Zwangsstörungen SS 2014 Dr. J. Herrlich, Dipl.-Psych. Schwerpunkt Zwangserkrankung 18.07.2014 0 Was ist Angst? • Unangenehm erlebter Erregungsanstieg angesichts der Wahrnehmung von Gefahr • Angst ist eine sinnvolle biologische Streßreaktion • Angst dient der Vorbereitung von Verteidigungsmaßnahmen (Angriff/Flucht) • bei Blockierung Verstärkung 18.07.2014 1 Angst geht einher mit typischen Veränderungen • autonom nervöser Reaktionen • kognitiver Prozesse • motorischen Verhaltens 18.07.2014 2 Angeborene Angstauslöser • • • • • • Schmerz laute Geräusche Höhe plötzliche Hilflosigkeit schnelle Bewegungen Neuheit 18.07.2014 3 Pathologische Angst Angstreaktionen sind: • unangemessen • häufiger, intensiver • länger anhaltend • Ausmaß der Vermeidung ist größer • Grad der Beeinträchtigung im Alltag ist größer 18.07.2014 4 Psychologische Komponenten pathologischer Angst • Traumatische Erlebnisse (Konditionierung) • Vermeidung • Annahmen und Grundüberzeugungen über Gefahren • Abläufe sind hochgradig automatisiert 18.07.2014 5 Angst wird vielfach als basale Grundstörung aufgefasst, die vielen untereinander höchst unterschiedlichen Störungen zugrunde liegt. 18.07.2014 6 F 4 Neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen • phobische Störungen (Agoraphobie, soziale Phobie, spezifische Phobien) • andere Angststörungen (Panik, generalisierte Angststörung, Angst und Depression gemischt)) • Zwangsstörungen • Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen • dissoziative Störungen • somatoforme Störungen 18.07.2014 7 Zwangserkrankungen Diagnostische Kriterien - DSM IV • A.Zwangsgedanken: (1) wiederkehrende u. anhaltende Ged., Impulse o. Vorstellungen, die zeitweise während der Störung als aufdringlich u. unangemessen empfunden werden, ausgeprägte Angst u. großes Unbehagen hervorrufen. • (2) Sie sind nicht nur übertriebene Sorgen über reale Lebensprobleme. • (3) Der Betroffene versucht, diese Gedanken, Impulse o. Vorstellungen zu ignorieren o. zu unterdrücken o. sie mit Hilfe anderer Tätigkeiten zu neutralisieren. • (4) Der Betroffene erkennt, dass die Zwangsged., impulse oder -vorstellungen ein Produkt des eigenen Geistes sind. 18.07.2014 8 Zwangserkrankungen Diagnostische Kriterien - DSM IV (Forts.) • B.Zwangshandlungen: (1) wiederholte Verhaltensweisen (z.B. Händewaschen, Ordnen, Kontrollieren) o. gedankliche Handlungen (z.B. Beten, Zählen Wörter wiederholen), zu denen sich der Betroffene als Reaktion auf einen Zwangsgedanken oder aufgrund streng zu befolgender Regeln gezwungen fühlt. (2) Die Verhaltensweisen o. gedanklichen Handlungen dienen der Verhinderung o. Reduktion von Unwohlsein o. der Vorbeugung gefürchteter Ereignisse o. Situationen. Sie stehen in keinem realistischen Bezug zu dem, was sie zu neutralisieren oder zu verhindern versuchen oder sind deutlich übertrieben. 18.07.2014 9 Zwangserkrankungen Diagnostische Kriterien - DSM IV (Forts.) • B. Zu irgendeinem Zeitpunkt im Verlauf der Störung hat die Person erkannt, dass die Zwangsgedanken oder handlungen übertrieben oder unbegründet sind. • C. Zwangsgedanken oder -handlungen verursachen erhebliche Belastung, sind zeitaufwendig (täglich mehr als 1 Stunde) o. beeinträchtigen deutlich die normale Tagesroutine der Person, ihre beruflichen (oder schulischen) Funktionen o. die üblichen Aktivitäten und Beziehungen. • D. Falls eine andere Achse I Störung vorliegt, so ist der Inhalt der Zwänge nicht auf diese beschränkt. • E. Störungsbild geht nicht auf eine Substanzwirkung oder medizinische Krankheit zurück. 18.07.2014 10 Zwangserkrankungen Diagnostische Kriterien - DSM IV (Forts.) • B. Zu irgendeinem Zeitpunkt im Verlauf der Störung hat die Person erkannt, dass die Zwangsgedanken oder handlungen übertrieben oder unbegründet sind. • C. Zwangsgedanken oder -handlungen verursachen erhebliche Belastung, sind zeitaufwendig (täglich mehr als 1 Stunde) o. beeinträchtigen deutlich die normale Tagesroutine der Person, ihre beruflichen (oder schulischen) Funktionen o. die üblichen Aktivitäten und Beziehungen. • D. Falls eine andere Achse I Störung vorliegt, so ist der Inhalt der Zwänge nicht auf diese beschränkt. • E. Störungsbild geht nicht auf eine Substanzwirkung oder medizinische Krankheit zurück. 18.07.2014 11 DSM V: Obsessive-Compulsive and Related Disorders • • • • • • • Zwangsstörung Körperdysmorphe Störung Sammeln und Horten Trichotillomania Skin-Picking Disorder (Excoriation) Substanz/Medikamenten induzierte OCD Zwangsstörungen im Rahmen einer anderen medizinischen Erkrankung 18.07.2014 12 F42 Zwangsstörung (ICD 10) Diagnostische Leitlinien: • wenigstens für 2 Wochen • an den meisten Tagen Zwged oder –handlungen oder beides • sie müssen quälend sein oder die normalen Aktivitäten stören Müssen folgende Merkmale aufweisen: • als eigene Gedanken oder Impulse für den Betroffenen erkennbar sein 1. es muss noch, wenn auch erfolglos, Widerstand geleistet werden 2. Gedanken oder Handlung dürfen nicht an sich angenehm sein 3. Gedanken, Vorstellungen oder Impulse müssen sich in unangenehmer Weise wiederholen. 18.07.2014 13 Zwangsstörungen – Was wissen wir? • Lebenszeitprävalenz 2-3 % (Tortora u. Zohar 1991, Wittchen 1986, Bebbington 1998, Angst et al 2004) • bei 20-50 % Beginn vor dem 15. Lj. (Rapoport 1986, Lakatos u. Reinecker 1999), 5% nach dem 40. Lj. (Hoffmann 2000) • Zwangskranke Erwachsene hatten als Kinder größeres Ausmaß und größere Intensität abergläubischen Verhaltens • Keine Geschlechtsdifferenz bei Erwachsenen • Beginn der Störung bei Männern früher ( ca. 5 Jahre) als bei Frauen (zwei Gipfel: 6-15J.,20-29J) 18.07.2014 14 Was wissen wir ? (Forts.) • Risikofaktoren (Reinecker 1991) mindestens ein Elternteil hat Zwänge, überkontrollierendes Elternverhalten, Rituale in der Kindheit • erhöhte Konkordanz bei eineiigen Zwillingen • prämorbide anankastische Persönlichkeitszüge nur bei ca. 20 % 18.07.2014 15 Verlauf • häufigster Verlauf : chronifizierend • Skoog u. Skoog (1999) Verläufe über 40 J.: 44% chronisch (Symptomatik mehr als 5 J. unverändert) 31 % episodisch, mindestens 2 Episoden (mindestens 2 J.) u. symptomfreie Intervalle 10 % episodisch, mit einer Episode kürzer als 5 J. • Reinecker u. Zaudig (1994) ähnliche Ergebnisse im Rahmen eines 6-Jahres-Follow-up • nicht immer ist der Beginn klar zu definieren • nicht immer finden sich konkrete Auslöser 18.07.2014 16 Was wissen wir über die Ätiologie ? Es gibt kein ätiologisches Modell, das in der Lage ist, die unterschiedlichen Zwangsphänomene zu erklären. Die Erklärungsansätze sind lediglich mehr oder weniger plausible Hypothesen mit unterschiedlicher empirischer Absicherung und unterschiedlichem Gewicht für die Erklärung der Störung. 18.07.2014 17 Grundlage von Zwangsphänomenen • Biochemisch vermittelte gestörte Interaktion zwischen Basalganglien, Frontalhirn und limbischem System • => liefert „Fehlermeldungen“ und führt zur Fokussierung der Aufmerksamkeit auf belanglose Umweltreize bzw. auf bestimmte Gedanken 18.07.2014 18 Gefühle der Unvollständigkeit und permanente Alarmbereitschaft primäre Symptome der Zwangserkrankung Kontrollen, waschen, wiederholen, fragmentieren von Handlungen, rekonstruieren etc. sind Strategien damit fertig zu werden, Versuche, den Zweifel zu überwinden 18.07.2014 19 Wesentliche Elemente der Behandlung • • • • • Psychoedukation Exposition und Reaktionsverhinderung kognitive Interventionen Erarbeitung neuer Standards Medikamente: Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRIs) 18.07.2014 20 Exkurs: Zwangsgrübeln • Der Betroffene stellt Fragen, in dem erfolglosen Bemühen, Zweifel an sich, einer anderen Person, einem Sachverhalt oder einer Entscheidung zu beenden. • Differentialdiagnostisch: Abgrenzung von depressivem Grübeln, Gesundheitsängsten etc. 18.07.2014 21