246 W. Müller - H. Schäfer • Die Kristallstruktur der Phase LiSn Die Kristallstruktur der Phase LiSn The Crystal Structure of LiSn W. M ü l l e r und H. S c h ä fe r E. Zintl-Institut der Technischen Hochschule Darmstadt (Z. Naturforsch. 28 b, 246-248 [1973]; eingegangen am 2. März 1973) Lithiumstannide, crystal structure, intermetallic compounds LiSn crystallizes monoclinic: a = 5.17 ± 0.02 A; b = 7.74 ± 0.02 A; c = 3.18 ± 0.02 A; y = 104.5° ± 0.3°, space group: P 2/m — Ca*. LiSn is not isotypic with LiGe and LiPb, but there are many structural relations to LiPb. Lithium bildet mit den Elementen der IV. Haupt­ gruppe Si, Ge, Sn und Pb eine Vielzahl von Verbin­ dungen, die z. T. recht kompliziert zusammengesetzt sind. Strukturell gut untersucht sind bisher vor allem die Silicide, Germanide und Plumbide, während im Li-Sn-System nur die Gitter der Phasen Li22Sn5 1 und Li2Sn52 bekannt sind. Es gelang uns nun, die Struktur der Phase LiSn aufzuklären. Nach den Arbeiten von G r u b e und M e y e r 3 entsteht LiSn als kongruent schmelzende Verbindung durch Zusammenschmelzen der Komponenten im Atom­ verhältnis 1:1. Beim langsamen Abkühlen solcher Schmelzen entsteht dabei in Einklang mit einer Notiz von G. B r a u e r und E. Z i n t l 4 kein homogenes Pro­ dukt. Reines LiSn erhielten wir, indem wir Lithium und Zinn in stöchiometrischen Mengen eine Std. auf 700 °C erhitzten, zwei Std. ca. 50 °C unterhalb des von G r u b e und M e y e r angegebenen Schmelzpunk­ tes von 485 °C temperten und anschließend ab­ schreckten. LiSn kristallisiert in großen, silbrig glänzenden dünnen Platten, die aber sehr weich und biegsam sind und daher sehr vorsichtig präpariert werden müssen. Sie überziehen sich an feuchter Luft sofort mit einer mattgrauen Schicht von Hydrolysepro­ dukten und wurden daher unter trockenem Paraffin­ öl gehandhabt. Die meisten Kristalle waren äußerlich zwar gut ausgebildet, infolge von Verwachsungen aber für röntgenographische Untersuchungen ungeeignet. Auch der schließlich vermessene Kristall war noch verzwillingt. Die Überlagerung einzelner Reflexe konnte hier aber korrigiert werden. Nach den SymSonderdruckanforderungen a n Dr. W i k i n g M ü l l e r , E. Z intl-Institut der Technischen Hochschule, D -6100 D arm stadt, Hochschulstr. 4. metrien des reziproken Gitters kristallisiert LiSn monoklin: a = 5,17 ± Ä, b = 1,1 A + 0,02 Ä, c = 3,18 ± 0,02 Ä, y = 104,5° ± 0,3°. Auslöschungsbedingungen wurden keine beob­ achtet, so daß zunächst die Raumgruppen P m, P2 und P 2 j m zur Wahl standen. Mit der experimentel­ len Dichte von g = 4,97 g/cm3 ergaben sich 3 For­ meleinheiten in der Elementarzelle (röntgenogra­ phische Dichte: g = 5,10 g/cm3). Die Lagen der SnAtome wurden einer PATTERSONprojektion auf die u,v-Ebene entnommen (Raumgruppe: P2/m). Mit diesen Parametern ergibt sich ein Zinn-Teilgitter, das pro Elementarzelle drei Lücken für die Lithium­ atome enthält. Die Parameter der Sn- und der LiAtome wurden über Least-Squares-Verfahren opti­ miert. Der abschließende R - Wert über insgesamt 243 unabhängige Reflexe der (hkO)- und (A£/)-Serie ergab sich zu 0,106 (einschließlich isotroper Tempe­ raturkorrektur). Die kristallographischen Daten der Phase LiSn sind in der Tab. I zusammengefaßt. In der Abb. 1 Tab. I. Die kristallographischen Daten der Phase LiSn. monoklin .*■< P 2 Im - CYh. a =?= 5,17 ± 0 ,0 2 A b = 7,74 ± 0,02 A c = 3,18 ± 0,02 A y = 104,5 ± 0,3° 4,97 Dichte exp. [g/cm3] : Dichte rö n tg .: 5,10 Zahl der Formeleinheiten 3 2 Lii in 2 n m it x = 0,263, Punktlagen: y = 0,336 1 L in in 1 e 2 Sni in 2 m mit * = 0,234, y = 0,660 1 Snn in 1 a i?-W ert: 0,106 Kristallsystem : Raum gruppe: Achsen: Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz. This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution-NoDerivs 3.0 Germany License. Zum 01.01.2015 ist eine Anpassung der Lizenzbedingungen (Entfall der Creative Commons Lizenzbedingung „Keine Bearbeitung“) beabsichtigt, um eine Nachnutzung auch im Rahmen zukünftiger wissenschaftlicher Nutzungsformen zu ermöglichen. On 01.01.2015 it is planned to change the License Conditions (the removal of the Creative Commons License condition “no derivative works”). This is to allow reuse in the area of future scientific usage. W. Müller - H. Schäfer • Die Kristallstruktur der Phase LiSn ist die Struktur dargestellt. Die Atomabstände sind in Abb. 1 und Tab. II wiedergegeben. Tab. II. Atomabstände in der Phase Li Sn [A]. L ii- Sni — Lii 1 2 L in 1 Sni 2 Snji 2 2 2 Lii 2 2 2 Lin 2 Sni 1 2 Snn 1 3,06 3,18 3,14 3,06 3,00 3,03 3,04 3,00 3,03 3,04 3,09 3,00 3,18 3,16 Lin — Lii Lin Sni Snn 2-3,14 2 • 3,18 4-3,09 4 • 3,03 Snn — Lii Lin Sni Snn 4-3,06 4 • 3,03 2-3,16 2 • 3,18 247 den angrenzenden Schichten jeweils 8 weitere un­ gleichnamige Atome hinzuzurechnen, so daß insge­ samt die KZ 12 für alle Atome resultiert (Tab. II, Abb. 1). Li Sn ist weder mit Li Ge noch mit LiPb isotyp, zeigt jedoch enge strukturelle Verwandtschaft zu den Phasen im Li—Pb-System, die von Z a l k in und R a m s e y 5 vergleichend diskutiert worden sind. In der Abb. 2 ist ein Schnitt durch die Elementar­ zelle parallel der a, c-Ebene bei y = 0 dargestellt, a Im Li Sn Hegen gewellte Schichten aus Lithium­ atomen einerseits und Sn-Atomen andererseits vor, die parallel zur b, c-Ebene verlaufen. Innerhalb dieser Schichten besitzen die Atome jeweils vier gleichnamige Nachbarn, die auf verschiedene Weise um das Zentralatom koordiniert sind: Die Snnbzw. Lin-Atome sind nahezu quadratisch umgeben, während man das Koordinationspolyeder um die Sni- bzw. Lii-Atome als trigonale Bipyramide beschreiben kann, in der eine äquatoriale Position unbesetzt ist. Zu diesen gleichnamigen Nachbarn sind nach den beobachteten Atomabständen von ---------------- c Abb. 2. Schnitt durch die Elementarzelle parallel der a, c-Ebene bei y = 0. der nahezu identisch ist mit den entsprechenden Schnitten bei y ^ 1/3 und y ^ 2/3 (vgl. Abb. 1). Im LiPb (CsCl-Typ) liegt bis auf ein unterschied­ liches Seitenverhältnis in den Ebenen (110) eine Abb. 1. Die Kristallstruktur der Phase LiSn. Die Elementar­ zelle ist gestrichelt angedeutet. 248 W. Müller - H. Schäfer • Die K ristallstruktur der Phase LiSn völlig analoge A tom anordnung vor. U nterschiede zwischen beiden S tru k tu ren ergeben sich aber in der Stapelung dieser Schichten zueinander. Die Abb. 3 zeigt die Abfolge dieser A tom schichten in Richtung der Schichtnorm alen im L iP b ( ^ [110]-R ichtung, Abb. 3a) bzw. LiSn nahezu der R ichtung [130], Abb. 3 b). Atomschichten der Abb. 2 ♦ ♦ t t • o • o o • o • o • o o o - C»o] • Pb auf Z=0 O Li auf Z=0.5 Abb. 3 a. V ergleich zw ischen den K ristallstrukturen von L iP b und L iSn. F olge der L i —P b-S ch ich ten in R ich tun g [110] im L iP b (Projektion längs der c-Achse). Atomschichten der Abb. 2 9 Sn auf Z«0 O Li auf Z-0.5 [130] sSchichtnormale zu den Atomschichtender Abb.2 Abb. 3 b. V ergleich zw ischen den K ristallstrukturen von L iP b und L iSn. F olge der Li —Sn-Schichten in R ichtung [130] im L iSn (Projektion längs der c-Achse). D anach w ird im L iPb bereits nach 2 Schichten Id e n titä t erreicht. Aufeinanderfolgende Schichten sind um 1/2 der Id e n titä t in [110] R ichtung gegen­ einander versetzt. D adurch sind die P b-Pb-A bstände so groß, daß keine direkte W echselw irkungen zwi­ schen ihnen m ehr d isk u tiert werden können. Im LiSn w ird dagegen erst nach jeweils 9 Schichten Id e n titä t erreicht. Aufeinanderfolgende Schichten sind hier n u r um 1/3 der beim L iP b diskutierten Identitätsperiode versetzt. D urch diese kürzere Ver­ setzung werden Sn —Sn-W echselwirkungen zwi­ schen Sn-A tom en b e n ach b arter Schichten erm ög­ licht, so daß zunächst die in der Abb. 3 b gezeich­ neten K etten resultieren. W eiterhin sind die SnAtome auch in c-Richtung stärk er zusam m engerückt, so daß insgesam t die anfangs erw ähnten gewellten Sn-Schichten entstehen. Diese unterschiedliche Stapelung der Schichten in beiden S tru k tu ren dürfte durch die gegenüber den Pb-A tom en größere Nei­ gung der Sn-Atome, kovalente B indungen u n te r­ einander einzugehen, bedingt sein. Form uliert m an LiSn nach der K onzeption von Z i n t l , K le m m und B u s m a n n extrem ionisch zu Li+Sn-, so besitzen die Sn-Atom e insgesam t 5 Va­ lenzelektronen. Nach der (8-N)-Regel wäre das Auf­ treten von 3-bindigen Sn-A tom en im Sn-Teilgitter zu erw arten, wie es z. B . für die G erm anium -A tom e im LiGe gezeigt worden ist6. D em gegenüber sind die Sn-Atome im LiSn von vier gleichnamigen N ach­ barn umgeben. Das genannte S tru k tu rk o n zep t ist hier ebenso­ wenig zutreffer d wie bei den Phasen Li 22Sn5, Li 2 Sns und den Phasen im L i—Pb-System , w ährend sich die interm etallischen Phasen des L ithium s m it den stärker elektronegativen u n d weniger m etallischen E lem enten Si und Ge z.T . noch einordnen lassen. Dem Fonds der Chemischen Industrie danken wir für die finanzielle U nterstü tzu n g dieser A rbeit. H errn Prof. Dr. E. W ö l f e l sind wir für die Ü berlassung von Röntgengeräten zu D ank verpflichtet. u . P. I. K r i p y a k e v i c h , K r is t a llo g r a f iy a 5 , 5 7 4 [ I 9 6 0 ] . D. A. H a n s e n u . L. J. C h a n g , A cta crystallogr. [C o ­ 1 E .I . G l a d y s h e v s k i i , G . I . O l e k s i v 2 penhagen] B 25, 2392 [1969]. 3 G . G r u b e u . E. M e y e r , Z. E lektrochem . 40, 711 [1934], 4 E. Z i n t l u . G. B r a u e r , Z . p h ysik . Chem. B 20, 245 [1933]. 5 A. Z a l k i n u . W . J. R a m s e y , J. physic. Chem. 62, 689 [1958]. 6 E. M e n g e s , V. H o p f , H . S c h ä f e r u . A. W e i s s , Z. N aturforsch. 24b, 1351 [1969].