64 7. PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNGEN: * Persönlichkeit = Gesamtheit der inneren Erfahrungen und des Verhaltens eines Individuums; bildet normalerweise eine integrierte Einheit besteht aus -> Persönlichkeitsmerkmalen, die konsistent und überdauernd und für den Betreffenden charakteristisch sind (= traits) -> daneben gibt es situationsspezifische Eigenschaften, die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit erlauben (= states) * Persönlichkeitsstörung = überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten, das von den Erwartungen der soziokulturellen Umwelt abweicht; => betroffene Bereiche: -> Denken -> Affektivität -> Beziehungsgestaltung -> Impulskontrolle => Beginnt meist in der Adoleszenz oder im früher Erwachsenenalter; => tiefgreifend und unflexibel; Person ist gleichsam unfähig zu states => führt zu Beeinträchtigungen und Leidenszuständen -> psychische, soziale oder berufliche Schwierigkeiten; ABER: Person hat keine Krankheitseinsicht! => schwer behandelbar => Prävalenz 4-15% UNTERSCHEIDUNG NACH ICD-10: Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F6): 1) Spezifische Persönlichkeitsstörungen 2) Kombinierte und sonstige Persönlichkeitsstörungen 3) Andauernde Persönlichkeitsveränderungen, die nicht Folge einer Schädigung oder Krankheit des Gehirns sind 4) Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle 5) Störungen der Geschlechtsidentität 6) Störungen der Sexualpräferenz 7) Psychische und Verhaltensstörungen in Verbindung mit der sexuellen Entwicklung und Orientierung 8) Sonstige Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen 9) nicht näher bezeichnete Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen Unterscheidung nach DSM-IV * Persönlichkeitsstörungen liegen auf der 2. Achse (wegen frühen Beginns und zeitlicher Konsistenz; wie z.B. geistige Behinderung) * Achse II-Störungen haben meist hohe Komorbidität, bestehen oft nebeneinander 65 * vorhandene Persönlichkeitsstörungen stellen Prädisposition für bestimmte Achse IStörungen dar * eingeteilt nach deskriptiven Ähnlichkeiten in 3 Gruppen (oft Überschneidungen hinsichtlich der Symptome -> Schwierigkeiten bei der Unterscheidung!) 1) Cluster A: sonderbare und exzentrische Verhaltensweisen: a) paranoide Persönlichkeitsstörung (mehr Männer) b) schizoide Persönlichkeitsstörung c) schizotypische Persönlichkeitsstörung (mehr Männer) 2) Cluster B: dramatisches, emotionales und launenhaftes Verhalten a) antisoziale Persönlichkeitsstörung (mehr Männer) b) Borderline Persönlichkeitsstörung (mehr Frauen) c) histrionische Persönlichkeitsstörung (gleich viele Männer wie Frauen) d) narzißtische Persönlichkeitsstörung (mehr Männer) 3) Cluster C: ängstliches und furchtsames Verhalten a) vermeidene-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung (gleich viele Männer wie Frauen) b) dependente Persönlichkeitsstörung c) zwanghafte Persönlichkeitsstörung (mehr Männer) 1. PARANOIDE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG: a) Diagnostische Merkmale: * tiefgreifendes Mißtrauen gegenüber anderen Menschen, denen alles als böswillig ausgelegt wird und von denen man sich nur Schlechtes erwartet; sind überzeugt, andere wollen sie ausbeuten und schädigend; Gefühl, daß sich alle gegen einen verschworen haben; Überzeugung, von anderen auch attackiert und verletzt zu werden -> häufige Beschuldigungen, übermäßiger Zweifel an der Loyalität und Glaubwürdigkeit der anderen * Person sucht selten Kontakt zur Umgebung; sieht in Äußerung der anderen nur Abwertung und Drohung; vergißt erlittene Kränkungen nie -> teilweise pathologische Eifersuchtsszenen * Verhalten = offensiv, streitbar * wiederholte Klagen oder feindselige Reserviertheit * Bedürfnis, die Mitmenschen zu kontrollieren * entwickeln negative Stereotypien zu anderen Menschen und sind nicht von ihrer vorgefaßten Meinung abzubringen 66 => hohe Komorbidität mit schweren depressiven Episoden, Alkohol- und Substanzmißbrauch; kann auch Vorläufer einer Wahnhaften Störung oder Schizophrenie sein b) Differentialdiagnose: muß abgegrenzt werden von -> Schizophrenie vom paranoiden Typ -> Wahnhafter Störung vom Typ mit Verfolgungswahn -> Affektiver Störung mit psychotischen Merkmalen (psychotische Symptome werden zu bestimmter Zeit akut, remittieren dann) 2. SCHIZOIDE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG: a) Diagnostische Merkmale: * Person ist sozialen Beziehungen gegenüber sehr zurückhaltend, wirkt gleichgültig * Gefühlsausdruck in zwischenmenschlichen Situationen ist eingeschränkt * Person ist Einzelgänger, ist lieber allein als in Gesellschaft; hat wenige bis keine Freunde * wenig Interesse an sinnlichen, körperlichen und zwischenmenschlichen Kontakten und an sexueller Aktivität * verminderte emotionale Reaktivität; eingeengte Affekte (Person kann Gefühl weder empfinden, noch zum Ausdruck bringen) * Person ist vor allem beeinträchtigt, wenn sie auf wichtige Lebensereignisse entsprechend reagieren soll * Mangel an sozialen Fertigkeiten -> oft beruflicher Bereich davon in Mitleidenschaft gezogen * Streßsituationen können psychotische Symptome auslösen -> Wahnhafte Störung oder Schizophrenie; depressive Episoden * tritt oft gemeinsam auf mit schizotypischer, paranoider oder vermeidend-unsicherer Persönlichkeitsstörung 67 b) Differentialdiagnose: * Unterschied zur Wahnhafter Störung, Schizophrenie oder Affektiver Störung mit psychotischen Symptomen: Zeitfaktors (schizotypische Persönlichkeitsstörung vorher!) * Unterschied zur Autistischen Störung und „Asperger-Störung“: weniger starke Beeinträchtigung der sozialen Interaktionen, kein Auftreten von stereotypen Verhaltensweisen * Unterschied zur Schizotypischen Persönlichkeitsstörung: keine kognitiven Beeinträchtigungen, keine Wahrnehmungsverzerrungen * Unterschied zur Paranoiden Persönlichkeitsstörung: kein tiefgreifendes Mißtrauen, keine paranoiden Ideen * Unterschied zur Vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung: keine Angst vor dem Zurückgewiesenwerden, sondern Verlangen nach sozialem Rückzug 3. SCHIZOTYPISCHE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG: a) diagnostische Merkmale: * Kinder von Eltern mit Schizophrenie bekommen entweder selbst Schizophrenie oder eine ähnliche Störung = schizotypische Persönlichkeitsstörung * zugrundeliegende soziale und zwischenmenschliche Defizite -> massives Unbehagen und Unfähigkeit zu zwischenmenschlichen Beziehungen * starke Beeinträchtigung der kognitiven Fertigkeiten * eigentümliches, bizarres Verhalten * oft kommen Beziehungsideen vor (Person ist überzeugt, daß zufällige Ereignisse mit ihr im Zusammenhang stehen (MERKE: Beziehungsideen sind nicht dasselbe wie Beziehungswahn [kommt vor bei Wahnhafter Störung oder bei Schizophrenie vom paranoiden Typ] * Neigung zu „magischem Denken“ (Person glaubt, übernatürliche Kräfte zu haben, die Gedanken anderer zu lesen und beeinflussen zu können) -> kann zu Veränderung der Wahrnehmung führen * sprachlicher Ausdruck voll Besonderheiten (z.B. Weitschweifigkeit), aber KEIN inkohärenter Ductus * paranoide Vorstellungen -> vermehrtes Mißtrauen anderen gegenüber 68 b) Differentialdiagnose: * Unterschied zur Wahnhaften Störung: * Unterschied zur Schizophrenie: * Unterschied zur Affektiven Störung mit psychotischen Symptomen: Zeitfaktor Zeitfaktor Zeitfaktor 4. ANTISOZIALE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG: a) Diagnostische Merkmale: * Hauptmerkmal = Verletzung und Mißachtung der Rechte anderer * Manipulation und Täuschung anderer (daher: Fremdanamnese!) * wurde früher bezeichnet als: Psychopathie, Soziopathie oder als Dissoziale Persönlichkeitsstörung * Betroffener muß mindestens 18 Jahre alt sein und Anzeichen des gestörten Sozialverhaltens schon vor dem 15. Lebensjahr gezeigt haben * Störung des Sozialverhaltens bedeutet, daß Person durch ihr Verhalten die in ihrer Gesellschaft gültigen Regeln und Normen verletzt (z.B. Aggressionen gegen Menschen und Tiere, Zerstörung fremden Eigentums, Diebstahl, Betrug, schwere Gesetzesübertretungen) * Betroffener kann sich auch als Erwachsener nicht an gesellschaftliche Normen anpassen -> immer wieder verletzt er Gefühle anderer, um einen Vorteil für sich selbst herauszuschlagen * rücksichtslos -> ausgeprägtes und andauernd verantwortungsloses Handeln * bagatellisiert die schädlichen Auswirkungen seines Handelns, ist überzeugt, daß alle für sein Wohl da sind * übersteigerte Selbsteinschätzung * fehlendes Mitgefühl * oberflächlicher Charme * Komorbidität: -> leiden oft an dysphorischen oder depressiven Verstimmungen, Angststörungen, Somatisierungsstörungen, Störungen der Impulskontrolle, zeigen Persönlichkeitsmerkmale der Borderline-Persönlichkeitsstörung. der histrionischen und der narzißtischen Störung 69 -> in der Kindheit oft Aufmerksamkeitsdefizite und Hyperaktivitätsstörungen, Mißbrauchserlebnisse und Vernachlässigung * Prävalenz: -> Männer 3% -> Frauen 1% -> in klinischen Einrichtungen 3-30% b) Differentialdiagnose: * zu antisozialem Verhalten kann es auch bei Schizophrenie, Manischer Episode oder Störung infolge Substanzmißbrauchs kommen -> um antisoziale Persönlichkeitsstörung diagnostizieren zu können, muß dieses Verhalten aber schon seit der Adoleszenz beobachtet worden sein! * antisoziale Persönlichkeitszüge müssen inflexibel, unangepaßt, überdauernd sein; funktionelle Beeinträchtigung oder subjektives Leiden verursachen -> dann Antisoziale Persönlichkeitsstörung 5. BORDERLINE-PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG: * Begriff von Otto KERNBERG -> sah Störung im Grenzbereich zwischen Neurose und Psychose (stimmt aber SO nicht...) * Hauptmerkmal = Instabilität in -> zwischenmenschlichen Beziehungen -> Affekten (deutliche Impulsivität) -> Selbstbild * Person bemüht sich verzweifelt, drohendes Verlassenwerden zu verhindern (glauben weil sie böse sind) * sehr empfindlich gegenüber Einflüssen aus der Umwelt * massive Ängste * Neigung zu Selbstverletzungen (vor allem Schneiden, Brennen) bis zu Selbstmorddrohungen (vor allem bei drohender Trennung oder Zurückweisung) und suizidalen Handlungen (8-10%) * instabiles Verhaltensmuster der Beziehungen: -> zuerst Idealisierung möglicher Bezugspersonen -> innerhalb kürzester Zeit Abwertung * stark schwankende Gefühle, dramatische Gefühlsänderungen, oft Zornausbrüche und sarkastische Handlungen 70 * oft Identitätsstörung aufgrund von -> instabiler Selbstwahrnehmung -> instabilem Selbstbild (Person ist überzeugt, sie wäre böse) * fühlen sich oft so, als würden sie nicht existieren -> Selbstverletzung, um sich zu spüren! * plötzliche Änderung von Berufswünschen, Wertvorstellungen, persönlichen Vorlieben * sehr große Impulsivität -> selbstschädigende Aktivitäten, wie Substanzmißbrauch, risikoreiches Geschlechtsverhalten, Glücksspiele * instabile Affekte: -> erhöhte Erregbarkeit, Angst, schwere depressive Episoden und Dysphorien; ABER: dauern nur wenige Stunden bis Tage -> Abwechseln von Wut und Angst; -> chronisches Gefühl der inneren Leere * Kontrolle der Emotionen fällt schwer -> fühlt sich leicht gelangweilt -> ständig auf der Suche nach prickelnden Situationen („sensation seeking behaviour“), um sich zu spüren * Umgebung erlebt Person wegen ihrer sarkastischen Art oft als zurückweisend, verbittert, verweigernd * als Folge von belastenden Erlebnissen -> paranoide Vorstellungen und Depersonalisationssymptome * Komorbidität: -> oft affektive Störungen oder Störungen infolge von Substanzmißbrauch -> körperliche Behinderungen infolge des selbstschädigenden Verhaltens * in der Kindheit: -> Mißbrauch -> Verlusterlebnisse -> Trennungserlebnisse * Prävalenz: 2% b) Differentialdiagnose: Borderline schaut fast genauso aus wie Affektive Störung, aber: -> früher Beginn und -> lange Dauer müssen gegeben sein, um Borderline diagnostizieren zu können 71 6. HISTRIONISCHE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG: a) Diagnostische Merkmale: * ist die „Hysterische Persönlichkeit“ von FREUD * Hauptmerkmal: -> tiefgreifende, übertriebene Emotionalität; -> übermäßiges Streben nach Aufmerksamkeit * Person will ständig im Mittelpunkt stehen, ist verärgert, wenn das nicht der Fall ist * versucht durch dramatische Aktionen, Enthusiasmus und Koketterie Aufmerksamkeit auf sich zu lenken * sexuelles Verhalten oft unangepaßt provokant und verführerisch; wird in den meisten sozialen und beruflichen Beziehungen eingesetzt * körperliche Erscheinung ist der Person äußerst wichtig * übertriebener Gefühlsausdruck, Neigung zum Dramatisieren * eigene Gefühle und die Gefühle anderer der Person gegenüber werden übertrieben * gezeigte Emotionen wirken oft unecht und vorgetäuscht, schnelles Verfallen von einer Gefühlsdimension in eine andere * Person ist leicht zu beeinflussen von Modeerscheinungen und ihr wichtigen Autoritätspersonen * Person sieht zwischenmenschliche Beziehungen weit persönlicher als sie in Wirklichkeit sind * Schwierigkeit, in emotionalen oder sexuellen Beziehungen echte emotionale Tiefe zu empfinden * Person versucht, Partner durch emotionale Verführung zu kontrollieren und zu manipulieren, stellt aber andererseits eine deutliche Abhängigkeit zur Schau * Person sucht nach unmittelbarer Befriedigung und ungewöhnlichen Aufregungen * Um Aufmerksamkeit zu erlangen, auch Suiziddrohungen 72 * Komorbidität: -> Somatisierungsstörungen -> Konversionsstörungen -> depressive Episoden * Prävalenz: -> 2-3% -> doppelt soviele Frauen wie Männer -> bei geschiedenen oder getrennt lebenden Personen häufiger als Personen in einer Partnerschaft b) Differentialdiagnose: Personen mit Histrionischer Persönlichkeitsstörung zeigen oft auch Merkmale von -> Borderline-Persönlichkeitsstörung -> Narzißtischer Persönlichkeitsstörung 7. NARZIßTISCHE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG: a) Diagnostische Merkmale: * Hauptmerkmal: -> Gefühl der Großartigkeit -> Bedürfnis nach Bewunderung -> Mangel an Einfühlungsvermögen * Person nimmt sich in übertriebenem Maß selbst wichtig * Neigung zu Selbstüberschätzung * Phantasien von Macht, Erfolg, idealer Liebe * sieht sich selbst als einzigartig -> erwartet das auch von der Umgebung * umgibt sich nur mit Menschen, die sie so sehen wie sich selbst * erhält Person nicht die erwartete Bewunderung -> Unsicherheit * erwartet überall bevorzugte Behandlung * oft unsensibel anderen gegenüber (nützt sie aus, setzt sich über deren Wünsche und Bedürfnisse hinweg, ohne es zu merken) * oft neidisch auf andere wegen Besitz und Erfolg; überzeugt, andere wären neidisch auf sie * Verhalten wirkt arrogant, überheblich, snobistisch, verächtlich, herablassend 73 * reagiert auf Kritik oder Niederlage äußerst verletzlich -> empfindet das als massive Erniedrigung -> Folge: Gefühle der Scham und Demütigung -> sozialer Rückzug, depressive Episoden b) Differentialdiagnostik: tritt oft gemeinsam auf mit: -> histrionischer Persönlichkeitsstörung -> antisozialer Persönlichkeitsstörung -> Borderline-Persönlichkeitsstörung zu unterscheiden von: -> Manie -> Hypomanie -> Depression 8. VERMEIDEND-SELBSTUNSICHERE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG: a) Diagnostische Merkmale: * Hauptmerkmal: -> soziale Gehemmtheit -> Überempfindlichkeit -> Insuffizienzgefühle gegenüber negativen Beurteilungen der Umgebung * Person hat dauern Angst vor Zurückweisung und Kritik -> meidet schulische und berufliche Situationen, in denen sie dem ausgesetzt sein könnte * Person hat auch Angst vor Beziehungen -> schreckt vor neuen Freundschaften zurück, meidet Gruppenaktivitäten (Angst, lächerlich gemacht zu werden!) * Person ist überzeugt, daß Gruppe auf sie negativ reagiert -> verminderte Wahrnehmungsschwelle (fühlt sich von geringster Kritik schwer verletzt, verhält sich still, schüchtern und gehemmt) * geringe Selbstachtung; Zweifel an der eigenen Kompetenz, empfindet sich unattraktiv, unterlegen, unbeholfen * geht selten Risiko ein * verfolgt neue Ideen nicht weiter -> großes Bedürfnis nach Sicherheit! * dadurch oft eingeschränkte Lebensweise! * Aufgrund des angespannten Verhaltens der Person reagiert Umwelt gelegentlich wirklich mit Spott -> verstärkt die Problematik der Person -> sozialer Rückzug -> Isolation von der Umwelt. 74 * Komorbidität: Person hat auch oft: -> affektive Störungen -> Angststörungen * Prävalenz: 0,5-1% b) Differentialdiagnose: Muß unterschieden werden von: * Sozialer Phobie (ähnliche Zustände!) * Panikstörung mit Agoraphobie (vermeidendes Verhalten NACH einer Panikattacke; bei Vermeidend-Unsicherer Persönlichkeitsstörung vermeidendes Verhalten auf keine ersichtliche Ursache zurückzuführen, überdauerndes Verhalten) * ähnliche Merkmale wie bei Dependenter, Schizoider, Schizotypischer, Paranoider Persönlicekeitstörung 9. Dependente Persönlichkeitsstörung: a) Diagnostische Merkmale: * Hauptmerkmal: -> überstarkes Bedürfnis nach Fürsorge -> anklammerndes Verhalten -> Trennungsängste * Person glaubt, ohne Unterstützung anderer nicht lebensfähig zu sein * hat große Schwierigkeiten im Alltag beim Treffen von Entscheidungen * verhält sich meist passiv, übergibt der Umwelt die Verantwortung für ihr Leben * kommt oft vor bei Menschen, -> die an schwerer oder chronischer Krankheit leiden -> deren Selbstverantwortlichkeit von den Eltern nicht zugelassen wurde * große Angst vor Verlust von Zuneigung und Unterstützung -> Person neigt dazu, allem zuzustimmen, traut sich nicht die eigene Meinung zu äußern * zeigt kein Selbstvertrauen, hält sich für völlig unfähig * begibt sich oft in unangenehme Situationen, um Zuneigung anderer zu erhalten * geht Beziehungen nur ein, um Fürsorge zu bekommen * zeigt erhebliche Trennungsangst 75 * geht um jeden Preis eine Bindung ein, um Schutz zu erhalten * Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit * soziale Beziehungen auf wenige Personen beschränkt * Komorbidität: tritt oft auf mit: -> affektiven Störungen -> Angststörungen -> Borderline-Persönlichkeitsstörung -> Vermeidend-Selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung -> histrionischer Persönlichkeitsstörung b) Differentialdiagnostik: * bei affektiven Störungen: KEINE Abhängigkeit * bei Angststörungen: KEINE Abhängigkeit 10. ZWANGHAFTE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG: a) Diagnostische Merkmale: * übermäßig starke Beschäftigung mit Ordnung und Perfektion von Handlungen und Situationen -> versuchen Kontrolle über ihre Umgebung zu erlangen * Um Kontrollbedürfnis zu befriedigen -> Klammern an Regeln und Formalismen, verlieren dabei eigentliche Aktivität aus dem Auge * übertriebene Sorgsamkeit selbst für kleinste Details (gelangen daher oft nicht ans Ziel!) * hohe Leistungsansprüche und Perfektionismus -> beträchtliches Leid * kann sich von nichts trennen -> Sammelwut * wird von Umgebung als geizig beschrieben * oft Konflikte im Beruf, da Person alles allein machen will und das nach einem starren Muster * stures Beharren auf eigener Meinung -> Umgebung zieht sich frustriert zurück * Komorbidität: tritt auf mit -> affektiven Störungen -> Angststörungen 76 b) Differentialdiagnose: Unterschied zur Zwangsstörung: KEINE Zwangsvorstellungen und Zwangshandlungen ÄTIOLOGIE VON PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNGEN * genetische Disposition: -> Zwillings- und Adoptionsstudien brachten aber bisher KEINE Beweise * psychodynamische Theorien: -> in früher Kindheit: Zurückweisungen und Liebesmangel -> daraus entsteht: > bei Paranoider Persönlichkeitsstörung: grundlegendes und übermäßiges Mißtrauen > bei Schizoiden Persönlichkeitsstörung: extremer sozialer Rückzug > bei Antisozialer Persönlichkeitsstörung: emotionale Distanz zu allen Beziehungen, Bindung kann nur über Ausüben von Macht und Destruktivität eingegangen werden > bei Borderline-Persönlichkeitsstörung: Verlust des Selbstwertgefühls -> erhöhte Abhängigkeit von den Eltern –> verminderte Fähigkeit, Trennungen zu bewältigen * kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze: -> Dependente Persönlichkeitsstörung: > Ursache = unangepaßte Überzeugungen und dichotomes Denken; > Umwelt spielt große Rolle bei der Förderung von Abhängigkeiten -> Zwanghafte Persönlichkeitsstörung: > unlogische Denkprozesse spielen eine große Rolle > dichotomes Denken im Vordergrund -> führt zu Perfektionismus und Rigidität > Übertreibungen enden oft in Katastrophendenken 77 THERAPIE VON PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNGEN: * Patienten kommen oft wegen einer Achse I - Störung in Behandlung (z.B. Drogenmißbrauch, Eßstörungen, Angstsyndrom, Depression,...) -> dabei wird Persönlichkeitsstörung entdeckt; ist dann schwierig zu behandeln, weil Behandlung oft hinter Behandlung der Achse-I- Störung zurücktritt * tiefenpsychologische Konzepte: -> Objekt-Beziehungs-Therapie (KERNBERG, KOHUT): Entwicklung des Selbst und der anderen unter Einbeziehung von Phantasien und Emotionen, die einen zwischenmenschlichen Kontakt beeinflussen, wird gefordert * Kognitive Verhaltenstherapie: -> Systematische Desensibilisierung (z.B. Meinungsverschiedenheiten besser ertragen lernen) -> Training sozialer Fertigkeiten -> Analyse logischer Denkfehler und Schemata (z.B. wie in Kognitiver Therapie von BECK) BEISPIEL: Borderline-Störung => kognitives Schema einer Borderline-Störung könnte folgendermaßen aussehen: 1) Welt ist gefährlich und böse 2) Person ist verletzlich und machtlos 3) Person wird von anderen nicht akzeptiert => Dialektische Verhaltenstherapie von LINEHAM: -> Therapeut muß der Borderline-Persönlichkeit volles Verständnis entgegen bringen -> Patient soll seine Neigungen zum Ausdruck bringen und ausagieren dürfen -> Therapeut versucht dabei emphatisch, die dysfunktionalen Ansichten zurechtzurücken -> Patient soll bei Problemlösung unterstützt werden; -> Patient soll eine effektivere und sozial akzeptablere Weise des Umgangs mit Alltagsproblemen lernen -> Patient soll seine Emotionen kontrollieren lernen -> Selbstsicherheitstraining, um zwischenmenschliche Fertigkeiten zu verbessern