Gruppentheoretische Behandlung des Wasserstoffproblems Sebastian Boblest 17.01.2008 1 INHALTSVERZEICHNIS 2 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 3 2 Quantenmechanische Grundlagen 4 2.1 Die Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Der Drehimpulsformalismus 3.1 4 6 Die Drehimpulsoperatoren als Erzeuger infinitesimaler Drehungen . . 7 Der Drehimpulsoperator in Kugelkoordinaten . . . . . . . . . 8 3.2 Eigenfunktionen der Drehimpulsoperatoren . . . . . . . . . . . . . . 8 3.3 Die Drehimpulsoperatoren als Generatoren der Gruppe SO(3) . . . . 9 3.3.1 Wirkung von L+ und L− auf die Eigenfunktionen Ylm . . . . 4 Zentralkraftprobleme 4.1 12 Verhalten in Grenzfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Verhalten für r 7−→ ∞ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Verhalten für r 7−→ 0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 4.1.1 4.2 10 5 Das Wasserstoffproblem als spezielles Zentralkraftproblem 15 6 Das Wasserstoffproblem gruppentheoretisch 17 6.1 Anlehnung an die Klassische Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 6.2 Die Casimir-Operatoren und ihre physikalische Bedeutung . . . . . . 18 6.2.1 Multipletts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 6.2.2 Invarianz unter einer Symmetriegruppe . . . . . . . . . . . . 19 6.2.3 Das Beispiel der Gruppe SO(3) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Quantenmechanische Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 6.3.1 22 6.3 Berechnung der Energieniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Der isotrope Oszillator 24 7.1 Der klassische isotrope Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 7.2 Der quantenmechanische isotrope Oszillator . . . . . . . . . . . . . . 25 8 Zusammenfassung 26 1 1 EINLEITUNG 3 Einleitung Die Lösung des Wasserstoffproblems ist eine der klassischen Aufgaben der Quantenmechanik, da für diesen sehr einfachen Fall die Schrödingergleichung exakt gelöst werden kann. In dieser Arbeit soll nach einer kurzen Einführung der wichtigsten Begriffe der Quantenmechanik das Wasserstoffproblem einmal durch Lösen der entsprechenden Schrödingergleichung und einmal auf gruppentheoretischem Weg gelöst werden. Dazu wird zum einen der Drehimpulsoperator der Quantenmechanik detailliert behandelt, zum anderen wird zur Vorbereitung der analytischen Lösung des Wasserstoffproblems ein Kapitel der allgemeinen Behandlung von Zentralkraftproblemen gewidmet sein. 2 QUANTENMECHANISCHE GRUNDLAGEN 2 2.1 4 Quantenmechanische Grundlagen Die Schrödingergleichung In der Quantenmechanik werden Teilchen durch eine skalare, im allgemeinen komplexe Wellenfunktion Ψ(r, t) beschrieben. Diese Wellenfunktion ergibt sich aus der zeitabhängigen Schrödingergleichung. In diesem Abschnitt soll diese Gleichung begründet werden. Es ist dabei nicht möglich, die Schrödingergleichung aus irgendwelchen anderen, grundlegenderen physikalischen Prinzipien herzuleiten, sondern es kann lediglich erläutert werden, durch welche Überlegungen ihre Einführung begründet werden kann. Ausgangspunkt ist das Postulat von de-Broglie, dass jedes Teilchen auch Welleneigenschaften hat, zusammen mit den fundamentalen, experimentell bestätigten Zusammenhängen E = }ω p= h = }k λ (1) mit dem Planck’schen Wirkungsquantum h = 2π}, der Energie E, der Kreisfrequenz ω und dem Betrag k des Wellenvektors ~k. E Gesucht wird nun eine Gleichung, die aus einer Wellenfunktion Ψ(r, t) v ei(kx− } t) , wie sie durch de-Broglie’s Postulat motiviert ist, die Relation E = }ω = }2 k 2 p2 = 2m 2m (2) liefert. Die linke Seite lässt sich durch zweimaliges Differenzieren nach x und Multiplikation 2 } mit − 2m erhalten, die rechte durch einmaliges Differenzieren nach t und Multipli- kation mit i}. Als Gleichung ergibt dies: − }2 ∂ 2 ∂ Ψ(r, t) = i} Ψ(r, t) 2 2m ∂x ∂t (3) Um auf drei Dimensionen zu verallgemeinern schreiben wir für die Energie E= 1 p2x + p2y + p2z 2m (4) und ersetzen die Differentiation nach x durch den Laplace-Operator: − }2 ∂ ∆Ψ(r, t) = i} Ψ(r, t) 2m ∂t (5) 2 QUANTENMECHANISCHE GRUNDLAGEN 5 Damit sind wir bereits bei der Schrödinger-Gleichung eines freien Teilchens angelangt. Um auch Teilchen in einem Kraftfeld beschreiben zu können, machen wir uns 2 } klar, dass der Ausdruck − 2m ∆ aus der kinetischen Energie entstanden ist. In einem konservativen Kraftfeld ist die Gesamtenergie als Summe von kinetischer und potentieller Energie definiert. Wir addieren also lediglich noch die potentielle Energie auf der linken Seite der Gleichung und erhalten die volle zeitabhängige SchrödingerGleichung: }2 ∂ − ∆ + V (r) Ψ(r, t) = i} Ψ(r, t) 2m ∂t (6) Sie beschreibt die zeitliche Entwicklung eines quantenmechanischen Zustandes. }2 Der Ausdruck − 2m ∆ + V (r) wird als Hamilton-Operator bezeichnet, da er letztlich aus der klassischen Hamilton-Funktion Hklass = p2 2m + V (r) entstanden ist. Insgesamt haben wir die klassischen Größen Ort, Impuls und Energie also durch Differentialoperatoren ersetzt. Diese Schritte sind in den sogenannten Jordanschen Ersetzungsregeln zusammengefasst: r −→ r̂ = r ~ p −→ p̂ = ∇ i ∂ E −→ i~ ∂t (7) (8) (9) Im allgemeinen Fall kann das Potential V (r) auch zeitabhängig sein, wir wollen aber von einem zeitunabhängigen Potential ausgehen. In diesem Fall kann man durch einen Separationsansatz für Ψ(r, t) die Zeitabhängigkeit durch einen Faktor e−iωt abspalten: Ψ(r, t) = ϕ(r) · e−iωt . Für den nur ortsabhängigen Anteil ϕ(r) der Wellenfunktion ergibt sich dann die zeitunabhängige Schrödingergleichung }2 − ∆ + V (r) ϕ(r) = Eϕ(r) 2m (10) Aus ihr lassen sich die Eigenzustände des jeweiligen Problems berechnen. Zusätzlich müssen die Lösungen noch quadratintegrabel sein, dies folgt aus der Interpretation des Betragsquadrates der Wellenfunktion als Wahrscheinlichkeitsdichte. Explizit muss gelten: Z |Ψ(r, t)|2 dV = 1 (11) 3 3 DER DREHIMPULSFORMALISMUS 6 Der Drehimpulsformalismus In der klassischen Mechanik ist der Drehimpuls als Vektorprodukt von Ort und Impuls definiert. Analog dazu kann man einen quantenmechanischen Operator definieren, wenn Ort und Impuls durch die jeweiligen quantenmechanischen Operatoren ersetzt werden: ~ = ~r × p~ L (12) Dabei wird im gesamten folgenden Text auf die Kennzeichnung von Operatoren durch einˆverzichtet. Komponentenweise lässt sich dieser Zusammenhang mit Hilfe des total antisymmetrischen Tensors dritter Stufe ausdrücken: Li = X εijk xj pk (13) j,k Unter Anwendung der Jordanschen Ersetzungsregeln folgt daraus in der Ortsdarstellung in kartesischen Koordinaten für die einzelnen Komponenten des quantenmechanischen Drehimpulsoperators: ∂ ∂ Lx = i} y −z ∂z ∂y ∂ ∂ Ly = i} z −x ∂x ∂z ∂ ∂ Lz = i} x −y ∂y ∂x (14) Aus dem Kommutator der Orts- und Impulskomponenten [xi , pj ] = i}δij (15) folgt dann auch direkt die Kommutatorrelation für die Drehimpulskomponenten: [Li , Lj ] = i}εijk Lk (16) Das heißt die einzelnen Drehimpulskomponenten vertauschen nicht miteinander. Es läßt sich aber zeigen, dass jede Komponente mit dem Quadrat des Drehimpulses L2 = 3 X L2i (17) i = 1, 2, 3 (18) i=1 vertauscht: [L2 , Li ] = 0 3 DER DREHIMPULSFORMALISMUS 7 Das heißt, es lässt sich ein gleichzeitiges System von Eigenfunktionen zu L2 und etwa Lz finden. Verallgemeinert spricht man bei jeder Größe, die die Vertauschungsrelationen in den Gleichungen 16 und 18 erfüllt, von einem Drehimpuls. 3.1 Die Drehimpulsoperatoren als Erzeuger infinitesimaler Drehungen Die Drehimpulsoperatoren lassen sich als Erzeuger infinitesimaler Drehungen auffassen. Diese Tatsache soll hier nicht bewiesen, sondern nur kurz erläutert werden. Dazu betrachten wir einen Operator D, der in einem quantenmechanischen System Drehungen vermitteln soll. D wirkt auf Zustandsvektoren |Ψ(r)i durch Zurückdrehen des Ortes r: D|Ψ(r)i = |Ψ(D−1 r)i (19) Betrachten wir beispielsweise eine infinitesimale Drehung um die z-Achse in einem beliebigen Koordinatensystem, so lässt sich diese in Matrixform darstellen als 1 Dz (ϕ) = −δϕ 0 δϕ 0 1 0 0 1 (20) Dabei wurde ausgenutzt, dass für kleine Winkel gilt: sin δϕ ≈ δϕ und cos δϕ ≈ 1. Wird dieser Operator auf einen Zustand angewendet, so ergibt sich: ∂Ψ ∂Ψ Dz (δϕ)Ψ(x, y, z) = Ψ(x + δϕy, −δϕx + y, z) = Ψ(x, y, z) + δϕ y −x (21) ∂x ∂y Daraus ergibt sich also unter Verwendung der Definition des Drehimpulses: ∂ ∂ i Dz (δϕ) = 1 + δϕ y −x = 1 − δϕ Lz ∂x ∂y } (22) Der Zusammenhang zwischen den Drehimpulsoperatoren und infinitesimalen Drehungen ist damit erkennbar geworden. Um auf endliche Drehungen um eine beliebige ϕ Achse in Richtung n zu erweitern ersetzen wir δϕ 7→ , d.h. die infinitesimale DreN hung wird ausgedrückt durch eine endliche Drehung, zerlegt in N Teildrehungen. Durch immer feinere Unterteilung, das heißt für sehr große N folgt schließlich für Dn (δϕ): ϕ i i N Dn (ϕ) = lim [1 − n · L] = exp − (n · L)ϕ N →∞ N} } das heißt die Drehimpulsoperatoren erzeugen die Gruppe SO(3). (23) 3 DER DREHIMPULSFORMALISMUS 8 Der Drehimpulsoperator in Kugelkoordinaten Da alle Probleme, die in dieser Arbeit behandelt werden, Kugelsymmetrie aufweisen, ist eine Formulierung in Kugelkoordinaten zweckmässig. Beim Übergang in Kugelkoordinaten ergeben sich folgende Darstellungen der Drehimpulsoperatoren: ∂ ∂ϕ ∂ ∂ ∂2 }2 2 sin θ sin θ + L =− 2 ∂θ ∂θ ∂ϕ2 sin θ Lz = −i} (24) Wichtig für unsere Zwecke ist die Tatsache, dass in beiden Operatoren die Radialvariable r nicht auftaucht. Zusätzlich wirkt Lz nur auf die ϕ-Komponente und L2 lässt sich in einen auf θ und einen auf ϕ wirkenden Teil aufspalten. Diese Eigenschaften erleichtern die Berechnung der Eigenfunktionen erheblich. 3.2 Eigenfunktionen der Drehimpulsoperatoren Für die Eigenfunktionen Ωlm (r) bietet sich wegen der gerade besprochenen Eigenschaften der Drehimpulsoperatoren ein Separationsansatz der Form Ωlm (r) = R(r)Ylm (θ, ϕ) (25) an. Da wie erwähnt die Radialvariable r in den Operatoren nicht auftaucht, bleibt der Anteil R(r) der Eigenfunktionen unbestimmt. Für die eigentlichen Eigenfunktionen wird wiederum ein Separationsansatz verwendet: Ylm (r) = Φ(ϕ)Θ(θ) (26) Φ(ϕ) = eimϕ (27) Es ergibt sich: mit der magnetischen Quantenzahl m. Insgesamt ergeben sich dann für die Ylm die Kugelflächenfunkionen s Ylm (θ, ϕ) = 2l + 1 (l − m)! m P (cos θ)eimϕ 4π (l + m)! l (28) Dabei sind die Plm (z) die zugeordneten Legendre-Polynome. Diese erhält man aus den gewöhnlichen Legendre-Polynomen Pl (z) = 1 dl 2 (z − 1)l 2l l! dz l (29) 3 DER DREHIMPULSFORMALISMUS 9 über Plm (z) = (−1)m (1 − z 2 )m/2 dm Pl (z) dz m (30) Aus der Forderung nach Eindeutigkeit der Wellenfunktion folgt die Bedingung Φ(ϕ) = Φ(ϕ + 2π) und damit m ∈ Z. Es lässt sich sogar noch weiter zeigen, das gelten muss m ∈ {−l, l − 1, ..., l} und l ∈ N0 , wie wir später sehen werden. Es gelten dann für diese Funktionen folgende Eigenwertbeziehungen (oB): L2 Ylm (θ, ϕ) = }2 l(l + 1)Ylm (θ, ϕ) (31) Lz Ylm (θ, ϕ) = }ml Ylm (θ, ϕ) 3.3 Die Drehimpulsoperatoren als Generatoren der Gruppe SO(3) Wir haben im vorangegangenen Abschnitt anschaulich gesehen, dass die Drehimpulsoperatoren die Gruppe SO83), bzw. O(3) erzeugen. In diesem Abschnitt wollen wir diese Tatsache etwas ausführlicher diskutieren. Wir führen als erstes die beiden nicht-hermitischen Stufenoperatoren L0+ und L0− ein: L0+ = Lx + iLy L0− = Lx − iLy (32) Sie sind zueinander hermitisch konjugiert und es gilt ganz offensichtlich wegen Gleichung 18: [L2 , L0+ ] = [L2 , L0− ] = 0 (33) Wir benutzen jetzt statt dem Operatorensatz Lx , Ly , Lz den Satz L0+ , L0− , L0z = Lz mit den Vertauschungsrelationen [Lz , L0+ ] =}L0+ [Lz , L0− ] = − }L0− (34) [L0+ , L0− ] =2}Lz Um diese Relationen weiter zu vereinfachen substituieren wir: L0i = }Li (35) und erhalten: [Lz , L+ ] =L+ [Lz , L− ] = − L− [L+ , L− ] =2Lz (36) 3 DER DREHIMPULSFORMALISMUS 10 Für L2 können wir dann schreiben: 1 L2 = (L+ L− + L− L+ ) + L2z 2 (37) und weiter gilt: L+ L− = L2 − Lz (Lz − 1) L− L+ = L2 − Lz (Lz + 1) (38) [L+ , L− ] = 2Lz Aus Gleichung 38 folgt: L+ L− Ylm = [l(l + 1) − m(m − 1)]Ylm (39) L− L+ Ylm = [l(l + 1) − m(m + 1)]Ylm Wir wissen also, welche Eigenwerte die Operatoren L+ L− und L+ L− haben. Dies können wir ausnutzen um nun den Wertebereich der Quantenzahl m zu bestimmen. Wegen L†+ =L− können wir folgende Rechnungen durchführen: Z 0≤ Z 2 |L+ Ylm | dV = ∗ Ylm L− L+ Ylm dV Z |Ylm |2 dV (40) Z |Ylm |2 dV (41) = [l(l + 1) − m(m + 1)] und entsprechend: Z 0≤ |L− Ylm |2 dV = Z ∗ L+ L− Ylm dV = [l(l + 1) − m(m − 1)] Ylm Daraus ergeben sich für m die Grenzen −l ≤ m ≤ l 3.3.1 (42) Wirkung von L+ und L− auf die Eigenfunktionen Ylm Aus L2 L± Ylm = L± L2 Ylm = l(l + 1)}2 L± Ylm (43) folgt, dass L+ und L− den Betrag l des Drehimpulses unverändert lassen. durch Umformung von Gleichung 36 kommt man zu Lz L± = L± (Lz ± 1) (44) Lz (L± Ylm ) = (m ± 1)(L± Ylm ) (45) das heißt Die Stufenoperatoren erhöhen, bzw. erniedrigen den Eigenwert m also um 1. Durch wiederholtes Anwenden von L± auf eine Funktion Ylm kann also eine Reihe 3 DER DREHIMPULSFORMALISMUS 11 von Eigenfunktionen Lp+ Ylm , bzw. Lq− Ylm mit Eigenwerten m+p, bzw. m−q erzeugt werden. Aus Gleichung 42 folgt für die Maximalwerte für p und q: m+p=l m − q = −l (46) Daraus ergibt sich und damit p + q = 2l (47) 1 3 l ∈ {0, , 1, , ...} 2 2 (48) Es folgen für m die (2l + 1) möglichen Werte m ∈ {−l, −l + 1, ..., l} (49) Es ist also möglich, alle (2l+1) Eigenfunktionen zu einem gegebenem l durch die Stufenoperatoren aus einer beliebigen gegebenen Eigenfunktion Ylm zu entwickeln. Es ergibt sich ein Satz Yl−l , Yll−1 , .., Yll (50) orthonormaler Eigenfunktionen, der unter der Wirkung von L+ , L− und L2 und damit wegen Gleichung 23 auch unter der Wirkung der Drehoperatoren Dn (ϕ) = exp − }i (n · L)ϕ invariant ist. Wir haben damit einen (2l+1)-dimensionalen, invarianten Unterraum des Hilbertraumes, der von den Eigenzuständen der Drehimpulsoperatoren aufgespannt wird, gefunden. Die (2l+1) Eigenfunktionen, die ihn aufspannen, sind die Basisfunktionen einer (2l+1)-dimensionalen, irreduziblen Darstellung von SO(3). Wie wir weiter unten sehen werden, können mehrere Ylm für eine Kombination von l und m existieren. Diese werden dann durch eine weiter Quantenzahl n unterschieden. Die Drehimpulsoperatoren führen dann nur solche Funktionen Ylm ineinander über, die zum gleichen n und l gehören. 4 ZENTRALKRAFTPROBLEME 4 Zentralkraftprobleme 12 In diesem Kapitel sollen die Eigenschaften beliebiger Zentralkraftprobleme untersucht werden. Die Ergebnisse sollen zum einen helfen, das Wasserstoffproblem anschließend möglichst einfach zu lösen, und zum anderen aufzeigen, welche Eigenschaften des Wasserstoffproblems typisch für Zentralkraftprobleme sind und welche nur für diesen speziellen Fall vorkommen. Zuerst soll eine Definition für Zentralkraftprobleme gegeben werden: Unter Zentralkraftproblemen versteht man Systeme, die ein sphärisch symmetrisches Potential V (r) = V (r) (51) aufweisen. Für diese Fälle resultiert dann in Kugelkoordinaten ein entsprechender Hamiltonoperator1 H=− }2 ∆ + V (r) 2m (52) mit dem Laplace-Operator ∆ = ∆r + ∆θ,ϕ 1 ∂ = 2 r ∂r ∂ r ∂r 2 − 1 r2 }2 L2 (53) in Kugelkoordinaten, der in einen Radial- und einen Winkelanteil zerfällt. Aus dieser Form des Laplace-Operators und der Tatsache, dass die Drehimpulsoperatoren nur auf die Winkelanteile der Wellenfunktion wirken, folgt direkt dass H mit L2 und Lz vertauscht: [H, L2 ] = [H, Lz ] = 0 (54) Es wird also möglich sein, ein gleichzeitiges System von Eigenfunktionen zu H und den Drehimpulsoperatoren zu finden. Außerdem wird es sich wieder anbieten, einen Separationsansatz Ψ(r) = R(r)Ylm (θ, ϕ) für die gesuchten Wellenfunktionen zu verwenden, wobei wir mit Yml die oben eingeführten Kugelflächenfunktionen benutzen. Für L2 können wir dann den Eigenwert }2 l(l + 1) einsetzen, wenn wir uns auf Lösungen mit festem l beschränken, und erhalten die Radialgleichung für R(r): 1 }2 − 2m ∂ 2 ∂ + 2 ∂r r ∂r }2 l(l + 1) + + V (r) R(r) = ER(r) 2mr2 m +m (55) Im allgemeinen muss für m die sogenannte reduzierte Masse µ = mee ·mpp verwendet werden. m Wegen mpe ≈ 1823 können wir dies jedoch vernachlässigen, das Proton wird als unendlich schwer angenommen 4 ZENTRALKRAFTPROBLEME 13 In dieser Gleichung taucht die magnetische Quantenzahl m nicht auf, das heißt in jedem Zentralpotential ist jeder Energieeigenwert (2l + 1)-fach entartet, alle Eigenfunktionen Ψlm (r) mit festem l und beliebigem m sind Eigenfunktionen zum gleichen Energieeigenwert. Dies ist bereits das erste wichtige Ergebnis dieses Kapitels. Durch die Substitution u(r) = rR(r) gelangt man schließlich zu −}2 d + Vef f (r) u(r) = Eu(r) 2m dr2 (56) mit dem effektiven Zentralpotential Vef f (r) = V (r) + }2 l(l + 1) 2mr2 das sich aus dem tatsächlichen Potential V(r) und der sogenannten Zentrifugalbarriere zusammensetzt, die in jedem Fall abstossend wirkt. 4.1 Verhalten in Grenzfällen Vorausgesetzt, dass V (r) für r 7−→ ∞ schneller als 1/r gegen Null strebt und für r 7−→ 0 langsamer als −1/r2 divergiert, können über die erwarteten Radialfunktionen für diese beiden Grenzfälle unabhängig vom genauen Potentialverlauf bereits wichtige Aussagen gemacht werden, die das spätere exakte Lösen für ein bestimmtes V (r) vereinfachen. 4.1.1 Verhalten für r 7−→ ∞ Im unendlichen wird das gesamte effektive Potential vernächlassigbar, Gleichung 56 vereinfacht sich zu }2 d + E u(r) = 0 2m dr2 (57) u(r) = A · eκr + B · e−κr (58) Mit der allgemeinen Lösung mit κ = q −2mE . }2 für κ ist also reell. Dabei gilt für gebundene Zustände E < 0, der Wurzelausdruck 4 ZENTRALKRAFTPROBLEME 4.2 14 Verhalten für r 7−→ 0 In diesem Fall wird V(r) im Vergleich zum Zentrifugalterm vernachlässigbar und Gleichung 56 reduziert sich zu − l(l + 1) d2 + dr2 r2 u(r) = 0 (59) mit der allgemeinen Lösung u(r) = A · rl+1 + B · r−l . Aufgrund der Singularität des zweiten Termes im Ursprung für l > 0 scheidet dieser Teil der Lösung allerdings für unsere Zwecke aus, es ergibt sich also u(r) = A · rl+1 . 5 5 DAS WASSERSTOFFPROBLEM ALS SPEZIELLES ZENTRALKRAFTPROBLEM15 Das Wasserstoffproblem als spezielles Zentralkraftproblem Nach den vorangegangenen, allgemeinen Überlegungen wenden wir uns jetzt dem Wasserstoffproblem als einem speziellen Fall eines Zentralkraftproblems zu. V(r) ist nun also durch das Coulombpotential des Protons des Wasserstoffatomkerns gegeben: V (r) = − e2 4πε0 r (60) Damit ergibt sich als Radialgleichung: e2 }2 l(l + 1) }2 d2 − − E u(r) = 0 + − 2me dr2 4πε0 r 2me r2 Wir führen den Bohr-Radius aB = (61) 4πε0 }2 ≈ 5, 29 · 10−11 m und die Rydberg-Energie me e2 }2 ≈ 13, 605eV als charakteristische Grössen für Länge und Energie im 2me a2B Wasserstoffatom ein, definieren einen neuen Massstab über % = arB und führen ER = schließlich noch die Abkürzung η = κaB mit der bei Gleichung 58 eingeführten Grösse κ ein, um auf folgende Gleichung zu kommen: d2 2 l(l + 1) 2 + − − η u(%) = 0 d%2 % %2 (62) Die im Abschnitt 4.1 gemachten Überlegungen zum asymptotischen Verhalten der Wellenfunktion führen uns auf folgenden Ansatz für u(%): u(%) = e−η% %l+1 P (%) (63) wobei wir für die noch zu bestimmende Funktion P (%) einen Polynomansatz machen: P (%) = X αµ r µ (64) µ Aus Gleichung 62 folgt dann als Bestimmungsgleichung für P (%): 00 0 P (%) + 2P (%) l+1 2 − η + P (%) [1 − η(l + 1)] = 0 % % (65) Aus dieser Gleichung lässt sich schließlich eine Rekursionsformel für die Koeffizienten αµ gewinnen: αµ+1 = 2 η(l + µ + 1) − 1 αµ (µ + 1)(µ + 2l + 2) (66) 5 DAS WASSERSTOFFPROBLEM ALS SPEZIELLES ZENTRALKRAFTPROBLEM16 Genauere Betrachtungen zeigen, dass P (%) eine abbrechende Reihe sein muss, um die Normierbarkeit der Wellenfunktion gewährleisten zu können. Damit die Reihe bei einem bestimmten µ0 abbricht, muss offensichtlich gelten: η= 1 µ0 + l + 1 (67) Daraus folgt dann wegen den Definitionen von η und κ ganz natürlich die Diskretheit der Energien der gebundenen Zustände im Wasserstoffatom. Man definiert die Hauptquantenzahl n über n ≡ µ0 + l + 1 (68) mit dieser ergibt sich schließlich also für die Energieniveaus En im Wasserstoffatom: En = − ER n2 (69) mit n ∈ N. Es ist besonders hervorzuheben, dass die Energiezustände also nicht von der Bahndrehimpulsquantenzahl l ∈ {0, 1, ..., n − 1} abhängen. Zusätzlich zu der Entartung bezüglich der magnetischen Quantenzahl m ∈ {−l, −l + 1, ..., l}, die für alle Zentralpotentiale gilt, ergibt sich im Coulombpotential also eine zusätzliche Entartung bezüglich des Bahndrehimpulses, dies führt auf eine insgesamt n2 -fache Entartung jedes Energieniveaus. Die zugehörigen Wellenfunktionen lassen sich ebenfalls explizit berechnen. Sie sollen hier jedoch nicht angegeben werden, da sie für uns im folgenden keine Rolle spielen. 6 DAS WASSERSTOFFPROBLEM GRUPPENTHEORETISCH 6 17 Das Wasserstoffproblem in gruppentheoretischer Behandlung Bevor wir nun das Wasserstoffproblem gruppentheoretisch angehen werden, seien die bisher gefundenen Ergebnisse noch einmal zusammengefasst: 1. In radialsymmetrischen Potentialen sind der Drehimpuls und seine z-Komponente Erhaltungsgrössen, das heißt die entsprechenden Operatoren kommutieren mit dem Hamiltonoperator des Problems. 2. In Zentralkraftproblemen sind die gebundenen Energieniveaus diskret und bezüglich der magnetischen Quantenzahl m entartet, dies folgt aus der SO(3)Symmetrie des Potentials. 3. Für Potentiale der Form V (r) = α r mit α = const, das heißt mit Struktur wie das Coulombpotential, sind die Energiezustände zusätzlich bezüglich der Bahndrehimpulsquantenzahl l entartet, dies lässt sich nicht aus der Symmetrie des Potentials erklären. 6.1 Anlehnung an die Klassische Mechanik Um nun das Wasserstoffproblem gruppentheoretisch zu untersuchen, gehen wir erst einmal zurück zu seinem klassischen Analogon, dem Kepler-Problem. Für ein System von zwei Massepunkten, die gravitativ wechselwirken, wobei wieder die Masse des einen Körpers vernachlässigbar sein soll im Vergleich zur Masse des zweiten Körpers, ergeben sich als Lösungen der Bewegungsgleichung Ellipsenbahnen. Dabei steht der schwere Körper M in einem der Brennpunkte der Ellipse. Der Punkt der Bahn, an dem die kleinere Masse der großen am nächsten ist, heißt dabei Perihel, derjenige mit dem grössten Abstand Aphel, siehe auch Abbildung 1. Nach dem so genannten Noether-Theorem gehört zu jeder Symmetrie eines physika- Abbildung 1: Ellipsenbahn als Lösung des klassischen Zweikörperproblems mit Zentralmasse M in einem Brennpunkt und den Punkten kleinster Entfernung, dem Perihel P, und grösster Entfernung, dem Aphel A, aus [1] 6 DAS WASSERSTOFFPROBLEM GRUPPENTHEORETISCH 18 lischen Systems eine Erhaltungsgrösse. Die klassische Hamiltonfunktion des KeplerProblems lautet Hklass = p~2 α − 2m r (70) Wobei bei einem Gravitationspotential α = GM m und beim Coulombpotential α= q1 q2 4πε0 gilt. Sie ist offensichtlich zeitunabhängig und rotationssymmetrisch. Damit ~ Konstanten der Bewegung. sind die Gesamtenergie E und der Bahndrehimpuls L Dies ist nicht überraschend und gilt auch im quantenmechanischen Fall und für jedes beliebige Zentralpotential, wie oben bereits diskutiert wurde. Aus der Rotationssymmetrie folgt weiter, dass die Bahn in einer Ebene um M laufen muss. Aus den bisherigen Überlegungen ist aber nicht einzusehen, dass diese Bahnen auch geschlossen sein müssen, wie sie es offensichtlich sind. Es liegt nahe, die Existenz einer weiteren, verborgenen Erhaltungsgrösse anzunehmen. Diese ist der Runge-Lenz-Vektor ~ 0 = 1 p~ × L ~ − α ~r M m r (71) Dieser zeigt vom Massenzentrum M zum Perihel P der Ellipsenbahn. 6.2 Die Casimir-Operatoren und ihre physikalische Bedeutung Bevor nun zur quantenmechanischen Behandlung übergehen können müssen wir einen weiteren Begriff im Zusammenhang mit Lie-Gruppen einführen, nämlich den Casimir-Operator. Die wichtigsten Eigenschaften der Casimir-Opertatoren sind im Satz von Racah zusammengefasst: Für jede halbeinfache Lie-Gruppe vom Rang l existiert ein Satz von l Casimir-Operatoren. Diese sind Funktionen Cλ ({Li }), λ ∈ {1, 2, ..., l} der Generatoren Li und kommutieren mit jedem Generator der Gruppe. Die Eigenwerte der Casimir-Operatoren charakterisieren die Multipletts der Gruppe eindeutig. Dabei ist eine halbeinfache Lie-Gruppe eine ohne Abel’schen Normalteiler und der Rang einer Lie-Gruppe ist gleich der Anzahl an Generatoren, die miteinander kommutieren, der Begriff des Multipletts wird weiter unten erläutert. Diese CasimirOperatoren sind nicht eindeutig, sind z.B. C1 und C2 Casimir-Operatoren einer Gruppe, so sind auch C10 = C1 + C2 C20 = C1 − C2 (72) Casimir-Operatoren. Diese Tatsache werden wir später ausnutzen. Allerdings sind die Casimir-Operatoren vollständig, d.h. jeder andere Operator X 6 DAS WASSERSTOFFPROBLEM GRUPPENTHEORETISCH 19 der mit allen Generatoren kommutiert, ist eine Funktion der Casimir-Operatoren: X = X({Cλ }) 6.2.1 (73) Multipletts Gegeben sei ein Hilbertraum von Zuständen, auf die die Operatoren einer gegebenen Symmetriegruppe wirken sollen. Man bezeichnet einen Unterraum dieses Hilbertraumes als invariant, wenn unter der Wirkung eines beliebigen Operators der Gruppe auf einen Zustand in diesem Unterraum wieder ein Zustand dieses Unterraumes entsteht. Als Multiplett bezeichnet man einen irreduziblen invarianten Unterraum unter der Wirkung einer Gruppe, d.h. einen invarianten Unterraum, der keine weiteren invarianten Unterräume enthält. 6.2.2 Invarianz unter einer Symmetriegruppe Unter dem Begriff Invarianz unter einer Symmetriegruppe versteht man die Eigenschaft, dass für einen Zustand |Ψi, für den gilt ∂ |Ψi = H|Ψi ∂t (74) ∂ 0 |Ψ i = H|Ψ0 i ∂t (75) i auch i gilt, wobei |Ψ0 i = D|Ψi aus dem usprünglichen Zustand durch Wirkung eines Gruppenoperators hervorgeht. Es lässt sich leicht zeigen, dass diese Eigenschaft gleichbedeutend mit [D, H] = 0 (76) ist, d.h H kommutiert mit allen Gruppenoperatoren und damit speziell auch mit allen Generatoren: [Li , H] = 0 (77) Daraus folgt wegen HD|Ψi = DH|Ψi = ED|ψi, d.h. wenn ein bestimmter Zustand eines Multipletts Eigenzustand zu H mit einem bestimmten Energieeigenwert E ist, so sind alle anderen Zustände des Multipletts ebenfalls Eigenzustände zum gleichen Energieeigenwert. Aus der Tatsache, dass die Casimir-Operatoren mit allen Generatoren vertauschen [Cλ , Li ] = 0, ∀λ, i (78) 6 DAS WASSERSTOFFPROBLEM GRUPPENTHEORETISCH 20 folgt direkt, dass sie auch untereinander und mit H kommutieren: [Cλ , Cλ0 ] = [Cλ , H] = 0 (79) Das heißt, die Cλ besitzen die selben Eigenfunktionen wie H und sind ebenfalls auf den Multipletts entartet. Auf einem gegebenen Multiplett haben die Cλ also genau einen Satz von Eigenwerten c1 , ..., cl . 6.2.3 Das Beispiel der Gruppe SO(3) Bei der Gruppe SO(3) haben wir bereits eine Funktion aller Generatoren, die mit allen Generatoren kommutiert eingeführt, nämlich den Drehimpulsquadratoperator L2 für den eben gilt [L2 , Li ] = 0, dass L2 i = 1, 2, 3. Aus dieser Eigenschaft folgt direkt, mit allen Gruppenelementen, d.h. mit allen Rotationen, vertauscht. Gleich- zeitig haben wir gesehen, das die Drehimpulsoperatoren nur jeweils mit sich selbst kommutieren, die Gruppe SO(3) hat also den Rand 1. Damit ist gleichzeitig gezeigt, dass L2 der einzige Casimir-Operator ist. Wir haben bereits in Abschnitt 3.3.1 gesehen, das die Kugelflächenfunktionen Basisfunktionen von (2l + 1)-dimensionalen irreduziblen Darstellungen der SO(3) sind. Diese Unterräume des Hilbertraumes sind eben genau die Multipletts unter der Wirkung von SO(3), denn die Drehimpulsoperatoren können bei einer gegebenen Kugelflächenfunktion Ylm nur die Quantenzahl m ändern, nicht aber l. Diese Multipletts sind charakterisiert durch die Eigenwerte l(l + 1)} des Drehimpulsquadratoperators L2 . 6.3 Quantenmechanische Behandlung Damit wir jetzt zu einer quantenmechanischen Beschreibung übergehen können, ist es nötig, wieder Operatoren statt der entsprechenden klassischen Grössen zu verwenden. Bei Orts-, Impuls- und Drehimpulsoperator sind die entsprechenden Vorschriften bekannt, für den Runge-Lenz-Vektor müssen wir zusätzlich eine Symmetrisierung des Ausdruckes durchführen, um zu gewährleisten, dass wir einen hermitischen Operator bekommen. Als quantenmechanischer Operator ergibt sich M0 = 1 α (p × L − L × p) − r 2m r (80) mit der Kommutatorrelation [M0 , H] = 0 (81) L · M0 = M0 · L = 0 (82) sowie den Relationen 6 DAS WASSERSTOFFPROBLEM GRUPPENTHEORETISCH und 2 M0 = 2H 2 (L + }2 ) + α2 m 21 (83) Als nächstes wollen wir die Algebra betrachten, die von den Komponenten von M0 zusammen mit denen von L erzeugt wird. Dazu betrachten wir die Kommutatorrelationen zwischen diesen Größen. Diese wurden bereits in Gleichung 16 für die Drehimpulskomponenten eingeführt.Zusätzlich ergeben sich neun weitere Relationen. Es zeigt sich, dass die Komponenten von L zusammen mit denen von M0 keine geschlossene Algebra bilden, da im Kommutator der Komponenten von M0 untereinander der Hamiltonoperator auftaucht: [Mi0 , Mj0 ] = − 2i} Hεijk Lk m (84) Beschränken wir uns aber auf einen Teilraum des Hilbertraumes zu einem bestimmten Energieeigenwert E, so können wir den Operator H durch seinen Eigenwert ersetzen, da H zeitunabhängig ist und mit L und M0 kommutiert. Um auf einfache Relationen zu kommen, ersetzen wir den Ausdruck M0 noch durch r m 0 M= − M 2E (85) Da wir nur gebundene Zustände mit negativer Energie betrachten, ist der Wurzelausdruck positiv und damit reell. Damit erhalten wir schliesslich zusammen mit den Drehimpulsrelationen, die hier der Übersichtlichkeit halber nocheinmal angegeben werden, folgende Kommutatoren: [Li , Lj ] =i}εijk Lk [Mi , Lj ] =i}εijk Mk (86) [Mi , Mj ] =i}εijk Lk Diese Kommutatoren erzeugen die Gruppe SO(4). Diese Vorgehensweise ist allerdings nur für die gebundenen Zustände mit E < 0 möglich da sonst die Substitution in Gleichung 85 nicht funktioniert. Für ungebundene Zustände lässt sich zeigen, dass die entsprechende Symmetriegruppe isomorph zur Gruppe SO(3,1) der Lorentztransformationen in drei Raum- und einer Zeitdimension ist. 6 DAS WASSERSTOFFPROBLEM GRUPPENTHEORETISCH 6.3.1 22 Berechnung der Energieniveaus Um nun die Energieniveaus im Wasserstoffatom zu erhalten, definieren wir zunächst zwei neue Operatoren I und K über: 1 = (L + M) 2 1 K = (L − M) 2 I (87) Für diese Grössen gelten folgende Kommutatorrelationen: [Ii , Ij ] = i}εijk Ik [Ki , Kj ] = i}εijk Kk (88) [Ii , Kj ] = 0 [I, H] = [K, H] = 0 Die Komponenten von I und K erfüllen also jeweils für sich die Drehimpulsvertauschungsrelationen und bilden daher jeweils eine SO(3)-Algebra. Daraus folgt direkt für die Eigenwerte: I2 =i(i + 1)}2 K2 =k(k + 1)}2 1 i ∈ {0, , 1, ...} 2 1 k ∈ {0, , 1, ...} 2 (89) Untereinander vertauschen I und K aber, das heißt die beiden Algebren sind entkoppelt. Daraus folgt, dass SO(4) eine Lie-Gruppe vom Rang 2 ist, das heißt es gibt zwei Casimiroperatoren: I2 2 K 1 = (L + M)2 4 1 = (L − M)2 4 (90) Wir wählen geschickter: 1 C1 = I2 + K2 = (L2 + M2 ) 2 C2 = I2 − K2 = L · M (91) Aus Gleichung 82 folgt C2 = 0 und daher I2 = K2 . Daraus folgt wiederum i = k und damit für die Eigenwerte von C1 : c1 = 2k(k + 1)}2 1 k ∈ {0, , 1, ...} 2 (92) 6 DAS WASSERSTOFFPROBLEM GRUPPENTHEORETISCH 23 Zusammen mit den Gleichungen 83 und 85 ergibt dies: C1 = − mα2 1 2 − } 4E 2 (93) Damit erhalten wir schließlich als Energieeigenwerte: E=− mα2 2}2 (2k + 1)2 1 k ∈ {0, , 1, ...} 2 Dies entspricht genau dem Ergebnis in Gleichung 69 für α = e2 4πε0 (94) und n = 2k + 1. Wir erhalten also, wie zu erwarten war, das gleiche Ergebnis für die Eigenenergien wie über die Schrödingergleichung. Allerdings können wir jetzt die zusätzliche n-Entartung der Energieniveaus dadurch erklären, dass die eigentliche höchste Symmetriegruppe des Wasserstoffproblems die Gruppe SO(4) und nicht wie man zuerst vermuten könnte die Gruppe SO(3) ist. 7 DER ISOTROPE OSZILLATOR 7 24 Der isotrope Oszillator Abschließend soll noch kurz ein weiteres wichtiges System mit einer versteckten“ ” Symmetrie betrachtet werden, nämlich der isotrope dreidimensionale Oszillator. Zuerst werden wir wieder kurz den klassischen Fall anreißen um dann den quantenmechanischen Fall zu skizzieren. 7.1 Der klassische isotrope Oszillator Für den klassischen isotropen dreidimensionalen Oszillator lautet die Hamiltonfunktion Hklass = p~2 1 + K~r2 2m 2 (95) Wir betrachten wiederum Ellipsenbahnen mit großer Halbachse a und kleiner Halbachse b im Potential des Oszillators. Wiederum sind die Hamiltonfunktion H und ~ Konstanten der Bewegung, wobei explizit gilt: der Bahndrehimpuls L 1 E = K a2 + b2 2 (96) ~ 2 = mKa2 b2 L (97) und Auf die Existenz einer weiteren Erhaltungsgrösse deutet wiederum die Geschlossenheit der Bahnen hin. Da in diesem Fall das Kraftzentrum der Bewegung in der Mitte der Bewegung sitzt, sind jeweils beide Richtungen entlang der großen und kleinen Halbachse Symmetrieelemente. Wir finden als Konstante der Bewegung einen Quadrupoltensor mit den Komponen- Abbildung 2: Ellipsenbahn im klassischen Oszillatorpotential, mit Kraftzentrum in der Mitte der Ellipse, aus [1] 7 DER ISOTROPE OSZILLATOR ten 25 1 a √ a2 + b2 2 3 1 2 Qyx = a − b2 sin (2α) 2 1 Qyy = a a2 − b2 cos (2α) 2 Qyz = Qxz = 0 Qxx = (98) Die Komponenten dieses Tensors sind invariant unter den Operationen α 7→ α + π a 7→ b, b 7→ a, α 7→ α ± 7.2 π 2 (99) Der quantenmechanische isotrope Oszillator Die Energieniveaus des quantenmechanischen Oszillators lassen sich leicht bestimmen, da das Problem in kartesischen Koordinaten separiert. Es ergibt sich r 3 K En = n + } , 2 m n = nx + ny + nz , ni ∈ N0 (100) das heißt jeder Zustand ist 21 (n + 1)(n + 2)-fach entartet. Die dynamische Symmetrie spiegelt sich in diesem Fall in der Gruppe SU (3) wieder. ~ lässt sich wieder ein Casimiroperator konstruAus dem Quadrupoltensor und aus L ieren, ähnlich wie im Fall des Wasserstoffproblems sind nur bestimmte Darstellungen der SU (3) realisiert. Bedeutend ist die gruppentheoretische Behandlung des harmonischen Oszillators für das Schalenmodell von Atomkernen. 8 ZUSAMMENFASSUNG 8 26 Zusammenfassung In dieser Arbeit wurde dargelegt, dass die Drehimpulsoperatoren Generatoren der Gruppe SO(3) sind. Unter Verwendung dieser Tatsache konnte gezeigt werden, dass in beliebigen Zentralpotentialen die Eigenenergien bezüglich der magnetischen Quantenzahl m entartet sind. Auf dem klassischen Weg über die Schrödingergleichung wurden die Eigenenergien des Wasserstoffproblems berechnet, es ergab sich En = − EnR2 mit der Rydbergenergie }2 . Diese Eigenenergien weisen eine zusätzliche Entartung bezüglich der ER = 2me a2B Quantenzahl l auf, was zu einer insgesamt n2 -fachen Entartung führt. ~0 = Um diese zusätzliche Entartung zu erklären, wurde der Runge-Lenz-Vektor M 1 α ~ p~×L− ~r, der im klassischen Kepler-Problem der Planetenbewegung eine zusätzliche m r Konstante der Bewegung ist, in die quantenmechanische Beschreibung miteinbezogen. Es konnte gezeigt werden, dass die eigentliche höchste Symmetriegruppe des Wasserstoffproblems die Gruppe SO(4) ist und damit die höhere Entartung im Fall des Coulompotentials erklärt werden. Unter Verwendung der sogenannten Casimir-Operatoren, deren Eigenschaften und Funktionen ebenfalls kurz dargestellt wurden, konnten aus diesen Symmetriebetrachtungen schließlich wiederum die Eigenenergien des Wasserstoffproblems hergeleitet werden. LITERATUR 27 Literatur [1] Walter Greiner: Theoretische Physik 5: Quantenmechanik 2: Symmetrien, Verlag Harri Deutsch, 2. Auflage 1985 [2] Wolfgang Nolting: Theoretische Physik 5/2: Quantenmechanik, 6. Auflage Springer Verlag 2006 [3] Hermann Haken, Hans Wolf: Atom- und Quantenphysik, 8. Auflage Springer Verlag 2003