Angst

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Angst- und
Zwangserkrankungen
WS 2011/2012
Dr. J. Herrlich, Dipl.-Psych.
Was ist Angst?
• Unangenehm erlebter Erregungsanstieg
angesichts der Wahrnehmung von
Gefahr
• Angst ist eine sinnvolle biologische
Streßreaktion
• Angst dient der Vorbereitung von Verteidigungsmaßnahmen (Angriff/Flucht)
• bei Blockierung  Verstärkung
Angst geht einher mit typischen
Veränderungen
• autonom nervöser Reaktionen
• kognitiver Prozesse
• motorischen Verhaltens
Angeborene Angstauslöser
•
•
•
•
•
•
Schmerz
laute Geräusche
Höhe
plötzliche Hilflosigkeit
schnelle Bewegungen
Neuheit
Pathologische Angst
Angstreaktionen sind:
• unangemessen
• häufiger, intensiver
• länger anhaltend
• Ausmaß der Vermeidung ist größer
• Grad der Beeinträchtigung im Alltag ist
größer
Psychologische Komponenten
pathologischer Angst
• Traumatische Erlebnisse (Konditionierung)
• Vermeidung
• Annahmen und Grundüberzeugungen
über Gefahren
• Abläufe sind hochgradig automatisiert
Angst wird vielfach als basale
Grundstörung aufgefasst, die
vielen untereinander höchst
unterschiedlichen Störungen
zugrunde liegt.
F 4 Neurotische-, Belastungsund somatoforme Störungen
ICD 10
• phobische Störungen (Agoraphobie, soziale Phobie, spezifische
Phobien)
• andere Angststörungen (Panik, generalisierte Angstst., Angst
und Depression gemischt))
• Zwangsstörungen
• Reaktionen auf schwere Belastungen
und Anpassungsstörungen
• dissoziative Störungen
• somatoforme Störungen
F 40 phobische Störungen
Angstreaktionen auf umschriebene externe
Auslöser
• Agoraphobie (Flucht könnte schwierig
oder peinlich sein, Hilfe könnte nicht
erreichbar sein)
• soziale Phobien (Fehlschlag-, Kritik-und
Beachtungsangst und Hemmung im
zwischenmenschlichen Kontakt)
• spezifische Phobien
F 41 andere Angststörungen
• Panikstörung (episodisch paroxsysmale
Angst, interne Auslöser)
• generalisierte Angststörung
• Angst und Depression gemischt
Panikstörung (paroxysmale Angst)
• Wiederkehrende schwere Angstattacken, die
sich nicht auf eine spezifische Situation oder
besondere Umstände beschränken
• Typische primäre Symptome: Herzklopfen (1),
Brustschmerzen, Erstickungsgefühle (3),
Schwindel (2), Entfremdungsgefühle etc.
• Typische sekundäre Symptome: Furcht zu
sterben, Furcht vor Kontrollverlust, Angst
verrückt zu werden
Für die Diagnose nach ICD 10 ist
gefordert:
• mehrere schwere vegetative Angstanfälle
innerhalb eines Monats
- in Situationen in denen keine objektive
Gefahr besteht
- die nicht auf bekannte oder vohersagbare Situationen begrenzt sind
- zwischen den Attacken müssen angstfreie Zeiträume liegen (Erwartungsangst ist
allerdings häufig)
Problem der Vermeidung
• Viele Menschen mit Panikanfällen
beginnen Orte zu vermeiden, an denen
Panikanfälle aufgetreten sind oder an
denen im Falle eines Panikanfalls Flucht
schwierig oder peinlich wäre
• Vermeidungsverhalten kann eng umgrenzt
sein oder auch so generalisieren, dass ein
Verlassen der Wohnung ohne Begleitung
nicht mehr möglich ist
Empirische Befunde
• Durchschnittliche Dauer eines
Panikanfalls: ca. 30 Min.
• deutliche Diskrepanz zwischen
tatsächlicher körperlicher Erregung und
dem subjektiven Erleben während eines
Anfalls, tatsächlich geringer Anstieg der
Herzfrequenz (ca. 8 bis 11 Schläge)
• Körperliche Symptome werden als
besonders bedrohlich bewertet
Komorbidität
• Gute Abgrenzung gegenüber anderen
Angststörungen über die zentrale
Befürchtung möglich
Prävalenz Angststörungen
• Panik 6 Monate
• Panik Lebenszeit
o,9 – 1,1 %
2,1 – 2,4 %
• Agoraphobie m./o. Panik
6 Monate
• Lebenszeit
3,4 – 3,6 %
4,8 – 5,7 %
• Frauen: häufigste psychische Erkrankung
• Männer: nach Abhängigkeit die zweithäufigste E.
Margraf J, Schneider S (1990)
Panik- Angstanfälle und ihre
Zentrales
psychophysiologisches
Erklärungsmodell
Panikanfälle entstehen durch positive
Rückkopplung zwischen körperlichen
Symptomen , deren Assoziation mit
Gefahr und der daraus resultierenden
Angstreaktion.
Verhaltenstherapeutische
Behandlung
Hauptkomponenten:
Informationsvermittlung
Kognitive Therapie
Konfrontation mit Angst auslösenden Reizen/
Erhöhung der Angsttoleranz
Aufhebung der Vermeidung
• Angst als Aufschauklungsprozess
zwischen individuelle relevanten
körperlichen Symptomen und Verhalten
• Beginn: Wahrnehmung physiologischer
oder kognitiver Veränderungen
• Assoziation mit Bedrohung führt zu
weiteren physiologischen Veränderungen
• weitere Steigerung der Angst
Grundprinzip: nicht nur die Angst wird
reduziert, sondern auch Strategien und
Fertigkeiten vermittelt, die selbständig
eingesetzt werden können
Von der Angstreduktion zur
Verhaltensänderung
Korrektur von Fehlinterpretationen
• Fehlinterpretation (Ich bekomme einen
Herzinfarkt): Einschätzung der subjektiven
Überzeugtheit, Pros/Kons, alternative
Erklärungen
• Verhaltensexperimente (z.B. Schwindel
führt zu Ohnmacht)
• Verhaltensexperimente auch zur
Konfrontation mit internalen Reizen
Zwangserkrankungen
Alte Kontroverse :
primäre Denkstörungen als Grundlage
Bumke)
oder
primär emotionale Störung
(Bleuler, Schneider)
(Betonung der zentralen Rolle der Angst für
das Zustandekommen)
(Westphal,
Zwangserkrankungen
Diagnostische Kriterien - DSM IV
• A.Zwangsgedanken:
(1) wiederkehrende u. anhaltende Ged., Impulse o.
Vorstellungen, die zeitweise während der Störung als
aufdringlich u. unangemessen empfunden werden,
ausgeprägte Angst u. großes Unbehagen hervorrufen.
• (2) Sie sind nicht nur übertriebene Sorgen über reale
Lebensprobleme.
• (3) Der Betroffene versucht, diese Gedanken, Impulse o.
Vorstellungen zu ignorieren o. zu unterdrücken o. sie mit
Hilfe anderer Tätigkeiten zu neutralisieren.
• (4) Der Betroffene erkennt, dass die Zwangsged., impulse oder -vorstellungen ein Produkt des eigenen
Geistes sind.
Zwangserkrankungen
Diagnostische Kriterien - DSM IV
(Forts.)
• B.Zwangshandlungen:
(1) wiederholte Verhaltensweisen (z.B. Händewaschen,
Ordnen, Kontrollieren) o. gedankliche Handlungen (z.B.
Beten, Zählen Wörter wiederholen), zu denen sich der
Betroffene als Reaktion auf einen Zwangsgedanken oder
aufgrund streng zu befolgender Regeln gezwungen fühlt.
(2) Die Verhaltensweisen o. gedanklichen Handlungen
dienen der Verhinderung o. Reduktion von Unwohlsein
o. der Vorbeugung gefürchteter Ereignisse o.
Situationen.
Sie stehen in keinem realistischen Bezug zu dem, was
sie zu neutralisieren oder zu verhindern versuchen oder
sind deutlich übertrieben.
Zwangserkrankungen
Diagnostische Kriterien - DSM IV (Forts.)
• B. Zu irgendeinem Zeitpunkt im Verlauf der Störung hat
die Person erkannt, dass die Zwangsgedanken oder handlungen übertrieben oder unbegründet sind.
• C. Zwangsgedanken oder -handlungen verursachen erhebliche Belastung, sind zeitaufwendig (täglich mehr als
1 Stunde) o. beeinträchtigen deutlich die normale Tagesroutine der Person, ihre beruflichen (oder schulischen)
Funktionen o. die üblichen Aktivitäten und Beziehungen.
• D. Falls eine andere Achse I Störung vorliegt, so ist der
Inhalt der Zwänge nicht auf diese beschränkt.
• E. Störungsbild geht nicht auf eine Substanzwirkung
oder medizinische Krankheit zurück.
Arten von Zwangsgedanken
• Aggressive Zwangsgedanken
• Zwangsgedanken, die sich auf
Verschmutzung beziehen
• Zwangsgedanken mit sexuellem Inhalt
• Drang, Dinge wissen oder erinnern zu
müssen
Arten von Zwangshandlungen
•
•
•
•
•
Reinigungs- und Waschzwänge
Kontrollzwänge
Wiederholungszwänge
Sammeln und Horten
Ordnungszwänge
Was wissen wir über die Ätiologie ?
Es gibt kein ätiologisches Modell, das in der
Lage ist, die unterschiedlichen
Zwangsphänomene zu erklären.
Die Erklärungsansätze sind lediglich mehr
oder weniger plausible Hypothesen mit
unterschiedlicher empirischer Absicherung
und unterschiedlichem Gewicht für die
Erklärung der Störung.
Grundlage von
Zwangsphänomenen
• Biochemisch vermittelte gestörte
Interaktion zwischen Basalganglien,
Frontalhirn und limbischem System
• => liefert „Fehlermeldungen“ und führt zur
Fokussierung der Aufmerksamkeit auf
belanglose Umweltreize bzw. auf
bestimmte Gedanken
Grundlagen
(Forts.)
• Wird begleitet z.B. von Gefühlen der
Unvollständigkeit und des Zweifels
• diese wiederum sind Ausgangspunkt für
Wiederholungen, Fragmentierung von
Handlungsabläufen, Rekonstruktionen,
Kontrollen etc.
• Ziel: Unvollständigkeit und Zweifel zu
überwinden
Gefühle der Unvollständigkeit und
permanente Alarmbereitschaft

primäre Symptome der
Zwangserkrankung

Kontrollen, waschen, wiederholen, fragmentieren von Handlungen, rekonstruieren etc. sind Strategien damit fertig zu
werden
Wesentliche Elemente der
Behandlung
•
•
•
•
•
Psychoedukation
Exposition und Reaktionsverhinderung
kognitive Interventionen
Erarbeitung neuer Standards
Medikamente:
Serotoninwiederaufnahmehemmer
(SSRIs)
F42 Zwangsstörung
• Vorwiegend Zwangsgedanken oder
Grübelzwang F 42.0
• Vorwiegend Zwangshandlungen
(Zwangsrituale) F 42.1
• Zwangsgedanken und –handlungen
gemischt F42.2
• andere F 42.8
• nicht näher bezeichnete F 42.9
Verlauf
• häufigster Verlauf : chronifizierend
• Skoog u. Skoog (1999) Verläufe über 40 J.:
44% chronisch (Symptomatik mehr als 5 J. unverän-dert)
31 % episodisch, mindestens 2 Episoden (mindestens 2
J.) u. symptomfreie Intervalle
10 % episodisch, mit einer Episode kürzer als 5 J.
• Reinecker u. Zaudig (1994) ähnliche Ergebnisse im
Rahmen eines 6-Jahres-Follow-up
• nicht immer ist der Beginn klar zu definieren
• nicht immer finden sich konkrete Auslöser
Erweiterung durch
Netzwerkmodelle
• Informationen, Erfahrungen, Emotionen,
Handlungsmuster werden miteinander
verknüpft gespeichert
• Externe bzw. interne Auslöser aktivieren
solche Netzwerke --- Angstnetzwerke
• diese aktivieren Flucht bzw. Vermeidung
• Stärkung des Netzwerks durch Anzahl und
Stärke der Verknüpfungen
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