Zum Begriff „Neurose “ • Def: Nervenkrankheit ohne anatomischpathologischen Befund. (Cullen 1776) • Sammeltopf unterschiedlichster Zustandsbilder, keine einheitlichen Ursachen, kein einheitlicher Verlauf der Pathogenese • zentrale Annahme: erlebnisbedingte Störungen Zum Begriff „Neurose “ • tradierte Dichotomie: Psychose vs Neurose • ICD 10: F4 faßt drei Störungsformen zusammen, die historisch mit dem Neurosekonzept verbunden sind • Annahme: größerer Anteil (Ausmaß unklar) psychischer Verursachung Î eigentlich nicht mehr aktuell F 4 Neurotische-, Belastungsund somatoforme Störungen ICD 10 • phobische Störungen (Agoraphobie, soziale Phobie, spezifische Phobien) • andere Angststörungen (Panik, generalisierte Angstst., Angst und Depression gemischt)) • Zwangsstörungen • Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen • dissoziative Störungen • somatoforme Störungen Was ist Angst? • Unangenehm erlebter Erregungsanstieg angesichts der Wahrnehmung von Gefahr • Angst ist eine sinnvolle biologische Streßreaktion • Angst dient der Vorbereitung von Verteidungsmaßnahmen (Angriff/Flucht) • bei Blockierung → Verstärkung Angst geht einher mit typischen Veränderungen • autonom nervöser Reaktionen • kognitiver Prozesse • motorischen Verhaltens Angeborene Angstauslöser • • • • • • Schmerz laute Geräusche Höhe plötzliche Hilflosigkeit schnelle Bewegungen Neuheit Pathologische Angst Angstreaktionen • sind stärker, intensiver • häufiger • länger anhaltend • unangemessen • Ausmaß der Vermeidung ist größer • Grad der Beeinträchtigung im Alltag Psychologische Komponenten pathologischer Angst • Traumatische Erlebnisse (Konditionierung) • Vermeidung • Annahmen und Grundüberzeugungen über Gefahren • Abläufe sind hochgradig automatisiert F 40 phobische Störungen Angstreaktionen auf umschriebene externe Auslöser • Agoraphobie (Flucht könnte schwierig oder peinlich sein, Hilfe könnte nicht erreichbar sein) • soziale Phobien (Fehlschlag-, Kritik-und Beachtungsangst und Hemmung im zwischenmenschlichen Kontakt) • spezifische Phobien F 41 andere Angststörungen • Panikstörung (episodisch paroxsysmale Angst, interne Auslöser) • generalisierte Angststörung • Angst und Depression gemischt Komponenten der Behandlung • • • • Wissensvermittlung Aufhebung der Vermeidung Konfrontation Korrektur katastrophisierender Befürchtungen Epidemiologie (Lebenszeitprävalenz) • Alle Angststörungen: 24,9 % NCS, 15,1 % ECA, 13,9 % MFS • Agoraphobie : 5,3 % NCS, 4,8 % ECA, 5,7 % MFS • Panik mit und ohne Agoraphobie: 3,5 % NCS, 2,1 % ECA, 2,4 % MFS National Comorbidty Survey (Kessler et al 1994) Epidemiological Catchment Area Study Regier et al Zwangserkrankungen Diagnostische Kriterien - DSM IV A. Z w a n g s g e d a n k e n: (1) wiederkehrende u. anhaltende Gedanken u. Impulse o.Vorstellungen, die zeitweise während der Störung als aufdringlich u. unangemessen empfunden werden, ausgeprägte Angst u. großes Unbehagen hervorrufen. (2) keine übertriebenen Sorgen über reale Lebensprobleme (3) Der Betroffene versucht, die Gedanken, Impulse o. Vorstellungen zu ignorieren o. zu unterdrücken o. sie mit Hilfe anderer Tätigkeit zu neutralisieren. (4) Der Betroffene erkennt, daß die Zwangsgedanken, impulse o. -vorstellungen ein Produkt des eigenen Geistes sind. Zwangserkrankungen Diagnostische Kriterien DSM IV (Forts.) B. Z w a n g s h a n d l u n g e n: (1) wiederholte Verhaltensweisen (z.B. Kontrollieren, Händewaschen, Ordnen) o. gedankliche Handlungen (z.B. Beten, Zählen Wörter wiederholen), zu denen sich der Betroffene als Reaktion auf Zwangsgedanken o. aufgrund streng zu befolgender Regeln gezwungen fühlt. (2) Die Verhaltensweisen o.gedanklichen Handlungen dienen der Verhinderung o. Reduktion von Unwohlsein o. der Vorbeugung gefürchteter Ereignisse o. Sit. (3) Sie stehen in keinem realistischen Bezug zu dem, was sie zu neutralisieren o. zu verhindern versuchen o. sind deutlich übertrieben. Zwangserkrankung Diagnostische Kriterien DSM IV (Forts.) B. Zu irgendeinem Zeitpunkt im Verlauf der Störung hat die Person erkannt, daß die Zwangsgedanken o.handlungen übertrieben o. unbegründet sind. C. Zwangsgedanken o. -handlungen verursachen erhebliche Belastung, sind zeitaufwendig (mehr als 1 Stunde pro Tag) o. beeinträchtigen deutlich die normale Tagesroutine, die beruflichen o. schulischen Funktionen o. die üblichen Aktivitäten und Beziehungen. D. Falls eine andere Achse I Störung vorliegt, ist der Inhalt der Zwänge nicht auf diese beschränkt. E. Störungsbild geht nicht auf eine Substanzwirkung oder medizinische Krankheit zurück. Was wissen wir ? • Lebenszeitprävalenz 2-3 % (Tortora u. Zohar 1991, Wittchen 1986, Bebbington 1998) • bei 30 - 50 % Beginn vor dem 15. Lebensjahr (Rapoport 1986), 5% nach dem 40. Lj.(Hoffmann 2000) • Zwangskranke Erwachsene haben als Kinder größeres Ausmaß u. größere Intensität abergläubischen Verhaltens • keine Geschlechtsdifferenz bei Erwachsenen, Beginn Männer früher als bei Frauen (Gipfel 6-15J, 20-29 J) Arten von Zwangsgedanken • Aggressive Zwangsgedanken • Zwangsgedanken, die sich auf Verschmutzung beziehen • Zwangsgedanken mit sexuellem Inhalt • Drang, Dinge wissen oder erinnern zu müssen Arten von Zwangshandlungen • • • • • Reinigungs- und Waschzwänge Kontrollzwänge Wiederholungszwänge Sammeln und Horten Ordnungszwänge Was wissen wir ? • häufigster Verlauf : chronifizierend (ca. 15%), wellenförmig, variabel (ca. 5 %) • Risikofaktoren (Reinecker 1991) mindestens ein Elternteil hat Zwänge, überkontrollierendes Elternverhalten, Rituale in der Kindheit • prämorbide anankastische Persönlichkeitszüge nur bei ca. 20 % Was wissen wir über die Ätiologie ? • • • • • • • OCD bei Erkrankungen der Basalganglien bilaterale Nekrosen des Nucleus pallidus Sydenham Chorea bei postencephalitischer Parkinson Erkrankung nach Schädel-Hirntraumen gehäuft bei Gilles de la Tourette (bis 80 % ) motorische Tics bei Kindern mit Zwängen häufiger als zufallsverteilt • durch L-Dopa und Stimulantien werden Zwänge verstärkt • Gebrauch von Kokain und Marihuana = 7.2 fach erhöhtes Risiko für OCD Was wissen wir über die Ätiologie ? Es gibt kein ätiologisches Modell, das in der Lage ist, die unterschiedlichen Zwangsphänomene zu erklären. Was wissen wir über die Ätiologie ? Die große Heterogenität der Störungsbilder spricht möglicherweise für unterschiedliche Ätiologien Î genetisch Î infektiös Î traumatisch Î metabolisch Î degenerativ Grundlage von Zwangsphänomenen • Biochemisch vermittelte gestörte Interaktion zwischen Basalganglien, Frontalhirn und limbischem System • => liefert „Fehlermeldungen“ und führt zur Fokussierung der Aufmerksamkeit auf belanglose Umweltreize bzw. auf bestimmte Gedanken Grundlagen (Forts.) • Gestörte Interaktion kann einhergehen mit subjektiv bedrohlich erlebter Veränderung der Gesamtbefindlichkeit: „Alarmzustand“ • Ein „Alarmzustand“ begünstigt eine entsprechende Bewertung als „bedeutungsvoll“ Grundlagen (Forts.) • Wird begleitet z.B. von Gefühlen der Unvollständigkeit und des Zweifels • diese wiederum sind Ausgangspunkt für Wiederholungen, Fragmentierung von Handlungsabläufen, Rekonstruktionen, Kontrollen etc. • Ziel: Unvollständigkeit und Zweifel zu überwinden Gefühle der Unvollständigkeit und permanenten Alarmbereitschaft ↓ primäre Symptome der Zwangserkrankung Kontrollen,waschen, wiederholen, fragmentieren von Handlungen, rekonstruieren etc. sind Strategien damit fertig zu werden Wesentliche Elemente der Behandlung • • • • • Psychoedukation Exposition und Reaktionsverhinderung kognitive Interventionen Erarbeitung neuer Standards Medikamente: Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRIs)