Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler, WS 13/14 Musterlösung der Zusatzaufgabe von Blatt 1 Aufgabe 5a: Zeigen Sie durch vollständige Induktion: Für alle n ∈ N mit n ≥ 5 gilt: 2n > n2 . Beweis: n = 5: Für n = 5 gilt 25 = 32 und n2 = 25 Also gilt die Aussage ‘2n > n2 ’ für n = 5. n → n + 1: Sei n ∈ N mit n ≥ 5 beliebig, aber fest. Wir nehmen an, es gilt: 2n > n2 IV : Zu zeigen ist, dass daraus folgt: zz : 2n+1 > (n + 1)2 Beweis dazu: 2n+1 = 2 · |{z} 2n (IV) z}|{ > 2 · n2 Es ist nun zu zeigen, dass 2 · n2 ≥ (n + 1)2 für n ≥ 5. Wir rollen das ‘von hinten auf’: ⇐⇒ ⇐⇒ ⇐⇒ 2 · n2 ≥ (n + 1)2 2 n2 ≥ n2 + 2n + 1 n2 − 2n − 1 ≥ 0 n2 − 2n + |1 {z − 1} −1 ≥ 0 quadr. Erg. ⇐⇒ ⇐⇒ ⇐ ⇐ ⇐ 2 (n − 1) − 2 ≥ 0 √ |n − 1| ≥ 2 √ n ≥ 1+ 2 n ≥ 3 n ≥ 5 Diese Schritte kann man als Implikationskette von unten nach oben lesen. Damit ist der Induktionsbeweis vollständig. Anm: Diese Aufgabe zeigt die Bedeutung des Induktionsanfangs. Den Induktionsschritt könnte man schon für n ≥ 3 durchführen. Die Aussage ‘2n > n2 ’ gilt aber tatsächlich erst ab n = 5. (Für n = 3 ist 2n = 8 < 9 = n2 und für n = 4 ist 2n = 16 = n2 .) Aufgabe 5b: Zeigen Sie durch vollständige Induktion: Die Summe dreier aufeinanderfolgender Kubikzahlen ist immer durch 9 teilbar. (Hinweis 1: Zu betrachten ist der Ausdruck n3 + (n + 1)3 + (n + 2)3 .) (Hinweis 2: Es gilt: (n + 3)3 = n3 + 9 n2 + 27 n + 27.) Beweis: n = 1: n3 + (n + 1)3 + (n + 2)3 (für n = 1) = 13 + 23 + 33 = 36 Die Zahl 36 ist durch 9 teilbar. D.h. die Aussage ist für n = 1 wahr. n → n + 1: Sei n ∈ N beliebig, aber fest. Wir nehmen an, es gilt: IV : n3 + (n + 1)3 + (n + 2)3 ist durch 9 teilbar. Anders ausgedrückt heißt das: ∃ k ∈ Z, n3 + (n + 1)3 + (n + 2)3 = 9 · k. Zu zeigen ist, dass daraus folgt: zz : (n + 1)3 + (n + 1 + 1)3 + (n + 1 + 2)3 ist durch 9 teilbar. bzw. zz : ∃ k 0 ∈ Z, (n + 1)3 + (n + 2)3 + (n + 3)3 = 9 · k 0 Beweis dazu: (n + 1)3 + (n + 2)3 + (n + 3)3 | {z } Hinweis 2 z }| { = (n + 1)3 + (n + 2)3 + n3 + 9 n2 + 27 n + 27 = n3 + (n + 1)3 + (n + 2)3 + 9 n2 + 27 n + 27 | {z } IV z}|{ = 9 · k + 9 · n2 + 9 · 3n + 9 · 3 = 9 · (k + n2 + 3n + 3) q.e.d | {z } =: k0 ∈Z Den Hinweis 2“ kann man z.B. durch Auflösen aller Klammern beweisen: ” (n + 3)3 = (n + 3) (n + 3)2 = (n + 3) (n2 + 6n + 9) = n (n2 + 6n + 9) + 3 (n2 + 6n + 9) = n3 + 6n2 + 9n + 3n2 + 18n + 27 = n3 + 9n2 + 27n + 27 (Man kann das Ergebnis aber auch als eine Anwendung der allgemeinen binomischen Formel (Satz 4.3) sehen.) 2 Vorspann zu Aufgabe 5c: Wenn wir mehr Zeit in der Vorlesung hätten, hätte ich die Aufgabe wie folgt angekündigt: Wir gehen aus von einer beliebigen Folge von Zahlen x1 , x2 , x3 , . . ., von der wir nur x1 = 1 verlangen. Wir wählen nun ein beliebiges n ≥ 1 aus und bilden neue Zahlen yn , yn−1 , . . . , y1 auf folgende Art: yn setzen wir gleich xn . Um yn−1 zu bekommen, multiplizieren wir an xn−1 die Zahl 1 − xn . Für yn−2 verändern wir diesen Multiplikator“ um den Faktor (1 − xn−1 ), ” multiplizieren also an xn−2 die Zahl (1 − xn−1 ) · (1 − xn ). Mit jedem Schritt rückwärts multiplizieren wir an das xi einen neuen Multiplikator, indem wir an den vorhergehenden Multiplikator nochmal den Faktor 1 − xi multiplizieren, solange bis wir bei y1 = x1 (1 − x2 ) · . . . · (1 − xn ) sind. Wenn wir jetzt die y’s alle aufaddieren, ergibt sich etwas Verblüffendes: Die yi summieren sich immer auf 1, egal, was n ist und egal, welche xi wir genommen haben. Einzige Voraussetzung ist x1 = 1. Das ganze Schema nochmal allgemein (li.) und für n = 4 ausgehend von x1 = 1, x2 = 2, x3 = 3, x4 = 4 (re.): yn = xn y4 = 4 yn−1 = xn−1 · (1 − xn ) y3 = 3 · (1 − 4) = −9 yn−2 = xn−2 · (1 − xn−1 ) · (1 − xn ) y2 = 2 · (1 − 3) · (1 − 4) = 12 .. .. . . y1 = x1 · (1 − x2 ) · (1 − x3 ) . . . (1 − xn ) y1 = 1 · (1 − 2) · (1 − 3) · (1 − 4) = −6 Beim Zahlenbeispiel ergibt sich tatsächlich 4 − 9 + 12 − 6 = 1, und wenn wir’s mit einem anderen n und/oder anderen xi durchführen würden, dann funktioniert’s auch. Wir versuchen den Grund dafür zu verstehen, indem wir uns den Fall n = 4 ganz allgemein anschauen: Die Summe der vier y’s ist dann: 4 X yi = x4 + x3 (1 − x4 ) + x2 (1 − x3 ) (1 − x4 ) + x1 (1 − x2 ) (1 − x3 ) (1 − x4 ) i=1 Die letzen drei Summanden enthalten alle den Faktor 1 − x4 . Wir ziehen ihn heraus: 4 X yi = x4 + x3 + x2 (1 − x3 ) + x1 (1 − x2 ) (1 − x3 ) · (1 − x4 ) i=1 Der Ausdruck in den eckigen Klammern ist die Summe von y’s mit n = 3 gebildet. Wenn wir die Angelegenheit auf den Fall n = 3 reduzieren könnten (d.h. annehmen könnten, dass die Summe von drei y’s immer = 1 ist), dann bekämen wir tatsächlich: 4 X yi = x4 + 1 · (1 − x4 ) = x4 − x4 + 1 = 1 i=1 Aber bei der Summe der drei y’s können wir genauso vorgehen (1−x3 herausziehen), und haben das Problem damit auf den Fall n = 2 reduziert. Dort steht dann nur noch x2 + x1 (1 − x2 ), was wegen x1 = 1 zu x2 + 1 − x2 = 1 wird. Wieder die Leiter hoch, haben sich unsere (Induktions)Annahmen bestätigt und wir haben die Aussage für n = 4 bewiesen. Ihre Aufgabe besteht nun darin, diese Überlegung zu einem perfekten Induktionsbeweis (mit Induktionsanfang!) der folgenden Aussage auszubauen: ∀n ∈ N : n X i=1 xi · | Qn j=i+1 (1 {z =yi − xj ) = 1 für jede Folge x1 , x2 , x3 , . . . mit x1 = 1 } wobei man ein leeres Produkt“ = 1 setzt (so, wie man eine leere Summe“ = 0 setzt). ” ” 3 Aufgabe 5c: Zeigen Sie durch vollständige Induktion: Für alle n ∈ N gilt: n X Qn xi · j=i+1 (1 − xj ) = 1 für jede Folge x1 , x2 , x3 , . . . ∈ R mit x1 = 1 i=1 Hinweis: Ein leeres Produkt“ setzt man = 1 (so, wie man eine leere Summe“ = 0 setzt). ” ” Beweis: n = 1: Für n = 1 gilt n X xi · Qn j=i+1 (1 Q1 − xj ) = x1 · i=1 j=2 (1 {z | − xj ) } = x1 = 1 ’leeres Produkt’, =1 Also gilt die Aussage für n = 1. n → n + 1: Sei n ∈ N beliebig, fest. Für dieses n gelte IV: n X xi · Qn − xj ) = 1 für jede Folge x1 , x2 , . . . mit x1 = 1 Qn+1 − xj ) = 1 für jede Folge x1 , x2 , . . . mit x1 = 1 j=i+1 (1 i=1 Zu zeigen ist, dass dann zz: n+1 X xi · j=i+1 (1 i=1 Beweis dazu: n+1 X xi · Qn+1 j=i+1 (1 − xj ) = n X xi · Qn+1 j=i+1 (1 − xj ) + xn+1 · i=1 i=1 = n X Qn+1 j=n+2 (1 | {z ’leeres Produkt’, = 1 xi · Qn j=i+1 (1 − xj ) · (1 − xn+1 ) + xn+1 i=1 = n hX xi · Qn j=i+1 (1 − xj ) i · (1 − xn+1 ) + xn+1 i=1 | = − xj ) } {z } IV z}|{ 1 = 1 − xn+1 + xn+1 4 · (1 − xn+1 ) + xn+1 = 1 q.e.d.