PP W I S S E N S C H A F T telbar einbezogen. Sie müssten häufig sehr heftige negative Impulse und Affekte, die von den Patienten ausgehen, annehmen und akzeptieren. Rudolf berichtete auch über Ergebnisse aus dem Graduiertenkolleg „Klinische Emotionsforschung“ und ging dabei auf eine Studie ein, die die Grenzen der Mimikanalysen aufzeigt. Danach zeigen psychisch gestörte Patienten viele Emotionen, die mit den gängigen Listen der Grundaffekte nicht ermittelt werden können. „Das bedeutet, dass die im Rahmen von Mimikanalysen gefundenen Affektqualitäten alleine nicht ausreichen, um die typische Emotionalität psychisch Gestörter zu erfassen“, meint Rudolf. Die Befunde der Emotionsforschung weisen darauf hin, dass psychische Störungen in starkem Maße durch emotionale Auffälligkeiten gekennzeichnet sind. Sie sind nach Rudolf besser zu verstehen, wenn sie nicht als isolierte Veränderung einzelner Affekte, sondern als Bestandteil des Beziehungsgeschehens gesehen werden. Da sie in engem Zusammenhang mit primären psychischen Störungen stehen und sich unmittelbar und evident mitteilen, können sie als Indikatoren und Outcome-Kriterien für Psychotherapien herangezogen werden. Erkenntnisse zum Verständnis psychischer Störungen Zusammenfassend zeigte der Kongress, dass die Emotionsforschung ihren Kinderschuhen bereits entwachsen ist. Dennoch werden die Bedeutung und Rolle der Emotionen für die kognitiven Funktionen und die Verhaltensregulation immer noch zu wenig beachtet, sowohl von den psychologischen Disziplinen als auch von anderen Fachgebieten. Viele Verfahren befinden sich noch in der Erprobungsphase, doch die Berichte der Forscher zeigen auch, dass bereits einige wichtige Erkenntnisse gewonnen werden konnten, die das Verständnis psychischer Störungen und des therapeutischen Prozesses in Zukunft maßgeblich verbessern Marion Sonnenmoser könnten. Kontaktadresse: Prof. Dr. Rainer Krause, Telefon: 06 81/3 02–32 53, E-Mail: [email protected] Internet: emotions.psychologie.uni-sb.de 34 Referiert Aggressive Fahrer Hilfe durch Verhaltenstherapie und Entspannungstechniken A utofahrer, die sich schnell ärgern und aggressiv werden, stellen für sich und andere ein Risiko dar. Zwischen einem und zwei Drittel aller schweren Unfälle gehen auf ihr Konto. Die Autoren ermittelten 28 männliche und 27 weibliche Studenten, die sich beim Fahren stärker als andere aufregten und ärgerten. 16 Studenten wurden in Entspannungstechniken unterwiesen, ebenso weitere 17 Studenten, die zusätzlich noch mit kognitiven Verfahren behandelt wurden. Die restlichen Studenten dienten als Kontrollgruppe und erhielten keine Behandlung. Die Teilnehmer der beiden Therapiegruppen überlegten sich alternative Reaktionen auf Situationen, in denen sie wütend und aggressiv wurden. Die Teilnehmer der zweiten Gruppe befassten Referiert sich außerdem mit kognitiven CopingTechniken, indem sie beispielsweise versuchten, Ärgerkognitionen durch ärgerreduzierende Gedanken zu ersetzen. Die kognitive Umdeutung wurde in acht Sitzungen mit Entspannungstechniken verknüpft. „Beide Therapieformen trugen dazu bei, den hohen Ärgerlevel zu reduzieren“, berichten die Autoren. Die Teilnehmer hatten außerdem im Vergleich zur Kontrollgruppe Fortschritte darin gemacht, ihre Gefühle beim Fahren auf angepasste und konstruktive Weise auszudrücken und aggressive Gefühlsausbrüche zu verringern. Nur bei der Gruppe, die zusätzlich in kognitiven Techniken eingewiesen wurde, waren die positiven Therapieeffekte auch noch einen Monat später feststellbar. Außerdem war ihr ms Fahrstil weniger riskant geworden. Deffenbacher JL, Filetti LB, Lynch RS, Dahlen ER, Oetting ER: Cognitive-behavioral treatment of high anger drivers. Behaviour Research and Therapy 2002; 40: 895–910. Jerry L. Deffenbacher, Department of Psychology, Colorado State University, Fort Collines, Colorado 8 05 23-18 76, USA, Telefon: 0 01/9 70/4 91-63 63, E-Mail: jld6871@ lamar.colostate.edu Therapieabbrecher Persönlichkeitsdefizite als Ursache O bwohl der Abbruch einer Therapie ernste Folgen haben kann, wurden die Ursachen bisher kaum systematisch geprüft. Deshalb untersuchten die Autoren dieses Phänomen exemplarisch an einer Kurztherapie von Anorexia nervosa (AN). An der Studie nahmen 145 Patienten teil (99 vom restriktiven Typ, 46 vom binge/purging Typ). Die Patienten unterzogen sich einer individualpsychologischen Therapie, in die Techniken kognitiver, behavioraler, analytischer, existenzieller und klientenzentrierter Therapieformen einbezogen wurden. Jeder erhielt über sechzehn Wochen hinweg zwölf bis fünfzehn Einzelsitzungen. 31 Patienten brachen die Therapie vorzeitig ab. Die Autoren prüften, woran das lag. Die Probleme der Patienten liegen vor allem in deren Persönlichkeit begründet. Abbrecher können schlechter mit Ärger umgehen. Sie ärgern sich schnell, unterdrücken den Ärger oder lassen ihn impulsiv heraus. Darüber hinaus sind sie nur wenig kooperationsfähig, gehemmt und pessimistisch.Soziodemographische Variablen und die Schwere der Erkrankung standen hingegen in keiner Beziehung zum Therapieabbruch. Die Autoren meinen, dass die Persönlichkeitsmerkmale von Abbrechern auf charakterliche Unreife und Anpassungsschwierigkeiten hinweisen.„Der Patiententyp ist nicht fähig, eine stabile Beziehung zum Therapeuten aufzubauen.“ Dies führe dazu, dass die Patienten aus der Therapie „flüchteten“.Therapeuten, die versuchen, mit diesen Patienten eine Therapie durchzuführen, müssen neben der primären Störung auch Persönms lichkeitsdefizite behandeln. Fassino S, Daga GA, Piero A, Rovera GG: Dropout from Brief Psychotherapy in Anorexia nervosa. Psychotherapy and Psychosomatics 2002; 71: 200–206. Prof. Secondo Fassino, Neurosciences Department of Turin University, Psychiatry Section,Via Cherasco 11, CAP, I-10126 Turin, Telefon: 00 39/0 11-6 63 48 48, E-Mail: [email protected] PP Heft 1 Januar 2003 Deutsches Ärzteblatt