Alles unter Kontrolle..? Dr. John Klein Abt. Klinische Psychologie und Psychotherapie > Ist der Herd auch wirklich aus? > Und die Tür abgeschlossen? > Habe ich die Email überhaupt an den richtigen Empfänger geschickt? 2 3 > Wenn das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung geschwächt ist, wird die Kontrolle zum Zwang - und die einfache Handlung zur Herausforderung. 4 5 Definition: Zwangsstörung > Auftreten von Gedanken und Handlungen, die zwar als quälend empfunden werden, aber dennoch umgesetzt werden müssen. — Zeitweise Einsicht, dass die Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen übertrieben sind — Deutliche Beeinträchtigungen des Alltagslebens > gekennzeichnet durch Zwangsgedanken, die zu deutlicher Angst und Unbehagen führen und Zwangshandlungen, die zur Angstneutralisation dienen. 6 > Die Symptome: — Zwangsgedanken: – – – Zwanghafte Gedanken Zwangsvorstellungen Zwangsimpulse — Zwangshandlungen: – – – – – – Reinlichkeitszwang-- Ordnungszwang Berührungszwang Verbale Zwänge Kontrollzwang ------------------------ Zählzwang — Situationensvermeidung, die den Inhalt der Zwangsgedanken entsprechen 7 8 9 Diagnostische Kriterien — Wiederkehrende Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. — Die Gedanken und Handlungen sind schwer genug, um zeitaufwendig zu sein, ausgeprägtes Leiden oder deutliche Beeinträchtigungen zu verursachen. — Zu irgendeinem Zeitpunkt der Störung hat die Person erkannt, dass die Zwangsgedanken und -handlungen übertrieben oder unbegründet sind. — Falls eine andere Achse I-Störung vorliegt, so ist der Inhalt der Zwangsgedanken oder -handlungen nicht auf diese beschränkt. — Das Störungsbild geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz oder eines medizinischen Krankheitsfaktors zurück. 10 11 > > > Erkrankungsalter: Adoleszenzalter, vor dem 30.Lebensjahr Verlauf: schleichend mit einem anschließenden chronischen Verlauf Prävalenz bei Jugendlichen: — Einjahresprävelenz: 0,7% — Lebenszeitprävalenz: 1- 2,3% > Prävalenz bei Erwachsenen: — Einjahresprävalenz: 0,5- 2,1% — Lebenszeitprävalenz: 2,5% > Mögliche Ursachen: wahrscheinlich eine Kombination aus genetischer Veranlagung, Hirnstoffwechselstörungen und seelischen Ursachen. 12 > > Laborbefunde: nicht gefunden, nur Beobachtungen Geschlechtsspezifität: — Frauen genauso häufig betroffen wie Männer, wobei Jungen und Männer durchschnittlich zeitlich früher daran erkranken als Frauen. > Komorbidität: — — — — Major Depressionen Andere Angststörungen Persönlichkeitsstörungen Lernstörung und Störungen des Sozialverhaltens 13 Genetische Prädisposition?! — Familiäre Verteilungsmuster: Konkordanzrate für die Zwangsstörung ist für eineiige Zwillingen >zweieiigen Zwillingen. bei biologischen Verwandten ersten Grades ist die Störung> als in der Allgmeinbevölkerung 14 Diskussion und Details > Zwangsgedanken sind Ideen, Vorstellungen oder Impulse, die den Patienten immer wieder beschäftigen. Sie sind fast immer quälend, der Patient versucht häufig erfolglos, Widerstand zu leisten. Die Gedanken werden als zur eigenen Person gehörig erlebt, selbst wenn sie als unwillkürlich und häufig abstoßend empfunden werden. > Zwangshandlungen oder -rituale sind Stereotypien, die ständig wiederholt werden. Der Patient erlebt sie oft als Vorbeugung gegen ein objektiv unwahrscheinliches Ereignis, das ihm Schaden bringen oder bei dem er selbst Unheil anrichten könnte. Im allgemeinen wird dieses Verhalten als sinnlos und ineffektiv erlebt, es wird immer wieder versucht, dagegen anzugehen. Angst ist meist ständig vorhanden. Werden Zwangshandlungen unterdrückt, verstärkt sich die Angst deutlich. 15 Zwanghafte Persönlichkeit: > Eine Persönlichkeitsstörung, die durch Gefühle von Zweifel, Perfektionismus, übertriebener Gewissenhaftigkeit, extremer Ordnungsliebe, ständigen Kontrollen, Halsstarrigkeit, Vorsicht und Starrheit gekennzeichnet ist. Spontaneität und Impulsivität sind selten und können kaum gelebt werden. > Die Person ist gekennzeichnet durch Kontrolliertheit in den Emotionen und durch ein starkes Bedürfnis, das eigene Leben im Griff zu haben. > Es können beharrliche und unerwünschte Gedanken oder Impulse auftreten, die als störend erlebt werden. 16 Folgen der Zwänge: > Neben den akuten Zwangssymptomen sind häufig auch Angstsymptome (Stress) vorhanden. Die permanente Angst und Anspannung führt zu einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit (Krankheit). > Die zeitaufwendigen Zwänge führen zunehmend auch zu psychosozialen Belastungen und Beeinträchtigungen. Häufige Folgen sind: Konzentrationsschwierigkeiten Denkblockaden und Denkfixierungen Starkes Belastungsgefühl Unpünktlichkeit Angst vor den schlimmen Folgen Verlust des Arbeitsplatzes durch extreme Langsamkeit in der Tätigkeit (Kontrolle und Absichern) oder durch Zuspätkommen Niedergeschlagenheit, Dysphorie, depressive Verstimmungen Körperliche Symptome wie Ekzeme an den Händen / am Körper im allgemeinen durch die Waschrituale.... die ständige Angst den Zwangsgedanken nachkommen zu müssen > > > 17 Hintergrund der Zwänge: > häufig verborgene Ängste. Angst bedeutet immer, daß Sie körperlich reagieren und die nervliche Erregung über ein angenehmes Maß hinausgeht. Eigene Gedanken, Befürchtungen, Grübelei, Sorgen oder auch das Verhalten anderer Menschen, äußere Einflüsse oder Merkmale der Situation in der Sie sich befinden führen zu Stressreaktionen, die die Angstschwelle durchbrechen. Jetzt wird Angst empfunden, Angstsymptome treten auf und das Geschehen / die eigenen Gedanken erscheinen immer bedrohlicher. Die körperlichen Symptome (zittern, Herzschlag, Reaktionen im Magen und Bauch, Kloß im Hals, Kehle zuschnüren, zittern..... im Detail siehe unter Stress) prägen sich tief ein und werden immer wieder wachgeruften, wenn die Situation ähnlich zu der wird, in der das erstemal derartige Ängste oder Befürchtungen ausgelöst wurden. Im Gegensatz zur einfachen Angst haben Zwänge sehr häufig ein Element der Angsterleichterung durch das Ausführen der Zwangshandlung bzw. des Rituals (z.B. Kontrolle, Saubermachen). Die einhergehende Erleichterung verschlimmert und chronifiziert die Zwangsthematik - Die Zwangshandlung wird immer wieder ausgführt 18 Nicht von Gott geschickt, sondern gelernt... > Sie haben richtig gelesen, Zwänge werden gelernt indem der negative körperliche Angstzustand / Schmerzen / negative Gefühle verknüpft werden mit Gedanken, Bildern und Erlebnissen. Die durch die Ausführung der Zwangshandlung ausgelöste Erleichterung (nachlassen des negativen Gefühls / eintreten eines positiven Gefühls) verstärkt die Wahrscheinlichkeit, daß in einer ähnlichen Situation die Zwangshandlung immer wieder ausgführt wird. Ist eine neue Situation oder ein Gedanke oder Ihr körperlicher Zustand ähnlich, wie die Situation in der dies passierte, wird wieder die Angst, die Angstgedanken und die körperliche Angstreaktion bzw. das negative Gefühl ausgelöst. Dies führt wiederum zu einer Ausführung der Zwangshandlung......(usw.) 19 Was kann man tun: Worum geht es beim tun > > Vorgehen und Verfahren: 1. Analyse von Ursachen und Gründen für den Zwang 2. Beratung, Treatment, aktive Bewältigung 3. Verfahren der Angstreduktion / Zwangsreduktion 4. Abbau von Teufelskreisläufen aus Angst und Zwang 5. Umgang mit körperlichen Angstsymptomen 6. Umgang mit Zwangsgedanken und Zwangsverhalten 7. Training der positiven Selbststeuerung 8. Training eines positiven Umgangs mit sich selbst 9. Aufbau eines zwangsfreien Verhaltens 20 > Hausarzt, Neurologe oder Psychiater als Ansprechpartner • Direkte Zugangsmöglichkeit bei niedergelassenen Psychotherapeuten/innen • Notwendigkeit der Aufklärung • Behandlung ist eingebettet in einen therapeutischen Prozess • Klärung und Aufbau von Behandlungsmotivation • Klärung von Rahmenbedingungen (Erreichbarkeit, Finanzierung usw.) 21 VERMITTLUNG VON SPEZIELLEN KOMPETENZEN > Neben der Behandlung des Zwanges im engeren Sinne ist es unverzichtbar, spezielle Alternativen zu unterstützen oder aufzubauen. Im Einzelnen sind dies • Konkrete Fertigkeiten im Alltag des Patienten, • Strategien im Umgang mit Belastungen im Beruf, in der Familie und Partnerschaft • Strategien der allgemeinen Bewältigung von Stress • Gestaltung von Freizeit, Erleben von Genuss, • Soziale und interpersonale Fertigkeiten 22 WICHTIGE HINWEISE ZUR BEHANDLUNG > • Wichtig ist die frühestmögliche Inanspruchnahme von Behandlung, da eine lange Krankheitsdauer die Prognose bekanntermaßen verschlechtert • Voraussetzung ist Kompetenz des Therapeuten, StörungsOrientierung / ggf. Supervision • Konfrontationsbehandlung sollte im natürlichen Umfeld des Patienten erfolgen • Behandlung z.T. mehrfach pro Woche (2-3 Mal) • Notwendigkeit von verlängerten Übungen, Habituation • Ausblenden der Hilfestellung des Therapeuten • Anleitung des Patienten zu kontinuierlicher Übung • Behandlung von Komorbiditäten • Ergänzende therapeutische Maßnahmen im Bereich eines sozialen Kompetenztrainings, Verbesserung der Kommunikation, Soziotherapie • Psychoedukation für Patienten und Angehörige 23 Tipps für Angehörige > Starkes Sicherheitsbedürfnis > Mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten > Großes Schamgefühl > Entscheidungsunfähigkeit > Extrem hohes Verantwortungsgefühl 24 25