Patienten mit erhöhtem Delinquenzrisiko

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Patienten mit erhöhtem
Delinquenzrisiko
PD Dr. med. E. Habermeyer
PUK Zürich
Grundsätzliches
Gewalt als Thema:
 
Gewalt in der Psychiatrie ist ein Tabuthema
 
psychisch Kranke gelten zu unrecht als unkontrollierbar und
gewaltbereit
 
Psychiater wollen ihre Patienten zu Recht vor Vorurteilen schützen
 
Psychiater wollen keine Gewalt
 
die Psychiatrie soll nicht als repressiv wahrgenommen werden
Umgang mit Gewalt:
 
Gewalt als Berufsrisiko
 
Gewalt als Folge eigenen Versagens
 
Schuldfrage
 
Stigmatisierung
"Geisteskranke…(werden) …
nicht häufiger zu Gewalttätern
als … Geistesgesunde"
Böker, Häfner 1973
Braucht die AP überhaupt
forensisches Wissen?
Männer
Frauen
aggressives Verhalten in den 6
Monaten vor Aufnahme
49%
39%
mindestens eine Gewalthandlung in
den 6 Monaten vor Aufnahme
22%
19%
Anteil von Patienten mit Verurteilung
wegen eines Gewaltdelikts
47%
16%
Anteil von Patienten, die in den 6
Monaten vor Aufnahme Opfer einer
Aggressionshandlung wurden
57%
48%
Hodgins et al 2007, Br J Psych
Vergleich Massnahmeklinik
und Allgemeinpsychiatrie
 
 
 
 
50 Patienten in Massregelvollzugsklinik (FP),
29 Patienten in Allgemeinpsychiatrie (AP)
vorwiegend Schizophrenie (81%), affektive (14%) und
psychotische Störungen (5%)
keine signifikanten Unterschiede im HCR-20
FP: höhere H-Werte, AP: höhere C-Werte
FP: 66% mit > 1 Gewalthandlung
AP: 75% mit 1 Gewalthandlung
 
 
keine distinkten Populationen
FP rekrutiert Patienten mit längerer Behandlungsvorgeschichte
 
 
Lincoln et al, Nervenarzt, 2006
Sachstand
Anzahl schizophrener Patienten im deutschen Massregelvollzug steigt.
Dieser Anstieg ist gegenüber anderen Störungen überproportional
Quelle: Kutscher et al. 2009
Statistik
Risiko von Gewaltstraftaten
Allgemeinbevölkerung:
schizophrene Patienten:


1: 10'000
1: 2000
bei 500 Aufnahmen pro Jahr und 50% Psychosen muss man 8 Jahre
aufnehmen, um überhaupt 2000 Schizophrene zu behandeln, dann ist
mit 1 Gewaltdelikt zu rechnen
statistisches Risiko ist gering
Aber: Delikt ist nicht gleich Delikt
z.B. Risiko eines Tötungsdeliktes um das 12,7-fache erhöht
Schizophrenie ist nicht gleich Schizophrenie
Männer mit höherer Kriminalitätsbelastung
Risiko eines Tötungsdeliktes bei jüngeren Patienten um das 16,6-fache erhöht
Kliniken betreuen Risikopatienten
Kriminalitätsbegünstigende
Faktoren
 
 
Threat/control/override
Substanzkonsum
Angermeyer, Schulze (1998) Psych Prax
 
 
antisoziale Persönlichkeit, Empathiemangel
VG von Gewaltdelikten (Gewalt gegen
Menschen, Tiere, Gegenstände)
Hodgins (1994) Arch Gen Psychiatry
 
 
 
Wahn relevant für schwere Delikte
Überbelegung, Personalwechsel, Restriktionen
soziale Desintegration
Steinert (1998) Fortschr Neuro Psych
Offene Fragen
 
kommt es zu einer Verschiebung von Patienten aus der
Allgemeinpsychiatrie in die Forensik?
 
wenn ja, wer ist davon betroffen?
 
was kann man dagegen tun?
Studie M.-V.
Datenerhebung in den § 63 StGB Kliniken in Mecklenburg Vorpommern
01.01.2007 - 31.12.2007
Ueckermünde (Dipl.-med. R. Strohm):
Stralsund (Dr. Dr. M. Gillner):
 
 
 
71 Patienten
131 Patienten
Anzahl/Anteil psychotischer Störungen
Daten zur Vorgeschichte
Daten zum Delikt
Vergleich mit den Daten aus NRW (Kutscher et al. 2009)
Erfassungszeitraum
01.01.2007 - 31.12.2007
45 Patienten (39m/6w) mit Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis:
 
 
 
 
Schizophrenie (F 20)
schizoaffektive Störung (F 25)
schizotype Störung (F 21)
wahnhafte Störung (F 22)
37
6
1
1
entspricht einem Anteil von 22,3% am Gesamtpatientengut
des Jahres 2007 (n=202)
BZR-Einträge
Einträge vorhanden
29
(64,44%)
Mittelwert (Anzahl der Einträge)
Minimum (Anzahl der Einträge)
Maximum (Anzahl der Einträge)
3,7
1
19
(n = 10)
(n = 1)
Mittelwert ( Alter bei Ersteintrag)
Minimum ( Alter bei Ersteintrag)
Maximum ( Alter bei Ersteintrag)
25,4
14
43
wegen Schuldunfähigkeit eingestellte Verfahren
Mittelwert (Zahl eingestellter Verfahren)
Minimum
Maximum
8
3,4
1
17
(n = 4)
(n = 1)
 Ersteinträge liegen im durchschnittlichen Manifestationsalter
 Zahl der eingestellten Verfahren spricht dafür, dass die Justiz
das Gefährdungspotential unterschätzt
Unterbringungsdelikte
(führendes Delikt)
Delikt
NRW
M-V
Tötungsdelikt
(inkl. Versuche)
29,4%
22,2%
Körperverletzung
29,6%
35,6%
Sexualdelikt
12,8%
11%
Eigentumsdelikt
14,9%
8,8%
Brandstiftung
8,9%
20%
sonstige Delikte
4,5%
4,4%
 
 
 
überwiegend (57,8%) Gewaltdelikte
bei Tötungsdelikten und Körperverletzung in 57,7% der Fälle Opfer
aus dem Nahbereich und nur in 23% fremde Opfer
5 Delikte in psychiatrischer Klinik (3x Körperverletzung (davon 1x
mit Todesfolge), je 1x Brandstiftung, versuchter Totschlag)
Opfer/Tatort
 
Opfer in 22 Fällen aus dem persönlichen Umfeld
 
Tatbegehung in 12 Fällen direkt im Wohnumfeld:
6x eigene Wohnung, 3x Elternhaus, 3x Wohnheim (davon
2 psychiatrische Wohnheime)
 
5 Delikte in psychiatrischer Klinik (3x Körperverletzung
(davon einmal mit Todesfolge, je 1x Brandstiftung,
versuchter Totschlag)
Unterbringungsdelikte
(führendes Delikt)
Delikt
NRW
M-V
Rheinau*
Tötungsdelikt
(inkl. Versuche)
29,4%
22,2%
29,3%
Körperverletzung
29,6%
35,6%
29,3%
Sexualdelikt
12,8%
11%
9,8%
Eigentumsdelikt
14,9%
8,8%
14,6%
Brandstiftung
8,9%
20%
2,4%
sonstige Delikte
4,5%
4,4%
14,6%
*Mehrfachnennungen möglich
Psychiatrische Vorgeschichte
NRW
M-V
Anteil von Patienten mit stationärer
Vorbehandlung
78,3%
84,4%
durchschnittliche Zahl der Aufenthalte
7,5
5,7
Anteil von Patienten mit unfreiwilligen
stationären Vorbehandlungen
88,6%
40%
durchschnittliche Behandlungsdauer je
Aufenthalt
9,7 Wochen
5,1 Wochen
Gesamtbehandlungsdauer
44,9 Wochen
29,3 Wochen
gesetzliche Betreuung
36%
33%
Psychiatrische Vorgeschichte
NRW
M-V
Rheinau
Anteil von Patienten mit stationärer
Vorbehandlung
78,3%
84,4%
82,4%
durchschnittliche Zahl der Aufenthalte
7,5
5,7
5,7
Anteil von Patienten mit unfreiwilligen
stationären Vorbehandlungen
88,6%
40%
58,8%
durchschnittliche Behandlungsdauer
je Aufenthalt
(in Wochen)
9,7
5,1
?
Gesamtbehandlungsdauer
(in Wochen)
44,9
29,3
33,3%: 1-8 Wo
7,4%: 9-10 Wo
37,0%: über 12 Wo
1.  dd
22,2%: unbekannt
gesetzliche Betreuung
36%
33%
11,8%
Behandlungsprobleme
Merkmal
AP
NRW
M-V
Rheinau
komorbider Substanzabusus, abhängigkeit
47%
73,9%
62,2%
58,8%
komorbide Persönlichkeitsstörung ?
17,2%
0,44%
14,7%
Complianceprobleme
50-75%
90,7%
64,4%
55,9%
Vorstrafenbelastung
40,9%
63,4%
64,4%
52,9%
durchschnittliche Anzahl der
Vorstrafen
?
7
3,7
3,1
Fazit
 
Patienten des Massregelvollzugs sind durch vorherigen sozialen Abstieg,
Drogenkonsum, juristische VG charakterisiert
 
85% der forensischen Patienten im Versorgungssystem
 
hoher Anteil von Noncompliance (aber ca. 75% der
allgemeinpsychatrischen Patienten mit Schizophrenie sind noncompliant
[Liebermann et al. 2007])
 keine trennbare Population, sondern allgemeinpsychiatrisch relevante
Gruppe
aber
 
 
 
 
 
 
Allgemeinpsychiatrie HRO betreut pro Jahr 2500 Patienten, Klientel
ist sehr heterogen
Anteil der potentiell unterversorgten und dadurch forensifizierten
Patienten ist demgegenüber minimal
überhaupt entspricht die Zahl der 45 untergebrachten Patienten
einem Anteil von 0,27% der in M.-V. zu erwartenden ca. 16800
Patienten
Vorhersage ist statistisch gesehen allein wg. der Seltenheit der
Delikte ausgesprochen schwierig
handelt es sich um ein aufgebauschtes Problem?
besteht überhaupt Handlungsbedarf?
Weiter wie bisher?
 
 
 
 
 
"Verschiebung" von Patienten von der allgemeinen zur forensischen
Psychiatrie aufgrund kürzerer stationärer Behandlungen ist wenig
plausibel.
Trends im MRV sind Abbildungen eines gesellschaftlichen Trends mit
grösserem Sicherheitsbewusstsein und geringerer Risikotoleranz.
Die konsequente Anwendung von Risikoeinschätzungsinstrumenten in der
allgemeinen Psychiatrie führt durch präventives Einsperren zu einer
vielfachen Verletzung von Menschenrechten, denn nur die allerwenigsten
der präventiv eingesperrten Personen werden tatsächlich straffällig.
An der Häufigkeit von Gewalttaten psychisch Kranker würde sich kaum
etwas ändern, denn die meisten späteren Gewalttäter würden durch die
Risikoeinschätzung nicht erfasst.
Es käme zu einer Umverteilung von Behandlungs− und
Betreuungskapazitäten zugunsten solcher Patienten, die als
Risikopatienten eingestuft werden, und zu ungunsten der Patienten, bei
denen aufgrund klinischer Symptome und subjektivem Leiden eine
Behandlung geboten ist.
Zinkler PsychiatrPraxis 2009
Nein!
 
es geht nämlich nicht unbedingt um spezifische
Behandlungsprogramme, sondern zunächst einmal darum das
Bewusstsein für eine problematische Gruppe zu schärfen
 
das Problemfeld Fremdaggressivität muss adressiert und nicht delegiert
werden
 bei der Anamneseerhebung muss nach juristischer VG gefragt
werden
 
soziale Desintegration beenden
 enge Kooperation mit Wohnheimen erforderlich
 
Complianceproblematik bearbeiten
 enge Kooperation mit Vormundschaftsgerichten erforderlich
 
forensisch-psychiatrisches Wissen nutzen
 fachlicher Austausch, Kooperation
Sanders et al., BMJ 2000
Eigengefährdung
Fremdgefährdung
Gedanken
46.9%
29.6%
Verhalten im Vorfeld der
Aufnahme
17.3%
14.3%
Vorgeschichte
58.2%
53.1%
erfragt/dokumentiert
93.9%
13.2%
Ziel
fachlicher Austausch, Kooperation
  forensisch-psychiatrisches Wissen nutzen
  Bewusstsein für problematische Patientengruppen schärfen
  Problemfeld Fremdaggressivität adressieren
Umgang mit Zwischenfällen
 
Gewalt nicht verharmlosen
 
Anzeige
 
Analyse des Zwischenfalls
 
veränderbare Faktoren verändern (Stationswechsel)
 
behandelbare Symptome behandeln
Prävention
 
regelmässige interdisziplinäre Risikoabschätzung
 
Information von Risikogruppen (Angehörige)
 
mögliche Interventionen mit Angehörigen, Betreuern, Gericht
vorbesprechen
 
klare Festlegung: wann und wie intervenieren
HCR-20
Dimension 1: Statische Variablen (History)
H1:
H2:
H3:
H4:
H5:
H6:
H7:
H8:
H9:
H10:
frühere Gewaltanwendung
geringes Alter bei 1. Gewalttat (<20, 20-39, 40 und älter)
instabile Beziehungen
Probleme im Arbeitsbereich
Substanzmissbrauch
(gravierende) seelische Störung
Psychopathy (PCL-Score)
frühe Fehlanpassung
Persönlichkeitsstörung
frühere Verstösse gegen Auflagen
HCR-20
Dimension 2: Klinische Variablen (Gegenwart)
C1:
C2:
C3:
C4:
C5:
Mangel an Einsicht
negative Einstellungen
aktive Symptome
Impulsivität
fehlender Behandlungserfolg
Dimension 3: Risikovariablen (Zukunft)
R1:
R2:
R3:
R4:
R5:
Fehlen realisierbarer Pläne
destabilisierende Einflüsse
Mangel an Unterstützung
fehlende Compliance
Stressoren
Psychiatrie in Krankenhäusern
des Justizvollzugs
Hauptdiagnosen:
 
 
 
 
 
endogene Psychosen
Anpassungsstörung
Persönlichkeitsstörung
Sucht
hirnorganische Störung
43,2 %
29,1 %
15,5 %
6,8 %
4,7 %
Rate der Anpassungsstörungen und der Persönlichkeitsstörungen
ist deutlich höher als in allgemeinpsychiatrischen
Behandlungskollektiven
Häufige Diagnosen bei
Gefangenen
 
 
 
 
 
 
Alkoholmissbrauch/-abhängigkeit
Drogenabhängigkeit
spezifische Phobien
Dysthymia
rezidivierende depressive Episoden
psychotische Störung
77 %
20 %
39 %
21 %
20 %
10 %
zusätzlich muss bei ca. 50 % der Gefangenen vom Vorliegen einer
Persönlichkeitsstörung ausgegangen werden.
DSM-IV: Missbrauch
 
Substanzkonsum  Verpflichtungen bleiben unerfüllt
 
Konsum in Situationen, in denen es zu Gefährdung kommt
 
juristische Probleme wg. des Konsums
 
Konsum trotz zwischenmenschlicher Probleme
 
keine Abhängigkeit
DSM-IV, ICD-10: Abhängigkeit
 
starkes Verlangen
 
verminderte Kontrolle
 
körperliche Entzugssymptome
 
Toleranzentwicklung
 
Einengung auf Beschaffung oder Konsum
 
Konsum trotz schädlicher Folgen
Persönlichkeitsstörungen
Definition von Persönlichkeit:
Summe aller psychischen Eigenschaften und Verhaltensbereitschaften, die
dem Einzelnen seine eigentümliche, unverwechselbare Individualität
verleihen.
Aspekte des Wahrnehmens, Denkens, Fühlens, Wollens und der
Beziehungsgestaltung.
Definition von
Persönlichkeitsstörung
Eine Persönlichkeitsstörung liegt dann vor, wenn durch den
Ausprägungsgrad und/ oder die besondere Konstellation von
psychopathologisch relevanten Merkmalen in den Bereichen des
Wahrnehmens, Denkens, Fühlens, Wollens und der Beziehungsgestaltung
erhebliche subjektive Beschwerden und/oder nachhaltige Beeinträchtigungen
der sozialen Anpassung entstehen. (Saß 1987)
Definition der Persönlichkeitsstörung
nach DSM-IV
Ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten das zu klinisch
bedeutsamem Leid oder Funktionsbeeinträchtigungen führt.
Das Muster manifestiert sich in den Bereichen:
 
 
 
 
Kognition
Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen
Affektivität
Impulskontrolle
Hauptgruppen der
Persönlichkeitstörungen nach DSM-IV
Cluster A
(paranoide, schizoide, schizotypische PS)
sonderbar-exzentrisch, affektarm, misstrauisch
Cluster B
(histrionische, narzisstische, antisoziale, Borderline-PS)
dramatisch, emotional, launisch
Cluster C
(vermeidend-selbstunsichere, zwanghafte, dependente PS)
ängstlich-furchtsam
Klinische Bedeutung und
Epidemiologie von
Persönlichkeitsstörungen
 
 
 
 
 
 
 
3-10 % der Allgemeinbevölkerung
40-60% der psychiatrischen Patienten
in Haftpopulationen bis zu 70%
Antisoziale Persönlichkeitsstörungen bei bis zu 47% der Männer,
21% der Frauen
Borderline Stüörung bei 25% der Frauen
Suizidrisiko 3mal höher als in AB
beeinflusst Verlauf und Prognose psychiatrischer Erkrankungen
Prävalenzdaten der WHO-Untersuchung
für die einzelnen Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10
(N= 716 amb./stat. psych. Pat.; 364 männl.,352 weibl.)
Paranoid
2,4%
Schizoid
1,8%
Dissozial
1,8%
Emotional-instabil, impulsiver Typ
4,5%
Emotional-instabil, Borderline-Typ
14,9%
Histrionisch
4,3%
Anankastisch
1,8%
Ängstlich
15,2%
Dependent
4,6%
Andere
6,8%
Irgendeine Persönlichkeitsstörung
39,5%
(Loranger et al. 1994)
Antisoziale Persönlichkeitsstörung
 
 
 
 
tiefgreifendes Muster von Missachtung und Verletzung der Rechte
anderer, das seit dem Alter von 15 Jahren auftritt
Mindestens drei der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:
 Versagen, sich an Gesetz oder Normen anzupassen
 Falschheit, die sich in wiederholtem Lügen, Gebrauch von
Decknamen oder Betrügen zeigt
 Impulsivität oder Versagen, vorausschauend zu planen
 Reizbarkeit und Aggressivität, die sich in Schlägereien oder
Überfällen äussert
 rücksichtslose Missachtung der eigenen Sicherheit bzw. der
Sicherheit anderer
 durchgängige Verantwortungslosigkeit mit Unfähigkeit, eine
dauerhafte Tätigkeit auszuüben oder finanziellen Verpflichtungen
nachzukommen
 fehlende Reue, Gleichgültigkeit oder Rationalisierung
der Betroffene ist mindestens 18 Jahre alt
eine Störung des Sozialverhaltens war bereits vor Vollendung des
15. Lebensjahres erkennbar.
das antisoziale Verhalten tritt nicht ausschliesslich im Verlauf einer
Schizophrenie oder manischen Episode auf.
Vorteile der DSM-Klassifikation
 
Verweis auf die Störung der Sozialverhaltens
 
Störung des Sozialverhaltens:
  Aggressives Verhalten gegenüber Menschen und Tieren
  Zerstörung von Eigentum
  Betrug oder Diebstahl
  schwere Regelverstösse (hier auch mit Verweis auf ein Alter < 13 Jahre)
Nachteile
 
Konzentration auf leicht objektivierbare behaviorale Phänomene
 
Überschätzung der Prävalenz
 
einseitige Betonung männlicher antisozialer Verhaltensstile
 
hohe diagnostische Überlappung mit Substanzmissbrauch
 
geringe Übereinstimmung mit der Forderung nach einer tiefgreifenden,
verschiedene Funktionsebenen einbeziehende Störung
ICD 10-Forschungskriterien
Dissoziale Persönlichkeitsstörung
Mindestens drei der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen
müssen vorliegen:
 
 
 
 
 
 
herzloses Unbeteiligtsein gegenüber den Gefühlen Anderer,
deutliche und andauernde verantwortungslose Haltung und
Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen
Unfähigkeit zur Aufrechterhaltung dauerhafter Beziehungen
sehr geringe Frustrationstoleranz und niedrige Schwelle für
aggressives, gewalttätiges Verhalten
fehlendes Schuldbewusstsein oder Unfähigkeit, aus negativer
Erfahrung, insbesondere Bestrafung, zu lernen
deutliche Neigung, andere zu beschuldigen oder plausible
Rationalisierungen anzubieten für konfliktträchtiges eigenes
Verhalten
Vor- und Nachteile
  Vorteile:

Berücksichtigung von Gefühlsarmut und der Unfähigkeit, aus
Bestrafung zu lernen
  Nachteile:

fehlende Berücksichtigung von Altersgrenzen

kein Verweis auf Störungen des Sozialverhaltens
Andere forensisch relevante
Symptome von Persönlichkeitsstörungen
Paranoide Persönlichkeitsstörung:
  ständige Selbstbezogenheit, besonders in Verbindung mit starker
Überheblichkeit
  Streitbarkeit und beharrliches situationsunangemessenes Bestehen auf
eigene Rechte
  Misstrauen und anhaltende Tendenz, Erlebtes zu verdrehen, indem
neutrale oder freundliche Handlungen als feindlich oder verächtlich
missdeutet werden
Narzisstische Persönlichkeitsstörung:
  hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit
  glaubt von sich, besonders und einzigartig zu sein
  ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch
  zeigt einen Mangel an Empathie
  zeigt arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen
Andere forensisch relevante Symptome
von Persönlichkeitsstörungen
Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung, impulsiver Typus:
  deutliche Tendenz, unerwartet und ohne Berücksichtigung der
Konsequenzen zu handeln
  deutliche Tendenz zu Streitereien und Konflikten
  Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder Gewalt
  Schwierigkeiten in der Beibehaltung von Handlungen, die nicht
unmittelbar belohnt werden
Borderline-Persönlichkeitsstörung:
  affektive Instabilität
  unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu
kontrollieren
Narzisstische Persönlichkeitsstörung
(nach DSM-IV)
Leitsymptome sind:
 
 
 
 
 
 
 
 
 
starke Kränkbarkeit
Überempfindlichkeit gegenüber Kritik
depressive Verstimmungen in Zusammenhang mit
Kränkungserlebnissen
Selbstüberschätzung
Grössenphantasien
Wunsch nach Bewunderung und Verehrung
massloser Ehrgeiz
Egozentrismus und Ansprüchlichkeit
benutzt andere Menschen
brüchiges Selbstwertgefühl
Typische kognitive Schemata
Alternative Annahmen
Ich bin ein ganz besonderer
Mensch.
Sei normal. Normale Dinge können sehr
angenehm sein.
Ich kann menschlich sein, wie jeder
andere auch, und dennoch einzigartig
sein.
Andere Menschen sollten alles tun,
was in ihrer Macht steht, um meine
Karriere zu fördern.
Es kann sich lohnen, in einem Team zu
arbeiten.
Kollegen können eine Hilfe sein, nicht nur
Gegner.
Menschen haben nicht das Recht,
mich zu kritisieren.
Rückmeldungen können wertvoll und
hilfreich sein. Sie sind nur dann
niederschmetternd, wenn ich sie dafür
halte.
Andere Menschen sollten meine
Bedürfnisse befriedigen.
Andere Menschen haben ebenfalls
Bedürfnisse und Meinungen, die zählen.
Niemand ist mir irgendetwas im Leben
schuldig.
Andere Menschen verdienen keine
Bewunderung oder Anerkennung.
Jeder ist auf seine Art etwas Besonderes.
Jeder macht Fehler.
Psychotherapie bei der Narzisstischen
Persönlichkeitsstörung
Themen sind:
  Selbstwert: verzerrte Grundannahmen zur eigenen Unterlegenheit und
Minderwertigkeit und deren Überkompensation
  Schemata: "Einsames Kind", "Selbstüberhebung", "Distanzierende
Selbstberuhigung"
  aktuelle Beziehungsschwierigkeiten
Techniken sind:
  Erkennen und Fördern positiver Ressourcen und funktionaler Fertigkeiten
  Gemeinsamkeiten im Selbstbild mit anderen Menschen suchen
  Erarbeitung und biographisches Verstehen der narzisstischen
Selbstwertproblematik
  Schemamodifikation, lmaginationsarbeit mit "begrenzter elterlicher Fürsorge"
  Analyse aktueller Beziehungen (Rollentausch)
  Förderung sozialer Fertigkeiten
Emotional instabile
Persönlichkeitsstörung impulsiver Typ
Leitsymptome sind:
 
mangelhafte Impulskontrolle
 
hohe affektive Reaktivität
 
Erregbarkeit
 
impulsive aggressive Verhaltensweisen
 
mangelnde zukunftsorientierte Problemlösung
Emotional instabile
Persönlichkeitsstörung
Borderline-Typ
Leitsymptome sind:
 
Hohe affektive Reaktivität
 
Rasch wechselnde Stimmungslagen
 
Angst vor Verlassenwerden
 
Instabilität hinsichtlich Selbstbild und zwischenmenschlicher Beziehungen
 
Wiederholte Selbstbeschädigungen und parasuizidale Handlungen
 
Geringes planerisches Verhalten
Affektive Merkmale bei der
Borderline-Persönlichkeitsstörung
 
herabgesetzte emotionale Antwortschwelle
 
abrupt aufschiessende Affekte
 
hohe Affektintensität
 
verzögertes Abklingen der Affekte
 
Wechsel zwischen emotionaler Über- und Untererregung
 
diffuse Affektqualität
 
Leeregefühle
(Auto)aggressivität bei der
Borderline-Persönlichkeitsstörung
 
wechselnde Manifestationsformen
 
rezidivierend
 
häufig impulshaft aufschiessend
 
dient der Spannungsminderung
 
tritt sowohl in zwischenmenschlichen Konfliktsituationen
als auch in Zuständen der Leere auf
 
steht in einem engen Bedingungsgefüge mit
affektiven Auslenkungen
Störung von Affektregulation und Impulskontrolle
bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Impulshandlung
bereitliegende
Verhaltensmuster
zunehmender Spannungszustand
intensive negative Affekte
Stressoren
Entspannung
Stimmung
besser
(allerdings nur
kurzfristig)
Therapie - Verbesserung der
Emotionsregulation
Verringerung der emotionalen Vulnerabilität (Hyperreagibilität):
  Verbesserung der Schlaf- und Ernährungsgewohnheiten
  Atemübungen
  Psychopharmakotherapie
Beeinflussung der Situation:
  Aufmerksamkeitslenkung
  Stimuluskontrolle durch Situationsselektion und Situationsmodifikation
Beeinflussung der emotionalen Reaktion:
  Aufmerksamkeitsverschiebung (Ablenkung)
  Kognitive Neubewertung, z.B. Perspektivenwechsel, Veränderung der
  Attribuierung
  Veränderung des expressiven Verhaltens (Gefühlsausdruck)
Spannungsabfuhr:
  Intensive körperliche Reize setzen (motorisch, gustatorisch, taktil)
Paranoide Persönlichkeitsstörung
Leitsymptome sind:
 
Misstrauen und Argwohn
 
Verzerrte Interpretation der Umgebung
 
Erhöhte Kränkbarkeit
 
Gedankliche Starre
 
Nachtragend
 
Neigung zu aggressiven Reaktionen als Antwort auf
vermeintliche Angriffe und Kränkungen
 
Querulatorische und fanatische Zuspitzungen
Psychopathy
 
Versuch einer Spezifizierung von als zu allgemein erlebten
deskriptiven Symptomenclustern mit dem Ziel, einen
kriminalprognostischen relevanten Persönlichkeitstypus zu
identifizieren
 
Ausrichtung an drei wichtigen Aspekten:
 überheblicher und oberflächlicher Interaktionsstil
 affektive Defizite
 Impulsivität
Verhältnis antisoziale
Persönlichkeitsstörung –
Psychopathy
 
 
 
 
 
Psychopathy als besonders wichtige Gruppe der antisozialen
Persönlichkeitsstörung
90 % der psychopaths erfüllen die Kriterien der APD
30 bis 40 % der Probanden mit APD erfüllen PCL-Kriterien
Die Störung des Sozialverhaltens im Kindesalter fehlt bei einigen psychopaths
ICD-10 und PCL zeigen mehr Gemeinsamkeiten
Psychopathy und APD
APD
(65%)
alle Täter
Psychopaths
(25%)
(100%)
Hart 2005
Bezug der Psychopathy zu anderen
Persönlichkeitsstörungen
Paranoide Persönlichkeitsstörung:
  ständige Selbstbezogenheit, besonders in Verbindung mit starker
Überheblichkeit
Narzisstische Persönlichkeitsstörung:
  grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit
  ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch
  zeigt an Mangel an Empathie
Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung, impulsiver Typus:
  Deutliche Tendenz, unerwartet und ohne Berücksichtigung der
Konsequenzen zu handeln
  Schwierigkeiten in der Beibehaltung von Handlungen, die nicht
unmittelbar belohnt werden
Borderline-Persönlichkeitsstörung:
  Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu
kontrollieren
PCL-R
 
orientiert an Symptomen
 
erfordert die Beurteilung eines Experten
 
erfordert die Berücksichtigung klinischer Daten
 
Informationserhebung anhand zweier wesentlicher Quellen:

Akteninhalte

Interview
PCL-R (Hare 1993, 2003)
 
Überarbeitung der ersten Version von 1980
 
anwendbar auf JVA-Populationen und forensisch-psychiatrischer
Patienten
 
20 Items
 
3-Punkt-Skala (0 = fehlt, 1 = möglich, 2 = sicher gegeben)
 
definierter Grenzwert (Wert > 30 = Psychopathy)
Faktorenstruktur
 
Faktor 1: affektive/interpersonelle Merkmale
 
Faktor 2: sozial deviante Verhaltensweisen
 
Im Manual 2003: 4 Faktoren

interpersonell

affektiv

Verhaltensstile

Antisozialität
Items des Faktors 1
 
Trickreich, sprachgewandter Blender mit oberflächlichem Charme
 
Erheblich übersteigertes Selbstwertgefühl
 
Pathologisches Lügen
 
Betrügerisch-manipulatives Verhalten
 
Mangel an Gewissensbissen oder Schuldbewusstsein
 
Oberflächliche Gefühle
 
Gefühlskälte, Mangel an Empathie
 
Mangelnde Bereitschaft und Fähigkeit, Verantwortung für eigenes
Handeln zu übernehmen
Items des Faktors 2
 
Stimulationsbedürfnis, ständiges Gefühl der Langeweile
 
Parasitärer Lebensstil
 
Unzureichende Verhaltenskontrolle
 
Frühe Verhaltensauffälligkeiten
 
Fehlen von realistischen und langfristigen Zielen
 
Impulsivität
 
Verantwortungslosigkeit
 
Jugendkriminalität
 
Missachtung von Weisungen und Auflagen
Zusatzitems
 
Promiskuität
 
viele kurze eheähnliche Beziehungen
 
polytrope Kriminalität
Schizophrene Störungen
 
 
 
 
Lebenszeitprävalenz ~ 0,7% bis 1%
Lebenszeitrisiko für Männer und Frauen ~ gleich hoch
~ 90% der Männer und ~ 66% der Frauen erkranken vor dem
30. Lebensjahr
hoher Anteil chronischer Verläufe
 nur 18% bleiben innerhalb von 5 Jahren nach der ersten Episode
rückfallfrei
 5x höhere Rückfallraten nach Absetzen der Medikation
 Verdreifachung der Zeit bis zur Remission vom 1. zum 3.
Rückfall
 deutliche Reduktion des Funktionsniveaus in den ersten Jahren
der Erkrankung
H. Schanda
Schizophrene Störungen
Hohe Komorbiditätsraten

Alkoholmissbrauch ~ 3x, Drogenmissbrauch ~ 6x häufiger
als in der Allgemeinbevölkerung
 
frühes Einsetzen sozialer Behinderungen bzw. körperlicher
Erkrankungen
 
soziale Depravation, Armut, hohe Raten von Schizophrenie unter
Obdachlosen

7,6% berufstätig (vs. 50,6% in der Allgemeinbevölkerung)
 ϖ 9,6%6-Monatsprävalenz, 12,4%Lebenszeitprävalenz bei
männlichen Obdachlosen
 
geringere Lebenserwartung, hohe Suizidraten

 
H. Schanda
Risiko (min-max) für Kriminalität, Gewaltkriminalität und
Tötungsdelinquenz bei schizophrenen Psychosen (OR, RR, 95% CI)
Kriminialität
min
M
F
M+F
max
Gewaltkriminalität
min
max
Tötungsdelinquenz
min
max
0,9
4,9
1,9
7,9
5,9
10,1
(0,7 - 1,3)
(3,7 - 6,6)
(1,4 - 2.6)
(2,8 - 21,9)
(4,3 - 8,0)
(5,6 - 18,6)
1,3
5,0
4,3
7,1
6,5
18,8
(0,3 - 5,4)
(2,3 - 10,8)
(1,6 - 11,6)
(3,3 - 15,3)
(2,6 - 16,0)
(11,2 - 31,6)
1,6
4,8
3,2
7,4
8,8
38,1
(1,3 - 1,9)
(3,6 - 6,2)
(2,4 - 4,2)
(4,0 - 13,5)
(6,7 - 11,5)
(17,9 - 81,0)
H. Schanda
Schizophrene im Berliner MRV –
Vorbehandlung (Seliger/Kröber 2008)
Akute Risikofaktoren (Kröber 2011)
 
frühere rechtswidrige Taten, insbesondere frühere Gewalttaten (zu
erfahren durch Befragung, Fremdanamnese, polizeiliche Mitteilungen),
frühere Ermittlungsverfahren und Verurteilungen
 
schizophrene Erkrankung, insbesondere vom paranoiden Typus, mit
zeitweilig produktiv psychotischer Symptomatik (im Sinne von TCO
Symptomen: Verfolgungswahn, Auflösung der Ichgrenzen und der
Meinhaftigkeit, Gefühlen der Fremdkontrolle und der Überwältigung).
 
stark feindselige, manichäische, destruktive Wahnthematik mit
intensivem Erleben existentieller Bedrohung
Akute Risikofaktoren
 
Leibhalluzinationen und quälende Zönästhesien, die den Verfolgern
zugeschrieben werden
 
hoher Angstpegel, Gespanntheit, Misstrauen und Feindseligkeit,
zunehmende Verworrenheit, hohe akute Wahndynamik
 
Identifizierung nahestehender Personen als solche, die vom Feind
beherrscht und instrumentalisiert sind (der Feind steht plötzlich im
eigenen Lager)
 
eigene Gewaltdrohungen, Ankündigung finaler Auseinandersetzungen,
bedingte und unbedingte Tötungsankündigungen, Besorgen von
Waffen, Tragen von Waffen
Akute Risikofaktoren
 
frühere Suizidversuche, jetzige Suizidankündigungen (sie sind stets auch
Indikator des Risikos fremdaggressiven Verhaltens)
 
comorbider Substanzmissbrauch, führend sind Cannabis und Alkohol, auch
und gerade wenn seit einigen Tagen plötzlich abstinent
 
bizarre, nicht strafbare Fehlhandlungen gegenüber anderen, z.B.
plötzliches Anfassen von Kindern, Lärmen, erkennbare aggressive
Gespanntheit, chaotisches Verhalten
 
soziale Depravation (Obdachlosigkeit, Hunger, körperliche Verwahrlosung,
Betteln, Kleinkriminalität)
Akute Risikofaktoren
 
vorlaufende Dissozialität seit Kindheit oder Jugend, dissoziales
Verhalten nach Remission im Intervall
 
fehlende Therapeuten- und Medikamentencompliance, geringe
Absprachefähigkeit
 
extremes Einzelgängertum und grosse Verschlossenheit; (bei
psychomotorisch ruhigen, besonnen agierenden Tätern fällt manchmal
die Diskrepanz auf zwischen grosser Kühle und Emotionslosigkeit bei
gleichzeitiger Verbalisierung äusserst brutaler Vernichtungsphantasien
– in der Täter- oder Opferrolle)
 
therapiefeindliches soziales Umfeld (v.a. Angehörige, Sekten etc.), das
von einer Kooperation mit der Psychiatrie und sozialen Hilfssystem
abrät und Behandlungspläne sabotiert
Konsequenzen von
Noncompliance
 
psychotische Rückfälle
 
häufigere Spitalsaufenthalte
 
schlechtere Krankheitsprognose
 
schlechtere soziale Prognose
 
erhöhte Morbidität, Mortalität
 
erhöhtes Suizidrisiko
 
erhöhtes Aggressionsrisiko
 
Belastung der Angehörigen
 
höhere Kosten
H. Schanda
Warum so selten
Depot-Antipsychotika?
Warum so selten Depot-Antipsychotika ?
  Depotpräparate sind nur für wenige schwere Fälle mit fehlender
Krankheitseinsicht und mangelnder Compliance geeignet
  die Verabreichung von Depotpräparaten stellt einen massiven Eingriff
in die Selbstbestimmung eines Patienten dar und ist daher nur in ganz
wenigen Fällen zu rechtfertigen
  atypische Neuroleptika verbessern aufgrund ihres günstigeren
Nebenwirkungsprofils automatisch die Compliance, weshalb sich die
Verwendung von Depots erübrigt
  Patienten lehnen Depotinjektionen ab
H. Schanda
Die Einstellung von Patienten zur
Depot-Medikation
300 Patienten in 9 psychiatrischen Krankenhäusern in Deutschland,
befragt kurz vor der Entlassung.
Akzeptanz von Depotpräparaten
  bei Patienten unter Depot 73%
 bei Patienten mit Depoterfahrung 45%
 bei depot-naiven Patienten 23%
  30% lehnten Depot ab
51% der Patienten unter Depotgaben gaben dieser Verabreichungsform
den Vorzug vor einer peroralen Medikation.
H. Schanda
Die Einstellung von Psychiatern zur
Depot-Medikation
350 Deutsche Psychiater, befragt anlässlich des 8. Weltkongresses für
Biologische Psychiatrie, Wien 2005
kein geeignetes Depotpräparat verfügbar (56,9% FGA -75,1% SGA)
hohe Kosten von Depotpräparaten (17,8% FGA -71,3% SGA)
kein Depot bei Erstmanifestationen (71,1% FGA -64,5% SGA)
schlechtere Kontrolle des antipsychotischen Effekts unter Depot
(69,7% FGA -58,3% SGA)
  Depot ist keine angemessene Behandlungsoption nach einem Rückfall
(68,4% FGA, 67,5% SGA)
  hohes EPS-Risiko unter Depot (91,1% FGA -30,6% SGA)
 
 
 
 

11,1% Klinikvorstände, 19,6% Abteilungsleiter, 3,4% Oberärzte,
2,1% Assistenzärzte, 63,8% in freier Praxis
H. Schanda
 
das Ausmass der Noncompliance schizophrener Patienten und die
durch Absetzen der Medikation bzw. zu kurze Behandlungsdauer
entstehenden negativen Konsequenzen werden massiv unterschätzt
 
die Compliance wird durch nebenwirkungsärmere, peroral verabreichte
SGA nicht entscheidend verbessert
 
Depotpräparate sind in der Mehrzahl der Fälle das Mittel der Wahl
zur Langzeitbehandlung schizophrener Psychosen
 
vor allem bei Risikopatienten sollte bereits bei einer Erstmanifestation
der Einsatz von Depotpräraraten erfolgen
 
Solange nicht für das gesamte therapeutische Spektrum (Wirkung,
Dosierung) SGA in Depotform zu Verfügung stehen, sind zur
Behandlung sämtlicher Patienten FGA-Depots unverzichtbar
H. Schanda
HCR-20
Dimension 1: Statische Variablen (History)
H1:
H2:
H3:
H4:
H5:
H6:
H7:
H8:
H9:
H10:
frühere Gewaltanwendung
geringes Alter bei 1. Gewalttat (<20, 20-39, 40 und älter)
instabile Beziehungen
Probleme im Arbeitsbereich
Substanzmissbrauch
(gravierende) seelische Störung
Psychopathy (PCL-Score)
frühe Fehlanpassung
Persönlichkeitsstörung
frühere Verstösse gegen Auflagen
HCR-20
Dimension 2: Klinische Variablen (Gegenwart)
C1:
C2:
C3:
C4:
C5:
Mangel an Einsicht
negative Einstellungen
aktive Symptome
Impulsivität
fehlender Behandlungserfolg
Dimension 3: Risikovariablen (Zukunft)
R1:
R2:
R3:
R4:
R5:
Fehlen realisierbarer Pläne
destabilisierende Einflüsse
Mangel an Unterstützung
fehlende Compliance
Stressoren
Fazit
 
 
 
 
im Vorfeld wiederholt aggressives Verhalten
keine suffiziente Behandlung, keine kritische Distanz zum Wahn
erheblicher Leidensdruck
problematische Copingstrategien, insbesondere Alkohol
 Kriminalprognose ist bedenklich
  bisheriger Behandlungsverlauf ist durch fehlende Krankheitseinsicht,
fehlende Compliance gekennzeichnet
  Persönlichkeitsveränderung mit mangelnder Kommunikationsfähigkeit
 ambulante Behandlung ist nicht erfolgversprechend
 stationäre Massnahme ist indiziert
Danke für Ihre
Aufmerksamkeit
Wieviel % der Bevölkerung hat jemals (life time) eine
oder mehrere psychische Störungen gehabt?
Lebenszeit
(lifetime)
Prävalenz:
42,6%
Frauen: 48,9%
Männer: 36,8%
Wittchen et al. 2003
12-MonatsPrävalenz:
31,1%
1-MonatsPrävalenz:
19,8%
Frauen: 37,0%
Männer: 25,3%
Frauen: 23,9%
Männer: 15,8%
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