) der Universität St. Gallen (HSG) 2000 – 2001 Abteilungsleiter Knowledge Management & Innovations bei der Continental AG, Hannover 1998 – 2000 Projektingenieur bei Continental General Tire, Inc., Charlotte, NC, USA 1996 – 1997 Projektleiter bei der Continental AG, Hannover 1994 – 1996 Entwicklungsingenieur bei Traiskirchen, Österreich der Semperit Reifen AG, Wien, im September 2005