Kapitel 4 Kognition - Aufmerksamkeit Grundlagen Aufmerksamkeit Definitionen: „The taking possession of the mind, in clear and vivid form, of one out of what seem several simultaneously possible objects or trains of thoughts … It implies withdrawal from some things in order to deal effectively with others.“ James, 1890.“ Mandler (1980): Attention was the hiding place of consciousness. Aufmerksamkeit war das Versteck vom Bewusstsein. Wort „Bewusstsein“ war tabu – deswegen Aufmerksamkeit. Arten von Aufmerksamkeit overt attention – covert attention (visuell) • Offen: Blick & seine Verlagerung • Verdeckt: ohne sichtbare Änderung von Augen-, Kopf- und Körperhaltung (peripheres Sehen) Perceptual attention – central attention • Perzeptuell: Beachtung v. visuellen, auditiven, taktilen, gustatorischen, etc. Reizen • Zentral: Beachtung von Repräsentationen z.B. bei Auswahl einer Antwort Einige Theorien nehmen nur Perzeptuelle Aufmerksamkeit als existent an. Feature based: Anhand eines Merkmals • FBA: „Ich suche die DVD Kill Bill Vol. 1. sie hat eine gelbe Hülle“ location based: Anhand eines Ortes • LBA: „Die Schere liegt hinten links in der Ecke der Schublade“ object based: Anhand eines Objektes • OBA: „Wenn Du den Kirchturm gefunden hast, schau nach oben, dort ist die Uhr“ Voluntary vs. involuntary attention Willkürlich: Aufgabe bestimmt, was beachtet wird (z.B. Pfeil) Unwillkürlich: Aufmerksamkeit wird ungeplant gelenkt (eine Bewegung, oder ein Blinken) Selektive 1 Aufmerksamkeit: Frühe & späte Selektion Experimente mit auditiven Reizen: dichotisches Hören (Cherry 1953) Aufgabe: VP hört auf jedem Ohr einen anderen Text des gleichen Sprechers. Muss Text auf einem Ohr begleitend mitsprechen (shadowing „beschatten“) Ergebnisse: Beachtete Nachricht – leicht wiedergegeben. Unbeachtete Nachricht fast komplett vergessen. Interpretation: Aufmerksamkeit begrenzt Information. Nur eine Information aufnehmbar & verarbeitbar. System ist stark kapazitätsbeschränkt und zwar auf ein Objekt zu einem Zeitpunkt Cocktail-Party-Problem: Gespräch kann man nur in im Stimmengewirr folgen, wenn man die Aufmerksamkeit dahin lenkt. Broadbents Filtermodell: Frühe Selektion • • • Stellt Abläufe im Geist als Informationsverarbeitung dar. Aufmerksamkeit ist der Filter, der beachtete Information durchlässt Theorie der frühen Selektion: Das Filtern geschieht auf Basis physikalischer Merkmale wie Ort, oder Stimmhöhe, etc. „Früh“ meint hier rein sensorisch, ohne Interpretation oder Semantik • • Sensorisches Gedächtnis: Behält Information nur für einen Sekundenbruchteil Filter: Beachtete Nachricht wird aufgrund physischer Merkmale (z.B. Ort) identifiziert & durchgelassen Detektor: Verarbeitet die Nachricht (Was wurde gesagt-Cherry)) KZG: Hält Information für unmittelbare Verwendung 10-15s LZG: Speichert Information langfristig • • • 2 Experiment „split-scan“ v. Broadbent (1956/58) Gleichzeitige Darbietung von Buchstabenpaaren. Ein Buchstabe auf linkem Ohr, der andere auf dem Rechten L: H ___Rechts: M HM Bedingung 1: Reihenfolge wahrnehmen, keine gute Leistung H & M HM Bedingung2: Reihenfolge der Wiedergabe ist frei gestellt: VP organisieren die Wiedergabe nach Ort/ Ohr und nicht nach Paarung Linkes Ohr Bedingung 1: H Reihenfolge fest R W Bedingung 2. HRW Reihenfolge d. Wiedergabe frei Rechtes Ohr M Schlechte Leistung S P MSP Bessere Leistung Interpretation: Der Wechsel zwischen den zwei Kanälen erzeugt zeitliche „Kosten“, einige Buchstaben werden verpasst Evidenz für späte Selektion nach Moray (1959) Auf unbeachteten Kanal: Name der VP ⅓ bemerkte dies, aber nicht wenn Wortliste 35x wiederholt wurde Gray & Weddeburns (1960): Simultane Präsentation von 1. Wort & 1 Ziffer. Wörter bildeten Aussage „What the hell“ Ergebnis: Gruppierung der Wiedergabe nach Bedeutung & nicht nach Ohr Interpretation: Wechsel zwischen den Kanälen doch nicht so wichtig? Treismans Abschwächungstheorie Test: Welche Information wird auf unbeachteten Kanal spontan bemerkt? • Der eigene Name • Ein Wechsel der Sprecherstimme • Ein Wechsel der Sprache • Identität von beachteter und unbeachteter Botschaft, selbst dann, wenn sie zeitversetzt abgespielt werden Schlussfolgerung: unbeobachtete Kanal wird auf einer höheren Ebene analysiert 3 Modifizierung v. Broadbents Theorie: • Nicht Filter, sondern Abschwächung v. Nachrichten • Bei semantischer Verarbeitung haben einige Repräsentationen geringe Schwellenwerte werden durch unbeachteten abgeschwächten Kanal aktiviert Späte Selektion: Deutsch & Deutsch (1973) Selektion setzt erst ein, nachdem die Bedeutung der Nachricht analysiert wurde Phase 1: Ambigue Sätze l oder r. • Beachtete Nachricht: Sie warfen Steine auf eine Bank. • Unbeachtete Nachricht: Geld vs. Stuhl. Phase 2: desambiguierte Sätze - welcher Satz ist ähnlich dem präsentierten Satz? • Sie warfen Steine auf ein Kreditinstitut • Sie waren Steine auf ein Sitzmöbel Ergebnis: Prime auf unbeachtetem Kanal beeinflusst Interpretation. Implikation: Wort auf unbeachtetem Kanal wird doch verarbeitet – späte Selektion. Wovon hängt die frühe o. Späte Selektion ab? (Lavie 1995) Perceptual load Low Load: Solange Aufmerksamkeitskapazität frei Verarbeitung aller Reize Evidenz für späte Selektion High Load: Wenn die Kapazität erschöpft ist Selektive Aufmerksamkeit Evidenz für frühe Selektion 4 Green & Bevelier (2003) Flanker-Aufgabe: Stimuli: Aufgabenrelevant ist immer nur der Buchstabe in der Mitte. Die Flanker sind zu ignorieren Aufgabe: Antworte auf A und B mit der linken Taste und auf C und D mit der rechten Taste UV: Low Load: 2 Reize: Target & Distraktor High Load: 7 Reize: Target, 5 irrelevante Reize, Distraktor AV: Flanker-Effekt C<I Ergebnis: Bei Low Load starker Flankereffekt, bei high load schwach. bei Gamern kleinere Load Effekte Geteilte Aufmerksamkeit Nur einer von mehreren gleichzeitig ablaufenden Information kann man folgen. Aber gilt das immer? Beispiel: Auto fahren & dem Radio zuhören Bedingungen für geteilte Aufmerksamkeit 1. Übung: Erleichtert nach und nach den Aufmerksamkeitsaufwand 2. Verschiedenheit: Informationen besser verträglich, wenn sie keine Ressourcen teilen (z.B: sehen & hören) 3. Sharing: Aufmerksamkeit wird oft nicht gleich verteilt sondern wechselt schnell hin und her Atkinson & Shiffrin (1977) Spelke et. Al: Vpn konnten nicht gleichzeitig Lesen & Diktat aufnehmen, nach 17 Wochen (85h Übung) konnten sie es Schneider & Shiffrin (1977): Automatisierung perzeptiver Urteile Consistent Mapping Bedingung Aufgabe: Targets merken & im schnellen Strom von 2 o. 4 Testreizen suchen Urteil geben: anwesend/ abwesend Ergebnis: • 900 Trials für Leistung pc= .90 • Nach 600 Trials egal ob 2 o. 4 Test-Reize gegeben Interpretation: Automatisierung des Urteilsprozesses Ermöglicht Verarbeitung von mehreren Items zugleich 5 Konsistente Zuordnung erleichtert Automatisierung Varied Mapping Bedingung Target aus einem Durchgang kann Distraktor im nächsten Durchgang sein Ergebnis: VP waren viel langsamer Interpretation: Consistent Mapping: Automatische Prozesse, die keine Aufmerksamkeit benötigen bilden sich raus Varied Mapping: Strikte Aufmerksamkeit nötig zur zuverlässigen Durchführung Automatische Prozesse: • Müssen nicht kontrolliert werden • Interferieren nicht untereinander • Können nicht unterbrochen werden Geteilte Aufmerksamkeit in natürlicher Umwelt „100-Car Naturalistic Driving Study“ Dokumentation aus 2 Mio gefahren Kilometern: • 82 Unfällen • 771 Beinahe-Unfälle • 80% der Unfälle: Fahrer war 3 Sekunden vor Ereignis unaufmerksam o Wählen & Sprechen meiste Beinahe-/Unfälle o Beim Telefonieren: 400%tiger Anstieg Unfall zu bauen o Toronto Studie: Freisprechanlagen bieten keinen Vorteil Unaufmerksamkeit & Autofahren im Labor Strayer & Johnston (2001) Aufgaben • Aufgabe 1 (simuliertes Autofahren): Einen Cursor mit einem Joystick nahe am Target halten („pursuit tracking“). Rote und grüne Signale beachten. o Grün ignorieren, bei Rot auf eine Bremse treten („go-no go task“). • Aufgabe 2 (simuliertes Telefonieren): Über ein aktuelles politisches Ereignis diskutieren (Clinton‘s impeachment). Bedingungen • Single Task: Aufgabe 1 • Dual Task: Aufgabe 1 und Aufgabe 2 Ergebnis 6 • • Höhere Wahrscheinlichkeit ein Signal zu verpassen Höhere Reaktionszeit beim Bremsen Aufmerksamkeit & Augenbewegung Augen bewegen sich ständig • 3-4 Bewegungen / Sekunde (173.000 pro Tag) • Meist: Fixationen (ca. 200-500 ms) und Sakkaden (30-80 ms) • Sakkaden: schnellsten Bewegungen des menschlichen Körpers (min. Schnelligkeit 30°/s; Beschleunigung 8000°/s) • Smooth-pursuit: langsame Augenfolgebewegungen. • Optokinetischer Reflex: smooth pursuit + saccade (Eisenbahnnystagmus, Zugfahren) • Vistibulo-okulärer Reflex (VOR): Augen gleichen Kopfbewegung aus Augenbewegungen und Schizophrenie • Können keinen Smooth-Pursuit, versuchen mit Sakkaden zu erfassen • Beim freien Betrachten eines Bildes, nicht das typische Muster wie gesunde Patienten • Schwierigkeiten Zielobjekt langfristig fest zu fixieren Messung von Augenbewegungen Invasiv: • Kontaktlinsen mit darauf befestigten Drähten, deren Position wurde magnetisch aufgezeichnet Nicht-invasiv: • EOG: Ableitung der Augenmuskeln (links-rechts Unterscheidung) • Optische Verfahren wie Eye-Link: Messung der Position der Pupille und der ersten Purjinke Reflektion Stimulus-Faktoren Salienz: Saliente Reize werden oft von Augen fixiert ( Wachtel :D) Yarbus (1967): Muster der Augenbewegungen hängt von der Aufgabe ab: Mit welchem Ziel wird eine Szene betrachtet Kritik an Salienzstudien: Häufig keine Instruktionen oder keine Zielgerichteten Instruktionen. Verdeckte Aufmerksamkeit Offene & verdeckte Verlagerungen der Aufmerksamkeit sind hoch korreliert. Overt Shifts gehen Covert Shifts voraus (Augenort = Aufmerksamkeit) Dissoziation Blick-Aufmerksamkeit: Trennung von Wahrnehmungs- und Gedächtnisinhalten, welche normalerweise assoziiert sind • • Täuschung: Auge zwanghaft still halten. Mindless reading: „Lesen ohne zu Lesen“. Bewegung der Augen allerdings keine Aufnahme von Information und gedankliche Abschweifung. 7 • • • • • • Inattentional Blindness: Piloten landen „durch“ ein unerwartetes Flugzeug auf der Landebahn • Untersuchung IB (Mack & Rock 1998) Stimulus: Display für 200 ms, dann Maske. Aufgabe: Welcher Arm des Kreuzes ist länger? Bedingungen: Judgment task: cross only Inattention trial: cross + new object − Task = judgment task Divided attention trial: cross + new object − Task = judgement task + object task Full attention trial: cross + new object − Task = object task only Ergebnis: etwa 20% der VP übersehen den Reiz im Inattention trial, praktisch niemand im divided oder full attention trial. IB in Fovea höher (50%) als in Peripherie (20%) Posner Cueing Aufgabe: zentraler Cue (1s) - Ziffer {1, 2, 3, 4} für weit links, links, rechts, weit rechts oder ein „+“ als neutraler Cue. Target ist das Anschalten einer LED. Augen blieben still. Ergebnis: Reaktion auf einen nachfolgenden Reiz sind beschleunigt, wenn der Cue, die Reizposition richtig anzeigte. Interpretation: Eine Verlagerung schafft Nutzen und Kosten (costs and benefits) Neuronale Grundlagen räumlicher Aufmerksamkeit Colby et al. (1995) Affe musste eine von 2 Aufgaben erfüllen: 1. Fixationsaufgabe: Kreuz fixieren, Tasten loslassen wenn’s verschwindet 2. „Covert attention“: Kreuz fixieren, peripheres Licht überwachen, Taste loslassen wenn Licht erlischt Ergebnis: bei fehlender Aufmerksamkeit ist die Reaktion des Neuron sehr schwach. 8 Zuwendung von Aufmerksamkeit verstärkt die neuronale Reaktion, Abzug schwächt die Reaktion ab. Objektbasierte Aufmerksamkeit Wird die Aufmerksamkeit einem Ort oder dem Objekt an dem Ort zugewendet? Egly et al. (1994) • Präsentation zweier Objekte, eins mit kurzen Cue • Danach Testreiz (Einfachreaktion) • Ergebnis: Am Ort des Cue (A) war RT am kürzesten. • Im selben Objekt am anderen Ort (B) war die RT länger, aber nicht so lang wie im anderen Objekt (C). – „objektive“ Abstand von A-B & B-C war gleich. Interpretation: Innerhalb eines Objektes kann die Aufmerksamkeit leichter verlagert werden als zwischen Objekten. 9 Kapitel 5 Kognition – Kurzzeitgedächtnis & Arbeitsgedächtnis Was ist Gedächtnis? Atkinson & Shiffrin (1968) „Modal Model of Memory“ Strukturen Sensorischer Speicher • Ikonisches Gedächtnis (visuell): x100 ms • Echonisches Gedächtnis (auditiv): wenige Sekunden Kurzzeitgedächtnis (KZG): hält 5-7 Objekte für 15-30 s Langzeitgedächtnis (LZG): hält sehr viel Information für Tage, Jahre oder Dekaden Prozesse • Kontrollprozesse, z.B.: Aufmerksamkeit • Rehearsal • Mnemotische Techniken Illustration der Komponenten des „Modal Model“ • Wahrnehmen – Sensorischer Speicher • Beachten und Einspeichern - KZG • Wiederholen – KZG mit Rehearsal • Transfer ins Langzeitgedächtnis • Abruf aus dem Langzeitgedächtnis 10 Sensorischer Speicher Teil des Gehirns, der durch sensorische Stimulation Sinneseindrücke (visuell, auditiv, olfaktorisch, taktil, gustatorisch) kurzzeitig speichert und anschließend an die weiterverarbeitenden Hirnregionen weiterleitet. Dadurch entstehen Effekte wie die Persistenz des Sehens: • Sie bewegen im Dunklen eine Wunderkerze und können die Bewegungsbahn sehen. • Im Kino werden 48 Einzelbilder in der Sekunde gezeigt, jeweils separiert durch eine längere Dunkelphase. „Auffüllung“ der Dunkelphasen Experiment Sperling (1960): Vermessung des visuellen Ikons Testung, wie lange sich visuelle Reize im Gedächtnis halten Whole report (Ganzbericht) • Material: Buchstabenmatrix für 50 ms • Aufgabe: Alle Buchstaben berichten (bzw. so viele wie möglich) • Ergebnis: 4,5 Items Partial report (Teilbericht) • Material: Matrix für 50 ms, danach Ton • Aufgabe: Obere, mittlere oder untere Reihe berichten. • Ergebnis: 3,3 Items Partial report with a delayed tone (1s) • Ergebnis: 1,5 Items • • • • Im Partial Report können nach dem Display an beliebiger Position 82% der Items (3,3 von 4) entnommen werden Gesamtspeicher 82% des Displays. Im Whole Report können nur 4,5 Items wiedergegeben werden, weil schneller Zerfall. Es werden aus dem Ikon so lange Informationen ausgelesen, bis das Ikon verblasst ist. Auslesen benötigt auch Zeit Speicherung von nur 4-5 Items. Das Ikon büßt in nur 1s die Hälfte seines Inhaltes ein. Kurzzeitgedächtnis Keppel & Underwood (1962): Vermessung des Kurzzeitgedächtnis. Proaktive Interferenz. Aufgabe: Peterson & Peterson (1959). 1. 3 Buchstaben Lesen AOP 2. 3 stellige Nummer rückwärts aufsagen 382, 365, 210... 11 3. Wiedergabe der 3 Buchstaben Frage: Was passiert im ersten Trial? Ergebnis: Im ersten Trial gute Leistung auch bei langem Intervall (Delay). Interpretation: • Leistung fällt durch Proaktive Interferenz stark ab • Nach vielen Durchgängen viele Inhalte im KZG schwierig verschiedene Spuren auseinander zu halten. • Implikation: • KZG = lange Speicherdauer (kaum Spurenzerfall). • Bei proaktiver Interferenz, die immer vorliegt (selbst wenn man denkt) und ohne Rehearsal Dauer von nur 15-20s. Kapazität des Kurzzeitgedächtnis Miller (1956): Magical number seven, plus or minus two. • 7±2 bezieht sich auf verbales Material, zum Beispiel die Ziffernspanne: • 39678 649784 7382015 84261432 482392807 4 8 1 5 1 6 3 2 4 2 10 Stellen schwieriger zu merken Für visuelles Material ist die Kapazität kleiner. Sie beträgt circa k=4. Chunking Chunking = Verknüpfen von Elementen zu bedeutungshaltigen Gedächtnisobjekten (Chunks) 8 Worte: Affe, Kind, wild, Zoo, springen, Ringelschwanz, jung, Stadt 4 Wortpaare: Ringelschwanz-Affe, junges Kind, wild springen, Stadt-Zoo. 2 Aussagen: Der Ringelschwanzaffe springt wild. Das junge Kind geht in den Stadt-Zoo. Miller (1956): 7±2 Chunks Ericcson et al (1980): Durch Bildung sinnvoller Sätze lassen sich 7±2 Wörter leicht auf 20 steigern. Chunking bei Experten: Chase & Simon (1973) Gedächtnis von Schachspielern für Positionen. Aufgabe: Ein Schachbrett wurde kurz (5s) gezeigt, dann verdeckt. Dann erfolgte die Wiedergabe. UV 1: Schachmeister (>10.000h) vs. Anfänger (<100h) UV 2: Sinnvolle oder sinnlose Stellungen. Ergebnis: Experten – bessere Gedächtnisleistungen für sinnvolle Stellungen, vermutlich weil sie besser „chunken“ können. Implikation: Chunking beruht auf Wissen, das dem Lernmaterial hinzugefügt wird. Wie kodiert das Kurzzeitgedächtnis? • Auditiv 12 • • Viusell Semantisch Conrad (1964): Auditive Kodierung • Aufgabe: Kurze Darbietung von 6 Buchstaben. Möglichst viele wiedergeben. • Ergebnis: Fehler waren häufig auf Verwechselungen mit ähnlich klingenden Buchstaben zurückzuführen (F mit S oder X) • Implikation: Obwohl das Material visuell war, wurde es scheinbar doch auditiv kodiert. • Telefonnummern merken wir uns auch verbal Zhang & Simon (1985) visuelle Kodierung Aufgabe: Chinesische Schriftzeichen, oder Fragmente davon, memorieren. Die Zeichen haben einen Klang, die Fragmente nicht. VPs: Chinesen, also Muttersprachler. Ergebnis: Wiedergabe der Zeichen > Fragmente. Aber die Fragmente konnten auch wiedergegeben werden. Implikation: Wiedergabe der Fragmente zeigt visuelle Kodierung. visuelle Kodierung möglich, wird aber durch auditive Kodierung erheblich verbessert. Wickens et al. (1976) Semantische Kodierung Aufgabe: Listen lernen und wiedergeben. Trial 1 Trial 2 Trial 3 Trial 4 Früchte Gruppen Fleisch Beruf Banane, Pfirsich, Apfel Pflaume, Limette, Aprikose Melone, Kirsche, Zitrone Orange, Erdbeere, Ananas Salami, Schweinefleisch, Steak Speck, Hot Dof, Rinderfleisch Hamburger, Schinken, Wurst Orange, Erdbeere, Ananas Richer, Feuerwehrmann, Lehrer Tänzer, Minister, Beamter Buchalter, Doktor, Redakteur Orange Erdbeere, Ananas Ablauf: • Wort-Triade für 2s, • 3 Kategorien, 2 davon mit nicht passenden Wörtern (Früchte) • 3-stellige Zahl als Signal, nun in 3er Schritten herunterzuzählen Abruf • UV: In Trial 4 die gleiche oder eine andere Kategorie als in Trials 1-3. • Grundbefund: Proaktive Interferenz. Die Leistung sinkt deutlich ab nach weniger Trials. frühe Triaden stören späte Triaden. • Ergebnis: Eine semantisch neue Kategorie führt zu einer Erholung von proaktiver Interferenz. Arbeitsgedächtnis: Der moderne Denkansatz zum Kurzzeitgedächtnis Baddeley & Hitch (1974): Working Memory KZG Arbeitsgedächtnis Zwei wichtige Neuerungen • An Stelle der passiven Speicherung trat die aktive Bearbeitung von Information in den Vordergrund. 13 • Die Idee eines Speichers wurde zugunsten spezialisierter Systeme aufgegeben. Evidenz für die phonologischen Schleife Beinhaltet verbale & auditive Information 1. Der phonologische Ähnlichkeitseffekt 2. Der Wortlängeneffekt 3. Der Effekt artikulatorischer Suppression 1. Phonologischer Ähnlichkeitseffekt (siehe bereits Conrad, 1964) Demo: • Merken Sie sich: g, c, b, t, d, p schwieriger, da Buchstaben phonologisch leicht verwechselbar • Merken Sie sich: f, l, k, s, y, g einfacher, da phonologisch verschieden 2. Wortlängeneffekt Man kann sich mehr kurze als lange Wörter merken. Demo • Tier, Gold, Frau, Golf, Arm, Dreck, Stern • Alkohol, Besitz, Verstärker, Offizier, Galerie, Moskito, Orchester, Fliesenleger Vorsicht Konfundierungen auf kultureller Ebene: • Deutsche haben kein besserers KZG als Araber. • Zahlen sind auf Arabisch wesentlich länger als auf Deutsch. • Kapazitätsunterschiede nur scheinbar & durch Konfundierung mit der Wortlänge verursacht 3. Artikulatorische Suppression phonologische Schleife wird durch die Artikulation eines irrelevanten Wortes wie "das" gestört Folge: Verminderung der Gedächtnisspannenleistung • Reduziert die Kapazität • Verringert den Wortlängeneffekt • Verringert den phonologischen Ähnlichkeitseffekt • Interpretation: Artikulatorische Suppression beschäftigt den phonologischen Loop. Daher erfolgt keine phonologische Kodierung, und daher verschwinden Effekte, die durch die phonologische Kodierung erst entstehen. Der visuell räumliche Skizzenblock Experiment von Brooks (1968) Verbale Aufgabe: Merke dir den Satz und gebe für jedes Wort an ob es ein Nomen ist. • Antwort 1: verbal: ja/nein sagen • Antwort 2: räumlich: auf ja/nein zeigen. Räumliche Aufgabe: Merke dir die Grafik und sage für jede Ecke, ob sie innen oder außen ist. • Antwort 1: verbal: innen/außen sagen • Antwort 2: räumlich: auf in/out zeigen. speichert visuell und räumlich aufgenommene Informationen vorübergehend ab 14 zuständig für mentale Transformationsprozesse zur Lösung visuell-räumlicher Probleme sowie zur räumlichen Orientierung Zentrale Exekutive • Aufmerksamkeitssystem • Koordiniert die Aktivität der Subsysteme • Transformiert Information zwischen den Subsystemen (verbalisieren, visualisieren) • Unterdrückt störende Information • Besitzt keine eigene Speicherkapazität Arbeitsgedächtnis im Gehirn • • Wenn man den präfrontalen Cortex ausschaltet (TMS, Läsion, Kühlung), leidet das Arbeitsgedächtnis Der präfrontale Kortex ist verbunden mit • sensorischen Gebieten (Input) o involviert bei der Verarbeitung von eingehender visueller & auditiver Information • antwortbezogenen Arealen (Aufgabe) • Arealen im Temporalen Cortex (Langzeitgedächtnis) 15 Effekt sichtbar an Gedächtnisaufgaben beim Affen: Delayed response task • Der Affe sieht eine Belohnung auf einer von zwei Positionen. • Die Sicht wird blockiert, und dann die Positionen verdeckt. • Der Affe bekommt die Belohnung nur, wenn er richtig wählt. • Affen können diese Aufgabe gut, versagen aber, wenn ihnen Teile des präfrontalen Cortex fehlen Kurz & Knackig • Bevor Information ins KZG kommt wird es vom Sensorischen Speicher kurzfristig aufgenommen und eingespeichert. Dadurch entstehen Effekte wie die Persistenz des Sehens/Reizes • Das Ikonische Gedächtnis ist zerfällt sehr schnell o da das Auslesen des Ikons Zeit benötigt schafft man nur ca. 1/3 des visuellen Reizes zu behalten 4,5 Items. o Das Ikon büßt in nur 1s die Hälfte seines Inhaltes ein Das KZG hat eigentlich eine lange Speicherdauer, unterliegt aber permanenter proaktiver Interferenz, und behält so ohne sofortigen Rehearsal nur 15-20s Inhalt. Das KZG kann sich 5-9 (magical number 7) Verbale Cues auf einmal merken, aber nur 4 visuelle Cues. Um Elemente zu bedeutungsvollen Gedächtnisobjekten zusammenzufassen und sich so besser merken zu können verwenden wir Chunking. Chunking beruht auf Wissen, das dem Lernmaterial zugefügt wurde • • • • Komponeten des Arbeitsgedächtnisses • Zentrale Exekutive: Aufmerksamkeitssystem, dass die Aktivität der Subsysteme (Phono L. & vrNb) koordiniert & Informationen zwischen d. Substemen transformiert. Sie unterdrückt störende Information & hat keine Speicherkapazität • Phonologische Schleife: beinhaltet verbale & auditive Information • Evidenz: Phonologischer Ähnlichkeitseffekt, Wortlängeneffekt, Effekt artikulatorischer Suppression • Visuell räumlicher Notizblock: Lösung visuell-räumlicher Probleme sowie räumliche Orientierung 16 Kapitel 6 - Langzeitgedächtnis: Grundlagen Einführung in das Langzeitgedächtnis • Das LZG beinhaltet Information aus erlebten vergangenen Ereignissen & Wissen was wir erlernt haben. • LZG hat eine große Bandbreite: • Vom „Anfang“ – 30 sek. nach einer Tätigkeit Allerdings: Neue Erinnerungen sind meist detaillierter als länger zurückliegende • Bild: Student der sich gerade hingesetzt hat. • • • LZG nicht nur Speicher, sondern arbeitet eng mit dem Arbeitsgedächtnis zusammen : Informationen werden fortlaufend „automatisch“ & wenig reflektiert (unbewusst o. implizit) abgerufen, um aktuelle Situationen zu verstehen. Erfahrung aus der Vergangenheit mit neuen Situationen verbinden adaptives Verhalten KZG&LZG interagieren miteinander: • Sie stehen in einem Informationsaustausch Unterscheidung LZG & KZG LZG KZG 17 Studien als Evidenz für die Unterscheidung von LZG &KZG Murdock (1962) • Material: Liste von 20 Wörtern. • Aufgabe: Merken und Wiedergeben • Vorgehen: Liste wird einmal verlesen (1 item/s). Dann erfolgt sofort die Wiedergabe. • • Ergebnis: Die Items von Beginn und Ende werden recht gut Murdoch (1962). Primacy und Recency Effekte wiedergegeben. in der seriellen Positionskurve Interpretation: o Der Recency Effekt reflektiert KZG o Der Primacy Effekt reflektiert die relativ gute Kodierung im LZG aufgrund mehr Rehearsal (Wiederholung) Glanzer & Cunitz (1966) 1. Material, Aufgabe, Vorgehen wie bei Murdock (1962) Hypothese: Mehr Zeit für Rehearsal der Anfangswörter beeinflusst Primacy Effekt Zusätzliche UV: Spacing 1s, 2s, oder 3s (Mehr Zeit zwischen den Wörten) Rationale: Mehr Spacing, mehr Gelegenheit zum Rehearsal, mehr Primacy Effekt Ergebnis: Hypothese bestätigt: • Spacing hat Einfluss auf Primacy Effekt • Spacing hat keinen Einfluss auf Recency 2. Hypothese: Verzögerung (Delay) hat Einfluss auf Recency Effekt Zusätzliche UV: immediate vs. delayed (zählen) Recall Rationale: Durch die Verzögerung geht KZG-Inhalt verloren Ergebnis: Hypothese bestätigt: • Delay hat Einfluss auf Recency Effekt. • Delay hat keinen Einfluss auf Primacy E. 1. Implikation: LTM und STM sind unabhängige Mechanismen, denn die Variable Spacing hat nur Einfluss auf LZG, nicht auf KZG 2. Implikation: LTM und STM sind unabhängige Mechanismen, denn die Variable Delay hat nur Einfluss auf KZG, nicht auf LZG Unterscheidung von LZG & KZG verdeutlicht an Fallbespielen H.M 1957 • H.M wurde wegen Epilepsie bilateral der mediale Temporallappen + Hippocampus entfernt • KZG intakt, er konnte jedoch keine neuen Erinnerungen formen K.F 1969/70 18 • • • Schädelhirnttauma bei Motorradunfall mit 17 mit links-parietalen Hämatom Epilepsie mit 19 Gedächtnisspanne v. 2 Items & Recency Effekt von einem Wort Ansonsten keine Probleme & unauffällige Neugedächtnisbildung Unterscheidung in der Kodierung KZG: kodiert primär visuell & auditiv, semantisch möglich LZG: kodiert primär semantisch, sensorisch möglich • visuell: jemand kommt dir entgegen und du erkennst ihn wieder • auditiv: Wiedererkennen anhand der Stimme • semantisch: An Inhalt/Bedeutung der Aussage einer Person erinnern Formen des LZG (LTM) Tulving: Episodisches Gedächtnis ist phänomenologisch gekennzeichnet durch: • Mentale Zeitreisen (mental time travel) • Selbstwissen, Erinnern Semantisches Gedächtnis ist phänomenologisch gekennzeichnet durch • Wissen (knowing) Neurophysiologische Evidenz • K.C. erinnerte sich nach einen geschlossenen Schädelhirntrauma (Motoradunfall) an keine persönlichen Ereignisse mehr • „Italian woman“ erkrankte an Encephalitis mit 44. Sie hatte keinen Zugriff auf Fakten sowie Wortbedeutungen. Sie konnte aber detailliert wiedergeben, was sie am Tag gemacht hat. Beziehung zwischen episodischem und semantischem Gedächtnis. Source Amnesia • Quelle/Ursprung gelernter Fakten wird mit der Zeit vergessen Persönliches Wissen • Fakten mit persönlichem Bezug lassen sich leichter lernen. Semantisches Wissen beeinflusst Organisation und Enkodierung von Ereignissen. • Fußballexperten erinnern sehr viel detaillierter als Laien, denn sie verfügen über mehr Differenzierungen und Kategorien. Explizites und implizites Gedächtnis • Explizites Gedächtnis: wir wissen beim Abruf, dass wir uns erinnern (bewusst). • Implizites Gedächtnis: Wissen wirkt „implizit“ in der Leistung, die wir erbringen (unbewusst) • Repetition priming: Die Antwort auf einen Reiz wird schneller oder genauer aufgrund früherer Erlebnisse mit dem Reiz. • Prozedurales Gedächtnis: Skills, wie Fahrradfahren, Geigespielen, Maschineschreiben, etc. Impliziter Gedächtnistest: 19 • • Wurde bei neuropsychologischen Patienten verwendet, die kein explizites Erinnern mehr haben. (Warrington & Weiskrantz, 1966). Ergebnisse von 5 Korsakoff-Patienten mit schwerer Amnesie: Man sieht, dass die Probanden immer besser werden (weniger Fehler machen). Korsakoff Syndrom: Durch z.B. massiven Alkoholmissbrauch Thiaminmangel Amnesie • Anterograde Amnesie: Neu erlebte oder erlernte Dinge können nicht mehr behalten werden • Retrograde Amnesie: Ältere Fakten, Erlebnisse und Gedächtniselemente werden vergessen • Alte Erinnerungen weitgehend unbeeinflusst (Oliver Sacks – Erinnerung bis 19. Lebensjahr) Prozedurales Gedächtnis (Implizit) • Beinhaltet Handlungsabläufe wie Fahrradfahren, Klavierspielen oder das Zeichnen einer bestimmten Figur. • Amnesiepatienten – meist wenig Probleme mit prozeduralem Gedächtnis. • Möglich: gehen, sprechen, essen, die Schuhe binden, Radfahren, etc. • Erwerben neuer Skills: Spiegelzeichnen wird nach Training besser, obwohl die Patienten keine Erinnerung an das Training haben. Wie gelangt Information ins LZG? Encoding Retrieval (Enkodierung und Abruf) • Encoding: Prozess der Aquisition & Transformation ins LZG • Retrieval: Prozess des Informationstransfers vom LZG zurück ins Arbeitsgedächtnis – dort wird es dem Bewusstsein zugänglich (erinnern) 20 Maintenance (flach) Elaboration (tief) • Rehearsal garantiert nicht, dass Information immer ins LZG gelangt • Maintenance Rehearsal: Behält Information ins Gedächtnis, transformiert aber nicht ins LZG • Elaborative Rehearsal: Auseinandersetzung mit Inhalt eines Items & „Connections“ bilden Craik & Lockhart (1972). Levels of Processing • Oberflächliche vs. tiefe Verarbeitung • Tiefe Verarbeitung führt zu guter Gedächtnisleistung; oberflächliche Verarbeitung hinterlässt kaum Gedächtnisspuren Beleg Craik & Tulving (1975): • Aufgaben induzieren verschiedene Tiefen der Verarbeitung. • • • • Leicht: Frage Aussehen des Wortes z.B.: In Großbuchstaben? Mittel: Frage über den Wortklang z.B. Reimt sich auf Shirt (Bird)? Tief: Aufgabe, die Wortauseinandersetzung erfordert z.B. Lückentext Unerwarteter Gedächtnistest (free recall) Verbesserung des Levels of Processing Ansatz: Transfer-angemessene Verarbeitung (Morris, Bransford, & Franks, 1977). Frage: Welche Bedeutung hat die Übereinstimmung von Enkodierung & Abruf? Encodierung: Semantisch oder phonemisch (wie bei Craik & Tulving, 1975). Ergebnisse: a.) Craik & Tulvings Test: sem > phon b.) Rhyming Test: phon > sem • • Rhyming Aufgabe – Rhyming test Meaning Aufgabe – Rhyming test Interpretation: es wird die Leistung verbessert, die auch geübt wird. Implikation für die Praxis: Die Aufgabe beim Lernen sollte der Aufgabe beim Test entsprechen. Weitere Faktoren bei der Enkodierung: 1. Elaboration: Wie Inhalte kombiniert werden mit anderen Inhalten 2. Organisation: Wie Inhalte in eine Ordnung gebracht werden. 3. Aktive Verarbeitung: der Generierungseffekt Elaboration #1 Visualisierung: Bower & Winzenz (1970). Aufgabe: Wortassoziationen (cue-target) lernen 21 • Training: Wiederholen, im Satz lesen, Satz generieren, Interaktion visualisieren. • Test: Cued Recall Ergebnis: Wiederholen < Satz lesen < Satz generieren < Visualisieren Elaboration #2 Selbstreferenzeffekt: Rogers et al (1979) Aufgabe (wie bei Craik & Tulving) • Frage, Gedächtniswort, Antwort (j/n) • Unangekündigter free recall test Ergebnis: Mehr Wörter erinnert, die mit Frage „Describes You?“ gekoppelt waren. Interpretation: Selbstbeschreibungen sind wirksame Abrufhinweise. o Abrufhinweis (retrieval cue) – Ein Reiz, der beim Erinnern hilft, wenn man ihn gibt. Organisation #1 Beobachtung: Spontane Organisation von Wörtern nach Kategorien beim free recall (Jenkins & Russell, 1952) Kritischer Test: Bower et al (1969). Aufgabe Wortliste studieren und so viele Wörter wie möglich wiedergeben. Wörter sind in Bäume organisiert. Manipulation: echte Organisation versus Pseudoorganisation. Ergebnis: Echte Organisation (73 item) war viel besser als Pseudoorganisation (21 items). Nebenergebnis: Nutzung der Organisation (Kategorien) sehr explizit (Mineralien/Metalle/Selten: ….) Interpretation: Organisation (Kategorien bilden) bietet wichtige retrieval cues. Organisation #2 Bransford & Johnson (1972). • Ziel: Demonstration des Einflusses einer sinnvollen Organisation auf das Gedächtnis • Material: Texte (wie rechts), und Cartoons • Vorgehen: Cartoons wurden entweder vor oder nach dem Lernen des Textes gegeben. • Ergebnis: Cartoons vor dem Text führten zu einer viel besseren Leistung als Cartoons nach dem Text. 22 Aktive Verarbeitung „Generation Effect“ (Slameka & Graf, 1978) • Aufgabe: Wortpaare lernen, und das Targetwort später wiedererkennen. • Bedingungen: o Lesen: Wortpaar vorlesen König-Krone o Generieren: Wort ergänzen König-Kr_ _ _ • Ergebnis: Lesen schnitt schlechter ab als Generieren. • Interpretation: Aufwand beim Lernen wirkt sich positiv aus auf das Lernergebnis aus. Physiologie des LZG Speichers – Wie sind Erinnerungen im Gehirn abgespeichert? Speicherung an der Synapse Donald Hebb (1948) – „What fires together, wires together“ • Gebrauch einer Synapse Stärkung der Synapse o Dadurch strukturelle Veränderungen o Mehr Freisetzung v. Transmittern bei Reizung o Vermehrtes Feuern • Kein Gebrauch einer Synapse Schwächung Fragilität von Erinnerungen Erinnerungen können durch Unfälle gestört werden Retrograde Amnesie: Störung des Altgedächtnisses • Erinnerungen vor dem Unfall werden vergessen • Ribot’sches Gesetz: Regelhaftigkeit des Gedächtnisabbaus nach Gehirnverletzungen bzw. als Folge des Altersabbaus • Gedächtnisverluste folgen einem (temporalen) Gradienten: • Frische Information = Labile Speicherung Anfällig für 23 • Hirnschäden Alte Information = Stabile Speicherung Resistenter gegen Hirnschäden Anterogerade Amnesie: Störung der Neugedächtnisbildung • Neuer Erinnerungen können nicht gebildet werden Der Prozess der Konsolidierung – Standardmodell der Konsolidierung Neue fragile Erinnerungen in stabile transformieren • Ein Erlebnis besteht neuronal aus Aktivierungen verteilten Cortexarealen. • Diese Areale haben noch keine Verbindungen miteinander. • Der Hippokampus koordiniert diese Komponenten • Mit der Zeit entstehen Verknüpfungen zwischen den cortikalen Arealen Hippokampus wird nicht mehr für den Abruf benötigt. in Gedächtnisrelevante Strukturen • MTL* von herausragender Bedeutung für das Gedächtnis, solange die Information nicht völlig konsolidiert ist. • Ist die Konsolidierung abgeschlossen, ist eine Beteiligung des Hippokampus nicht mehr nötig. *Mediale Temporallappen Erinnerung von emotionalem Material Emotionales wird besser erinnert. • Bar & Phelps (1998):Tabu-Wörter werden besser erinnert als neutrale Wörter. • Dolcos et al. (2005): emotionale Bilder werden besser wiedererkannt als neutrale. • Cahill et al. (1995): zeigten einen verringerten Effekt Valenz des Materials bei Patient B.P. mit einem Schaden bei der Amygdala. der Abruf von Information aus dem LZG Abruf: Retrieval Cues Retrieval Cues helfen beim Abruf aus dem Gedächtnis. Tulving & Pearlstone (1966): • Material: Wortlisten, zusammengestellt aus wenigen Kategorien (Kategoriennamen nicht vorgegeben) • Test: Free recall vs. cued recall 24 • • o Free recall: so viele Wörter wie möglich generieren o Cued recall: Vorgabe der Kategorien. Ergebnis: siehe rechts Interpretation: Kategoriennamen dienen als retrieval cue Mäntylä (1986): • Material: 600 Nomen lernen • Aufgabe: drei Assoziationen zu jedem Wort aufschreiben. • BANANE – GELB, KRUMM, STAUDE • Surprise Memory Test: Vorgabe der drei Assoziationen: 90% (!!) • Alternativerklärung: Vielleicht kann man das Wort aufgrund der Cues erraten? • Kontrollgruppe bekam die von VP generierten Cues: nur 17% • Interpretation: Retreival Cues können sehr wirksam sein Abruf: Encoding Specifity Jeder Reiz, der beim Lernen vorlag, kann beim Abruf helfen. Godden & Baddeley (1975). • Aufgabe: o Lernen unter oder über Wasser. o Abruf unter oder über Wasser. • Ergebnis: Leistung besser, wenn Lernen und Abruf unter ähnlichen Bedingungen stattfinden. • Encoding Specifity = Unter Wasser ist ein Hinweisreiz, der beim Lernen vorliegt und daher beim Abruf helfen kann. Grant et al. (1998). • Aufgabe: o Lernen mit/ohne Geräusche. o Abruf mit/ohne Geräusche • Ergebnis: Leistung besser, wenn Lernen und Abruf unter ähnlichen Bedingungen stattfinden. • Encoding Specifity = Cafeteriageräusche sind ein Hinweisreiz, der beim Lernen vorliegt und daher beim Abruf helfen kann. Abruf: Zustandsabhängiges Lernen = encoding specifity, nur mit internen statt externen Reizen Eich & Metcalfe (1989). Tag 1. • Stimmungsinduktion 15-20 min (1) fröhliche Gedanken bei netter Musik (2) deprimierende Gedanken bei trauriger Musik. • Dann Lernen einer Wortliste 25 Tag 2. • Stimmungsinduktion, dann Test. • Ergebnisse siehe rechts. Interpretation: Auch interne Zustandsreize können Cues sein. Wie hilft uns die Erinnerungsforschung beim studieren? 1. Elaboriere & Generiere • Denke über das Gelesene nach und bring es in Verbindung mit deinem Wissen • Stelle dir Testfragen 2. Organisiere • Mind Maps, Kategorien bilden, ordnen 3. Assoziiere 4. Mache Pausen 5. Nutze gleiche Lern -& Testkonditionen 26 Consolidation revisited (Konsolidierung Überdenken) Nader et al. (2000). Anisomycin = Verhindert Veränderungen an Synapse. Unterbricht Proteinsynthese bevor Konsolidierung auftreten kann d.h. Ratte erstarrt nicht bei Ton Experiment: • Furchtkonditionierung bei einer Ratte durch die Paarung eines Tons mit einem Schock & Injizierung von Anisomycin zu unterschiedlichen Zeitpunkten Bed. 1: Injizierung vor Konsolidierung • Tag 1: Injizierung von Anisomycin + Ton & Schock • Tag 2: Pause • Tag 3: Keine Konditionierung, Ratte erstarrt nicht Bed. 2: Injizierung nach Konsolidierung • Tag 1: Furchtkonditionierung • Tag 2: Injizierung von Anisomycin • Tag 3: Ratte zeigt Furchtreaktion, Ratter erstarrt bei Ton Bed. 3: Injizierung während Reaktivierung • Tag 1: Furchtkonditionierung • Tag 2: Ratte zeigt Furchtreaktion bei Ton, danach Injiziierung von Anisomycin • Tag 3: Keine Konditionierung, Ratte erstarrt nicht 27 Interpretation: Nach Abruf ist Assoziation besonders störempfindlich Kapitel 7 Kognition - Alltagsgedächtnis & Gedächtnisfehler Prospektives Gedächtnis – Wenn man sich vornimmt, etwas zu erinnern Wichtig für prospektives Gedächtnis: 1. Was soll erinnert werden? Sich daran erinnern, was man machen will. 2. Wann muss es erinnert werden? Sich daran erinnern, es zur richtigen Zeit zu tun. Einstein & McDaniels (1990) Distinkte Cues lassen sich besser erinnern als vertraute: Bsp: Sich daran erinnern einem Freund eine Nachricht zu überbringen schwieriger als sich daran zu erinnern einem Fremden eine Nachricht überbringen. Cue: Freund Cue: Fremder ist zu Warum? • Freund (vertrauter Cue) = Viele Assoziationen (Viel Ablenkung) Konkurrenz mit prospektivem Cue • Fremder (unbekannter Cue) = Kaum Assoziationen Kaum Konkurrenz Experiment: Wörter überwachen. Tastendruck bei Cue Wörter 1. Bed. Vertraut: Cue words „rake and method“ => Schlechter erinnert 2. Bed. Distinktiv: Cue words „sone and monade“ => Besser erinnert Event-based Erinnern („sofort“) ist leichter als time-based (nach 3 Stunden) • Lösung für bessere time-based-Erinnerung: Einen Event-Cue konstruieren Autobiographisches Gedächtnis – An Dinge aus der eigenen Vergangenheit erinnern (A.G.) Besteht aus: Episodisches Gedächtnis Nutzen von „Mentalen Zeitreisen“ um uns selbst in die Vergangenheit zu versetzen. Auf 2 Wegen durchführbar: 1. Feldperspektive (Wie man selbst sieht) 2. Beobachterperspektive („3. Person“, man sieht sich selber) 28 Und Semantisches Gedächtnis • Wir erinnern auch semantisch an Ereignisse aus der Vergangenheit. z.B. Name des besten Kindheitsfreunds A.G. ist multidimensional • Greenberg & Rubin (2003): Visuelle Agnosie geht mit Gedächtnisdefiziten einher Ohne visuelle Objekte fehlen Abrufhinweise • Laut Baslau, Lakhoff: Embodied Cognition Es gibt keine abstrakte Repräsentation, alle Kognition ist sensorisch/körperlich. Experiment von Cabeza et al. (2004) • 12 Versuchspersonen machten 120 Fotos von den gleichen 40 Stellen auf dem Campus in 10 Tagen. • • • • • • Anschließend sahen sie 80 Fotos 40 eigene (A-Fotos) und 40 fremde (L-Fotos) o Urteil: gutes Foto? Ca. 2 Tage später wieder A & L Fotos aber auch unbekannte L-Fotos o Frage: Eigenes oder fremdes Foto? Gehirnaktivität gemessen im MRI Scanner A&L Fotos aktivieren viele gemeinsame Areale, jedoch: A > L Aktivierung in: • medialer PFC (Selbstbezug) • Visuelles/räumliches Gedächtnis (visuelle und parahippocampale Regionen) • Erinnerung (Hippokampus) Gedächtnis über die Lebensspanne Experiment v. Schrauf & Rubin (1998) Erinnern an wichtige Events: • „reminiscence bump“ - mehr Erinnerung an 20er bei über jährigen Warum erinnert man sich so gut an Events aus Adoleszenz & jungem Erwachsenenalter? Hypothesen: • Life-narrative: Perioden, in denen das Selbst/ Identität gebildet wird, werden gut erinnert. o Zeit der vielen „ersten Male“ • Cognitive Factors: Perioden des Wandels (schnelle Veränderungen) gefolgt von Perioden von Stabilität werden gut erinnert (Pro- und Retroaktive Interferenz, Distinktheit) 40- 29 o Untersuchung mit Immigranten zeigen verschobenen Reminiscence Bump • • • Cultural-Life-Script: Das allgemein verfügbare Script bietet Abrufhinweise Passiert jedem in einer bestimmten Kultur (erster Kuss 14, Abi mit 18 usw.) Maturation: Die kognitive Leistungsfähigkeit ist im Maximum, daher ist das Encoding sehr effizient Inkompatibel mit Reifung und Selbstbildung, kompatibel mit Cognitive. mit Flashbulb Memories (Blitzlichterinnerungen) Brown & Kulik (1977) • Detaillierte, lebendige, leicht abrufbare und relativ überdauernde Erinnerungen an kulturell wichtige Ereignisse • Ereignisse sind emotional bewegend & werden von vielen Menschen geteilt o z. B. die Ermordung JFK oder 9/11 • Der Schock friert den Moment mit allen seinen Komponenten wie ein Blitzlicht ein. • Erinnerungen sind besonders stabil & detailliert • Kritik: Zwar detailliert, aber auch wahr? • Lösung: Mehrfache Testung der Erinnerung. 1. Testung kurz nach Ereignis „ground truth“ Erinnerungen Studie von Neisser & Harsch (1992) 1. Testung 1 Tag nach Explosion des Space Shuttles Challenger 2. Testung 2-3 Jahre später Ergebnis: • Erinnerungen werden als lebendig beschrieben, im Detail aber ungenau • Versionen weichen signifikant voneinander ab: o z.B. „Aus dem TV erfahren“ 1. Testung 21%, 2. Testung 45% • Laut Schmolk et al. (2000): Unwahrscheinlich, dass sich Flashbulb Memories grundlegend von gewöhnlichen Erinnerungen unterscheiden Studie von Talarico & Rubin (2003) • Nach 9/11 Befragung von Studenten zum Attentat • Zusätzliche Befragung einer gewöhnlichen Erinnerung vor dem Attentat • Erneute Testung verschiedener Gruppen nach 1, 6 oder 32 Wochen Ergebnis: • Kaum Unterschiede in der Erinnerungsleistung • Bei beiden mehr Fehler und weniger Details je später die Befragung erfolgte Unsicherheit über Wahrheitsgehalt Aufbauend Davidson et al (2006) 30 • • • • Standardisierte Fragen zu 9/11 & einem interessanten Persönlichen Ereignis zuvor 1 Jahr später Überraschungstest Ergebnis für 9/11 war besser. 35% der Vpn konnten sich trotz Cues nicht an das persönliche Ereignis erinnern Erklärungen für Flashbulb Memories: • Emotionalität • Distinktheit • Rehearsal/ häufiger Abruf Die konstruktive Natur des Gedächtnisses • • • • • Geschichte wird vorgegeben, dann freier Abruf sofort, wenige Tage oder wenige Wochen später. Die Geschichte entstammt einer anderen Kultur und beinhaltet mystische Elemente Details der Geschichte wurden zunehmend vergessen. Andere Details wurden kulturell angepasst Schlussfolgerung Bartletts: Geschichte wurde nicht „wiedergegeben“, sondern „rekonstruiert“ mithilfe von Wissen, Erfahrung & Erwartung Quellengedächtnis & Quellenüberwachung Studie von Jacoby et al. (1989) Source Memory = Quelle der Information Source misattribution (source monitoring error) = Quelle der Information falsch identifizieren • • Liste 1: Unbekannte Namen (nicht prominent) Liste 2: (a) „alte“ nicht-prominente Namen aus Liste 1 (b) „neue“ nicht-prominente Namen (c) Namen von Prominenten. • Frage: Welche der Namen sind von Prominenten? • Direkter Abruf: Keine Probleme Prominente und andere Namen zu unterscheiden. • Verzögerter Abruf (24h): bekannte nicht-prominente Namen wurden als Prominent eingestuft. Implikation: • Vertrautheit wird für verschiedene Urteile herangezogen, etwa woher man einen Namen kennt (Prominente: Aus der Zeitung) • Vertrautheit hat kein Quellengedächtnis Pragmatische Inferenzen – Ergänzen von Informationen, die impliziert werden aber nicht explizit genannt werden Studie von Brewer (1977) Lernen 1. Der Schneemann der Kinder verschwand als die Temperatur anstieg 31 Test 2. Das neue Baby durchwachte die ganze Nacht Der Schneemann der Kinder __________ als die Temperatur anstieg Das neue Baby ________ die ganze Nacht Wörter werden durch sinngemäße andere Wörter ersetzt „schmolz“ anstatt „verschwand“ oder „schrie“ anstatt „durchwachte“. Studie von Bransford & Johnson (1973) • EG: John reparierte das Vogelhaus. Er schlug gerade einen Nagel ein, als sein Vater kam. • KG: John reparierte das Vogelhaus. Er suchte gerade einen Nagel, als sein Vater kam. • Test: John benutzte gerade den Hammer beim Reparieren des Vogelhaus, als sein Vater kam. Ergebnis: • EG: 57% kam das Teststatement bekannt vor • KG: 20% kam das Teststatement bekannt vor Viele Gedächtnisfehler (false positives), wenn der Kontext eine pragmatische Inferenz nahelegte. Pragmatische Inferenzen - Grice‘sche Kommunikationsmaximen (Grice, 1979) • • • • sprachliches Handeln= rationales Handeln Damit eine Kommunikation funktioniert, sind Maxime nötig, die den effizienten Verlauf einer Konversation ermöglichen. Unseren Gesprächspartnern wird unbewusst folgende Maxime unterstellt Keine empirische Beschreibung tatsächlich stattfindender Kommunikation Kooperationsprinzip (Übergeordnet) Gestalte deinen Gesprächsbeitrag so, dass sie den, von beiden Kommunikationspartnern anerkannten, Zweck erfüllt. Konkretisiert durch Maxime. Maxime der Quantität (Menge) 1. Mache deinen Gesprächsbeitrag so informativ, wie es für den anerkannten Zweck des Gespräches nötig ist. 2. Mache deinen Gesprächsbeitrag nicht informativer als nötig Maxime der Qualität 1. Deine Aussagen sollen wahr sein. a. Sage nichts, wovon du glaubst, dass es falsch ist. b. Sage nichts, wofür dir angemessene Gründe fehlen Maxime der Relation 1. Sage nur Relevantes. Maxime der Modalität/ Stil 1. Vermeide Unklarheit 2. Vermeide Mehrdeutigkeit 3. Vermeide unnötige Weitschweifigkeit 32 4. Vermeide Ungeordnetheit Schemas & Scripts Schema: Eine Repräsentation für Objekte oder Ereignisse, über die typischerweise anzutreffenden Merkmale (Bücher typisch für Büro) Script: Eine Repräsentation über Handlungen, die in bestimmten Kontexten typischerweise auftreten Bsp: Student: 1. 10 Minuten vor Vorlesung da sein 2. Auf Kommilitonen warten 3. Leute aus dem Hörsaal gehen lassen 4. Platz suchen 5. Mitschreiben Experiment v. Brewer & Treyens (1981) • Personen warten in dem Büro. • Im Nachbarraum bekommen sie einen unerwarteten Gedächtnistest für Gegenstände in dem Büro. • Viele Gegenstände werden berichtet, die typischerweise in einem Büro zu finden sind o Z.B. Bücher – Aber keine Bücher vorhanden Suggestion Alfred Binet • Publizierte spektakuläre Ergebnisse zur Hypnose, • Revidierung: Seine Ergebnisse zustande gekommen durch unbeabsichtigte Beeinflussung der VP • Untersuchte dann systematisch das Phänomen Suggestion. Jean Piaget • War Opfer einer falschen Erinnerung. • Piaget war lange überzeugt, als Kleinkind entführt worden zu sein, und hatte lebendige Erinnerungen an das Ereignis. • Allerdings wurde Geschichte vom Kindermädchen erfunden Der Fehlinformationseffekt (Loftus) (MPI = misleading postevent information) Phase 1: Bilderserie. Auto hält an Stopzeichen. Auto biegt ab. Auto kollidiert mit Fußgänger. Phase 2: Fragen suggestiv und nicht suggestiv wurden gestellt: • KG: Fuhr ein anderes Auto vorbei, als das rote Auto am Stopzeichen hielt? • EG (MPI): Fuhr ein anderes Auto vorbei, als das rote Auto am Vorfahrtzeichen hielt? Phase 3: Vorlage verschiedener Bilder. MPI Bedingung wählte häufig das Vorfahrtzeichen aus. Nebenbei: Präsuppositionen (implizite Voraussetzung) sind ein beliebtes Mittel bei Trance/ Hypnose. Andere Beeinflussungseffekte Loftus & Palmers (1974) VP sahen einen Film über einen Autounfall. A. Wie schnell waren die Autos, als sie ineinander krachten? Angabe der Vp: 41 mp/h B. Wie schnell waren die Autos, als sie einander berührten? Angabe der Vp: 34 mp/h 1 Woche später: Gab es irgendwo gebrochenes Glas? A. 32% ja – gebrochenes Glas B. 14% ja – gebrochenes Glas 33 Erklärungen Erinnerungsersetzung • Neue Information ersetzt die alte und wird in die Erinnerung integriert Retroaktive Interferenz: • Die neuere Information ist stärker als die ältere (recency) mit der sie beim Abruf konkurriert Source Misattribution als Erklärung Lindsay (1990) MPI Paradigma • Phase 1: Diashow plus Frauenstimme • Phase 2: o EG: Gleiche Frauenstimme erzählt leicht abweichende Details o KG: Männerstimme erzählt leicht abweichende • Ergebnis: weniger Gedächtnisfehler, wenn Stimmen verschieden. • Interpretation: Zwei Quellen leichter zu trennen, wenn sie verschieden sind. Details Hyman et al. (1995): Experimentelle Induktion von falschen Kindheitserinnerungen • Eltern der Versuchspersonen wurden zu Kindheitsereignissen befragt. • Erfindung zusätzlicher Kindheitserinnerungen o Ein Kindergeburtstag mit Clown und Pizza, peinlicher Sturz auf Hochzeitsempfang Zwei „Gedächtnistests“. o 1. Interview: falsche Ereignisse wurden den Vpn erzählt und nach weiteren Details gefragt - Vpn antwortet (keine Erinnerung – Verwirrung) o 2. Interview: Eine Woche später erneute Testung • • Probanden waren Studenten, die Ereignisse also schon recht lange her. 20% der angeblichen Ereignisse (bei der 2. Testung) wurden erinnert und ergänzt Lindsay et al. (2004): Experimentelle Induktion von falschen Kindheitserinnerungen • Eltern der Vpn wurden zu Kindheitsereignissen befragt. • Dazu wurden eine Kindheitserinnerung erfunden o („Slime“ auf dem Tisch des Lehrers in der 1. Klasse) • EG: Information + ein altes Klassenphoto gezeigt • KG: Nur Information Mit Photo doppelt so viele false memories! Erklärung unklar: • Das Photo erhöht die Autorität der Quelle • Das Photo ermöglicht Spekulationen über Details • Erinnerungen, die durch das Photo wachgerufen wurden, wurde mit der neuen Info verblendet. Augenzeugenberichte Falsche Verurteilungen aufgrund von Augenzeugen Wells et al. (2000): Untersuchung von 40 Fällen, in denen durch DNA Nachweis frühere 34 Verurteilungen aufgehoben wurden • 90% der Fehlurteile durch fehlerhafte Augenzeugen • Die Verurteilten saßen im Ø 8.5 Jahre im Gefängnis, 4 davon in der Todeszelle. Annahme von Richtern und Schöffen: Zeugen können Ereignisse akkurat beobachten und berichten Pseudorealistische Untersuchungen zur Zuverlässigkeit von Augenzeugen. Wells & Bradfield (1998); Kneller et al. (2001) • zeigten Personen die Aufzeichnung einer Überwachungskamera mit 8s Sichtbarkeit eines Räubers mit einer Waffe. • 61% der Personen identifizierten einen Täter, obwohl dessen Foto nicht im Auswahlset war. Fehlerquellen Aufmerksamkeit • bestimmt die Auswahl von Information für das Gedächtnis • bestimmt also was aufgenommen & was abgespeichert wird • Easterbrook (1959). Erregung Verengung der Aufmerksamkeit. • Weapon Fokus: Aufmerksamkeit wird auf den Bereich bedrohlicher Information eingeschränkt. • Stanny & Johnson (2000). • Material: Film eines (gestellten) Verbrechens in 2 Versionen: shoot und no-shoot • Ergebnis: In der shoot Bedingung wurden weniger Details erinnert. • Interpretation: Die Anwesenheit der „gefährlichen“ Waffe lenkt die Aufmerksamkeit von anderen Dingen ab Vertrautheit Ross et al., 1994: Personen werden zu Unrecht beschuldigt, weil sie den Zeugen /Opfern bekannt vorkamen • Hier ein source memory error: Das Gesicht ist vertraut, nur die Quelle des Vertrautheitsgefühls wird misattribuiert. • • • VPn sahen zwei Filme o EG: Unterricht durch einen Lehrer (m) o KG: Unterricht durch eine Lehrerin (w) o Testfilm: Einen Raub mit der Lehrerin als Opfer o Aufgabe: Täter von Fotos auswählen Ergebnis: Lehrer häufig als Täter, wenn der echte Täter 35 • nicht in der Auswahl war. Häufiger Lehrer = Täter, selbst wenn Täter in der Auswahl dabei war Suggestion Studie von Ross et al. (1994) • VPs sahen Film mit Verbrechen • VPs sollten Täter aus einer „Gegenüberstellung“ auswählen (Täter war nicht in der Auswahl). • Sie bekamen Feedback: o Positiv o kein Feedback o negatives Feedback • • • Danach Befragung, wie sicher sie sich bei ihrer Wahl waren. Ergebnis: Die Sicherheit wurde durch die Art des Feedback nach der Wahl beeinflusst. Implikation: Suggestion kann sogar rückblickende Urteile beeinflussen Dauer der Beschäftigung Studie von Shaw (1996) • VPn Bilder von Objekten in einer Wohnung • Anschließend Auswahl der Objekte aus einer Reihe von Distraktoren • Gruppe 1 verließ dann das Labor • Gruppe 2 blieb und beantwortete noch Fragen über die „erkannten“ Objekte. • Zwei Tage später skalierten die VP die Sicherheit ihrer Antworten. • Ergebnis: bei den fälschlich erkannten Objekten & Befragung = Hohe Sicherheit als ohne Befragung Daniel Schacter: 7 Sünden des Gedächtnisses 1. Vergänglichkeit 2. Geistesabwesenheit – Was man nicht beachtet wird nicht enkodiert 3. Blockierung (tip-of-the-tongue) 4. Fehlattribution der Quelle – Erinnerung korrekt, Quelle falsch 5. Suggestibilität – Einbau v. falschen Erinnerungen in falsche o. echte 6. Voreingenommenheit (bias) - momentane Situation beeinflusst, was erinnert wird 7. Persistenz – Erinnerungen, die man vergessen würde aber nicht vergessen kann Überblick Möglichkeiten und Probleme unseres Gedächtnisses: Pragmatische Inferenzen: 36 • Ergänzen von Informationen, die impliziert werden aber nicht explizit genannt werden Schema: • Kognitive Struktur, mit der man sein Weltwissen ordnet. „mentale Schublade“ Script: • festgelegte Ereignisabläufe, die eine Ereignisabfolge in einer bestimmten Situation bestimmen. • Steuern unser Verhalten & ermöglichen das Verhalten anderer zu verstehen Erinnerungsersetzung • Neue Information ersetzt die alte und wird in die Erinnerung integriert Retroaktive Interferenz: • Die neuere Information ist stärker als die ältere (recency) mit der sie beim Abruf konkurriert Source Misattribution • Zwei Quellen sind leichter zu trennen, wenn sie verschieden sind Aufmerksamkeit Easterbrook (1959). Erregung erzeugt Verengung der Aufmerksamkeit Stanny & Johnson (2000). Die Anwesenheit der „gefährlichen“ Waffe lenkt die Aufmerksamkeit von anderen Dingen ab Vertrautheit Ross et al., 1994: Personen werden zu Unrecht beschuldigt, weil sie den Zeugen /Opfern bekannt vorkamen Suggestion Suggestion beeinflusst Erinnerungen und kann sogar rückblickende Urteile beeinflussen Dauer der Beschäftigung Je länger man sich mit „falschen Erinnerungen“ auseinandersetzt, desto höher wird die Sicherheit über deren Wahrheitsgehalt Überblick (Horstmann) • Prospektives Gedächtnis: Etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt/Ereignis erinnern. • Autobiographisches Gedächtnis ist multimodal. • Cabeza et al. Hippocampus, Parahippocampus, mPFC • Erinnerungen über die Lebensspanne • Flashbulb memories als besondere Form des Gedächtnisses • Flashbulb memories als Phänomen „normaler“ Gedächtnisprozesse • Gedächtnis als Konstruktion • Bartletts „War of the Ghosts“ • Quellengedächtnis und Quellenfehlattribution • Familiarität hat kein Quellengedächtnis • Pragmatische Inferenzen beeinflussen rekonstruktives Erinnern • Kommunikationsmaximen • Scripts und Schemata füllen „Leerstellen“, über die keine Information vorlag oder die vergessen wurde • • • • • • Suggestion ist ein großes Problem bei Augenzeugenberichten Augenzeugenberichte genießen höchstes Ansehen bei Laien & Juristen Bei Gegenüberstellungen begünstigt der Aufforderungscharakter Fehlidentifikationen Emotionen können die Aufmerksamkeit beeinflussen Die Vertrautheit eines Gesichtes kann zu fälschlichen Identifikationen führen (Quellenfehlattribution) Feedback & längere Beschäftigung beeinflusst rückblickende Urteile über die subjektive Sicherheit der Wahl • • • Der Fehlinformationseffekt verändert die Erinnerung nachträglich Der Fehlinformationseffekt kann durch Quellenfehlattribution zustande kommen Subtile Erinnerungsmanipulation durch die Wortwahl 37 • Kindheitserinnerungen können beeinflusst oder sogar neu geschaffen werden Kapitel 8 - Wissen Kategorien sind nützlich, Definitionen funktionieren nicht Warum Kategorien nützlich sind Konzepte, Kategorisierung und Kategorien Konzept = Begriff • Mentale Repräsentation, die für eine Vielzahl von kognitiven Funktionen (Erinnerung, logisches Denken, Nutzen & Verstehen von Sprache) genutzt wird. • Eigenes Wissen v. Dingen über Objekte Kategorisierung (wichtigste Funktion von Konzepten) • Der Vorgang, bei dem Dinge Kategorien zugeordnet werden. • • • • Biased Competition Perspektive Kategorien können hierarchisch aufgebaut sein, oder sich überlappen Jedes Objekt kann somit als Beispiel für viele Kategorien aufgefasst werden Jede Kategorisierung ist somit einem Wettbewerb ausgesetzt, bei dem zu einem Zeitpunkt nur eine (oder wenige) Kategorisierungen gewinnen. Wichtige Funktion von Kategorien: Neue Dinge einordnen und verstehen. Beispiel: Katze Sobald Tier als Katze kategorisiert wurde Viel Wissen über das Tier auch ohne Beobachtung Merkmale → „Pointers to knowledge“ : • Fokus der Energie auf das Objekt → Deduktion /Wahrscheinlichkeitsschluss 38 → Filling blanks / providing defaults : o • Katze muss nicht beobachtet werden um Schlüsse über sie zu ziehen Kategorien helfen, die Besonderheit eines Objektes zu verstehen Warum Definitionen nicht für Kategorien funktionieren Definition vs. Familienähnlichkeit Scholastische Definition (wissenschaftliche Denkweise und Methode der Beweisführung) →Genus proximum et differentia specifica • Zum Beispiel in der biologischen Taxonomie: • Mensch = homo sapiens Problem: Natürliche Kategorien haben keine scharfen, sondern unscharfe Grenzen Beispiel Stuhl: Möbelstück, dessen Funktion es ist, dass eine Person darauf sitzen kann. Grenzen sind Ausdehnbar – Probleme der Differenzierung • Atypische Beispiele: Puppenstuhl oder Kunstobjekt aus Papier • Keine Stühle: Hocker (weil keine Lehne?) Sessel (weil weich?), etc Familienähnlichkeit • Mitglieder einer Kategorie teilen eine Ähnlichkeit, Paare haben jeweils einige typische Merkmale gemein Ähnlichkeitsbasierte Zuordnung Zuordnung zu einer Kategorie basiert auf dem Vergleich mit einem Standard • Prototyp-basiert: Vergleich mit einem gespeicherten Prototypen = Durchschnitt aller Mitglieder *Kategorie: Vogel: Als Kind viele Vögel gesehen – jedes Mal etwas • über die Kategorie gelernt Bildung eines abstrakten Prototyps Bild Einschätzung für Kategorie typisch Fledermaus untypischer Vogel – Spatz typisch Exemplar-basiert: Standard wird ad hoc kreiert aus einer Handvoll relevanter Exemplare Prototypen • Abstraktionen typischer Merkmale • Basierend auf Erfahrung • Gradierte Struktur: typische Exemplare sind nahe am Prototypen, andere fern 39 Prototypikalität: Variation der Unterschiede in Kategorien im Bezug auf den Prototyp • Hoch: Kategorie = Prototyp (Spatz) • Niedr: Kategorie ≠ Prototyp (Fledermaus) Rosch und Mervis (1975) • Frage: Hängen Prototypikalität und Familienähnlichkeit zusammen? • Aufgabe: Zu jedem Exemplar (Car, Truck, …) häufige Merkmale auflisten. • Auswertung: für jedes Merkmal wird ausgezählt, wie häufig es innerhalb der Kategorie (hier Fahrzeuge) vorkommt. • Maß für Familienähnlichkeit: Summe der gewichteten Merkmale (Auto = .76[hat Sitze] + .54 [hat Räder] + …) • Maß für Prototypikalität: Rating auf 7 Punkte Skala: „Wie gut entspricht das der Idee oder dem Bild von der Kategorie?“ • Ergebnis: Korrelationen um .90 zwischen Familienähnlichkeit und Prototypikalität Smith et al. (1974) - Satzverifikationsaufgabe • Frage: Sind prototypische Objekte besonders leicht kategorisieren? • Stimuli: Sätze der Form ein …. ist ein …. (Ein Apfel ist eine Frucht) • AV: Reaktionszeit • Ergebnis: Typische Objekte werden rasch kategorisiert, atypische Objekte langsam • Dies wird Typikalitätseffekt genannt. Item zu Priming Rosch (1975) • Gute Exemplare werden durch den Kategoriennamen stärker aktiviert als schlechte Exemplare. • Prime: Farbwort (Grün, Rot) • Target: Zwei zu vergleichende Farben, entweder typisch oder atypisch • Ergebnis: Schnellere Reaktionen, wenn typische Farben (oberes Grün) verglichen werden Prototypen & Exemplare Exemplar = ein Objekt Prototyp = Prototyp-basierte Kategorien • Nehmen eine abstrahierte Repräsentation an • Typikalität = Ähnlichkeit mit dem Prototypen Keine echte Personen (Frau/Mann) prototypischer australischer Mann & Frau Exemplar-basierte Kategorien 40 • • Nehmen an, dass die Kategorie ad hoc aufgrund verfügbarer Exemplare bestimmt wird. Typikalität = Ähnlichkeit mit den kognitiv verfügbaren Exemplaren Rotkehlchen häufig gesehen – Aussage über Vögel muss getroffen werden, dafür werden die Erfahrungen darüber dafür herangezogen Funktionieren Prototypen o. Exemplare besser? • Prototypenmodelle sind einfacher (nur ein Vergleich, EBM viele Vergleiche) • Exemplar-basierte Modelle machen die gleichen Vorhersagen wie PBM • Exemplar-basierte Modelle: besser bei Ausnahmen (Ausnahmen sind im Prototyp kaum noch repräsentiert) Exemplar-basierte Modelle erlauben ad-hoc Kategorien o Vögel, große Vögel, bunte Vögel o „Things to take with you on a camping trip“„Things you can do on a picknick“(Barsalou, 1995) Ebenen von Kategorien Hierarchische Organisation • Kategorien haben übergeordnete und untergeordente Ebenen • Es lassen sich auf jeder Kategorienebene leicht Unterkategorien bilden • „Weitergabe von Merkmalen“: subordinale Kategorien (Spezifische Unterbegriffe) besitzen alle Merkmale der superordinalen (Oberbegriffe) Kategorien. • Gibt es Basis-Kategorien die wichtiger sind als andere? • Rosch: „Basic-Level Kategorien“ sind besonders • Nicht-technische Erklärung: Basiskategorien sind die höchste Abstraktionsebene, auf der Objekte durch konkrete Handlungen bestimmt werden: Stuhl – Sitzen, Bett – Liegen, aber Möbel – ??? Nützlichkeit Basaler Kategorien Rosch et al. (1976) • Versuchspersonen generieren Merkmale, die Exemplare einer globalen, basalen oder spezifischen Kategorie gemeinsam haben • Ergebnis (siehe rechts) • Interpretation: Besonderheit basaler Kategorien – o Von Basis zu Globalen Kategorien Viel Informationsverlust o Von Basis zu spezifischen Kategorien Kaum Informationsgewinn 41 • Basis-Level-Kategorien sind besonders nützlich um Wissen abzuspeichern Außerdem: Die Merkmale basaler Kategorien integrieren viele Mitglieder und differenzieren zu anderen Kategorien Weiteres Beispiel von Rosch et al (1976) • Versuchspersonen sollten Gegenstände benennen • Eher Nutzung basale Kategorien: Gitarre, Fisch oder Hose, als • übergeordnete Kategorien: Musikinstrument, Tier, Kleidungsstück, • oder untergeordnete Kategorien: E-Gitarre, Karpfen, und Jeans • Anderes Experiment: VP bekamen Kategorien und sollten anschließend Bilder kategorisieren (ja /nein) Basale Kategorien werden leichter benutzt als übergeordnete Kategorien Tanaka & Taylor (1991) • Vpn sollten Gegenstände auf Fotos benennen (Werkzeuge, Kleidung, Blumen, Vögel, …) • Nicht-Experten benutzen eher basale Kategorien • Experten nutzen eher spezifische Kategorien für ihr Expertisegebiet (Rotkehlchen, Spatz, Krähe oder Kardinal statt Vogel) • Implikation: Welche Ebene man wählt hängt vom Vorwissen (Expertise) ab – Vorwissen beeinflusst Kategorisierung Semantisches Netzwerk – Repräsentation von Wissen im Geist Collins und Quillian (1969) Ziel: Ein Computermodell des menschlichen Gedächtnisses Netzwerk besteht aus: • Knotenpunkte = Konzepte, verbunden durch • Verknüpfungen = Relationen • Hierarchische Organisation und Vererbung von Eigenschaften (kognitive Ökonomie) • Einige Eigenschaften sind direkt am gespeichert • Einige Eigenschaften werden indem den Verknüpfungen gefolgt Knoten abgerufen, wird. 42 Collins und Quillian (1969) • Vorhersage: Die Aussage „Der Spatz ist ein Vogel“ lässt sich schneller bestätigen als die Aussage „Der Spatz ist ein Tier“ Da kürzerer Pfad Spreading Activation • Wird ein Konzept aktiviert, werden alle verknüpften Konzepte aktiviert, und zwar gemäß ihrer Entfernung Experiment zur „Spreading Activation“ v. Meyer & Schvanefeldt (1971) • Darbietung von jeweils 2 Buchstabenketten. • VP sollte angeben ob beide Buchstabenanordnungen Stimulus Wörter sind. o Ja: Wenn beide Anordnungen Wörter sind Beides Wörter? Richtige Antwort o Nein: Wenn mind. 1 Anordnung kein Wort ist • Ergebnis: Sind die zwei Wörter semantisch verwandt, ist die Entscheidung einfacher. • Interpretation: Beide Wörter profitieren reziprok von Spreading Activation • Kritik: Keine Erklärung der Effekt von Prototypikalität o Theorie sagt gleiche Reaktionszeit für „Spatz=Vogel“ & „Strauß=Vogel“ vorher • Vorhergesagte Effekte, die nicht eintreten: o „Schwein=Säugetier“ sollte schneller beurteilt werden als „Schwein=Tier“ o Experiment von Lips et al (1973) o Säugetier 1476ms o Tier 1268ms Collins & Loftus (1975) „Spreading-Activation Theory of Semantic Processing“ • Semantisches / assoziatives Netzwerk, statt hierarchisch aufgebaut • Räumliche Distanz der Knoten = Semantische Distanz von Konzepten • Räumliche Distanz hängt mehr von persönlicher Erfahrung ab als von sprachlich-hierarchischen Relationen Fundt Glurb Nein Bleem Kleid Nein Geld Stuhl Ja Brot Weizen Ja 43 • Problem: Fast jedes Ergebnis durch Knotendistanz erklärbar. Da aber jedes Netzwerk individuell, schwierig zu überprüfen Konnektionismus- Repräsentation von Konzepten in Netzwerken Rumelhart, McClelland, and the PDP research group (1986) Parallel-Distributed-Processing: Explorations in the Microstructure of Cognition Inspiriert von Neuronennetzwerke Konnektionistische Netzwerke • Bestehen aus: • Einheiten (units): idealisiert & „Neuronen-ähnlich“ o Input units: Aktiviert durch Stimulation aus der Umwelt o Hidden units: empfangen Signale von den Input Units o Output units: Empfanen Signale von den Hidden units • • • • • • Wissen dargestellt durch die verteilte Aktivierung von vielen Einheiten (Units) o Gegensatz semantische Netzwerke: o Wissen über „Vogel“ repräsentiert in einzelnen Knoten Verarbeitung ist definiert durch Gewichte (weights) bei jeder Verbindung Gewichte können positiv & negativ sein & bestimmen wie stark der Input die nächste Einheit aktiviert Im einfachsten Fall gibt es nur eine Schicht Einheiten (z.B. Perzeptron vereinfachtes künstliches neuronales Netz,) Zweischichtige Netzwerke haben eine Inputschicht und eine Outputschicht Dreischichtige Netze zusätzlich verborgene Schicht – hidden Units Merkmale konnektionistischer Netzwerke • Die Repräsentation erfolgt grundsätzlich verteilt, als Aktivitätsmuster im gesamten Netzwerk (distributed coding) • Die Verarbeitung ist grundsätzlich parallel: an jedem Knoten im Netzwerk werden zur gleichen Zeit die Aktivierungen neu berechnet • Der Informationsfluss wird durch Gewichte reguliert: Lernen findet durch Gewichtsveränderung zwischen den Einheiten statt. 44 Rumelhart, McClelland, and the PDP research group (1986) – Parallel-verteilte-Verarbeitung Parallel-Distributed-Processing: Explorations in the Microstructure of Cognition Lernen im Netzwerk Lernformen • Supervised learning: Lernen durch Fehler & Fehlerkorrektur (Wie das Lernen bei Kindern). Das Netzwerk wird solange trainiert, bis der produzierte Output dem gewünschten Output entspricht. • Unsupervised learning: Es gibt kein richtig oder falsch. Das Netzwerk lernt beispielsweise eine Kategorie (=ein Muster von Merkmalen, die empirisch korreliert sind) Lernalgorithmen • Hebb‘sche Regel: What fires together, wires together. • Delta Regel ( ähnl. Rescorla-Wagner): Das Gewicht wird um die Abweichung korrigiert. Die Delta-Regel beruht auf einem Vergleich zwischen dem gewünschten und dem tatsächlich beobachteten Output einer Outputunit i. Als Formel des Vergleichs: = ai(gewünscht) - ai(beobachtet) 3 Möglichkeiten • Die beobachtete Aktivität ist zu niedrig. Steigerung der Aktivität durch Erhöhung der Gewichte zwischen sendenden (positiver Input) & empfangenden Unit. Die Gewichte zu den sendenden Units mit negativem Input werden hingegen gesenkt. • Die beobachtete Aktivität ist zu groß. Aktivität reduzieren Schwächung aller Verbindungen mit positivem Input Stärkung der Verbindungen mit negativem Input. • Die beobachtete und gewünschte Aktivität sind gleich groß (= gewünschtes Resultat). Keine Veränderungen. • • Back-Propagation: verallgemeinerte Delta Regel für Netze mit „hidden layers“. Die Lernraten sind meist klein, damit die Gewichte im Netz nicht mit jedem Exemplar große Sprünge machen (was dazu führt, dass Gelerntes durch Ausnahmen gelöscht wird) 45 Beispiel „Parallel-verteilte Verarbeitung“ Spalten: Die Reaktion des Netzwerkes nach verschiedenen Durchgängen (0, 250, 750, 2500) • t0: alle Gewichte auf kleine Zufallszahlen gesetzt ; alle 8 (hidden) Units gleich schwach aktiviert • t250: eine erste Differenzierung erscheint o unterschiedliche Aktivierungsmuster hier zwischen Pflanzen und Tieren • • t750: jedes Konzept ist durch ein uniques Muster an Aktivation gekennzeichnet. o Daisy und Rose ähnlich; Vögel & Fische differenzierter als bei 250. t2500: Lernen beendet, das Netz hat eine stabile Konfiguration von Gewichten gefunden. o Unterschied zwischen Fisch Und Vogel (Bäumen und Blumen) größer o Reaktionen verändern sich Lernen 46 Konnektionismus Eigenschaften • • • Graceful Degradation: Das Netz ist tolerant gegenüber der Zerstörung eines seiner Teile. (Grund: Verteilte Repräsentation) Generalisierung: Das Netz kann auch komplett neue Beispiele korrekt klassifizieren ( z.B. Beispiel noch nie gesehene neue Formen der Rose) Typikalität: Konnektionistische Netze reagieren stärker auf typische als auf weniger typische Exemplare Kategorien und das Gehirn • • • • Warrington & Shallice (1984). IT-Läsionen führen häufig zu einer Agnosie gegenüber belebten Objekten, nicht aber Artefakten Hills & Caramazza (1991) berichten über Patienten mit Agnosie gegenüber Werkzeugen, nicht aber Tieren Jennifer-Anniston-Neurone etc. (siehe Wahrnehmungsvorlesung) reagieren auf Konzepte (Portrait, Ganzbild, Name) o erbringen Kategorisierungsleistung indem sie beim Bild von Promi reagieren. Auf der Ebene des Gehirns gibt es eine Differenzierung, die über einzelne Neurone hinaus geht Kognition 9 Visuelle Vorstellung Geschichte der Vorstellung in der Psychologie Frühe Ideen zu Vorstellungen • Aristoteles: Denken ohne Vorstellungen ist nicht möglich • Wundt: die drei Elemente des Bewusstseins sind Empfindungen, Gefühle und Vorstellungen • Galton: es gibt Menschen, die keine lebendigen Vorstellungen generieren können, und die trotzdem denken können. Ca. haben 5% intensivste visuelle Vorstellungen & etwa 3% überhaupt gar keine (cf. Isaac & Marks, 1994) • Die Auseinandersetzung um „imageless thinking“ beendet durch den Behaviorismus. • Erst die kognitive Revolution zeigte, dass sich visuelle Vorstellungen messen lassen. • Shepard & Metzler (1971, rechts) Mentales Rotationsexperiment – Beleg für mentales Rotieren 47 Pavio (1963,1965) • Paar-Assoziationsaufgabe: Personen lernen Wortpaare (16). Beim Abruf wird das erste Wort gegeben und das zweite muss ergänzt werden • Hypothese: Falls visuelle Vorstellung dem Gedächtnis hilft, dann fällt es leichter konkrete Nomen (Hotel – Student) zu erinnern als abstrakte Nomen (Wissen – Ehre). • Ergebnis: • Deutlich bessere Leistung für konkrete Nomen • Effekt für Stimulus stärker als für Response • „Conceptual-peg hypothesis“- Konkrete Nomen bewirken visuelle Vorstellungen, an die andere Wörter angehängt werden können. • Vorstellung dient als Abrufreiz, erklärt warum ein konkreter Stimulus wichtiger ist als eine konkrete Antwort. Teilen sich Vorstellung und Wahrnehmung die gleichen Mechanismen? Kosslyn’s Mental-Scanning Experiment Stephen Kosslyn (1973). Mental-Scanning-Task Hypothese: Wenn Vorstellung räumlich wie Wahrnehmung dann längere RT bei entfernten Punkten. Ein Bild betrachten und merken, danach Bild vorstellen • Auf einen Teil des Bildes fokussieren (z.B. das linke Ende) • Frage: „ Hat das Objekt einen Anker?“ Messung der RT • Ergebnis • Die RTs waren länger, wenn Fokus und Objekt nicht am selben Ort waren Beleg für räumliche Vorstellung. Ist Vorstellung räumlich oder propositional? Kosslyn, Ball & Reiser (1975): Vorgestellte Bewegung folgt den Gesetzen der Physik • Eine Karte mit 7 Orten lernen (Hütte, Felsen, Baum, Brunnen, See, Sand, Gras) Indem die VP die Karte mehrfach abzeichnen bzw. aus dem Kopf reproduzieren. • Im Hauptexperiment bekamen die Versuchspersonen einen Ort (A) genannt und nach 5s einen zweiten Ort (B). • Wenn der zweite Ort auf der Insel existierte (in 50% der Trials) sollten Sie einen Punkt von A nach B wandern lassen und eine Taste drücken • Ergebnis. Die RT hängt linear zusammen mit der Distanz (räumlich) RT von Baum & See war kürzer als von Baum & Fels 48 Zenon Pylyshyn (1973): Angebliche Demonstrationen von visuellen Vorstellungen können auch über propositionale Repräsentationen erklärt werden. • Visuelle Repräsentationen: nicht-sprachlich, prä-kategorial, analog • Propositionale Repräsentationen: symbolisch-sprachlich, kategorial, abstrakt. Domäne der formalen Logik und der symbolischen KIassifikation. • Beispiel: Die Aussage „Die Katze ist unter dem Tisch“ kann man auf die Proposition unter (Katze,Tisch) reduzieren. • Visuelle Repräsentationen als Epiphänomen, d.h., sie korrelieren mit der Leistung, aber sind nicht Ursache der Leistung. • Zwar haben die VP visuelle Vorstellungen, die Aufgabe lösen sie aber propositional. • Aufgrund der Aufgabenstellung bilden die Versuchspersonen eine räumliche Repräsentation des Objektes (z.B. Boot) • Für bestimmte Antworten brauchen sie länger, weil mehr Knoten durchlaufen werden müssen. • Außerdem hat die Situation einen Aufforderungscharakter. Personen wissen, dass weitere Wege mehr Zeit kosten und verhalten sich danach. 49 Finke & Pinker (1982): Frage: Reproduzieren die VP die Weg/RT Funktion nur, weil sie glauben dass das von Ihnen erwartet wird („tacit knowldege“)? Methode: VP sahen vier Punkte, die durch einen Pfeil ersetzt wurden. Sie sollten so schnell wie möglich angeben, ob der Pfeil auf einen der Punkte zeigte. Ergebnisse zeigten wieder eine starke Abhängigkeit der RT von der Distanz. Implikation: Kein Aufforderungscharakter, eine physikalische Reise zu simulieren. Daher zeigen die Ergebnisse überzeugend, dass das mentale Bild „abgesucht“ wird (räumlich) 3 Studien: Vorstellung erfolgt räumlich, teilt sich also gleiche Mechanismen wie die Wahrnehmung. 1 Studie: Vorstellung erfolgt propositional Vergleich von Vorstellung und Wahrnehmung Kosslyn (1978). Frage: Wahrnehmung= Vorstellung: Entfernte Gegenstände weniger Details? Aufgabe: Vp stellen sich zwei Tiere vor (z.B. Elefant und Hase). Anschließend Detailfrage beantworten (z.B., „Hat der Hase Schnurrhaare?“ „Hat der Elefant spitze Ohren?“) UV: Relative Größe des Tieres, auf das sich die Frage bezieht (relativ groß oder relativ klein) AV: RT (ms) Ergebnis: RTs waren kürzer, wenn das Tier, auf das sich die Frage bezog, relativ groß war Interpretation: Imagery ist analog zu Wahrnehmung Zusatzaufgabe „Mental Walk“: Aus einer Entfernung (z.B. aus 10 Metern) auf das Tier zugehen, und Anzeigen, wann das Tier das Visuelle Feld (VF) ganz ausfüllt Ergebnis: VP liefen weiter auf kleinere Tiere zu Interpretation: Imagery ist analog zu Wahrnehmung Der Perky-Effekt: Frage: Beeinflussen sich Wahrnehmen und Vorstellen gegenseitig? Dann gleiche Mechanismen. Perky (1910): Aufgabe: VP sollten mentale Bilder auf einen Bildschirm „werfen“ und beschreiben. 50 Perky projizierte von hinten ganz schwache Bilder der Objekte (ohne Wissen der VP) 1. Keine VP bemerkte das Bild. Alle hielten es offenbar für ihre Vorstellung. 2. VP berichteten häufig Merkmale, die mit dem wahrgenommenen Bild übereinstimmten (z.B., die Ausrichtung der Banane) Bessere Version Farah (1985). Aufgabe: (1) einen bestimmten Buchstaben vorstellen. (2) am gleichen Ort erscheinen nacheinander zwei Rahmen. (3) Frage. War der Buchstabe im 1. oder 2. Rahmen? Ergebnis: VP waren genauer bei Übereinstimmung zwischen vorgestellten und gesehenen Buchstaben Implikation: Eine Vorstellung interferiert mit der Wahrnehmung, wenn sie inkongruent ist, und sie fördert die Wahrnehmung, wenn sie kongruent ist. Vorstellung und das Gehirn – gibt es neuronale Korrelate? Neurone für Vorstellung Kreiman, Koch & Fried (2000). Frage: Gibt es Neurone, die sowohl auf die Wahrnehmung und die Vorstellung spezifischer Objekte reagieren? Methode: Einzelzellableitung. Aufnahmen von 276 Neuronen in Amygdala, entorhinaler Cortex und Hippokampus. Aufgabe: Separate Darbietung v. 2 Bildern (5 Wiederholungen pro Bild) Bei Gesicht sollten die Vpn einen Kopf drücken. Nach visueller Darbietung Vorstellung der Objekte mit hohem & tiefen Ton. Ergebnis: 16% der Neuronen reagierten objektselektiv Von diesen reagierten 88% gleich auf Wahrnehmen und Vorstellen. Implikation. Es gibt ein neuronales Korrelat von Vorstellungen. Die neuronalen Korrelate von Vorstellen und Wahrnehmen überlappen sich. Le Bihan et al (1993). Frage: Gibt es auch eine Überlappung der neuronalen Korrelate in rein visuellen Arealen? Methode: fMRT Studie UV: Aufgabe (Vorstellen vs. Wahrnehmen) AV: BOLD response Ergebnis: Wahrnehmen und Vorstellen erzeugt Aktivierung in visuellen Arealen („striater cortex“) 51 Ganis, Thompson, Kosslyn (2004). Frage: Gibt es Belege für gemeinsame neuronale Korrelate? Vorbereitung. VP bekamen ein Booklet mit 96 Bildern, die sie sich einprägen sollten (eine Woche vor Experiment) Aufgabe im Experiment sowohl für Vorstellung & Wahrnehmungsaufgabe: Frage beantworten . „Is he object higher than it is wide?“ Ablauf: Kategorienname („Tree“), Bild (nach Bedingung), Aufgabensignal („W“) UV: Aufgabenbearbeitung mit Bild oder aus dem Gedächtnis (geblockt) AV: BOLD response (fMRT) Ergebnis: • 3 Schnittebenen: frontal, parietal, occipital • a.) & b.) Aktivierung von Vorstellung & Wahrnehmung sehr ähnlich. • Differenz gleich 0. • c.) In rein visuellen Arealen Differenzen. Stärkere Aktivierung für Wahrnehmung als für Vorstellung • Implikation: Viele Übereinstimmungen, aber Wahrnehmung ≠ Vorstellung Kosslyn et al. (1999). Frage: Führt die Unterdrückung neuronaler Aktivivät in V1 zu Leistungseinbussen beim Vorstellen? Aufgabe: 1. Vorlage merken, Quadranten lernen 2. Augen schließen, visualisieren 3. Auditives Signal („3, 2, Länge“) Vorgehen: Kurz vor dem visualisieren wurde ein TMS Puls gegeben. • UV 1. Imagery vs. Perception (500 ms) • UV2. Real vs. Sham TMS • AV: RT (ms) Ergebnis: Real TMS Stimulation verlängert die Reaktionszeit bei Perception und bei Imagery Neuropsychologische Fallstudien Farah et al. (1992): • Frage: Schrumpft das visuelle Feld (VF) der Vorstellung, wenn das reale VF schrumpft? • MGS - Frau mit nicht kontrollierbarer Epilepsie. Sie wurde vor und nach der OP getestet. (Bereich der OP, siehe rechts schematische Gehirndiagramme) • MGS machte eine „Mental Walk auf Tiere / Objekte zu. (Kätzchen, Fahrrad, Telefonbuch, Pferd, Taube, Banane, etc) 52 • Generelles Ergebnis: Bei kleinen Objekten ist man näher dran, wenn es das VF ausfüllt. • Spezielles Ergebnis: MGS blieb nach der OP weiter entfernt stehen. Bisiach & Luzzatti (1978) • Unilateraler Neglect: Aufmerksamkeitsstörung, bei der ein visuelles Halbfeld unbeachtet bleibt (contralateral zur meist parietalen Läsion) • Der Patient sollte den Mailänder Domplatz aus der Erinnerung beschreiben. Bei Vorstellung wurde ebenfalls eine Seite immer vernachlässigt. • Neglect wirkt sich sowohl auf Wahrnehmung als auch Vorstellung aus Dissoziationen (Trennung) zwischen Vorstellen und Wahrnehmen • R.M. konnte kopieren, aber keine Bilder aus dem Gedächtnis zeichnen. • Hatte Probleme mit anderen Aufgaben des Vorstellens (z.B. „Ist eine Mandarine größer als eine Grapefruit?“) o Top-Down Prozesse gestört, die für Vorstellung gebraucht werden aber nicht für Wahrnehmung gebraucht werden, etwa das Generieren von Bildern. • C.K. mit Integrativer Agnosie: Probleme Teile zu einem Gesamtobjekt zusammenzufügen. Keine korrekte Benennung der Objekte. • Bottom-Up Prozesse gestört, etwa die genaue Synthese von Teilen zu Gestalten. • Wahrnehmung wechselt periodisch zwischen Hase & Ente • Wahrnehmung: Kippfiguren möglich • Vorstellung: Kippfiguren nicht möglich. Auch Unterschiede zwischen Wahrnehmung & Vorstellung Vorstellung zur Verbesserung des Gedächtnisses Vorstellung von interagierenden Bildern Vorstellungen Verbindungen besseres Gedächtnis • Bower & Vinzenz (1970): Vorstellung von Wortpaaren führt zu einer doppelt so hohen Leistung wie Wiederholen. • Wollen et al (1972): • Frage: Sind bizarre Bilder besonders geeignet zum Herstellen von Verbindungen & besseres Merken? 53 • Aufgabe: Wörter Assoziieren. Hierbei sollten die mit den Wörtern präsentierten Bilder genutzt werden • Design: 2x2 (Bizarrheit x Interaktion) • Ergebnis: Interaktion hat einen sehr starken Effekt, Bizarrheit überhaupt keinen. Vorstellung von Bildern und Interaktion derer reicht völlig für ein besseres Gedächtnis Die Loci-Methode • Bei der Loci-Methode macht der Redner einen imaginären Rundgang durch einen ihm bekannten Ort (Den „Gedächtnispalast“) • Bei der Vorbereitung auf die Rede legt er an jedem Ort gedanklich einen Schlüsselbegriff ab, und schreitet dann weiter. • Ermöglicht die Rede frei und ohne Manuskript zu halten, und trotzdem sicher die richtige Abfolge der Argumente einzuhalten. Pegword technique – Vorstellung mit Bildern assoziieren Ähnlich wie Loci-Methode aber Assoziation mit konkreten Wörtern • Schritt 1. Konstruktion der Liste: onebun, two-shoe, three-tree, four-door, five-hive, sic-sticks, seven-heaven, eight-gate, nine-mine, ten-hen • Schritt 2. Assoziation der zu merkenden Worte mit dem „Peg“ (Haken, Klammer) , indem ein interaktives mentales Bild konstruiert wird. Zum Nachdenken a) In welche Richtung dreht Rad 5 (cw vs. ccw) (b) Wenn die Zylinder gekippt werden, welcher läuft schneller über? Lösung durch „mentale Simulation“ oder „regelbasierter Ansatz“. Aufgabe b wird häufig falsch gelöst, durch mentale Simulation allerdings richtig zu lösen Kognition 10 Denken & Problemlösen • Allgemeine Definition: Ein Problem besteht in einem Hindernis auf dem Weg zwischen einem Ausgangszustand und einem Zielzustand. Wenn die Lösung nicht offensichtlich ist, ist es ein schwieriges Problem. • Gut definierte Probleme /Ziele: Wenn die Mittel /Methoden im Prinzip bekannt sind, & es genau eine richtige Lösung gibt. Fokus der Vorlesung • Schlecht definiert: wenn die Mittel unbekannt oder das Ziel unklar ist. Der Gestaltpsychologische Ansatz: Problemlösen als Repräsentation & Retrukturierung 54 • Problemlösen besteht darin, dass die ursprüngliche Repräsentation des Problems unstrukturiert werden muss. • Beispiel siehe rechts: Wenn der Radius „r“ ist, welche Länge hat dann die Linie x? Einsicht als Merkmal des Problemlösens • Lösung kommt unvermittelt (Aha-Effekt) • Metcalfe & Wiebe (1987): • Bei Einsichtsproblem sollte die Lösung unvermittelt kommen, nachdem man zunächst kaum Fortschritte gemacht hatte. • Bei Nicht-Einsicht-Problemen sollte man sich stetig der Lösung annähern. • VPs sollten alle 15s auf einer 7-Punkte „Wärme“ Skala einschätzen, wie nah sie an der Lösung sind. Nicht Einsicht Problem: Löse nach x auf: ⅕x + 10 = 25 (stetiges Annähern) Einsicht-Problem: Drehe das Dreieck durch Umlegen von drei Kugeln um (AHA Effekt) Was behindert die Problemlösung? Ein wichtiges Hindernis auf dem Weg zur Lösung sind Einstellung (set) und Fixierung (fixation). Einstellung (situationally produced mental set) • Auch die „Einstellung“ – Vorwissen, Erwartungen, Gewohnheiten – kann die Lösung beeinflussen. • Luchins (1942) Wasserkrug-Problem • mit drei Bechern mit unterschiedlichem Fassungsvermögen sollen bestimmte Mengen abgemessen werden. Alle Aufgaben sind mit Formel B-A-2C zu lösen • Mental set group: Abfolge 1,2,3,4,5,6,7,8. 77% wählten die B-A-2C Lösung • No mental set group: Abfolge 8,7,6,5,4,3,2,1. Keine Vp wählte die B-A-2C Lösung Fixierung • Karl Duncker (1935) Heterogene funktionale Gebundenheit. Die Verwendbarkeit (Funktion) eines Objektes ist durch die anderweitige (heterogene) Bindung festgelegt. • 1. Beispiel: Das Kerzenproblem. Bringen Sie eine Kerze so an einer Kork-Wand an, dass die Kerze brennt ohne dass der Wachs auf den Boden tropft. • 2. Beispiel: Das 2-Seile Problem (Maier, 1931) 55 • Seile hängen von der Decke & sollen verbunden werden. • Problem: Wenn man das erste Seil in der Hand hält kann man das anderen nicht erreichen 60% lösen nicht nach 10 min. • Cue: Person bringt im Vorbeigehen die Seile zufällig zu schwingen = Lösung in 1 Minute Der Informationsverarbeitungsansatz: Problemlösen als Suche Problemlösen wird hier als systematische Suche nach dem Weg behandelt, der IST und SOLL verbindet. Das-Turm-von-Hanoi-Problem • Der Turm auf A soll nach C (Anfang und Ziel) • Transformationsregeln: • Es darf immer nur eine Scheibe bewegt werden • Nie darf eine Scheibe bewegt werden, auf der eine andere Scheibe liegt. • Beim Stapeln von Scheiben darf eine große Scheibe nicht auf einer kleineren Scheibe liegen. • Anfangszustand • Zielzustand • Problemraum = die Gesamtheit aller möglichen Zustände, ausgehend vom Anfangszustand, die durch regelkonforme Transformationen entstehen können. • Problemlösung = den Pfad von Zwischenzuständen finden, der vom Anfang zum Ziel führt. Newell & Simon (1972): Mittel-Ziel-Analyse: Nach Mitteln suchen, die einen näher an die Lösung bringen bzw. die Distanz zum Ziel verringern. Diese Zwischenzustände heißen Subziele Z.B. Subziel 1. Freilegen der größten Scheibe Subziel 2. Zielpflock freimachen Subziel 3. Größte Scheibe auf Zielpflock legen Das Aktrobatenproblem Die Akrobaten (a), 400, 200 und 40 Pfund schwer, wirbeln umher, bis sie am Ende in den Positionen wie in (b) stehen. Folgende Regeln: 1. Nur ein Akrobat bewegt sich zu einer Zeit 2. Zwei Akrobaten auf einer Position können nur übereinander stehen 3. Ein Akrobat kann nicht springen, wenn ein anderer auf seinen Schultern steht 4. Ein großer Akrobat kann nie auf den Schultern eines kleinen Akrobaten stehen. Inverses Akrobatenproblem 4. Ein kleiner Akrobat kann nie auf den Schultern eines großen Akrobaten stehen. Versuchspersonen brauchen für das inverse Akrobatenproblem viel länger. 56 Rein rationaler Ansatz reicht nicht aus, Weltwissen betroffen o. nicht spielt immer in die Problemlösung mit ein Das-Verstümmelte-Schachspiel-Problem • Schachbrett ingesamt mit 32 Dominosteinen abdeckbar (bedeckt jeweils 2 Felder) • Wenn 2 entgegengesetzte Ecken entfernt werden, braucht man dann nur noch 31 Steine? Nein • Kaplan & Simon (1990) • Begründung: Ein Stein deckt immer ein schwarzes & ein rotes Feld ab • Bedingungen: Weiß, farbig, Wörter schwarz & rot und Brot & Butter • Brot & Butter Bedingung schnitt am besten ab. • Brot & Butter = Butterbrot Verbindung zweier benachbarter Felder wird nahegelegt – begünstigt Lösung Protokollanalyse (Ericsson & Simon, 1993) • Lautes Denken-Protokolle als Methode, um inhaltlich mehr über den Denkprozess zu erfahren. • Instruktion: Sprechen Sie aus, was Sie gerade denken, was Sie gerade „im Kopf“ zu sich selber sagen. Reden Sie mit sich selber, als ob Sie im Raum alleine wären. Wenn Sie längere Zeit still sind, werde ich Sie erinnern, laut zu Denken. Noch Fragen? Problemlösen durch Analogien • Beim Problemlösen durch Analogien nutzt man eine strukturell ähnliche Mittel-Ziel-Relation, die man aus einem Bereich auf einen anderen Bereich überträgt. • Man nutzt zur Lösung des aktuellen Problems eine bekannte Lösung aus einem früher bereits 57 gelösten Problem Dunkers Strahlungsproblem • Patient mit Tumor, der wenn dieser weiter wächst stirbt. • Operation nicht möglich. • Bestrahlung möglich, aber Strahlendosis die stark genug ist um den Tumor zu zerstören, schädigt umliegendes Gewebe. • Wie kann man den Tumor zerstören ohne das Gewebe zu schädigen? • Lesen einer Geschichte vorher „Die Festung“ (Analogie) • 30% der VP lösten das Problem • Andere Gruppe las Geschichte & wurde explizit angewiesen, diese als Inspiration für das Problem zu verwenden. • 75% lösten das Problem. Struktur eines Experiments zum Problemlösen durch Analogien 1.Analoges Problemlösen wird aufgefasst als Transfer zwischen einen Source- und einem TargetProblem. 2. Einer Gruppe (T) wird nur das Target-Problem gegeben, einer anderen Gruppe (S+T) zudem das Source-Problem (mit Lösung) 3. Wenn S+T besser ist als T, dann kam es zu analogem Problemlösen Schritte des Problemlösens durch Analogien 1. Bemerken. Beziehung zwischen Source-& Targetproblem muss bemerkt werden. Schwierigster Schritt. Je größer die Ähnlichkeit, desto leichter 2. Zuordnung (Mapping). Herstellung von Korrespondenzen zwischen Souce-& Targetproblem. Tumor= Festung, Schaden in Mienen= Schaden im gesunden Gewebe 3. Anwendung: Verwendung von Mapping zur Übertragung einer parallelen Lösung. Kleine Menge von Soldaten = Kleine Menge von Strahlen Strahlungsproblem Re-re-visited • Neue Quellen: „Zerbrechliches Glas“- Version oder „Unzureichende Intensität“ -Version. • Glas Version: 69% löstendas Problem, in der „Unzureichende Intensität“ -Version nur 33%. • Die „Empfindliches Glas“ -Version ist dem Strahlungsproblem ähnlicher. Auch verwendet Ruth hier den schwachen Laser mit dem Ziel, das Glas nicht zu zerstören. • In der „Unzureichende Intensität“ - Lösung nur ein zufälliger Nebeneffekt der Komplikation, dass Ruth keinen starken Laser hat Analogien in der „echten Welt“ (Matrix?) In-vivo problem-solving Forschung (z.B. Labormeetings in Genetiklaboratorien). Methode bei der Personen überlegen wie sie Probleme in realen Situationen lösen würden Filmen, Beobachten und Analysieren von Problemlösen in natürlichen Kontexten. Wichtig in der der Wissenschaft sind Analogien, Beachtung von unerwarteten Ergebnissen, Experimentelles Design, und Verteiltes Denken Problemlösen durch Analogien 58 Ergebnis (Dunbar, 1999; Dunbar & Blanchette, 2001). Analogien werden häufig verwendet, zwischen 3 und 15 mal in einer einstündigen Sitzung Wie Experten Probleme lösen Experten... • haben mehr Wissen und sie haben mehr relevantes Wissen als Novizen. • Mehr Möglichkeiten, alte Problemlösungen (Source) auf neue Situationen (Target) zu übertragen. • Nutzen ihr Wissen anders für die Strukturierung des Problems, sehen die Tiefenstruktur (deep structure) • Experten investieren mehr Zeit, das Problem zu analysieren (Lesgold, 1988). • nicht besser als Novizen bei Problemen außerhalb ihres Feldes. • Nüssen nicht immer besser sein als Novizen. Komplett neue Lösung finden: Suche nach bekannten Analogien kann hinderlich sein (Fixierung) Novizen... • sehen vor allem Oberflächenmerkmale (surface features) legen häufig sofort los, während Experten versuchen, das Problem zu verstehen Kreatives Problemlösen • Kreativität als divergentes Denken. • konvergenten Denken: die eine Lösung des Problems finden. Egal welchen Ausgangspunkt und Lösungsweg Sie wählen, Sie landen am Ende an der einzigen richtigen Lösung. • divergenten Denken: finden Sie viele Lösungen für ein Problem Fixierung • Kreative Problemlösung wird durch Beispiele eingeschränkt • Experiment (Jansson & Smith, 1991) Becher entwerfen, der nicht kleckert, aber ohne ein Mundstück oder Strohhalm auskommt. • Der Hälfte der Probanden ein Beispiel gezeigt, wie sie es nicht machen sollten. Tatsächlich enthielten aber viele Entwürfe dieser Fixierungsbedingung genau solche Merkmale. Die Kontrollbedingung hielt sich besser an die Aufgabenbeschreibung, ihre Entwürfe hatten selten ein Mundstück oder einen Trinkhalm). Idee & Ausdauer – wichtig für Kreativität und Problemlösen z.B. George de Mestral – 7 Jahre Forschung Klettverschluss Strategie Ronald Finke entwickelte die Technik der kreativen Kognition. • Aufgabe: Aus drei Komponenten einen neuen Gegenstand entwerfen. o interessant aussehen & nützlich, keinem bekannten Objekt ähneln („preinventive forms“) • Anschließend Vorgabe einer Kategorie (z.B. Möbel, Instrument, Werkzeug) & VP sollten sich eine Funktion überlegen. Danach Objekt zeichnen und die Funktion erklären. 59 Innovative Ideen von Personen, die „durchschnittlich“ kreativ sind und kein besonderes Training bekommen haben. 60 61