THEATER Hauptsache, es knallt Von Fakten und Erfindungen: Theatermacher entdecken die Naturwissenschaften. So ein Experiment ist eine prima Sache. Jemand hat eine Idee, baut etwas auf, dann knallt’s – und eine Hypothese ist bewiesen oder eben nicht. Wichtig ist nur, dass das Ganze reproduzierbar ist. So arbeiten die Naturwissenschaften, aber im Grunde, sagen Bernd Ernst und Stefan Kaegi, funktioniert Theater doch genauso. Was liegt also näher, als Wissenschaftler auf die Bühne zu stellen? Früher präsentierten sie sich selbst auf Jahrmärkten, aber seit die Magie von der Exaktheit abgelöst wurde, bleibt die Öffentlichkeit von den Experimenten ausgeschlossen. Seit einigen Wochen treibt sich das Regiepaar in „A Consilience“, Kernforschungszentren herum, und wenn alles nach Plan inszeniert von Jan Fabre läuft, stehen bei der Premiere von „Physik: [Einführung]“ Herr Beha und Herr Stützle vom Frankfurter Institut für Didaktik der Physik auf der Bühne. Vielleicht mit einem Blitzgenerator. Sie werden konzentriert arbeiten, während die Künstler sich den Abfallprodukten des Versuchsaufbaus widmen: der Akustik, dem Visuellen, der Choreografie. Mit theatralen Readymades, seien es adlige Doggen oder Pornostars, arbeiten Ernst, 27, und Kaegi, 29, als „Hygiene Heute“ schon seit 1998. „Zu viele Jahrzehnte wurden verschwendet, die Wirklichkeit in Kunst zu übersetzen“, erklärt Kaegi, „uns ist das zu indirekt.“ Statt „Theaterkryptografie“ zeigten sie die theatralen Momente, die sich in Biografien wie in Institutionen finden. Auch der belgische Künstler Jan Fabre, 43, kooperiert mit Spezialisten: Er überzeugte fünf Insektenkundler des Londoner Museum of Natural History, ihr Wissen vor der Kamera zu vermitteln – je nach Fachbereich als Made oder Käfer verkleidet. „A Consilience“ wird wie „Physik [Einführung]“, eine Uraufführung des begnadeten Biografien-Erfinders Hans Peter Litscher und zwei gefakte Dokumentationen der Atlas Group über den libanesischen Bürgerkrieg, bei der 4. Internationalen Sommerakademie gezeigt. Ihr Titel ist Programm: „True Truth about the Nearly Real“. CH RISTIANE KÜ HL 4. Internationale Sommerakademie, 23.–31.8., Frankfurt/M., Künstlerhaus Mousonturm, Tel. 069/40 58 95 20, www.internationale-sommerakademie.de 32 Premieren Berlin Wie vom Winde verweht. Villa Elisabeth. Premiere am 1.8. Auch 3., 4., 8.–11., 15.–18. und 22.–25.8., Tel. 030/283 52 66. Das Projekt „Giftmörderinnen“ des Regieduos Daniela Kranz und Jenke Nordalm lobte die „FAZ“ vergangenen Sommer als „eine federleicht-bildschöne Aufführung“. Nun widmet sich das Team, wieder produziert von den Sophiensälen, mit Scarlett O’Hara und Rhett Butler der Produktion von Gefühlen und entdeckt das politische Potenzial des Klassikers. Da Ponte in Santa Fe. Berliner Ensemble. Premiere am 28.8. Auch am 31.8., Tel. 030/28 40 81 55. Wem verdanken wir „Don Giovanni“? Mozart? – Sehen Sie, deswegen ist Lorenzo da Ponte so verzweifelt: weil die Welt ihn, den Librettisten, vergessen hat. Claus Peymann, der sein Genie in letzter Zeit ebenfalls verkannt findet, zeigt die Uraufführung von Peter Turrinis Wildwest-Comedia erst in Salzburg, dann am eigenen Haus. Musikalisch bearbeitet von Franz Wittenbrink. Bremen Shockheaded Peter. Junges Theater. Premiere am 7.8. Auch am 8., 9., 11. und 14.–18.8., Tel. 0421/70 01 41. Die britische Junk-Opera-Version des „Struwwelpeters“ schuldet ihren außerordentlichen Erfolg zu einem Gutteil der schrägen Musik der Tiger Lillies. Umso überraschender, dass für die Bremer Inszenierung der Text von Julian Crouch und Phelim McDermott von Mark Scheibe neu vertont wurde. Luzern Tell Star. Premiere am 16.8. im Luzernertheater. Auch am 17. und 24.8., Tel. 0041/41/210 66 18. Sei dein eigener Nationalheld: Nachdem das Zürcher Künstlerduo Com & Com bereits die Nationalhymne mit Dieter Meier (Yello) neu vertont hat und die „C-Files – Tell Saga“ ins Kino lancierte, bietet es nun eine Popmusical-Show frei nach Schillers „Wilhelm“. Magdeburg Das große Welttheater. Seebühne im Elbauenpark. Uraufführung am 15.8. Auch 16.–18., 22., 23. und 29.–31.8., Tel. 0391/540 64 44. 8/2002 KulturSPIEGEL FOTOS: MONIKA RITTERSHAUS / SALZBURGER FESTSPIELE (R.O.); BETTINA MÜLLER (R.U.) Gefälschte Dokumentation: „The Bachar Tapes“ der Atlas Group (LIB/USA)