CBCL: ADHS vs ADHS + affektive Störung

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Bipolare Störungen und ADHS
im Kindes- und Jugendalter
Differentialdiagnose oder Komorbidität
Tobias Banaschewski
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
des Kindes- und Jugendalters
ZI Mannheim
Potentielle Interessenkonflikte
•
Mitglied in Advisory Boards
BMS, Lilly, Medice, Shire, Viforpharma
•
Vortragshonorare / Kongressreisen
Janssen-Cilag, Lilly, Medice, Novartis, Shire,
Viforpharma
•
Forschungsförderung
EU, DFG & BMBF
Was ist eine bipolare Störung?
61 %
16 %
11%
5%
Angermeyer & Matschinger Psychiat Prax 2005
Kontroverse um Häufigkeit
bipolarer Störungen vor Adoleszenz
NZZ 6.1.08
Bipolare Störungen bei Kindern & Jugendlichen
Klinische Stichproben
USA
6 – 30 %
Blader & Carlson 2007; Biederman 2005
Brasilien
7,2 %
Tramontina 2005
Spanien
4,0 %
Soutullo 2003
Finnland
1,7 %
Sourander 2004
Deutschland
Meyer 2004; Holtmann 2008
0,2 – 0,5 %
Zunahme USA 1994-2003
Ambulant 40-fach
Stationär: 4-5-fach
Neu-Konzeptualisierung psychischer Störungen?
Stationäre Aufnahmen 2000 bis 2007
304
112.000
3.600
Holtmann et al. Arch Gen Psychiatry (2008); Bipolar Disorders (in press).
Die „klassische“ bipolare Störung
ICD-10-Kriterien
affektive Störungen (F31) Manie (F30)
Bipolare affektive Störung (F31):
- mindestens zwei abgrenzbare Episoden einer deutlichen affektiven Störung
-eine davon mit manischen Merkmalen (Manie, Hypomanie oder gem. Episode)
Manie (F30):
A. gehobene, expansive oder gereizte Stimmung über mindestens 7 Tage in einem
für den Betroffenen deutlich abnormen Ausmaß
B. Mindestens drei der folgenden Merkmale müssen vorliegen (vier, wenn die
Stimmung nur gereizt ist) und Funktionsbeeinträchtigung
1. gesteigerte Aktivität oder motorische Ruhelosigkeit
2. gesteigerte Gesprächigkeit („Rededrang“)
3. Ideenflucht und subjektives Gefühl des Gedankenrasens
4. Verlust normaler sozialer Hemmungen
5. vermindertes Schlafbedürfnis
6. überhöhte Selbsteinschätzung und Größenwahn
7. Ablenkbarkeit oder andauernder Wechsel von Plänen oder Aktivitäten
8. tollkühnes oder rücksichtsloses Verhalten
9. gesteigerte Libido oder sexuelle Taktlosigkeit
C. Die Episode ist nicht auf einen Missbrauch psychotroper Substanzen oder auf eine
organische psychotische Störung zurückzuführen
DSM-IV Manie
Nicht-spezifische Symptome
Manie und ADHS
Manie – Diagnostische Kriterien (ICD-10)
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Affektive
Symptome bei
ADHS nicht
berücksichtigt.
Stimmung situationsinadäquat gehoben/ gereizt
Gesteigerte Aktivität, motorische Ruhelosigkeit
Rededrang
Ideenflucht, Gedankenrasen
Verlust sozialer Hemmungen, unangemessenes Verhalten
Vermindertes Schlafbedürfnis
Überhöhte Selbsteinschätzung, Größenwahn
Ablenkbarkeit, andauernder Wechsel von Aktivitäten
Leichtsinniges, rücksichtsloses Verhalten
Gesteigerte Libido
DSM-IV Manie
Spezifische Symptome
Manie-spezifische Symptome
bei deutschen ADHS-Kindern
% 60
50
Von 251 deutschen
Kinderpsychiatern beobachten
40
bei ihren ADHS-Patienten
30
„häufig“ oder „fast immer“...
20
51
16
16
10
21
8
0
t
f
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n
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→ Bipolar oder nicht bipolar?
Meyer et al. Bipolar Disord (2004), 6:426-31.
Klinisches Erscheinungsbild im Kindesund Jugendalter
Course of Bipolar Youth (COBY) Studie
¾ 92 % gehobene Stimmung, 84% Irritabilität
=> bei den meisten Kindern / Jugendlichen beide
Kardinalsymptome
=> ABER: Im 2-Jahresverlauf signifikant häufiger gemischte
manische Symptomatik oder rapid cycling
(Axelson et al., 2006; Birmaher et al., 2006)
¾ Geller et al. => Episode als Gesamtdauer der Störung
¾ Biederman et al. => schwere, nicht-episodische Reizbarkeit /
Aggressivität: manische Symptomatik im Kindes- und Jugendalter
Das „weiche“ bipolare Spektrum
Bipolar
n.o.s.
Borderline
Bipolar II
ADHS
~ 4%
Bipolar I
1-2 %
Diagnostische
Waisen
Akiskal et al. The soft bipolar spectrum. J Affect Disord (2006).
SSV
Was hat dieses Kind?
•
•
•
•
•
Reizbarkeit und Wutanfälle
Stimmungsschwankungen
Motorische Unruhe, Ablenkbarkeit, Impulsivität
Andauernder Wechsel von Aktivitäten
Leichtsinniges Verhalten, Suizidalität
Hat es
a) eine ADHS?
b) eine bipolare Störung?
c) beides?
Bipolar – eng oder breit gefasst?
Enger Phänotyp (ICD-10/ DSM-IV)
Gehobene Stimmung/ Größenideen
• ....
• Klar abgrenzbare Episoden (Manie 7 Tage, Hypomanie 4 Tage)
•
Breiter Phänotyp – Affektive Dysregulation
Abnorme Stimmung
• Reizbarkeit, Aggression
• Hyperarousal
• Chronisch
•
Leibenluft et al. Am J Psychiatry (2003), 160:430-437
Affektive Dysregulation und ADHS
Affektive Dysregulation
Severe mood dysregulation
•
Starke Stimmungsschwankungen, Depression, Angst
•
Agitiertheit, Unruhe, Unaufmerksamkeit
•
Aggression, Wutausbrüche
•
Suizidalität, reduziertes Schlafbedürfnis, Hypersexualität
ƒ 1 – 2 % aller Kinder
ƒ 6 – 7 % in Kinderpsychiatrien
ƒ 13 – 20 % bei ADHS (und bei Kindern bipolarer Mütter)
ƒ
85 % komorbide ADHS & ODD
Risikoprofil für spätere bipolare Störungen (breiter Phänotyp)?
Holtmann et al. Bipolar Disord (2007); J Neur Transm (2008); J Affect Disord (2009);
Leibenluft et al. Am J Psychiatry (2003); Meyer et al. J Affect Disord (2009).
Das Child Behavior Checklist-“Bipolar“-Profil
Kinder < 12 Jahre
Biederman et al. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry (1995).
Affektive Dysregulation:
ICD-10 Diagnosen (n=62)
%
•
•
•
•
•
•
•
•
•
ADHS
ADHS + Strg. d. Sozialverh.
Sozialverhaltensstörung
Komb. SSV + emot. Strg.
Anpassungsstörung
Depression
Zwangsstörung
Persönlichkeitsstrg.
Autismus
Holtmann et al. J Neural Transm (2008).
37,1
29,0
9,7
3,2
4,8
3,2
3,2
3,2
3,2
Disruptive
Verhaltensstörung
bei > 80 % der
Patienten
Affektive Dysregulation bei ADHS
Ergebnisse
•
häufiges, aber kein obligates Merkmal
mit stärker ausgeprägter ADHS-Kernsymptomatik ass.
• Hyperaktivität/Impulsivität > Unaufmerksamkeit
• mit ODD, Angststörungen, depressiver Sympt., & Substanzmißbrauch ass.
⇒ Insgesamt engerer Zh. mit ODD als mit ADHS-Kernsymptomatik
•
⇒ Affektive Dysregulation bei ADHS ist kein reines Korrelat der Schwere der
ADHS, auch nicht ausschließlich durch disruptive Symptomatik zu erklären
⇒ Fehlende Ko-Transmission von affektiver Dysregulation & ADHS
•
Affektive Dysregulation erhöht Risiko für aff. Dysregulation, aber nicht Risiko für ADHS oder
ODD bei Geschwistern
⇒ widerspricht Hypothese, dass AD + ADHS distinkten Subtyp darstellt
Was wird aus Kindern mit affektiver
Dysregulation?
Mannheimer Risikokinderstudie
Längsschnittstudie von der Geburt bis zum Erwachsenenalter
(n=384; 199 Mädchen, 185 Jungen)
Organisches Risiko
Psychosoziales Risiko
0
1
Risikogruppen
0 = kein
1 = mäßiges
2 = hohes Risiko
2
0
t7
t6
1
t5
t4
2
t3
1986 – 1988
t1
Alter
(J;M)
t2
11;0
8;0
4;6
2;0
0;3
Holtmann, Buchmann, Banaschewski, Laucht unpublished data
19;0
15;0
Mannheimer Risikokinderstudie
89.6 %
Längsschnittstudie von der Geburt bis zum Erwachsenenalter
(n=384; 199 Mädchen, 185 Jungen)
94.8 %
96.1 %
Psychosoziales Risiko
Organisches Risiko
0
1
2005 - 07
2
2001 - 03
0
1997 - 98
1994 - 96
1
1990 - 92
2
1988 - 90
1986 - 88
t1
Alter
(J;M)
t2
t3
t5
t4
8;0
4;6
2;0
0;3
Holtmann, Buchmann, Banaschewski, Laucht unpublished data
11;0
t7
t6
19;0
15;0
?
Was wird aus Kindern mit affektiver
Dysregulation?
%
30
4,3
25
20
Odds ratios
2,8
4,9
4,4
15
Dysregulation n=46
Kontrollen n=280
4,7
10
5
0
MDD
SSV
Alkohol
Suizidgedanken
Holtmann, Buchmann, Banaschewski, Laucht (eingereicht)
Suizidversuch
BIOL PSYCHIATRY 2006;60:991–997
Was wird aus Kindern mit affektiver
Dysregulation?
¾ Brotman et al, 2006, Leibenluft et al, 2006: epidemiologische Studien (z.B. Great
Smoky Moutain Studie) zeigen, dass Kinder mit SMD im Verlauf keine manischen
Episoden entwickeln.
¾ Stringaris et al. 2009: Irritabilität im Jugendalter nach Elternurteil spezifischer
Prädiktor für selbst-berichtete depressive & ängstliche Symptomatik 20 Jahre später
¾ Stringaris et al. 2010: 1/ 84 Probanden mit affektiver Dysregulation (SMD) zeigte
im 2-Jahres-Follow-Up eine (hypo)manische oder gemischte Episode. Die Häufigkeit
bei eng definiertem PBD-Phänotyp 50-fach höher
Diagnostische Schlussfolgerungen
Diagnostische Schlussfolgerungen (I)
•
•
•
Die Diagnose einer bipolaren Störung sollte nur dann gestellt
werden, wenn abgrenzbare manische oder hypomanische
Episoden mit eindeutigen Stimmungsänderungen und
korrespondierende Verhaltensänderungen vorliegen.
Die Diagnose BP-NOS sollte nur dann gestellt werden, wenn
das Zeitkriterium nicht erfüllt ist, aber abgrenzbare Episoden,
die länger als 2 Tage anhalten, vorliegen.
Die als affektive Dysregulation oder „severe mood
dysregulation“ bezeichnete Symptomatik sollte nicht im
Sinne einer früh beginnenden bipolaren Störung interpretiert
werden.
Diagnostische Schlussfolgerungen (II)
•
•
Assoziierte Störungen (z.B. ADHS) sollten nur
diagnostiziert werden, wenn die Symptome auch
während euthymer oder subsyndromaler Phasen
vorhanden sind.
Umgekehrt sollten unspezifische Symptome, wie starke
Ablenkbarkeit nur dann als manische Symptome
gewertet werden, wenn während der zu beurteilenden
Episode eine deutliche Verstärkung der Symptome zu
verzeichnen ist.
DSM-V Temper Dysregulation Disorder
with Dysphoria (1)
A. The disorder is characterized by severe recurrent temper outbursts in
response to common stressors.
1. The temper outbursts are manifest verbally and/or behaviorally, such as
in the form of verbal rages, or physical aggression towards people or
property.
2. The reaction is grossly out of proportion in intensity or duration to the
situation or provocation.
3. The responses are inconsistent with developmental level.
B. Frequency: The temper outbursts occur, on average, three or more times
per week.
C. Mood between temper outbursts:
1. Nearly every day, the mood between temper outbursts is persistently
negative (irritable, angry, and/or sad).
2. The negative mood is observable by others (e.g., parents, teachers,
peers).
D. Duration: Criteria A-C have been present for at least 12 months.
Throughout that time, the person has never been without the symptoms of
Criteria A-C for more than 3 months at a time.
DSM-V Temper Dysregulation Disorder
with Dysphoria (2)
E. The temper outbursts and/or negative mood are present in at least two
settings (at home, at school, or with peers) and must be severe in at
least in one setting.
F. Chronological age is at least 6 years (or equivalent developmental
level).
G. The onset is before age 10 years.
H. In the past year, there has never been a distinct period lasting more
than one day during which abnormally elevated or expansive mood was
present most of the day for most days, and the abnormally elevated or
expansive mood was accompanied by the onset, or worsening, of three
of the “B” criteria of mania
I. The behaviors do not occur exclusively during the course of a Psychotic
or Mood Disorder (e.g., Major Depressive Disorder, Dysthymic Disorder,
Bipolar Disorder) and are not better accounted for by another mental
disorder (e.g., Pervasive Developmental Disorder, post-traumatic stress
disorder, separation anxiety disorder). The symptoms are not due to the
direct physiological effects of a drug of abuse, or to a general medical or
neurological condition.
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