KLASSIK Premieren Beethoven-Interpret Pletnjow: „Jede Freude wie im realen Leben“ Basel Claudio Monteverdi: L’Orfeo. Theater. Premiere am 1.2., auch am 4., 8., 19. und 23.2., Tel. 0041/61/295 11 33. Während Dirigent Andrea Marcon zu den Erfahrenen zählt, gibt Regisseur Jan Bosse sein Opern-Debüt – und das gleich mit dem Urtyp der Gattung. Berlin G. F. Händel: Theseus. Komische Oper. Premiere am 10.2., auch am 15. und 24.2., Tel. 030/47 99 74 00. Die Bühneneffekte des Mythendramas machten 1713 in London viel Eindruck. Barockspezialisten wie Alessandro de Marchi am Pult oder Stella Doufexis (Mezzosopran) als Intrigantin Medea bürgen für einen stilechten Abend. Bremen Mit einem Beethoven gegen den Trend beweist Michail Pletnjow: Recht hat, wer das Herz bewegt. Schon wieder Beethoven? Lässt sich am Werk des Wieners aus Bonn denn wirklich noch etwas entdecken? Da haben Apostel der historischen Aufführungspraxis seit Jahren Bindebogen geprüft, Geigensaiten beäugt, Besetzungen reduziert, Vibrati zu eliminieren versucht und Tempi an die Grenze der Spielbarkeit getrieben; da haben Dirigenten scharenweise Deutungen präsentiert – und nun kommt auch noch der russische Meisterpianist Michail Pletnjow mit allen Symphonien und Klavierkonzerten daher. Wer sollte da nicht skeptisch sein? Aber wenn erst einmal die Musik erklingt, sind die Zweifel rasch verflogen.„Ich möchte, dass jede Phrase, jeder Aufschrei, jeder Augenblick der Freude durchlebt wird wie im realen Leben“, erklärt der Russe. Und so hat er sie auf dem Bonner Beethovenfest 2006 auch aufgeführt: Gegen alle Trends gestisch bis zur Improvisation, mit einer staunenswerten Empfindungspalette von grüblerisch bis auftrumpfend, bremst er hier kokett ab, hebt dort listig eine Stimme hervor und variiert den Anschlag so virtuos, dass von der Patina steifer Musealität rein gar nichts übrigbleibt. Selbst das durchaus pompöse fünfte Konzert in Beethovens Paradetonart Es-Dur zeigt sich unter diesem echt romantisch inspirierten Zugriff luftig und lebensprühend; die gleiche buchstäblich herzbewegende Frische ist an den in nur elf Tagen eingespielten Symphonien zu erleben. Wer für Pletnjows energische Treffsicherheit und die dahinter spürbare musikalische Souveränität nach Vorbildern sucht, der kann jetzt eine konkrete Spur verfolgen: Gerade hat der britische Enthusiast und Experte Bryan Crimp in seiner Reihe „The Russian Piano Tradition“ seltene Aufnahmen von Pletnjows Lehrer Jakow Flier neu herausgebracht – darunter Chopins B-Moll-Sonate in herausragender Deutung. Wer sagt denn, dass nicht auch Eigenständigkeit Tradition haben darf? JOHAN NES SALTZWE DEL Michail Pletnjow interpretiert mit dem Russischen Nationalorchester Beethovens neun Symphonien (5-CD-Box), dazu auf drei CDs die Klavierkonzerte, dirigiert von Christian Gansch (Deutsche Grammophon). Die Aufnahmen von Jakow Flier sind bei Appian erschienen (APR 5665). 42 Darmstadt Richard Wagner: Parsifal. Staatstheater. Premiere am 10.2., auch am 17.2., Tel. 06151/281 16 00. Hausherr John Dew inszeniert, und Musikchef Stefan Blunier dirigiert das Bühnenweihfestspiel um Sühne und Schuld. Dresden Othmar Schoeck: Penthesilea. Semperoper. Premiere am 10.2., auch am 12., 18., 21. und 23.2., Tel. 0351/491 17 05. Ist Kleists grenzwertiges Amazonendrama opernfähig? Was der Schweizer Schoeck (1886 bis 1957) hier in Dresden 1927 wagte, ist jetzt neu zu erleben – dirigiert vom Altmeister Gerd Albrecht, einem der besten Kenner des Werks. Duisburg Gaetano Donizetti: Der Liebestrank. Deutsche Oper am Rhein. Premiere am 9.2., auch am 15., 20., 23. und 27.2., Tel. 0211/892 52 11. Was sich neckt, liebt sich eben doch: Netta Or und Andrej Dunaev turteln als Adina und Nemorino; Pierre-Do2/2008 KulturSPIEGEL FOTO: REINER MAILLARD / DEUTSCHE GRAMMOPHON (L.) Museumsklang ade Gershon Kingsley: Raoul. Theater. Uraufführung am 21.2., auch am 23. und 28.2., Tel. 0421/365 33 33. Raoul Wallenberg, der als Diplomat in der NS-Zeit Juden rettete, ist ein politisch korrekter Held – aber oft soll es auch musicalhaft flott zugehen. Ob Regisseurin Julia Haebler der Spagat gelingt? Neue CDs Klassik Ludwig van Beethoven/Johannes Brahms: „Klaviertrios“ (telos) In erst knapp drei gemeinsamen Jahren hat das Morgenstern Trio es bis zum zweiten Preis im ARD-Wettbewerb gebracht. Man hört, warum: Beethovens „Geistertrio“ klingt souverän, wie aus einem Guss, und bei aller erzählerischen Fülle in den Ecksätzen von Brahms’ op. 87 bleibt der dramatische Bogen immer spürbar. Das filigrane Scherzo zeigt besonders schön, wie enthusiastisch hier drei Könner am selben Strang ziehen. Joseph Haydn/Isang Yun: „Farewell“ (ECM) Jähe Generalpausen, entlegene Tonartwechsel, bizarre Lethargie im Menuett oder am Ende der „Abschiedssymphonie“ ein allmählicher Exodus der Musiker, bis nur noch zwei Geigen dasitzen: Über derlei Pfiffigkeiten vergisst mancher Haydns Melodiekunst. Nicht so Alexander Liebreich, dessen erste Aufnahme als Chef des Münchner Kammerorchesters hier wie in Yuns eher atmosphärischer Klangwelt lebendige Spielkultur beweist. Georg Friedrich Händel: „Riccardo Primo“ (Sony BMG) Neben exotischen Regenten und Sagenrittern hat Händel 1727 auch Richard Löwenherz zum Opernhelden erkoren. Allerdings war zur Krönung von George II. nur ein unverfängliches Liebesmelodram möglich. Desto erlesener tönen Soli und Instrumentalfarben. Koloraturvirtuosen wie der Countertenor Lawrence Zazzo und das Kammerorchester Basel unter Paul Goodwin machen den Dreistünder zum Hörvergnügen. Louis Ferdinand von Preußen/Felix Mendelssohn Bartholdy: „Klavierquartette“ (Musicaphon) Louis Ferdinands Amateurstatus ist dem um 1800 entstandenen Opus nicht anzumerken: Melodisch und formal elegant, behauptet es seinen Rang neben dem zweiten Klavierquartett des 14-jährigen Mendelssohn – der vermutlich sogar davon inspiriert war. Mit Wärme und Transparenz wird das Valentin Klavierquartett diesen Werken einer reichen Übergangsperiode vorbildlich gerecht. „Das Lieben bringt groß’ Freud – Deutsche Volkslieder“ (Hänssler Classic) Fernab aller Hitparaden der Volksmusik mit ihrer ranzigen Fließbandware gibt es zum Glück noch Musiker, die sich für das Einfache und Echte begeistern. Einfach gut, nämlich unmanieriert und intonationssicher singt Bettina Pahn 25 Lieder und Balladen von „Alle Vögel sind schon da“ bis „Kein schöner Land in dieser Zeit“, die nun auch dank Joachim Helds sparsam-eleganter Lautenuntermalung wie kleine Offenbarungen wirken. Anton Bruckner: „Symphonie Nr. 7 E-Dur“ (LPO) Noch immer schwärmen Londoner Konzertfreunde von Klaus Tennstedts Bruckner-Aufführungen. Seit er es 1977 erstmals dirigiert hatte, war der sensible Deutsche zum Liebling des London Philharmonic Orchestra geworden, 1983 wurde er dessen Chefdirigent. Nun ist seine episch weiträumige, fast überirdisch reine Gestaltung als Live-Mitschnitt vom Mai 1984 nachzuerleben. JOHAN NES SALTZWE DEL Bücher, CDs, DVDs und exklusive SPIEGEL-Produkte erhalten Sie unter www.spiegel.de/shop 28. Januar 2008 KlassikBestseller 1 Wenn nun nicht bald die lebenden Kehlenartisten wieder energisch an die Spitze vorrücken, geht das Tenorwunder aus Modena am Ende noch als Untoter der Saison in die Annalen der Gesangskunst ein. Luciano Pavarotti: „Pavarotti Forever“ Decca 2 Marshall & Alexander: „Götterfunken“ Edel Records 11 Simon Keenlyside: „Festliches Adventskonzert aus der Dresdner Frauenkirche“ Sony Classical 3 Anna Netrebko, Rolando Villazón: „Duets“ 12 Deutsche Grammophon 4 Anna Netrebko, Elina Garan‡a, u. a.: „Die Operngala der Stars – Live aus Baden-Baden“ Luciano Pavarotti: „Unforgettable Pavarotti – Live“ Sony Classical 13 Rolando Villazón: „Viva Villazón!“ 14 Hélène Grimaud, W. Jurowski: „Beethoven: Klavierkonzert Nr. 5 / Klaviersonate 28“ Virgin Classics Deutsche Grammophon 5 Cecilia Bartoli: „Maria“ Decca Deutsche Grammophon 6 Nikolaus Harnoncourt, Concertus Musicus: „Bach: Weihnachtsoratorium“ 15 Anne-Sophie Mutter: „Simply Anne-Sophie“ 16 Luciano Pavarotti: „Romantic Pavarotti“ 17 Nigel Kennedy, Polish Chamber Orchestra: „Polish Spirit“ Deutsche Grammophon Sony Classical 7 Anna Netrebko, Rolando Villazón: „Violetta – Arien und Duette aus ,La Traviata‘“ RCA Red Seal Deutsche Grammophon 8 Luciano Pavarotti: „The Best“ Decca EMI Classics 9 Sol Gabetta: „Il Progetto Vivaldi“ Sony Classical Bei allem französischen Flair – dies Konzert wirkt matter als frühere. 10 Georges Pretre, Wiener Philharmoniker: „Neujahrskonzert 2008“ Decca 18 Fritz Wunderlich: „Geistliche Arien“ 19 Anna Netrebko, Eduardo Valdes: „I Puritani“ (DVD) Deutsche Grammophon Deutsche Grammophon Lang, Long Yu, 20 Lang China Philharmonic Orchestra: „Dragon Songs“ Deutsche Grammophon ERMITTELT DURCH MEDIA CONTROL BADEN-BADEN, IM AUFTRAG DES BUNDESVERBANDES DER PHONOGRAPHISCHEN WIRTSCHAFT E. V. 44 2/2008 KulturSPIEGEL KLASSIK minique Ponnelle, 51, dirigiert die melodienselige Burleske zum fröhlichen Ende. Frankfurt/Main Paul Dukas: Ariane et Barbe-Bleue. Oper. Premiere am 10.2., auch am 16. und 21.2., Tel. 069/134 04 00. Griechenprinzessin Ariadne kommt als Blaubarts siebte Frau hinter sein Geheimnis – und hält doch zu ihm: Dieses Stück von 1907 ist keine leichte Aufgabe für Regisseurin Sandra Leupold. Hamburg Richard Strauss: Arabella. Staatsoper. Premiere am 3.2., auch am 6., 9., 12., 15. und 24.2., Tel. 040/35 68 68. Schlag auf Schlag komplettiert die energische Hausherrin Simone Young ihr jetzt schon stattliches Strauss-Bukett. Fragt sich nur, ob Emily Magee, Debütantin in der Titelrolle, richtig besetzt ist. W. A. Mozart: Die Zauberflöte. Musikhochschule. Premiere 14.2., auch 17., 19., 21., 23., 26. und 28.2., Tel. 040/45 33 26. Wo geht’s hier lang? Mit dieser leitmotivischen Frage versucht Sebastian Ukena das Initiationswerk neu zu erschließen. Hannover W. A. Mozart: Die Zauberflöte. Staatsoper. Premiere am 15.2., auch am 26.2., Tel. 0511/99 99 11 11. Gut und Böse liegen im Streit – aber Regisseurin Elisabeth Stöppler, 30, will gerade zeigen, wie Mozart die inneren Widersprüche beider Seiten, ja aller Figuren vor Ohren führt. Köln Torsten Rasch: Rotter. Oper. Uraufführung am 23.2., auch am 29.2., Tel. 0221/ 22 12 84 00. Ein prekärer deutscher Lebenslauf nach dem Schauspiel von Thomas Brasch, komponiert von einem erfolgreichen Stil-Grenzgänger („Mein Herz brennt“). Lübeck Rostock Kurt Weill: Happy End. Volkstheater. Premiere am 23.2., auch am 28. und 29.2., Tel. 0381/381 47 00. Gemeinsam mit der örtlichen Musikhochschule erweckt das Theater mit Brecht-Songs und Band die Gangsterund Bohèmejahre Chicagos zum Leben. Festivals Dessau: Kurt Weill Fest. 29.2.–9.3., Tel. 0340/251 13 33, www.kurt-weill-fest.de Diesmal ist die Mischung besonders bunt: Geiger Kolja Blacher und die Singphoniker, Tenor-Weltstar Ian Bostridge und HK Grubers Pandämonium „Frankenstein!!“ treffen aufeinander. Karlsruhe: Händel-Festspiele. 22.2.– 3.3., Tel. 0721/93 33 33, www.staatstheater. karlsruhe.de Der Opernhit „Giulio Cesare in Egitto“ von 1724, das Oratorium „Susanna“ und ein Festkonzert (3.3.) sind nur drei Punkte des opulenten Programms. Münster: KlangZeitFestival. 2.–17.2., Tel. 0251/590 91 00, www.klangzeitmuenster. de Avantgarde-Musik von Luciano Berio und aus dessen geistigen Umfeld. Stuttgart: Bachwoche. 22.2.–2.3., Tel. 0711/61 92 10, www.bachakademie.de Schwerpunkt sind diesmal die weniger bekannten kurzen Messen BWV 233–236. Stuttgart: Eclat Festival. 14.–17.2., Tel. 0711/402 07 20, www.theaterhaus.com „Mindestens 11 Uraufführungen“ verspricht die Vorschau des Neutönerfestes. Tournee Peter Tschaikowski: Jewgenij Onegin. Theater. Premiere am 16.2. auch am 22. und 29.2., Tel. 0451/39 96 00. Für Philippe Bach, den neuen Ersten Kapellmeister, liegt die Latte hoch: Das Drama um die Verwirrung der Gefühle startet eine Serie osteuropäischer Opern. München Christoph Willibald Gluck: Die Pilger von Mekka. Prinzregententheater. PreKulturSPIEGEL miere am 16.2., auch am 19., 24. und 27.2., Tel. 089/21 85 19 70. Schon die ganz junge Elisabeth Schwarzkopf sang einst eine Arie der frühen Türkenoper – nun stellen Theaterakademie und Münchner Kammerorchester das melodienfrohe Werk neu vor. 2/2008 Alban Berg Quartett: Abschiedstournee. 4.2. Zürich, 13.2. München, 16.2. Frankfurt/M., 18.2. Berlin. Örtlicher Vvk. Mit ihrer Wachheit nahe der Nervosität haben sie Quartettgeschichte geschrieben. Bald gehen die Helden in den verdienten Ruhestand. Bis zum SchleswigHolstein Musikfestival im Sommer touren sie nun noch einmal rund um die Welt – mitunter sogar ganz in der Nähe. 45