AUTISMUS I n h alt Eine nicht alltägliche Herausforderung Eine Orientierungshilfe von Maga. Elisabeth Sternbacher-Gabriel 1. Einleitung 2 2. Was ist Autismus? 3 3. Wie äußert sich eine autistische Störung? 4 4. Ursachen autistischer Störungen 8 5. Diagnostik autistischer Störungen 9 6. ­Was macht autistische Kinder so speziell? 12 7. Kindergarten 14 8. Schule 16 9. Therapie 17 10. Literatur für Eltern, Erzieher- und LehrerInnen 19 11. Verbände, Vereine und Internetadressen 20 AUTISMIS – Eine nicht alltägliche Herausforderung. Eine Orientierungshilfe für Betroffene. Maga. Elisabeth Sternbacher-Gabriel, 2009 1 1. Einle i t u n g 2 . Was ist Autismus? A Liebe Eltern! B ei Ihrem Kind wurde eine autistische Störung diagnostiziert. Dieser kurze Ratgeber soll Eltern und Betroffenen aber auch allen Interessierten einen ersten Einblick in diese sehr facetten­reiche Entwicklungs­störung bieten und eine Orientierungs­hilfe bezüglich des weiteren Vorgehens und bestehender Behandlungs- sowie Unterstützungs­ möglichkeiten geben. utismus bezeichnet eine tiefgreifende Entwicklungs­störung neurobiologischen Ursprungs. Das Wort Autismus leitet sich von den griechischen Begriffen „autos“, was soviel wie „selbst/eigen“, und „ismos“, was „Zustand/Orientierung“, bedeutet, ab. Damit soll eine der wesentlichen Auffälligkeiten autistischer Menschen, nämlich ihre Selbstbezogenheit, beschrieben werden. Allen Kindern und Erwachsenen mit einer autistischen Störung ist gemeinsam, dass sie große Probleme im sprachlichen aber auch nicht sprachlichen Austausch mit anderen haben. Das Gestalten zwischenmenschlicher Beziehungen und das Verständnis für die Gefühle, Verhaltensweisen und Vorstellungen anderer Personen sowie sozialer Regeln, fallen ungemein schwer. Hinzu kommen eine stark veränderte Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitung, die sich auf ihr Spielverhalten, ihre Lernfähigkeit und grundsätzlich ihr gesamtes Umweltverständnis auswirken. Den Autismus gibt es nicht. Autistische Störungen können sich sehr unterschiedlich zeigen. Insofern handelt es sich hier um eine Entwicklungsstörung mit einem vielfältigen Erscheinungs­bild. Daher verwendet man häufig auch den Begriff „Autistisches Spektrum“ oder „Autismusspektrumstörung“ (siehe Tab. 2, Seite 12). Kein Kind mit Autismus gleicht dem anderen Allen autistischen Erkrankungen gemeinsam ist jedoch eine bestehende Beeinträchtigung in folgenden drei Bereichen: 1. ­Qualitative Auffälligkeiten der gegenseitigen sozialen Interaktion 2. Qualitative Auffälligkeiten der Kommunikation 3. Begrenzte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster 2 3 3. Wie ­ äußert sich eine autis t i s c h e St ö r u n g ? Qualitative Auffälligkeiten der gegenseitigen sozialen Interaktion A utistische Kinder haben oft sehr große Schwierigkeiten Blickkontakt aufzunehmen oder länger zu halten, was häufig von den Betroffenen auch unangenehm empfunden werden kann. Das Erkennen sozialer Signale (z.B. Gesichtsausdruck oder Stimmung des Gegenübers) oder Verständnis für soziale Situationen (wie z.B. Verhalten beim Einkaufen, bei Besuch, in öffentlichen Verkehrsmitteln, Verständnis für Spielregeln u.w.) gelingt häufig nicht. Ihr Einfühlungsvermögen in den Zustand anderer ist oft begrenzt. Das führt u.a. dazu, dass es ihnen schwer fällt anhand des Verhaltens, des Tonfalls oder Gesichtsausdruckes zu erkennen ob ihr Gegenüber z.B. traurig, gut gelaunt oder verärgert ist. Dadurch können Menschen mit Autismus ihr Verhalten nur schwer der jeweiligen sozialen Situation anpassen. Das Interesse ihr an Gleichaltrigen ist häufig eingeschränkt. Es fällt ihnen auch schwer mit anderen Kindern in Kontakt zu treten oder diesen länger zu halten. Autistische Kinder haben meist große Probleme in der Nach­­ ahmung. Sie imitieren das Verhalten anderer nicht oder in einem nur sehr begrenzten Ausmaß. Dies wirkt sich neben vielen anderen Faktoren auf ihre Sprachentwicklung, ihr Spielverhalten und ihr soziales Gruppen­ver­ ständnis aus. Autistische Kinder sind z.B. durch Gruppen­spiele mit sozialem Charakter meist überfordert. 4 Qualitative Auffälligkeiten der Kommunikation B ei Kindern mit frühkindlichen Autismus zeigt sich ein ver­spätetes Einsetzen der Sprache. Ein Teil der Betroffenen erwirbt keine Sprache oder eine nur begrenzt. Beim Asperger Syndrom – einer anderen Form der autistischen Störung – wird Sprache hingegen zeitgerecht und manchmal besonders hervorstechend (Hochsprache, gutes Ausdrucksvermögen) erworben. Allen Menschen mit Autismus fällt es jedoch schwer - wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung - Sprache zum sozialen Austausch einzusetzten (z.B. Plaudern, „small talk“). Eine weitere Besonderheit im sprachlichen Bereich findet sich in Form einer Neigung zu stereotypen Wort- und Satzwieder­holungen. Hierbei werden bestimmte Wörter oder Sätze immer wieder wiederholt, unabhängig von der jeweiligen Situation (z.B. „Geht das mechanisch?“; „Sag, dass es gut ist.“ usw.). Menschen mit Autismus haben oft eine erstaunlich gute, wenn auch ganz spezielle Merkfähigkeit für Floskeln. Hier findet man oft Formen der verzögerten Echolalie. Dabei werden z.B. Liedtexte, Radio­ansagen oder ähnliches wiederholt wiedergegeben. Aufgrund einer veränderten „Ich-Ent­wicklung“ kommt es häufig und meist in der frühen Kindheit zum Vertauschen persönlicher Fürwörter („Du“ statt „ich“) oder das autistische Kind spricht von sich in der dritten Person („er“ statt „ich“). Autistische Menschen habe meist ein wortwörtliches Verständnis für Sprache. Ihr Verständnis für Witze, Sprichwörter oder ähnliches ist daher begrenzt. Dies führt i.B. bei Jugendlichen und Erwachsenen häufig zu Problemen und Missverständnissen in sozialen Situationen. 5 Begrenzte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster D ie veränderte Wahrnehmung und Informationsverarbeitung zeigt sich auch im Spielverhalten. Das explorative Spielverhalten - darunter versteht man, dass Gegenstände hinsichtlich ihrer Beschaffenheit und Funktion in vielfältiger Weise erprobt und untersucht werden - unterscheidet sich meist von jenen unauffällig entwickelter Kinder. Autistische Kinder beschäftigen sich meist nicht mit einem Spielzeug im Gesamten sondern bevorzugt mit Einzelheiten (z.B. den Rädern eines Autos). Dies resultiert aus ihrer Vorliebe für Details und ihren Schwierigkeiten Dinge und ihre Umwelt generell in ihrer Gesamtheit zu verstehen. Spielsachen werden nur eingeschränkt verwendet (u.a. gedreht, geordnet, gezählt) oder hinsichtlich ihres Geruches, ihrer Oberfläche, ihres Geräusches oder einer Vibration manipuliert. Häufig gibt es bevorzugte Gegen­stände, die meist kein Spielzeug im eigentlichen Sinne darstellen (wie z.B. Radios, Uhren, Kugelschreiber). Viele Menschen mit Autismus zeigen bestimmte stark ausgeprägte jedoch im Vergleich zur Gleichaltrigengruppe ungewöhnliche Interessen (z.B. Nummerntafeln, Straßenschilder, Ampeln, Brunnen, Lichtschalter, Jalousien, Computer). 6 Desweiteren besteht ein sehr großes Bedürfnis nach gleichförmigen Abläufen und Ritualen. Häufig auch deswegen, da diese Sicherheit vermitteln in einer Welt, die für den autistischen Menschen oft nur schwer zu verstehen ist. Dies äußert sich auch in zwanghaften Verhaltensweisen. Darunter versteht man, dass bestimmte Dinge auf eine gewisse Weise getan, gesagt oder geordnet werden müssen. Bei autistischen Menschen finden sich aber auch aggressive (u.a. Schreien, Schlagen) und selbstaggressive Verhaltensweisen (mit dem Kopf schlagen, in die eigenen Hände beißen u.w.), die einerseits biologischen Ursprungs sind, häufig aber auch als Reaktion auf überfordernde oder negative Umweltbedingen verstanden werden müssen. Desweiteren können stereotype und oft wiederholende Bewegungen mit dem Körper oder den Händen (z.B. Flattern, Hüpfen) auftreten, die das autistische Kind stimulierend aber auch selbstberuhigend erleben kann. 7 4. Ursa ­ chen autis t i s c h e r St ö r u n g e n 5 . Diagnostik ­ autistischer Störungen Obwohl es sich beim Autismus um eine biologische Störung handelt, kann die Diagnose einer autistischen Störung bislang nur über das Verhalten gestellt werden. Bei autistischen Störungen handelt es sich um eine Erkrankung biologischen Ursprungs. D as bedeutet, dass genetische Faktoren, Störungen des zentralen Nervensystems und teilweise veränderte Prozesse im Gehirn diese Störung verursachen. Autismus ist keine Folge elterlicher Fehl­erziehung oder belastender Lebensumstände. Aktuelle Studien sprechen dafür, dass ca. 16 von 10.000 Kindern an frühkindlichen Autismus leiden. Die Häufigkeit des Asperger-Syndroms liegt etwa bei 8 von 10.000 Kindern. Gesamt (einschließlich des atypischen Autismus) geht man von 36 Betroffenen unter 10.000 aus. 1) D a es sich beim Autismus um eine eher seltene Entwicklungs­störung handelt, ist es wichtig, dass die diagnostizierende Person Erfahrung mit diesem Störungsbild aufweist. Die Diagnose kann durch einen Facharzt, bzw. Klinischen Psychologen gestellt werden. Es existieren genaue Diagnosekriterien der Weltgesund­heits­organisation (WHO). Bei der diagnostischen Abklärung wird neben einem allgemeinen Intelligenz- oder Entwicklungstest eine autismusspezifische Diagnostik in Form eines Interviews zum Entwicklungs­verlauf (u.a. durch das Autismus Diagnostische Interview, ADI-R), einer differenzierten Verhaltensbeobachtung des Kindes (u.a. durch die Diagnostische Beurteilungsskala für Autistische Störungen, ADOS) und häufig weitere begleitende Verfahren durchgeführt. Diagnostisch werden drei Formen autistischer Störungen unterschieden: • Frühkindlicher Autismus • Asperger Syndrom • Atypischer Autismus 1) ­­Poustka, F., et al. (2004). Autistische Störungen. Göttingen: Hogrefe 8 Beim frühkindlichen Autismus handelt es sich um eine Entwicklungsstörung, die meist sehr früh – vor dem dritten Lebensjahr – erkennbar und typischer Weise durch ein verspätetes oder völliges Aussetzen von Sprache begleitet wird. 9 Beim Asperger Syndrom ist die Sprachentwicklung hinsichtlich ihres Einsetzens eine unauffällige. Menschen mit Asperger Syndrom weisen auch meist eine durchschnittliche bis überdurchschnittliche intellektuelle Begabung auf. Insgesamt sind die Probleme im Bereich des sozialen und kommunikativen Austauschens meist etwas milder. Andererseits zeigen Kinder mit Asperger Syndrom oft motorische Entwicklungsprobleme, die bis ins Erwachsenenalter bestehen können. Frühkindlicher Autismus Asperger Syndrom Erstauffälligkeit Meist in den ersten Lebensmonaten Markante Auffälligkeiten etwa vom 3. Lebensjahr an Blickkontakt Zunächst oft fehlend, später selten, ausweichend Selten, flüchtig Sprache Später Sprachbeginn, teilweise sogar Ausbleiben einer Sprachentwicklung Stark verzögerte Sprachentwicklung Sprache hat anfänglich keine kommunikative Funktion (Echolalie) Früher Sprachbeginn Rasche Entwicklung einer grammatikalisch und stilistisch hoch stehenden Sprache Sprache hat immer eine kommunikative Funktion, die allerdings gestört ist (Spontanrede) Intelligenz Meist erheblich eingeschränkt, charakteristische Intelligenzstruktur Gute bis überdurch­schnittliche intellektuelle Leistungen, IQ-Schwäche selten Keine Einschränkungen, außer bei zusätzlicher Erkrankung Auffällige, ungelenke und linkische Motorik, grobund feinmotorische Koordinationsstörung Motorik Wozu braucht man eine Diagnose? V iele Eltern sind häufig erleichtert wenn die Probleme ihres Kindes erstmals richtig erkannt und benannt werden können. Es kommt aber auch vor, dass eine diagnostische Zuschreibung stark ängstigt oder die Gefahr gesehen wird, dass dadurch Nachteile für das Kind entstehen. Bedenken Sie hierbei jedoch immer, dass ihr Kind nach der Diagnosestellung dasselbe ist wie zuvor. Die Diagnose Autismus hilft aber auch allen Menschen im Umfeld ihres Kindes (Kindergarten­ pädagogInnen, LehrerInnen, Großeltern, Geschwister) sein Verhalten besser zu verstehen. M enschen mit Autismus haben ein beachtliches Veränderungs­ potential. Dies unterscheidet autistische Störungen von anderen tiefgreifenden Entwicklungsstörungen oder schweren geistigen Behinderungen. Menschen mit Autismus brauchen jedoch eine spezielle Therapie. Diesbezüglich existieren autismusspezfische Behandlungs­ angebote. Erst durch Diagnose ist es möglich, passende Therapie- und begleitende Fördermaßnahmen einzuleiten. Tab. 1: Unterschiede Frühkindlicher Autismus / Asperger Syndrom Der atypische Autismus ist dem frühkindlichen ähnlich, unterscheidet sich jedoch dahingehend, dass nicht alle Symptome (Krank­heitsmerkmale) vorkommen müssen, oder bestimmte Symptome fehlen. 10 Desweiteren hat ihr Kind mit der Diagnose Autismus Anspruch auf finanzielle staatliche Förderungen (z.B. erhöhte Kinder­beihilfe, Pflegegeld). 11 6. Was ­ macht autistische Kind e r s o s p e z i e l l ? Bei autistischen Erkrankungen handelt es sich um eine Gruppe von Störungsbildern. D a sich die Art der autistischen Symptomatik von Kind zu Kind sehr unterscheiden kann spricht man häufig auch von einer Autismusspektrumstörung. Hiermit möchten Experten zum Aus­druck bringen, dass eine ganz klare Einteilung nicht immer möglich ist. Autismus-Spektrum-Störungen (ASS): • Frühkindlicher Autismus • Asperger Syndrom • Atypischer Autismus • Sonstige tiefgreifende Entwicklungsstörungen • Nicht näher bezeichnete tiefgreifende Entwicklungsstörungen Häufig kommt es vor, dass die autistische Störung noch von weiteren Erkrankungen begleitet wird. Darunter fallen u.a. Intelligenzminderungen, Anfallsleiden/Epilepsie, Aufmerksamkeitsstörungen, wie z.B. das hyperkinetische Syndrom oder Zwänge. Autistische Störungen gehen aber auch häufig mit einer veränderten Empfindlichkeit sensorischer Reize einher. Diese veränderte Wahrnehmung wird besonders in Form einer Überempfindlichkeit im Hören oder bei Berührungen sichtbar. Bestimmte Klänge, Töne oder i.B. leichte, sanfte Berührungen können als unangenehm bis hin zu unerträglich empfunden werden. Manchmal sind aber auch der Geschmack, die Lichtintensität, die Farbwahrnehmung u.ä., betroffen. Das Schmerzempfinden ist hingegen ein oft stark reduziertes, wodurch manchmal Krankheiten, Verletzungen oder einfache Zahnschmerzen oft erst spät erkannt werden. Die charakteristischen Verhaltensauffälligkeiten und -probleme variieren mit dem Alter. D as Vollbild der Erkrankung entwickelt sich zwischen zwei und sechs Jahren. Mit Beginn des Erwachsenenalters wird oft eine deutliche Verhaltensverbesserung erreicht. Tab. 2: Formen autistischer Störungsbilder Autismus ist eine Entwicklungsstörung und nicht grundsätzlich mit einer geistigen Behinderung einhergehend. M enschen mit Autismus unterscheiden sich hinsichtlich des Schweregrades der beschriebenen Auffälligkeiten. Dies hängt auch mit dem bestehenden intellektuellen Leistungsniveau und der sprachliche Entwicklung zusammen. Eine intellektuelle Behinderung kann fehlen, leicht oder schwer ausgeprägt sein. 12 Grundsätzlich gilt jedoch, dass autistische Störungen nicht ursächlich heilbar, jedoch veränderbar sind! F ür viele Betroffene sind die Beeinträchtigungen die aus ihrer autistischen Störung resultieren, oft deutlich spürbar. Gerade im Jugendund Erwachsenenalter entsteht dadurch häufig ein beträchtlicher Leidensdruck. So haben z.B. viele Kinder mit Autismus oft ein großes Bedürfnis nach Freundschaften, gleich­zeitigem aber auch ausgeprägt Probleme diese aufzubauen und zu halten. 13 7. Kind e rg a r t e n K inder mit Autismus profitieren von einem Eintritt in den Kindergarten, da dieser einen kontinuierlichen Rahmen für weiteres Lernen darstellt. Der Kindergarteneintritt sollte früh, um den dritten Geburtstag erfolgen. Je nach Art der kognitiven Beeinträchtigung kann dieser in einem Regelkindergarten, einem Intergrationskindergarten oder in einem speziellen Förderkinder­garten erfolgen. Falls keine oder eine nur leichte intellektuelle Behinderung vorliegt ist ein Eintritt in einen Regelkindergarten vorzuziehen, da hier Lernen in einer „normalen“ Umgebung erfolgen kann. Mit dem Kindergarteneintritt sollte begleitend eine sonderpädagogische und/oder psychologische Förderung stattfinden. D er Kindergarten sollte von Beginn an über das Krank­heits­bild des Kindes und seine daraus resultierenden Schwierig­keiten informiert sein. Da es sich bei autistischen Störungen um eine vergleichsweise seltene Erkrankung handelt, ist es wichtig, dass ErzieherInnen zusätzliche Informationen einholen. Hilfreich ist es auch, wenn ErzieherInnen gelegentlich zu einem gemeinsamen Austausch mit den behandelnden ÄrztInnen, PsychologInnen oder TherapeutInnen eingeladen werden. Eine Vernetzung zwischen ErzieherInnen, Eltern und TherapeutInnen ist ungemein wichtig. Besonders bewährt sich ein Abstimmen der einzelnen Fördermassnahmen, da autistische Kinder Gelerntes von sich aus oft nur geringgradig generalisieren, d.h. von einer Situation in eine andere oft nicht übertragen können. 14 Folgende Bedingungen zeigen positive Effekte • ­­­Gut strukturierte Umgebung und Betreuung mit klaren und festen Regeln und Abläufen • ­­­Kleingruppen, keine offenen Gruppen • ­­­Konstante Betreuungspersonen • ­­­Rückzugsmöglichkeiten (z.B. Turnsaal) • ­­­Klare zeitliche Abläufe/Alltagsroutine • ­­­Vermeidung von Reizüberflutung (Raumgestaltung, Lautstärke, Spielmaterial) • ­­­Einrichtung/Möblierung: Einfach, sparsam, funktionell • ­­­visuelle Kommunikationshilfen bei Kindern mit größeren sprachlichen Problemen • ­­­Sprache: Einfach, verständlich klar, wiederholend. Vermeiden von zu viel gleichzeitigen Informationen • ­­­Einfühlsames Eingehen • ­­­Schrittweiser Aufbau von kommunikativen Verhalten und Annäherung an die Gruppe • ­­­Zulassen von Stereotypen, im Besonderen als Belohnung nach Arbeitseinheiten oder zum Abbau von Spannungszuständen • ­­­Das Kind muss wissen was es erwartet, im Besonderen bei Veränderungen des Tagesablaufes • ­­­Teamplayer – Einbeziehung der Eltern sowie diverser Therapeuten! Förderziele gemeinsam mit den Eltern und externen Therapeuten erarbeiten • ­­­Prinzipien die beim Kind angewandt werden, sollten für die gesamte Gruppe gelten • ­­­Gegebenenfalls andere Kinder über das Verhalten des autistischen Kindes informieren 15 8. Schu l e Ä hnlich wie bei der Frage nach einem geeigneten Kinder­garten­platz, erfolgt die Auswahl einer Schule vor allem nach dem Grad der intellektuellen Beeinträchtigung, der Sprach­entwicklung und der Schwere der autistischen Symptomatik. Insofern kann ein Schuleintritt in eine Regelschule mit oder ohne Integrationsplatz, eine Sonderschule oder spezielle heilpädagogische Einrichtung erfolgen. LehrerInnen sollten ebenfalls von Beginn an über das Krank­ heitsbild informiert sein und einen intensiven Austausch mit behandelnden TherapeutInnen anstreben. Der Wechsel vom Kindergarten in die Schule bedeutet für das autistische Kind eine tiefgreifende Veränderung. Insofern empfiehlt sich auch eine frühe Vernetzung zwischen Kindergarten und Schule. 9 . Therapie Autismusspezfische Therapieformen I n der Therapie autistischer Kinder dominieren verhaltens­ therapeutische Methoden, da diese am besten wissenschaftlich abgesichert sind und die meiste Wirksamkeit zeigen. Ein Kernelement der Verhaltenstherapie ist es, erwünschtes Verhalten schrittweise zu verstärken und dadurch positive Verhaltensketten aufzubauen. Förder­ schwerpunkte bei der Therapie autistischer Menschen stellen hierbei die Bereiche Selbstständigkeit, Sprache, Denken, Nachahmung, Emotionalität und Sozialverhalten dar. Eine Förderung muss immer individuell auf das einzelne Kind angepasst werden und ist meist ein langjähriger entwicklungsbegleitender Prozess. Zu den bekanntesten Therapieprogrammen zählen Gerade durchschnittliche bis gut begabte autistische Kinder profitieren von einem Eintritt in die Regelschule. Besonders wichtig ist hierbei eine verstehende Haltung von Seiten der schulischen Bezugspersonen und ein Wissen hinsichtlich der besonderen Bedürfnisse autistischer Menschen. Manchmal kann ein "Schulbegleiter" eine notwendige und entlastende Massnahme darstellen, die den Bsuch einer Regelschule erleichtert. Umfangreiche Broschüren und Informationsmaterialien können beim Bundesverband autismus Deutschland e.V. (www.autismus.de) angefordert werden. Hier ist auch die Broschüre von Thomas George „Asperger Syndrom – Strategien und Tipps für den Unterricht“ erhältlich. 16 • ­­­die Applied Behavior Analysis von Ivar Lovaas (www. earlyautismprojekt.de) • ­­­das TEACCH-Programm (www.autea.de) In Österreich werden häufig die • ­­­Involvierungstherapie und Multifunktionelle Förder­therapie von Elvira Muchitsch (www.mf-mft.com), eingesetzt. 17 1 0 . Literatur ­ für Eltern, Er ­z ieher- und LehrerInnen Ergänzende Therapieformen E rgänzend kommen Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie – wenn Sprache besteht – zur Anwendung, wobei es wichtig ist, dass der betreffende Therapeut Erfahrung im Umgang mit autistischen Störungsbildern zeigt. Ein Teil der Betroffnen erlernt keine Sprache. Häufig kommt es vor, dass sie dadurch unterfordert und unterschätzt werden. Ihre mangelnde Ausdrucksfähigkeit kann auch aggressive Verhaltensweisen begünstigen. Hier bewährt sich der Einsatz alternativer Kommunikationsformen, wie Gebärden­sprache, Bild- oder Wortkarten, u.a. zur Vermittlung von Wünschen und Bedürfnissen. Zum Sprachaufbau kommt auch das PECS, ein Bild-Austauschsystem, zur Anwendung (www.autismus-koeln.de). Begleitend werden auch Musiktherapie oder Tiere (z.B. Reittherapie) eingesetzt, die manchmal eine Brücken­funktion zur intensiveren Auseinandersetzung mit der Umwelt ermöglichen. Die Förderung sozialer Kompetenzen, u.a. im Rahmen einer klinisch-psychologischen Behandlung oder Psychotherapie, i.B. bei Kindern mit einem etwas höheren Funktionsniveau und Sprache, stellt einen weiteren wichtigen Behandlungsschwerpunkt dar. Hierbei werden einzeln oder in Gruppen u.a. soziale Fähigkeiten verbessert, wie z.B das Verständnis für unterschiedliche Gesichts­ausdrücke, für Formen der Kontakt­aufnahme, für Regeln oder das Verhalten in unterschiedlichen sozialen Situationen. 18 ­ Aarons, M. & Gittens, T. (2000). Das Handbuch des Autismus. Weinheim: Beltz. (Bietet einen gut verständlichen Überblick) ­ Attwood, T. (2005). Asperger-Syndrom. Stuttgart: Trias. (Sehr praxisorientiert mit vielfältigen Fördervorschlägen zum sozialen Lernen, nicht nur für Asperger) ­ Bernard-Opitz, V., (2007). Kinder mit Autismus-SpektrumsStörungen (ASS). Stuttgart: Kohlhammer. (Darstellung neuer und etablierter Trainingsmethoden mit hohem Praxisbezug) ­ Poustka, F., Bölte, S., Feineis-Matthews, S. & Schmölzer, G. (2004). Ratgeber Autistische Störungen. Göttingen: Hogrefe. (Bietet einen ersten Einblick hinsichtlich Formen, Diagnostik und Behandlungsangeboten) ­­­ Weitere umfangreiche Literaturempfehlungen finden sich unter www.autismus.de 19 11. Ver ­ b ä n d e , Ve re i n e u n d Inte r n e t a d re s s e n ( Au s w a h l ) Autismus Deutschland e.V. Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus Bebelallee 141, D-22297 Hamburg www.autismus.de Autistenzentrum Arche Noah Hahngasse 24-26, 1090 Wien www.autismus.at Österreichische Autistenhilfe Eßlinggasse 13/311, A-1010 Wien www.autistenhilfe.at Verein Libelle Viktor-Kaplan Gasse 21, 8045 Graz www.verein-libelle.at Verein „Hilfe für Menschen mit Autismus im Burgenland“ www.autismus-burgenland.at 20 Spezielle Angebote in Kärnten Integration Kärnten Familienberatung, Unterstützung im Bereich der Integration (Kindergarten, Schule, Beruf). Spezielle Förderung autistischer Menschen nach der Multifunktionellen Fördertherapie. Standorte in Klagenfurt und Villach. Tel: 04242/21 07 25 www.betrifftintegration.at Autisten mit Zukunft Elterninitiative für autistische Kinder in Kärnten www.autismus-kaernten.at Förder- und Beratungsstelle für autistisch beeinträchtigte Personen und deren Familien am Sonderpädagogischen Zentrum (SPZ) für Kranken- und Heilpädagogik der Heilstättenschule 1 im LKH Klagenfurt. Tel: 0463/538 295 02 21