Störungen der Affektregulation bei Kindern und Jugendlichen Martin Holtmann Martin Holtmann LWL-Universitätsklinik Hamm der Ruhr-Universität Bochumund Psychotherapie Klinik für Psychiatrie Kinder- und Jugendpsychiatrie, des Kindes- und Jugendalters Psychotherapie & Psychosomatik ZI Mannheim Was ist eine bipolare Störung? 61 % 16 % 11% 5% Angermeyer & Matschinger Psychiat Prax 2005 Die „klassische“ bipolare Störung Was hat dieses Kind? • • • • • Reizbarkeit und Wutanfälle Stimmungsschwankungen Motorische Unruhe, Ablenkbarkeit, Impulsivität Andauernder Wechsel von Aktivitäten Leichtsinniges Verhalten, Suizidalität Bipolare Störungen bei Kindern & Jugendlichen Klinische Stichproben % USA 6 – 30 % 20 Blader & Carlson 2007; Biederman 2005 Brasilien 7,2 % Tramontina 2005 Spanien 10 4,0 % Soutullo 2003 5 Finnland 1,7 % Sourander 2004 Deutschland Meyer 2004; Holtmann 2008,2010 0,2 – 0,5 % 0 Das „weiche“ bipolare Spektrum Bipolar II Bipolar n.n.b. Bipolar I Diagnostische Waisen Depression Akiskal et al. J Affect Disord (2006). Carlson. J Affect Disord (1998). Borderline ADHS SSV Manie und ADHS Manie – Diagnostische Kriterien (ICD-10) • • • • • • • • • • Affektive Symptome bei ADHS nicht berücksichtigt. Stimmung situationsinadäquat gehoben/ gereizt Gesteigerte Aktivität, motorische Ruhelosigkeit Rededrang Ideenflucht, Gedankenrasen Verlust sozialer Hemmungen, unangemessenes Verhalten Vermindertes Schlafbedürfnis Überhöhte Selbsteinschätzung, Größenwahn Ablenkbarkeit, andauernder Wechsel von Aktivitäten Leichtsinniges, rücksichtsloses Verhalten Gesteigerte Libido Schwere affektive Dysregulation Abnorme Stimmung • Reizbarkeit, Aggression • Hyperarousal • Chronisch • • 1–2% aller Kinder • 6–7% in Kinderpsychiatrien • 13 – 20 % bei ADHS (auch bei Kindern bipolarer Mütter) • Suizidalität, reduziertes Schlafbedürfnis, Hypersexualität Holtmann et al. Bipolar Disord (2007); J Neur Transm (2008); Meyer et al. J Affect Disord (2009). Psychosoziale Einflüsse Störung der Affektregulation: Gruppe mit höchster Belastung • Psychische Erkrankung der Eltern • Abnorme Erziehungsbedingungen • Beeinträchtigte Eltern-Kind-Interaktion • Missbrauch & Misshandlung • … Juksch et al. JCPP 2011 Biologie der affektiven Dysregulation „Was guckst Du?“ Affektive Dysregulation im fMRI Verarbeitung emotionaler Informationen: • Erhöhte Aktivität der Amygdala Sekundäre Analyse von Stadler et al. Journal of Psychiatric Research (2007). Endokrinologie • Häufiger subklinische Schilddrüsenunterfunktion (TSH erhöht) • Auch bei bipolarer Störung, rapid cycling; Verwandten bipolar Erkrankter • Therapeutisch relevant? Holtmann et al. J Affect Disord (2010) Immunsystem Überaktiviertes Immunsystem: C-reaktives Protein • Chronische, unterschwellige Entzündung? • • Ähnlich bei affektiven und stressbezogenen Erkrankungen • Langzeitfolgen? • Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko? Holtmann et al., unveröff. Daten Prognose: Was wird aus Kindern mit affektiver Dysregulation? Langzeitstudien aus den USA: 30 % Übergangsrate in bipolare Störungen! (?) Meyer et al. J Affect Disord (2009). Biederman et al. J Clin Psychiatr (2009). Mannheimer Risikokinderstudie 89.6 % 94.8 % 96.1 % Psychosoziales Risiko Organisches Risiko 0 1 2005 - 07 2 2001 - 03 0 1997 - 98 1994 - 96 1 1990 - 92 2 1988 - 90 1986 - 88 t1 Alter (J;M) t2 t3 t5 t4 t7 t6 19;0 15;0 11;0 8;0 4;6 2;0 0;3 Holtmann, Buchmann et al. JCPP 2011 ? Was wird aus Kindern mit affektiver Dysregulation? % 30 4,3 25 20 Odds ratios 2,8 4,9 4,4 15 Dysregulation n=46 Kontrollen n=280 4,7 10 5 0 Depr. Aggr. Alkohol Suizidgedanken Suizidversuch Holtmann et al. JCPP 2011 Kritische somatische Entwicklungspfade • Kinder mit Dysregulation: mehr Übergewicht Francis & Susman, 2009 Das „weiche“ bipolare Spektrum Bipolar II Bipolar I Depression Bipolar n.n.b. Borderline Disruptive Mood Dysregulation Disorder DMDD ADHS SSV Therapeutische Ansätze Verbesserte Stimmungsregulation • Psychoedukation • Stimmungsmonitoring • Verhaltensanalyse: Auslöser, „Frühwarnzeichen“ • Achtsamkeitstraining • Der Einfluss des Denkens • Zirkadiane Periodik und Schlaf • Stressmanagement und Entspannung • Frühwarnzeichen und Krisenplan • Elterntraining Behandlung für Eltern und Kind „Zwei-Generationen-Programme“ • Eltern lernen, auf Signale des Kindes prompt und angemessen zu reagieren • „Feinfühligkeit“ und Konsequenz • Konzeption für ein LWL-Zentrum für Familienmedizin • familienorientierter Ansatz • Integration von kinder- und jugendpsychiatrischer und erwachsenpsychiatrischer und jugendhilfebezogener Kompetenz • Behandlung der affektiven Dysregulation • Lithium nicht besser als Plazebo Dickstein et al. 2009 • SSRI möglicherweise hilfreich Phan et al. 2011 • Atypika ? Methylphenidat hilfreich für Impulsivität • Psychotherapie notwendig für affektive Symptome • Waxmonsky et al. 2008; 2010 Sind Sie eine Eule oder eine Lerche? Wann schickt Ihre innere Uhr Sie ins Bett? „Sonne für das Nervensystem“ Affektive Dysregulation • Verschiebung zirkadianer Rhythmik • mehr Schlafprobleme Wirksamkeit von Lichttherapie? • 2 Wochen 10.000 Lux vs. 100 Lux • • Gefördert vom LWL-Forschungsinstitut für Seelische Gesundheit Lichttherapie: Erste Ergebnisse • Depressivität und Funktionsniveau in beiden Gruppen besser Spezifische Effekte der Lichttherapie: • Verringerung von Einschlafschwierigkeiten d=2,8 • Verringerung von Durchschlafschwierigkeiten d=1,8 • Verbesserung des Erholtseins nach dem Schlaf d=1,8 Auswirkungen von Meditation auf das Gehirn Achtsamkeit (mindfulness) und emotionale Stabilität • Geht einher mit Zunahme von Gamma-Aktivität im EEG • Lutz et al. Trends Cogn Sci. 2008 Auswirkungen von Meditation auf das Gehirn Achtsamkeit (mindfulness) und emotionale Stabilität • Geht einher mit Zunahme von Gamma-Aktivität im EEG • • Pilotstudie: Verbessert Neurofeedback die Emotionsregulation? Lutz et al. Trends Cogn Sci. 2008 Haben Sie „Hochs“? • • • • • • • • • • mehr Selbstvertrauen geselliger fahre schneller gebe mehr Geld aus risikofreudiger weniger schüchtern treffe mehr Leute stärkeres sex. Verlangen flirte mehr/sex. aktiver gesprächiger • • • • • • • • • • • denke schneller ablenkbarer beginne ständig neues Gedanken springen alles fällt leichter bin ungeduldig / gereizt Auseinandersetzungen mehr Kaffee rauche mehr mehr Alkohol mehr Drogen Hypomanie-Checkliste HCL-32 (Angst, 2005; Holtmann et al., 2009) Affektive Dysregulation: Was ist zu tun ? • Gemeinsame Früherkennung & Frühbehandlung • Hochrisikogruppe ADHS mit Dysregulation • Stimmungsregulation fördern • Psychosoziale Begleitumstände beachten • Therapiestudien! www.achtung-kinderseele.org