TU Dresden / Institut für Geotechnik Fachbereich Angewandte Geologie Vorlesungsmaterial - Ingenieurgeologie Seite 11-1 Abschnitt 11 - Übungsaufgaben - Teil 1: Interpretation von Bewegungsbildern Interpretation von Bewegungsbildern - Grundsätze Anwendung des Tektonischen Prinzips der geologischen Urkundenforschung: • Rekonstruktion der Bewegungsbilder, • Ableitung der Entwicklung von Strukturen der Erdkruste, • Interpretation der Lagerungsverhältnisse. Interpretation in zwei Arbeitsschritten: • Schritt 1 - Beschreibung des Komplexes mit seinen geologischen Merkmalen der Lagerung (Abfolge → stratigraphisches Prinzip, Diskordanzen, Störungen) • Schritt 2 - Ableitung der Bewegungen aus den Merkmalen der Lagerung. Übungsaufgabe Interpretation von Bewegungsbildern - Beispiel 1 Schritt 1 - Beschreibung der Merkmale: • • • • • • • • Liegender Schichtenverband (älter) = Schichten 1-5 fünf Schichten - sind verbogen = verfaltet, verfaltete Schichten sind zweifach zerbrochen, Schichtenverband ist an seiner Obergrenze geradlinig abgeschnitten, steht im Winkel zum hangenden Schichtenverband = Winkeldiskordanz. • • • • • zwei Schichtenverbände unterschiedlicher Entstehung und verschiedenen Alters können ausgehalten werden, Liegender Schichtenverband - älter, Hangender Schichtenverband - jünger, getrennt durch eine Diskordanzfläche, Hangender Schichtenverband (jünger) = Schichten 10-13 horizontal abgelagert über der Diskordanzfläche, zerbrochen an einer Stelle, jeder Block ist in sich konkordant gelagert, linke Seite nur 3 Schichten (10 bis 12), rechte Seite 1 Schicht mehr (10 bis 13). Schritt 2 - Auflösung in die Bewegungen: 1. Ablagerung der Schichten 1 bis 5 Unterbrechung der Sedimentation. 2. Unmittelbar nach der Ablagerung der Schicht 5 folgt die bruchlose Deformation durch gebirgsbildende Bewegungen, seitlich ansetzende Kräfte führen zu Pressung und Faltung. Dabei/danach Heraushebung und Abtragung, Schicht 5 ist teilweise erodiert. Die Abtragung wird sich bis zur vollständigen Einebnung der Oberfläche vollziehen. 3. 4. TU Dresden / Institut für Geotechnik Fachbereich Angewandte Geologie Vorlesungsmaterial - Ingenieurgeologie Seite 11-2 5. 6. Damit ist die Bildung des ersten Schichtenverbandes abgeschlossen. Vor der endgültigen Einebnung jedoch nochmals Krafteintrag mit Bruchdeformationen, Bildung einer Störung und Versatz der beiden Blöcke. Nach Beendigung der Einebnung liegt eine alte Landoberfläche vor, die die Diskordanzfläche bildet. Bildung des zweiten Schichtenverbandes. 7. Die Landoberfläche wird nach Absenkung wieder Sedimentationsraum, z. B. in einem Meer, Ablagerung der Schichten 10 - 12 auf der Diskordanzfläche. 8. Nach Ablagerung von Schicht 12 erneute Bewegungen mit bruchhafter Deformation. 9. Linker Block wird herausgehoben, verlässt den Sedimentationsraum, deshalb keine Ablagerung mehr. 10. Rechter Block wird abgesenkt, verbleibt im Sedimentationsraum, deshalb dort die Schicht 13 abgelagert, die Ablagerung von Schicht 13 erfolgt während / nach der Bewegung. Zusammenfassung der Bewegungen für das Beispiel 1 • • • • Drei Bewegungen unterschiedlichen Alters. 1 - Faltung des liegenden Schichtenverbandes als älteste Bewegung. 2 - Bruch des liegenden Schichtenverbandes in der Folge, der Bruch ist jünger als die Faltung, denn er versetzt die Falten, aber er ist älter als das Hangende, denn er endet an der Diskordanz. 3 - Bruchtektonik des Hangenden und Liegenden zusammen als jüngste Bewegung, die Bewegungsbahn durchsetzt alle Schichten, auch die zuletzt sedimentierte Schicht 13. Übungsaufgabe Interpretation von Bewegungsbildern - Beispiel 2 Schritt 1 - Beschreibung der Merkmale • • • • • • • • Liegender Schichtenverband (älter) = Schichten 1- 6 sechs Schichten - sind verbogen = verfaltet, verfaltete Schichten sind zweifach zerbrochen, Schichtenverband ist an seiner Obergrenze geradlinig abgeschnitten, steht im Winkel zum hangenden Schichtenverband = Winkeldiskordanz • • • • zwei Schichtenverbände unterschiedlicher Entstehung und verschiedenen Alters können ausgehalten werden, liegender Schichtenverband - älter, hangender Schichtenverband - jünger getrennt durch eine Diskordanzfläche. Hangender Schichtenverband (jünger) = 3 Schichten horizontal abgelagert, konkordante Lagerung des gesamten Schichtenverbandes, keine Deformationen erkennbar. TU Dresden / Institut für Geotechnik Fachbereich Angewandte Geologie Vorlesungsmaterial - Ingenieurgeologie Seite 11-3 Schritt 2 - Auflösung in die Bewegungen 1. Ablagerung der Schichten 1 bis 6 Unterbrechung der Sedimentation. 2. Unmittelbar nach der Ablagerung der Schicht 6 folgt die bruchlose Deformation durch gebirgsbildende Bewegungen, seitlich ansetzende Kräfte führen zu Pressung und Faltung, im Ergebnis liegt eine sattelähnliche Aufwölbung vor. 3. Mit zunehmender Pressung geht die Verbiegung der Schichten in eine bruchhafte Deformation über, es entstehen zwei Störungen, Zerlegung des Schichtenverbandes in drei Blöcke. 4. Dabei und danach Heraushebung und Abtragung, Falten werden im oberen Teil erodiert. 5. Die Abtragung vollzieht sich bis zur vollständigen Einebnung der Oberfläche des geologischen Körpers. 6. Es entsteht eine alte Landoberfläche, die die Diskordanzfläche bildet. Damit ist die Bildung des ersten Schichtenverbandes abgeschlossen. Bildung des zweiten Schichtenverbandes 7. Die Landoberfläche wird nach Absenkung wieder Sedimentationsraum, z. B. in einem Meer, Ablagerung der horizontalen Schichten des hangenden Schichtenverbandes auf der Diskordanzfläche. 8. Die Schichten befinden sich in der ursprünglichen Lagerung, es gab keine weiteren Bewegungen. TU Dresden / Institut für Geotechnik Fachbereich Angewandte Geologie Vorlesungsmaterial - Ingenieurgeologie Seite 11-4 Zusammenfassung der Bewegungen für das Beispiel 2 • Zwei Bewegungen unterschiedlichen Alters. • 1 - Faltung des liegenden Schichtenverbandes als älteste Bewegung. • 2 - Brüche des liegenden Schichtenverbandes in der Folge, Brüche sind jünger als die Faltung, denn sie versetzen die Falten, sind aber älter als der hangende Schichtenverband, denn sie enden an der Diskordanz. Abbildungen Beispiele 1 und 2: WAGENBRETH, O. & STEINER, W.: Geologische Streifzüge. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1990. Abschnitt 11 - Übungsaufgaben - Teil 2: Ableitung von relativen Altersfolgen Herangehensweise Beantwortung von drei Fragen: • 1. Welche Gesteine überlagern andere? - Stratigraphisches Prinzip nur für Sedimentgesteine • 2. Welche Gesteine durchdringen andere? - Magmatite • 3. Welche Gesteine beeinflussen andere? - Magmatite / Metamorphite Es ergeben sich zwei Schritte der Ableitung: • Schritt 1: Beschreibung des geologischen Körpers zur Erfassung der Merkmale. • Schritt 2: Aufstellung der Altersfolge aus den Merkmalen. Übungsaufgabe Ableitung von relativen Altersfolgen - Beispiel 1 Beispiel 1: Vorlesungsmaterial Abschnitt 4 (4-1). Erdgeschichtliche Entwicklung einer regionalen Einheit. Schritt 1 - Beschreibung der Merkmale • • • • • • • • • • • • • • • drei Schichtenverbände getrennt durch Diskordanzen, Obergrenze bildet die heutige Morphologie mit einem Tal Liegender Schichtenverband gefaltete Gesteine, Intrusivkörper (Pluton, Granit) in den gefalteten Gesteinen, randliche Veränderung der gefalteten Gesteine am Intrusivkörper (Kontaktmetamorphose), Basaltgang, Diskordanzfläche zum Hangenden (Winkeldiskordanz), Schichtenverband zwischen der Winkeldiskordanz und der Erosionsdiskordanz horizontal abgelagerte Schichten von Sedimentgesteinen, im Hangenden abgeschnitten durch eine Erosionsdiskordanz, erste Schicht an der Winkeldiskordanz über dem Granit beinhaltet Granitgerölle, Basaltgang, Diskordanzfläche am Basaltgang (Erosionsdiskordanz), Schichtenverband im Hangenden der Erosionsdiskordanz horizontal abgelagerte Schichten von Sedimentgesteinen über einer Erosionsdiskordanz TU Dresden / Institut für Geotechnik Fachbereich Angewandte Geologie Vorlesungsmaterial - Ingenieurgeologie Seite 11-5 Schritt 2 - Aufstellung der Altersfolge • • • • • • • • • • • • • • • Sedimentation der Schichten des Liegenden nach dem stratigraphischen Prinzip, anschließende Faltung (Gebirgsbildung), Eindringen einer magmatischen granitischen Schmelze in den gefalteten Schichtenverband und Erstarrung (Pluton, Intrusivkörper, Tiefengestein Granit), dabei Beeinflussung des verfalteten Nebengesteines durch Kontaktmetamorphose (Temperatureinwirkung des Plutons), → Pluton (Granit) jünger, weil Intrusion, Durchdringung und Beeinflussung der verfalteten Schichten, Abtragung des gefalteten Komplexes und des Plutones (Granitkörper), Bildung der Diskordanzfläche = alte Landoberfläche auf dem Gebirgsrumpf, anschließend Absenkung des abgetragenen Gebirgsrumpfes, Meer dringt zunehmend auf das Festland vor (Transgression), Festland wird zum marinen Sedimentationsraum, Ablagerung der ersten Schicht mit Granitgeröllen (Transgression, Transgressionskonglomerat = Basiskonglomerat), Schlussfolgerung zur Altersfolge aus der Transgression mit Basiskonglomerat → - Sedimente überlagern den liegenden verfalteten Verband und den Granit Ô - also jünger als beides, - Granit hat diese Schichten nicht beeinflusst, - Granitgerölle in der Basisschicht zeigen an, dass Granit schon vorhanden war, - hat während der Transgression Steilküste des Meeres gebildet, danach weitere Sedimentation im Hangenden des Basiskonglomerates, während oder nach der Sedimentation: Basaltgang durchdringt den Gesamtkomplex, Durchdringung zeigt an → jünger als Sedimente, Danach Heraushebung und Abtragung (Basalt auch abgetragen) Ô Diskordanzfläche = Erosionsdiskordanz, danach wieder Ablagerung von Sedimentgesteinen → Jüngste Schichten, überlagern alles, auch den Basalt. Zusammenfassung der Abfolge der Ereignisse und Gesteine für das Beispiel 1 • Sedimentation des Schichtenverbandes im Liegenden Ô Faltung des Schichtenverbandes im Liegenden Ô Intrusion des Granites Ô Heraushebung / Abtragung / Winkeldiskordanz Ô Absenkung / Transgression / Ablagerung der Sedimentgesteine über der Winkeldiskordanz Ô Basaltgang Ô Heraushebung / Abtragung / Erosionsdiskordanz Ô Sedimentgesteine im Hangenden der Erosionsdiskordanz Übungsaufgabe Ableitung von relativen Altersfolgen - Beispiel 2 Beispiel 2: Vorlesungsmaterial Abschnitt 4 (4-1). Alterseinstufung eines magmatischen Intrusivkörpers. Ableitung der relativen Altersfolge nur aus den Lagerungsverhältnissen. Schritt 1 - Beschreibung der Merkmale • • • • • D - magmatischer Intrusivkörper mit Ganggesteinen (Alter gesucht) E - Metamorphite des Grundgebirges C - schwach verfaltetete Sedimentgesteine B - unverfaltetete Sedimentgesteine A - unverfestigte Sedimente TU Dresden / Institut für Geotechnik Fachbereich Angewandte Geologie Vorlesungsmaterial - Ingenieurgeologie Seite 11-6 Schritt 2 - Aufstellung der Altersfolge • • • • • • D durchdringt E und C Ô D jünger als E und C C überlagert E Ô C jünger als E B überlagert E und C, D Ô B jünger als E und C, D A überlagert B Ô A jünger als B, C, D, E (als alle) Alter des Intrusivkörpers (D) - jünger als E, jünger als C, da B ihn überlagert ist B jünger Ô er ist älter als B und damit älter als A Zusammenfassung der Abfolge der Ereignisse und Gesteine für das Beispiel 2 • Ältestes E → C → D → B → A Jüngstes Übungsaufgabe Ableitung von relativen Altersfolgen - Beispiel 3 Beispiel 3: Vorlesungsmaterial Abschnitt 4 (4-2). Ableitung der relativen Altersfolge durch Schichtkorrelation aus mehreren Aufschlüssen nach der petrographischen Beschaffenheit und mit Hilfe der Leitfossilien als Zeitmarken. Erstellung eines Gesamtprofils. Schritt 1 - Beschreibung der Merkmale • drei Teilschichtenfolgen a bis c an verschiedenen Orten aufgeschlossen • a - Teilschichtenfolge mit horizontaler / konkordanter Lagerung • b - Teilschichtenfolge mit schräger Lagerung • c - Teilschichtenfolge mit steiler/überkippter Lagerung • d - Zusammengesetztes Gesamtprofil (vgl. S. 4-2) Schritt 2 - Aufstellung der Altersfolge • Ausgangspunkt Profil a da ungestörte Lagerung ( es gilt das stratigraphische Prinzip), • petrographisch gleiche Schicht mit Leitfossilien suchen in b (Schicht mit den punktierten Krei-sen), • da diese Schicht im Hangenden von a liegt und in b an der Basis (die überlagernden Schichten über der Schicht mit den Leitfossilien (Kreis mit Punkt) in b fehlen in a), muss die Folge in b jünger als a sein, • also Folge b auf a stapeln, • in c und a keinen übereinstimmenden Schichten, • in c und b gleiche Schichten mit Leitfossilien (Ammonitensignatur), • da diese Schicht in b im Hangenden liegt, die über und unter der Schicht mit den Leitfossilien liegenden Schichten in beiden Aufschlüssen ebenfalls übereinstimmen und keine der anderen Schichten von c im Profil b in den älteren Schichtgliedern auftaucht, muss das Profil in c jünger sein, • also Folge c auf a + b stapeln, • Anmerkung: Das Profil c ist durch tektonische Bewegungen überkippt worden, deshalb befindet sich die jüngste Schicht im Aufschluss an der Basis des Profils, dieses Schichtpaket muss erst „vom Kopf auf die Füße gestellt“ werden, älteste Schicht in diesem Profil ist die Schicht mit der Ammonitensignatur und die jüngste das letzte Sandsteinpaket ohne Fossilien. Zusammenfassung der Abfolge der Ereignisse und Gesteine für das Beispiel 3 • Stapelfolge der Einzelprofile a + b + c (vgl. Abb. d auf S. 4-2) Abbildungen: Beispiele 1 und 3: FECKER, E. & REIK, G.: Baugeologie, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1987; Beispiel 2: Richter, D.: Allgemeine Geologie, Walter de Gruyter, Berlin 1992