Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) Reinhardstraße 27 B D‐10117 Berlin Wiederkehrende stereotype Gedanken können eine Zwangsstörung sein Menschen, die unter Zwangsgedanken leiden, gehen wiederholt bestimmte Gedanken, Impulse, Ideen oder auch Vorstellungen durch den Kopf, die als sinnlos, störend und lästig empfunden werden. Betroffene erleben sich darin gefangen, stereotype Gedankengänge ständig wiederholen zu müssen. Sie versuchen oft vergeblich, sich dagegen zu wehren, die Gedanken zu ignorieren, zu unterdrücken oder sie mit Hilfe anderer Gedanken oder Handlungen los zu werden. „Zwangsgedanken können einen erheblichen Leidensdruck verursachen. Zum einen haben Sie oft sehr belastende, sexuelle oder auch aggressive Inhalte, was äußerst verstörend sein kann und sehr intensive, unangenehme Gefühlszustände auslösen kann. So sind beispielsweise manchmal die Gedanken mit der Vorstellung verbunden, sich oder Andere zu verletzen. Weitere Inhalte können massiver Ekel vor körperlichen Ausscheidungen sein sowie Infektionsängste durch Unreinheit und Krankheitserreger. In manchen Fällen drehen sich die Inhalte auch um die korrekte Ausführung bestimmter Tätigkeiten oder um Ordnung“, berichtet Prof. Fritz Hohagen von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin. „Zum anderen leiden Betroffene darunter, dass diese Zwangsgedanken es ihnen schwer möglich machen, die Aufmerksamkeit auf Dinge zu lenken, die gerade passieren und sich mit ihnen achtsam auseinanderzusetzen. Zwangsgedanken können die Wahrnehmung und ein normales Erleben alltäglicher Situationen geradezu blockieren. So kann beispielsweise die Erfahrung eines an sich positiven Momentes durch Zwangsgedanken und damit verbundene negative Emotionen völlig überlagert werden.“ Betroffene können erheblich unter den Zwangsgedanken leiden, auch weil dadurch ihre allgemeine Leistungsfähigkeit einschränkt ist und der mit den Gedanken verbundene hohe Zeitaufwand sie in ihren sozialen Kontakten behindert. Zwangsgedanken treten oft parallel mit zwanghaftem Verhalten auf Eine Zwangsstörung kann sich sowohl in Zwangsgedanken als auch in Zwangshandlungen äußern. Dazu gehören dann typischerweise Handlungen wie Reinigungsrituale, Wiederholungs‐ und Kontrollzwänge. In den meisten Fällen treten beide Symptome zusammen auf. Oftmals werden die inneren Zwänge von körperlichen Symptomen wie innerer Anspannung, Schwitzen, Herzklopfen oder auch Zittern begleitet. „Die Zwangsrituale können ebenso wie die Zwangsgedanken sehr zeitaufwändig sein und viel Lebenskraft kosten, so dass sie dem Betroffenen ein normales Leben zunehmend unmöglich machen. Neben großer Angst erleben die Betroffenen parallel auch intensive Schuldgefühle und Selbstzweifel, die zu einem enormen Leidensdruck anwachsen können. Man spricht von einer Zwangserkrankung, wenn die Zwangssymptome mindestens zwei Wochen lang jeweils mehrere Stunden am Tag auftreten und Betroffene sich dadurch belastet fühlen“, ergänzt Prof Fritz Hohagen, Vorstandsmitglied der DGPPN. „Die Zwangsgedanken werden dabei immer als eigene Gedanken erkannt. Sie werden nicht ‐ wie es bei psychotischen Erkrankungen der Fall sein kann ‐ als von außen aufgezwungen erlebt. Auch im Rahmen von Depressionen kann es zum Grübelzwang kommen, wobei sich hierbei keine stereotypen Gedankengänge wiederholen. Eine korrekte Diagnose sollte jedoch immer durch einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie erfolgen.“ Gute Behandlungsmöglichkeiten werden oft lange Zeit nicht in Anspruch genommen Personen mit Zwängen leiden oftmals jahrelang an der Störung, bevor sie medizinisch behandelt werden. Aus Unaufgeklärtheit sowie auch aus Angst und Scham, von anderen Menschen für verrückt erklärt zu werden, verschweigen viele Betroffene ihre Störung über einen langen Zeitraum. Tragischerweise stellt sich mit der Zeit oft parallel eine depressive Erkrankung ein. „Zwangserkrankungen sind aber gut behandelbar. Mit Hilfe von kognitiver Verhaltenstherapie können Zwänge deutlich reduziert oder sogar geheilt werden. Ist die Erkrankung stark ausgeprägt oder liegt zusätzlich eine Depression vor, können begleitend Antidepressiva eingesetzt werden“, erklärt der Experte. Die allermeisten Patienten profitieren langfristig von der Therapie und werden dadurch in die Lage versetzt, wieder selbstbestimmt leben zu können. Die Ursachen für Zwangserkrankungen sind nicht vollständig geklärt. Sie werden durch das Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren verursacht, wie der Erziehung, genetischer und biologischer Einflüsse sowie der Art und Weise, wie ein Mensch gelernt hat, auf seine Umwelt zu reagieren. Zwangserkrankungen verlaufen ohne adäquate Behandlung meist chronisch, wobei die Intensität der Symptome schwanken kann. Von einer Zwangserkrankung sind 2 bis 3 % der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens betroffen. Damit handelt es sich um die vierthäufigste psychische Störung. In diesen Tagen wird eine neue S3‐Leitlinie zur Behandlung von Zwangsstörungen veröffentlicht, die unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) erarbeitet wurde. Mehr Informationen unter www.psychiater‐im‐netz.org bzw. http://www.neurologen‐und‐ psychiater‐im‐netz.org/psychiatrie‐psychosomatik‐ psychotherapie/erkrankungen/zwangserkrankungen/was‐sind‐zwangserkrankungen/