Theoretische Physik II: Quantenmechanik Hans-Werner Hammer Marcel Schmidt ([email protected]) Wintersemester 2016/17 9. Übung 22./23. Dezember 2016 Aufgabe 1 Zentralpotentiale: Endlich tiefer sphärischer Potentialtopf In Übung 8 haben wir uns mit Zentralpotentialen beschäftigt. Wir konnten dort sehen, dass der winkelabhängige Teil des Hamiltonoperators Ĥ durch den Bahndrehimpulsoperator ~ˆL 2 gegeben ist: ! ~ˆL 2 ħ h2 1 ∂2 Ĥ = − r − 2 2 + V (r), r ≡ |~x | . 2M r ∂ r 2 ħ h r Dabei sind die Kugelflächenfunktionen Yl m (θ , ϕ) gemeinsame Eigenfunktionen von ~ˆL 2 und L̂3 : ~ˆL 2 Yl m (θ , ϕ) = ħ h2 l(l + 1) · Ylm (θ , ϕ) L̂3 Yl m (θ , ϕ) = ħ h m · Yl m (θ , ϕ) mit l ∈ N0 , mit m ∈ {−l, −l + 1, . . . , +l} . Ein Teilchen der Masse M befinde sich nun in einem endlich tiefen sphärischen Potentialtopf der Form ( −V0 , r < R mit V0 > 0 . V (r) = 0, r >R Aufgrund der Radialsymmetrie wählen wir für die Wellenfunktion den Separationsansatz ψ(r, θ , ϕ) = f l (r) Ylm (θ , ϕ) . und definieren k2 ≡ 2M 2 ħ h ( (E + V0 ), r <R E, r >R . a) Zeigen Sie, dass die Funktion g l (z) ≡ f l (z/k) der sphärischen Bessel’schen Differentialgleichung 1 ∂2 l(l + 1) z− + 1 g l (z) = 0 z ∂ z2 z2 genügt, wenn ψ eine Lösung der stationären Schrödinger-Gleichung ist. b) Es existieren zwei Klassen von Lösungsfunktionen der sphärischen Bessel’schen Differentialgleichung, genannt sphärische Bessel-Funktionen jl (z) und Neumann-Funktionen nl (z) . Zeigen Sie, dass j0 (z) = sin z z , n0 (z) = − cos z z . Zeigen Sie außerdem, dass j0 (z) am Ursprung endlich ist (regulär), während n0 (z) am Ursprung divergiert (irregulär). 1 c) Wie lauten physikalisch akzeptable Lösungen des Problems im Innen- und Außenraum für l = 0 und Energien −V0 < E < 0 ? HINWEIS: Betrachten Sie für r > R den Grenzwert r → ∞ der sphärischen Hankel-Funktionen (1) (2) hl (z) ≡ jl (z) + inl (z), hl (z) ≡ jl (z) − inl (z) . d) Zeigen Sie, dass die Reformulierung g l (z) ≡ z l g̃ l (z) auf die Differentialgleichung g̃ l00 (z) + 2l + 2 z g̃ l0 (z) + g̃ l (z) = 0 führt. e) Sei g̃ l (z) eine Lösung der obigen Differentialgleichung zu gegebenem l . Zeigen Sie, dass dann p(z) ≡ g̃ l0 (z)/z eine Lösung zu l + 1 ist, d. h. dass man p(z) = g̃ l+1 (z) schreiben kann. Folgern Sie daraus, dass für beliebige l die Lösung g l (z) aus g0 (z) über g l (z) = (−z) l 1 ∂ l z ∂z g0 (z) abgeleitet werden kann. Dabei ist der Faktor (−1)l Konvention. HINWEIS: Betrachten Sie den Ausdruck ∂2 (zp(z)) . ∂ z2 f) Berechnen Sie j1 (z) und n1 (z) . Welche der beiden Lösungen ist regulär am Ursprung? Untersuchen (1) (2) Sie auch, ob h1 und/oder h1 als physikalische Lösungen für den Außenraum infrage kommen, wenn −V0 < E < 0 . g) Die Funktion f l (r) muss bei r = R stetig differenzierbar sein. Zeigen Sie, dass sich diese Forderung durch logarithmische Ableitungen gemäß d dr ln f l (innen) (r) = r=R d dr ln f l (außen) (r) r=R ausdrücken lässt. Bestimmen Sie daraus, wie groß V0 bei festem R > 0 mindestens sein muss, damit ein gebundener (l = 0)-Zustand existiert. In welchem Fall können sogar zwei (l = 0)Bindungszustände existieren? h) Im Schalenmodell des Atomkerns wird angenommen, dass sich jedes Nukleon (Proton oder Neutron) in einem mittleren Potential V (r) bewegt. Als Modell wird dabei oft der sphärische Potentialtopf verwandt. Der Kernradius R ist als Funktion der Massenzahl A des Kerns gegeben durch R = A1/3 · 1,2 fm . Für den Kern 16 O ist bekannt, dass die Bindungsenergie des 2s-Zustands (also l = 0) ausgesprochen klein ist. Schätzen Sie die Potentialtiefe V0 des Systems ab. hc ≈ 200 MeV fm . HINWEIS: Es gilt MNukleon ≈ 940 MeV/c2 und ħ 2 3. Hausübung Abgabe: Donnerstag, 22. Dezember 2016 in Vorlesung Regelung: • 4 Hausübungen, jeweils eine Woche Bearbeitungszeit, Abgabe in Donnerstag-Vorlesung • keine Besprechung, Lösungsvorschläge nach Abgabe online verfügbar • Notenbonus von 0,3/0,4 ab 50 % der Gesamtpunktzahl Aufgabe 1 Knotenzahl gebundener Zustände (5 Punkte) Die Wronski-Determinante zweier Funktionen y1 (x) und y2 (x) ist definiert durch W [ y1 , y2 ](x) ≡ y1 (x) y20 (x) − y10 (x) y2 (x) . Seien nun y1 (x) und y2 (x) Lösungen der Differentialgleichung yi00 (x) + Fi (x) yi (x) = 0, i ∈ {1, 2} . a) Zeigen Sie das Wronski’sche Theorem b W [ y1 , y2 ]a = b Z d x F1 (x) − F2 (x) y1 (x) y2 (x) . a b) Seien nun y1 (x) und y2 (x) reellwertige Lösungen der 1D-Schrödinger-Gleichung zu Energien "1 < "2 im diskreten Teil des Energiespektrums. Genauer gelte yi00 (x) + "i − V (x) yi (x) = 0 . Zeigen Sie, dass y2 (x) mindestens eine Nullstelle mehr besitzt als y1 (x) . Somit lassen sich die Bindungszustände durch ihre Knotenzahl charakterisieren. HINWEIS: Es genügt zu zeigen, dass y2 (x) zwischen zwei aufeinanderfolgenden Nullstellen von y1 (x) das Vorzeichen wechselt. Betrachten Sie dazu das Wronski’sche Theorem für geeignete Intervallgrenzen a, b . Was können Sie über y10 (x) zwischen zwei aufeinanderfolgenden Nullstellen von y1 (x) aussagen? Aufgabe 2 Hantelmolekül (5 Punkte) Wir betrachten nun ein Hantelmolekül, das aus zwei Elementarteilchen an den Orten ~x 1 und ~x 2 mit Massen m zusammengesetzt ist. Durch Rotation um das Zentrum lasse sich das Molekül innerlich anregen. Wir möchten nun die Eigenenergien dieser inneren Anregungen berechnen. Der Hamiltonoperator lautet ħ h2 Ĥ = − ∆~x 1 + ∆~x 2 2m mit der Randbedingung |~x 1 − ~x 2 | = const. a) Führen Sie eine geeignete Variablensubstitution durch, um Relativ- und Schwerpunktbewegung zu separieren: Ĥ = Ĥr (~r) + ĤS (~R) Die Bewegung des Schwerpunkts (S) soll im Folgenden vernachlässigt werden. 3 b) Führen Sie im Hinblick auf den konstanten Teilchenabstand eine Größe Θ ein, sodass Ĥr = 1 ˆ2 ~L (θ , ϕ) . 2Θ Welcher Größe entspricht Θ in der klassischen Mechanik? c) Berechnen Sie die Eigenwerte und Entartungsgrade dieses Hamiltonoperators und geben Sie die Eigenfunktionen an. d) Das Molekül sei zum Zeitpunkt t = 0 im Zustand ψ(θ , ϕ) = a cos2 (θ ) + sin2 (θ ) cos (2ϕ) . Stellen Sie ψ durch Linearkombination der Eigenfunktionen von Ĥ dar. HINWEIS: Recherchieren Sie die Kugelflächenfunktionen für l ≤ 2 und beachten Sie, dass ∗ Yl ,−m = (−1)m Ylm . e) Berechnen Sie mithilfe dieser Entwicklung die Wahrscheinlichkeit, bei einer Messung von ~ˆL 2 bei t = 0 die Werte 6ħ h2 , 2ħ h2 oder 0ħ h2 zu finden. Bestimmen Sie außerdem die Wahrscheinlichkeit, dass h2 und −2ħ h ergibt. eine simultane Messung von ~ˆL 2 und L̂3 die Werte 6ħ 4