Vorlesung 15

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Psychiatrie
Vor 15
Persönlichkeitsstörungen
Definition: Unter Persönlichkeitsstörungen werden tief
verwurzelte, anhaltende und weitgehend stabile
Verhaltensmuster verstanden, die sich in starren Reaktionen
auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen
zeigen. In vielen Fällen gehen diese Störungen mit
persönlichem Leiden und gestörter sozialer
Funktionsfähigkeit einher. Gegenüber der Mehrheit der
Bevölkerung zeigen sich deutliche Abweichungen im
Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in Beziehungen zu
anderen.
Die einzelnen Formen der Persönlichkeitsstörungen werden nach
den vorherrschenden Verhaltensmustern klassifiziert
Persönlichkeitszüge unterscheiden Menschen voneinander und
sind meist über Zeit und Situation stabil.
Fünf Persönlichkeitsfaktoren werden immer wieder beschrieben
(„Big-five-model"): Extraversion, Verträglichkeit,
Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus, Offenheit.
Störungen der Persönlichkeit beschreiben Extremvarianten einer bestimmten
Persönlichkeit.
Wesentliche Kriterien sind: Dominanz eines bestimmten Merkmals,
relevante Störung von subjektivem Befinden, sozialer Anpassung oder
beruflicher Leistungsfähigkeit, Stabilität der Störung, Auswirkung auf
vielfältige Bereiche des alltäglichen Lebens.
Der Versuch einer Klassifikation von Abweichungen der Persönlichkeit bleibt
oft unbefriedigend. Wichtige Einteilungen sind:
dimensionaler Ansatz: Beschreibung der Veränderung einzelner
Persönlichkeitszüge
kategorial-typologischer Ansatz: Beschreibung komplexer, typischer
Muster.
In der ICD-10 und im DSM-IV werden einerseits spezifische Typen der
Persönlichkeitsstörung an Hand vorgegebener Kriterien definiert,
andererseits bleibt es durchaus möglich (und erwünscht), unterschiedliche
Störungsformen auf verschiedenen Achsen bzw. als zusätzliche Störung zu
kombinieren (z. B. „mittelgradige depressive Episode und anankastische
Persönlichkeitsstörung").
Persönlichkeitsänderungen werden im Gegensatz zu den früh beginnenden
Persönlichkeitsstörungen im späteren leben erworben (nach schweren
Belastungen, psychiatrischen Störungen oder Hirnerkrankungen)
Historisches:
Nach der Säftelehre des Hippokrates wurden folgende Typen unterschieden:
Sanguiniker: leichtblütig, wechselhafte Stimmungen
Melancholiker: schwerblütig, schwermütig
Choleriker: heftig, leicht erregbar
Phlegmatiker: kaltblütig, schwer erregbar.
Ernst Kretschmer (1888-1964) unterschied in seinem Buch „Körperbau und
Charakter" drei Körperbautypen (Konstitutionslehre):
Pykniker: breitwüchsig, gedrungen, zu affektiven Beschwerden neigend
Leptosomer: schmal, zur „Schizothymie" neigend
athletischer Typ: breitschultrig, muskulös, zur Epilepsie neigend.
Nach Kurt Schneider sind abnorme Persönlichkeiten Extremvarianten einer
bestimmten Wesensart. Als psychopathisch wurden nach diesem Konzept
diejenigen bezeichnet, „die unter ihrer Abnormität leiden oder unter deren
Abnormität die Gesellschaft leidet". Er unterschied verschiedene Typen der
Psychopathie (z. B. hyperthymisch, depressiv, selbstunsicher)
Epidemiologie:
Die Angaben über die Häufigkeit schwanken sehr stark.
Persönlichkeitsstörungen haben in der Allgemeinbevölkerung eine
Prävalenzrate von etwa 11 %. Für psychiatrisch behandelte Patienten
werden Prävalenzraten bis zu 50% genannt.
Die häufigsten Formen sind: dependente, dissoziale/antisoziale,
histrionische, Borderline-Persönlichkeitsstörung.
Die Geschlechtsverteilung ist je nach dem Typ der Störung
unterschiedlich.
Atiopathogenese:
Es existieren unterschiedliche Modelle.
Aus psychodynamischer Sicht sind Störungen in frühen Entwicklungsstufen
bedeutsam. Eine Störung in der
-oralen Phase führt zu forderndem und abhängigem Verhalten
-analen Phase bewirkt zwanghaftes und rigides Verhalten
-phallischen Phase führt zu oberflächlichen Emotionen und Unfähigkeit zu
intimen Beziehungen.
Die Begriffe Charakterneurose und Persönlichkeitsstörung werden häufig
synonym verwendet. Im Gegensatz zu den Symptomneurosen (z. B
neurotische Angst) ist das leidensgefühl bei diesen Störungen diffuser und
nicht um ein bestimmtes Symptom zentriert.
Als Borderline-Störung (Borderline = Grenzfall) wird ein Beschwerdebild
bezeichnet, das neurotische, psychotische und Symptome von
Persönlichkeitsstörungen umfassen soll. Als Ursache wird eine Störung in
den frühen Phasen der kindlichen Entwicklung angenommen. Durch
Persistieren des psychischen Mechanismus der Spaltung kommt es zur
instabilen Eigenwahrnehmung und zur Identitätsdiffusion.
Aus der Sicht der Lerntheorie stellen Persönlichkeitsstörungen gelerntes
Verhalten dar. Die Prinzipien des operanten Konditionierens
(Verhaltensmodifikation durch positive/negative Verstärkung) sowie des
Modell-Lernens (Verhaltensmodifikation durch das Beispiel anderer
Menschen) führen dazu, dass spezifische, angelegte Verhaltensweisen in
extremer Weise über- bzw. unterentwickelt sind. Dadurch werden auf der
kognitiven Ebene spezifische Überzeugungen verhärtet, die die Einstellung
des Patienten zu sich selbst und zur Umwelt prägen.Die subjektive
Vorstellung über das Selbstbild und über das Bild vom Mitmenschen prägen
die Verhaltensstrategien und die damit verknüpften Affekte.
Neurobiologischen Ursachen kommt eine zunehmend größere Bedeutung
zu. Schon in der Kindheit und Jugend lassen sich nicht selten Zeichen der
„minimal brain dysfunction" erkennen. Veränderungen im frontalen Kortex
werden diskutiert.
Aus Familienstudien gibt es Befunde bezüglich der genetischen Veranlagung.
Diese betreffen insbesondere dissoziale und Borderline-Störungen.
Symptomatik und klinische Subtypen
Auffälliges Verhalten tritt besonders im Bereich der Affektivität,
des Antriebs, der Impulskontrolle, der Wahrnehmung, des
Denkens und der Beziehungen zu anderen auf. Meist
bestehen deutliches subjektives Leiden und eine
Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit.
Die Unterteilung in einzelne Formen unterscheidet sich je nach
Diagnoseschema.
Im DSM-IV werden die Persönlichkeitsstörungen in drei Gruppen
eingeteilt:
Gruppe A: „sonderbar", „exzentrisch"
Gruppe B: „dramatisch, emotional oder launisch"
Gruppe C: „ängstlich und furchtsam".
Es gelingt nicht immer, alle Auffälligkeiten eines Patienten
zwanglos einer Unterform zuzuordnen. Es können Züge aus
verschiedenen Formen miteinander kombiniert werden.
Paranoide Persönlichkeitsstörung
Definition: Durchgängige und ungerechtfertigte Neigung, in
verschiedensten Situationen die Handlungen anderer als absichtlich
erniedrigend oder bedrohlich zu interpretieren.
Wesentliche Merkmale sind: ausgeprägtes Misstrauen, übertriebene
Empfindlichkeit rigides, streitsüchtiges Beharren auf vermeintlichen
eigenen Rechten, Vermeiden engerer Kontakte und Neigung zu
pathologischer Eifersucht.
Fanatische Persönlichkeit: Kampf für eine überwertige Idee.
Querulatorische Persönlichkeit: Kampf gegen vermeintliches Unrecht.
Schizoide Persönlichkeitsstörung
Definition: In den verschiedensten Situationen auftretendes,
durchgängiges Verhaltensmuster, das durch Gleichgültigkeit gegenüber
sozialen Beziehungen und eingeschränkte emotionale Erlebnis- und
Ausdrucksfähigkeit gekennzeichnet ist.
Im Vordergrund stehen Auffälligkeiten im affektiven Bereich. Die Patienten
sind reserviert, scheu, zurückgezogen und emotional kühl. Das
Verhalten ist einzelgängerisch; enge Beziehungen fehlen.
Schizotype Persönlichkeitsstörung
Definition: Das Hauptmerkmal ist ein in den verschiedensten Situationen
auftretendes durchgängiges psychisches Muster, das durch
Eigentümlichkeiten in der Vorstellungswelt, der äußeren Erscheinung, des
Verhaltens sowie durch einen Mangel an zwischenmenschlichen
Beziehungen gekennzeichnet ist.
Die Abgrenzung der schizotypen Persönlichkeitsstörung zu schizophrenen
Psychosen ist nicht immer klar. Auffällig sind ein kalter und unnahbarer
Affekt, seltsames und exzentrisches Verhalten, fehlende soziale Bezüge
und sozialer Rückzug. Es können Beziehungsideen und bizarre
Überzeugungen auftreten, die jedoch die Wahnkriterien nicht vollständig
erfüllen.
Dissoziale (antisoziale) Persönlichkeitsstörung
Definition: Hauptmerkmal ist ein Muster von verantwortungslosem und
antisozialem Verhalten, das in der Kindheit oder frühen Adoleszenz beginnt
und bis ins Erwachsenenalter fortdauert.
Die Betroffenen können sich nicht an gesellschaftliche Normen anpassen,
sie begehen deshalb wiederholt strafbare Handlungen. Die
Frustrationstoleranz ist gering, aus Erfahrung wird wenig oder nicht gelernt.
Die Störung des Sozialverhaltens beginnt schon vor der Vollendung des 15.
Lebensjahres
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline-)
Definition: Persönlichkeitsstörung mit wechselnder und launenhafter
Stimmung und deutlicher Tendenz, Impulse ohne Rücksicht auf
Konsequenzen auszuagieren.
Gemeinsames Merkmal dieser Störungen ist eine Instabilität im impulsiven,
affektiven und zwischenmenschlichen Bereich.
Für den impulsiven Typ ist die mangelnde Impulskontrolle kennzeichnend.
Die Borderline-Störung ist vorwiegend durch eine Instabilität des eigenen
Selbstbildes, der inneren Ziele und der subjektiven Präferenzen
gekennzeichnet. Es findet sich häufig potenziell selbstschädigendes
Verhalten. Bei ausgeprägten Störungen kommt es wiederholt zu
Suiziddrohungen und Suizidversuchen. Auch Selbstverletzungen sind zu
beobachten.
Die Borderline-Störung wird zu den sog. frühen Störungen gerechnet.
Traumatisierungen spielen oft eine wesentliche Rolle, sind aber keine
Vorbedingung für diese Persönlichkeitsstörung.
Im klinischen Alltag kommt den Persönlichkeitsstörungen vom Borderline-Typ
eine zunehmend größere Bedeutung zu. Patienten mit diesen Störungen
erweisen sich in der Therapie oft als ausgesprochen problematisch und
weisen lange und chronifizierte Krankheitsverläufe auf.
Histrionische Persönlichkeitsstörung
Definition: Die histrionische Persönlichkeitsstörung ist
vorwiegend gekennzeichnet durch ein durchgängiges Muster
von übermäßiger Emotionalität und übermäßigem Verlangen
nach Aufmerksamkeit.
Personen mit dieser Störung zeigen oft ein theatralisches
Verhalten mit übertriebenem Ausdruck von Gefühlen. Sie
erwarten ständig Bestätigung, Anerkennung oder Lob von
anderen. Die Emotionen sind oft oberflächlich und leicht durch
andere beeinflussbar. In zwischenmenschlichen Beziehungen
übertreiben sie leicht und spielen oft eine Rolle, wie etwa die
der „Prinzessin" oder des immerwährenden „Opfers". Diesem
Auftreten steht oft eine ausgeprägte Sensibilität und
Verletzbarkeit gegenüber.
Diese Persönlichkeitsstörung tritt gehäuft mit dissoziativen
und Konversionsstörungen auf.
Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung
Definition: Das Hauptmerkmal ist ein durchgängiges Muster von
Perfektionismus und Starrheit sowohl im Denken als auch im
Handeln.
Die Betroffenen befinden sich typischerweise im Konflikt zwischen dem
Streben nach Perfektion und den von ihnen selbst gesetzten,
übermäßig strengen und oft unerreichbaren Normen. Wie gut ihre
Leistungen auch sind, sie erscheinen ihnen als „nicht gut genug".
Arbeit und Produktivität werden leicht über Vergnügungen und
zwischenmenschliche Beziehungen gestellt.
Aufgrund einer ausgeprägten Unentschlossenheit werden
Entscheidungen immer wieder hinausgeschoben, meist als Ausdruck
einer übertriebenen Furcht vor Fehlern.
Personen mit dieser Störung sind häufig außerordentlich gewissenhaft
und spielen gerne den „Moralapostel". Sie nehmen alles sehr genau,
sowohl bei sich als auch bei anderen. Häufig treten depressive
Verstimmungen und Zwangserkrankungen auf.
Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung
Definition: Hauptmerkmal ist ein durchgängiges Muster von Anspannung
und Besorgtheit, Angst vor negativer Beurteilung und Schüchternheit.
Die Betroffenen sind durch Kritik von anderen übermäßig leicht verletzbar.
Soziale oder berufliche Aktivitäten, bei denen engere zwischenmenschliche
Kontakte gefordert sind, werden meist vermieden. Potenzielle Probleme,
Gefahren oder Risiken werden übertrieben. So wird beispielsweise eine
Beförderung aus Angst vor höheren beruflichen Anforderungen abgelehnt
Abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstörung
Definition: Hauptmerkmale sind eine Selbstwahrnehmung als hilflos und
inkompetent sowie die Überlassung der Verantwortung für wichtige Bereiche
des eigenen Lebens an andere.
Die Betroffenen sind kaum in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen.
Sie fühlen sich meist beim Alleinsein sehr unbehaglich und entwickeln
ausgeprägte Ängste vor dem Verlassenwerden. Es besteht eine
unverhältnismäßige Nachgiebigkeit gegenüber den Wünschen anderer.
Durch Kritik oder Ablehnung sind diese Personen leicht zu verletzen. Häufig
Kombination mit selbstunsicherer oder schizotypischer
Persönlichkeitsstörung, Angst, Depression.
Weitere Formen von Persönlichkeitsstörungen
Die narzisstische Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch ein
durchgängiges Muster von „Großartigkeit" in Phantasie oder Verhalten,
Überempfindlichkeit gegenüber der Einschätzung durch andere und Mangel
an Einfühlungsvermögen aus. Das Selbstwertgefühl ist oft sehr instabil.
Bei der passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörung wird ein indirekter
(passiver) Widerstand gegen Anforderungen an das eigene Verhalten
geleistet. Der Widerstand drückt sich meist indirekt in Trödelei, Bockigkeit,
absichtlich herbeigeführter Ineffizienz und „Vergesslichkeit" aus.
sensitive Persönlichkeitsstörung
erregbare (explosible) Persönlichkeitsstörung
Die hyperthyme Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch fröhliche
Grundstimmung, lebhaftes Temperament und ausgeprägte Aktivität aus.
Auch eine depressive Verstimmung kann vorkommen
Depressive Persönlichkeitsstörung s. Dysthymia,
Bei den artifiziellen oder vorgetäuschten Störungen werden körperliche und/
oder psychische Symptome selbst herbeigeführt, vorgetäuscht oder
übertrieben.
Unter Stalking wird das dauerhafte Belästigen oder Bedrohen einer anderen
Person verstanden. Häufig wird Stalking von früheren Beziehungspartnern
Diagnostik und Differenzialdiagnose
Diagnostik: Symptome sind nicht auf Hirnschädigung oder andere
psychische Störung zurückzuführen, andauerndes und unpassendes
Verhaltensmuster, subjektives Leiden, Einschränkung der beruflichen und
sozialen Leistungsfähigkeit.
Für die Diagnose müssen nicht sämtliche Kriterien einer Unterform vorhanden
sein. Die Kriterien beschreiben lediglich die häufigsten und auffälligsten
Störungsmuster.
Zur Diagnose gehört eine Fremdanamnese. Kulturelle Besonderheiten
müssen berücksichtigt werden.
Zur Erfassung und Beschreibung von Persönlichkeitszügen werden
unterschiedliche psychologische Testverfahren eingesetzt
Dem Freiburger Persönlichkeits-Inventar (FPI) liegt ein mehrdimensionales
Persönlichkeits-Konzept zu Grunde. Aus den Antworten auf 138
Selbstbeschreibungen wird ein Profil mit 12 verschiedenen psychischen
Dimensionen erstellt.
Das Minnesota Multiphasic Personality Inventory (MMPI) hat 566 Items.
Weitere Fragebögen sind der 16-Persönlichkeitsfaktoren-Test (16 PF), der
Münchener Persönlichkeits-Test (MPT), die Psychopathie-Checkliste (PCL)
und der Gießen-Test (GT, auch für die Paardiagnostik).
Durch den Einsatz projektiver Testverfahren sollen
Persönlichkeitszüge, Einstellungen und Konflikte erfasst
werden. Wichtige Methoden sind:
Formdeuteversuch nach Rorschach
Thematischer Apperzeptions-Test (TAT).
Projektive Testverfahren sind aufwendiger und empirisch nicht gut
untersucht. Sie spielen deshalb in der Routinediagnostik von
Persönlichkeitsstörungen eine geringe Rolle.
Differenzialdiagnose:
Ausgeschlossen werden muss praktisch jedes andere
psychiatrische Krankheitsbild. Diagnostisch wichtig ist auch
der Verlauf (überdauerndes Verhaltensmuster).
Persönlichkeitsstörungen sind keine „Verdünnungsformen"
von Psychosen, sondern eine eigenständige Störungsform.
Persönlichkeitsänderungen sind Folgen anderer psychischer
Erkrankungen oder massiver traumatisierender Erlebnisse (z.B.
nach Extrembelastung).
Therapie
Bei der Therapie von Persönlichkeitsstörungen werden hauptsächlich
psychotherapeutische und soziotherapeutische Verfahren eingesetzt.
Bei Persönlichkeitsstörungen ist das Ziel der Therapie meist keine „Heilung",
sondern eine längerfristige und möglichst tragfähige Kompensation der
bestehenden Auffälligkeiten und Einschränkungen.
Die Motivation des Patienten ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg
der Therapie. Diese ist jedoch häufig nicht ausreichend gesichert.
Als erster Schritt muss eine tragfähige therapeutische Beziehung aufgebaut
werden. Besonders die Verbesserung der psychosozialen Kompetenz,
Strukturierung des psychosozialen Umfeldes, Bearbeitung dysfunktionaler
Ziele und Verhaltensmuster und Generalisierung des Erlernten im Umfeld
sind wichtig.
Psychopharmaka werden meist nur unterstützend oder bei komorbiden
Erkrankungen eingesetzt. Bei zusätzlich auftretenden Angst-Störungen und
bei depressiven Störungen müssen oft Antidepressiva eingesetzt werden.
Serotonerge Psychopharmaka können bei aggressivem und bei
gewalttätigem Verhalten hilfreich sein.
Verlauf
Typisch sind ein Beginn in der Kindheit oder Jugend sowie die
Manifestation auf Dauer im Erwachsenenalter. Trotz der weitgehenden
Stabilität der Persönlichkeitsmerkmale werden Schwankungen im
subjektiven Leiden oder an den Folgen beobachtet.
Im höheren Lebensalter nehmen in aller Regel die subjektive Beeinträchtigung
und das Ausmaß der Störung ab.
Ein häufiges Merkmal ist der Missbrauch psychotroper Substanzen (Alkohol,
Drogen).
Etwa 1/3 der Patienten haben einen günstigen, 1/3 einen partiell günstigen und
1/3 einen ungünstigen Langzeitverlauf mit stark eingeschränkter sozialer
Anpassung.
Komorbidität
Etwa 2A der Patienten mit Persönlichkeitsstörungen weisen zusätzlich auch
eine weitere psychische Störung auf. Die häufigsten komorbiden
Erkrankungen sind: Angststörungen, depressive Störungen, Essstörungen,
Abhängigkeitserkrankungen.
Es ist klinisch oft schwierig zu entscheiden, welche Störung die jeweils primäre
ist.
Therapie
Definition: Inhalt und Ziel der psychiatrischen Therapie sind die
Besserung, Heilung und Rückfallverhütung von psychischen
Störungen.
Sie basiert auf drei Säulen:
-biologisch-somatische Therapieverfahren (v.a.
Psychopharmakotherapie)
-Psychotherapie
-Soziotherapie.
Basis der psychiatrischen Therapie ist das ärztliche,
personenzentrierte, zeitaufwändige (!) Gespräch.
Aufgrund der multifaktoriellen Ätiopathogenese besteht die
Behandlung meist in einer Kombination der 3 Säulen.
Besonderheiten der psychiatrischen Therapie:
Der Krankheitsbegriff ist bei leichteren Störungen nicht immer scharf von
der Spielbreite des Normalen abzugrenzen. Die Indikationsstellung für
eine psychiatrische Behandlung an Hand von Diagnosekriterien ist daher
sorgfältig zu stellen.
„Psychagogische Maßnahmen" werden z.T. bei leichten Verhaltens- und
Anpassungsstörungen angewandt.
Da psychiatrische Erkrankungen z.T. zur Chronifizierung neigen bzw. mit
Funktionseinbußen einhergehen, bedarf die Versorgung psychisch Kranker
besonderer Rehabilitationseinrichtungen.
Durch die Rezidivneigung mancher Erkrankungen sind Prophylaxe und
Nachsorge besonders wichtig.
Fehlende Krankheitseinsicht kann die Unterbringung und Behandlung gegen
den Willen des Patienten erforderlich machen.
Für einzelne Krankengruppen existieren Spezialeinrichtungen (z.B.
Fachkrankenhäuser für Suchtkranke oder psychisch kranke Rechtsbrecher).
Die Behandlung erfolgt v. a. im stationären Sektor durch ein
multiprofessionelles Team. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, einen
individuumzentrierten Gesamtbehandlungsplan aufzustellen.
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