Allgemeine und Klinische Pharmakologie häufig verwendeter oral

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1. Jahrgang, April 2007, 17-30
---Erstausgabe---
Allgemeine und Klinische Pharmakologie häufig
verwendeter oral verfügbarer Opioide
Bedeutung der Unterschiede für die
ambulante Schmerztherapie
- Teil 2 -
Nebenwirkungen
Schmerztherapie
Klinische Prüfung
Neue Strategien
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:17-31
Pharmakologie häufig verwendeter oral verfügbarer Opioide
- 18 -
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
3
Teil 1 - Allgemeiner Teil
4
Einleitung
4
Wirkungsmechanismus der Opioidanalgetika
5
Pharmakokinetik der Opioidanalgetika
8
Zentral vermittelte Wirkungen der Opioidanalgetika
10
Peripher vermittelte Wirkungen der Opioidanalgetika
14
Literatur
16
Teil 2 - Spezieller Teil
20
Nebenwirkungen bei der Therapie mit Opioidanalgetika
20
Grundlagen zur Schmerztherapie mit Opioidanalgetika
22
Einfluss der Darreichungsform auf die Therapie mit Opioidanalgetika
23
Klinische Prüfung von Opioidanalgetika
23
Auswahl der Opioidanalgetika für die Schmerztherapie
24
Opioidrotation
25
Langfristige analgetische Therapie mit Opioiden
26
Therapie mit Opioidanalgetika in der Schwangerschaft
27
Neue Strategien zur Verbesserung der Schmerztherapie mit Opioidanalgetika
27
Literatur
30
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Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:17-31
Pharmakologie häufig verwendeter oral verfügbarer Opioide
- 19 -
Zusammenfassung
Opioide sind Liganden an Rezeptoren,
die endogen gebildete Endorphine binden
und deren Wirkungen vermitteln. Obwohl
Opioide sehr gut analgetisch wirken, sind
sie nicht bei jeder Form von Schmerz
gleichermaßen
effektiv.
Außerdem
zwingen
auch
die
Gefahren
der
Dauerbehandlung zum Einsatz von
adjuvanten Therapien. Die kurzfristige
Behandlung
ist
im
Allgemeinen
unproblematisch, wenn gut bekannte
Nebenwirkungen wie Atemdepression,
Erbrechen, Blutdruckabfall, Urtikaria und
Pruritus beachtet werden. Die häufigste
Nebenwirkung ist die Obstipation. Sie
verstärkt und verlängert die Symptome
der postoperativen Darmatonie und
verursacht eine deutliche Einschränkung
der Lebensqualität. Hier kann sich die
gleichzeitige orale Gabe von Naloxon als
fixe Kombination günstig auswirken.
sich Arzt und Apotheker durch eine
koordinierte
Zusammenarbeit
gut
ergänzen.
Retardierte Arzneiformen werden heute
bevorzugt, denn sie weisen wichtige
Vorteile wie konstante Plasmaspiegel
und ein bequemes Dosierungsintervall
auf und ermöglichen daher eher die
insgesamt vorteilhafte und empfohlene
„around
the
clock“-Dosierung.
Die
Langzeitbehandlung chronischer nicht
Tumor-assoziierter Schmerzen hat in den
letzten Jahren deutlich zugenommen.
Obwohl zu vermuten ist, dass sich
dadurch insgesamt die Versorgung mit
einer adäquaten analgetischen Therapie
verbessert hat, sind die klinischen
Evidenzen hierfür gering.
Auch deshalb müssen bei dieser Art der
Opioidtherapie
strenge
Richtlinien
eingehalten werden, damit die Therapie
sicher und effektiv bleibt. Es hat sich
gezeigt,
dass
die
Langzeittherapie
chronischer
nicht
Tumor-assoziierter
Schmerzen mit Neurotoxizität, Hyperalgesie, Wirkungen auf das Hormonsystem, Immunsuppression und der
Gefahr
einer
Suchtentwicklung
verbunden sein kann. Die Richtlinien
sehen
neben
einem
besonderen
ärztlichen Sachverstand auch eine Reihe
von Kontrollen zur Vermeidung von
Fehlverhalten
und
eigenmächtiger
Einnahme seitens des Patienten sowie
eine
genaue
Dokumentation
des
Therapieverlaufs vor. Hierbei können
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:17-31
Pharmakologie häufig verwendeter oral verfügbarer Opioide
Nebenwirkungen bei der
Therapie mit Opioiden
Grundsätzlich sind alle Wirkungen der
Opioide mit Ausnahme der Analgesie als
Nebenwirkungen zu betrachten. Manche
dieser Wirkungen, z.B. die Euphorie,
kann jedoch auch therapeutisch wertvoll
sein. Wie in Tab. 1 dargestellt, sind die
- 20 Unterschiede zwischen den einzelnen
Opioiden im Wesentlichen auf die
Häufigkeit beschränkt. Jedoch kann dies
im Einzelfall durchaus variieren, z.B.
wenn das Opioid wegen nachlassender
Wirksamkeit
oder
Unverträglichkeit
ausgetauscht werden muss (siehe auch
Opioidrotation).
Nebenwirkungen oraler Opioide im Vergleich
Buprenorphin
Hydromorphon
Häufigkeit
Morphin
Oxycodon
Psyche
sehr häufig
(>10%)
Stimmungsschwankungen (Euphorie,
Dysphorie)
Stimmungsschwankungen (Euphorie,
Dysphorie, Angst,
Depression)
häufig
(>1%-<10 %)
Aktiviertheitsänderungen
(meist Dämpfung,
auch Steigerung)
Aktiviertheitsänderungen
(meist Dämpfung,
auch Steigerung)
Denkstörungen
Denkstörungen
Halluzinationen
Verwirrtheit
Schlaflosigkeit
Stimmungsschwankungen (Euphorie
und Dysphorie)
Verwirrtheit
Verwirrtheit
gelegentlich
(>0,1%-<1%)
Wahrnehmungsstörungen
Wahrnehmungsstörungen
StimmungsschwanStimmungsschwankungen (Euphorie
kungen (Euphorie,
und Dysphorie)
Dysphorie, Unruhe,
Depression), Halluzinationen, Psychosen
Häufigkeit
Nervensystem
sehr häufig
(>10%)
Müdigkeit, Schlaf
häufig
(>1%-<10 %)
Benommenheit
Kopfschmerzen
Asthenie
Schwindel
Kopfschmerzen
Kopfschmerzen
Schwindel
Schwindel
Somnolenz
Asthenie
Kopfschmerzen
Hyperästhesie
Zittern, Krämpfe,
fehlende Muskelkoordination
Tremor oder unwillkürliche Muskelkontraktionen
Koordinationsstörungen
Schwindel
Sedierung
gelegentlich
(>0,1%-<1%)
verwaschene
Sprache
Tremor oder unwillkürliche Muskelkontraktionen
Parästhesie
Koma
Häufigkeit
gelegentlich
(>0,1%-<1%)
Augen (Miosis ist typische Begleiterscheinung)
Sehstörungen
(Doppeltsehen)
Sehstörungen (Verschwommensehen)
Sehstörungen
Konjunktivitis
Tab. 1: Sehr häufig bis gelegentlich auftretende Nebenwirkungen der Opioidtherapie,
Teil 1 [Angaben aus (1-4)]
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Pharmakologie häufig verwendeter oral verfügbarer Opioide
- 21 -
Nebenwirkungen oraler Opioide im Vergleich
Buprenorphin
Hydromorphon
Morphin
Oxycodon
Häufigkeit
Gastrointestinaltrakt (Obstipation ist typischer Begleiteffekt)
sehr häufig
(>10%)
Erbrechen
häufig
(>1%-<10 %)
gelegentlich
(>0,1%-<1%)
Übelkeit
Erbrechen
Erbrechen
Appetitlosigkeit
Appetitabnahme
Übelkeit
Mundtrockenheit
Erbrechen
Mundtrockenheit
Übelkeit
Dyspepsie
Dyspepsie
Geschmacksstörung
Schluckauf
Übelkeit und
Mundtrockenheit
(dosisabhängig!)
Gallenkoliken
Appetitlosigkeit
Bauchschmerzen
Dyspepsie
Dyspepsie
Diarrhoe
Mundgeschwüre
Mundtrockenheit
Zahnfleischentzündungen
Häufigkeit
Haut und allergische Reaktionen
sehr häufig
(>10%)
häufig
(>1%-<10 %)
Flatulenz
Pruritus
Schwitzen
Pruritus
Pruritus
Schwitzen
Schwitzen
Hautausschlag
(selten: Photosensibilität)
Urtikaria
(auch durch
Farbstoff Gelborange
Allergie möglich)
gelegentlich
(>0,1%-<1%)
Hautausschlag
Urtikaria
(auch Blässe)
Urtikaria
Pruritus
Häufigkeit
Herz-Kreislaufsystem
häufig
(>1%-<10 %)
Hypotonie
Hypotonie
gelegentlich
(>0,1%-<1%)
Hypertonie
Tachykardie
Blutdrucksenkung
(selten mit
Folgesymptomen)
Abfall und Anstieg
Vasodilatation
von Blutdruck und
Pulsbeschleunigung
Herzfrequenz
(klinisch bedeutsam)
Tachykardie
Bradykardie
(AV-Block)
Zyanose
Häufigkeit
Nieren und Harnwege
häufig
(>1%-<10 %)
gelegentlich
(>0,1%-<1%)
Harnverhalten, vermehrter Harndrang
Blasenentleerungsstörungen
Beeinträchtigungen
beim Wasserlassen
Miktionsbeschwerden
Häufigkeit
Atemwege
sehr häufig
(>10%)
Hypoventilation
häufig
(>1%-<10 %)
Dyspnoe, Apnoe
gelegentlich
(>0,1%-<1%)
Dyspnoe
vermehrtes Husten
Stimmveränderung
Tab. 1: Sehr häufig bis gelegentlich auftretende Nebenwirkungen der Opioidtherapie,
Teil 2 [Angaben aus (1-4)]
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Pharmakologie häufig verwendeter oral verfügbarer Opioide
Beachtenswert ist in jedem Fall, dass zu
Beginn der Therapie manche der
Nebenwirkungen
zu
akuten
Unverträglichkeiten
führen
können,
während sie bei länger dauernder
Therapie durchaus toleriert werden. Dies
gilt u.a für Blutdruckabfall mit Synkopen,
Erbrechen, oder Urtikaria. Auch deshalb
kann aus der durchschnittlichen vom
Hersteller angegebenen Häufigkeit nicht
auf
die
therapeutische
Sicherheit
geschlossen werden (zur Suchtgefahr
siehe oben). Dennoch fällt auf, dass
Hydromorphon
und
Buprenorphin
deutlich
(ca.
10-fach)
seltener
Stimmungsschwankungen wie Euphorie
oder Dysphorie auslösen. Ein solcher
Unterschied
kann
sich
sowohl
therapeutisch günstig als auch nachteilig
auswirken. So könnte die Euphorie
auslösende Wirkung von Morphin und
Oxycodon einem Patienten nutzen, der
durch seine Erkrankung psychisch stark
belastet ist.
Auch wenn akute Unverträglichkeiten bei
einer Dauertherapie oft nachlassen,
können andere Nebenwirkungen in den
Vordergrund treten, die die Sicherheit
und
Effektivität
der
Opioidtherapie
beeinträchtigen. Hierzu zählen eine
Verminderung von Fertilität, Libido und
Antrieb, eine Immunsuppression, sowie
eine Hyperalgesie (5,6). Solche Effekte
komplizieren die Therapie vor allem,
wenn es sich nicht um die palliative
Behandlung Todkranker handelt, sondern
wenn
die
Verbesserung
der
Lebensqualität chronisch Kranker im
Vordergrund steht.
Schließlich hat sich in den letzten Jahren
gezeigt, dass Opioide einen Komplex von
meist exzitatorischen Effekten auslösen
können,
die
unter
dem
Begriff
Neurotoxizität zusammengefasst werden
(7). Diese Effekte treten vor allem nach
hoher Dosierung und Langzeitgabe sowie
bei Patienten mit Niereninsuffizienz und
leichten Störungen der Wahrnehmung in
der Anamnese auf. Die Symptomatik
umfasst Hyperalgesie, Halluzinationen,
Delirium, Koma, Myoklonien, schwere
Sedation, zerebrale Krämpfe (GrandMal) und Störungen der Wahrnehmung.
Diese Effekte sind bislang vor für allem
Morphin beschrieben worden (7). In
solchen Fällen kann eine Reduktion der
- 22 Dosis oder eine Opioidrotation (siehe
unten) versucht werden.
Grundlagen zur Schmerztherapie
mit Opioidanalgetika
Die gute Wirksamkeit der Opioide zur
Behandlung
starker
Schmerzen
ist
unumstritten. Die Wirkstärke eines
Analgetikums wird allerdings auch von
der dem Schmerz zugrunde liegenden
Pathogenese bestimmt. So spricht z.B.
Schmerz durch Entzündungen teilweise
besser auf nichtsteroidale Antiphlogistika
wie Diclofenac oder Indometecin an,
denn diese NSAR greifen im Gegensatz
zu Opioiden direkt in die Pathogenese
der Schmerzentstehung ein und hemmen
das dem Schmerz zugrunde liegende
entzündliche Geschehen. Ein gutes
Beispiel hierfür ist der Rheumaschmerz.
Stufenschema der WHO
Stufe I
Nicht-Opioid
(ASS, Paracetamol,NSAR)
± Adjuvantien
Stufe II
Leicht-mittelstarkes Opioid
(z.B. Codein, Dihydrocodein)
± Nicht Opioid
± Adjuvantien
Stufe III
Mittelstark-starkes Opioid
(z.B. Morphin, Oxycodon
Hydromorphon, Buprenorphin)
± Nicht Opioid
± Adjuvantien
Diese Unterschiede sowie die Gefahr
einer Suchtentwicklung sind die Basis
der Idee des WHO-Stufenschemas. Auch
wenn dieses eine gute und einfache
Richtschnur für Behandlung ist, gibt es
eine Reihe von Ausnahmesituationen, in
welcher unter Umgehung der ersten
beiden Stufen direkt Opiate verwendet
werden (8). Trotzdem bleibt das Schema
ein unschätzbares Werkzeug für die
Behandlung von Tumorschmerz in der
ambulanten Versorgung (9).
Für die Therapie mit Opioiden sind eine
Reihe von Richtlinien entwickelt worden,
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:17-31
Pharmakologie häufig verwendeter oral verfügbarer Opioide
die
den
verschiedenen
klinischen
Situationen Rechnung tragen. Hierzu
gehören Richtlinien zur Behandlung von
akutem
Schmerz
(postoperativ,
Trauma), von Tumorschmerz, von nicht
malignen chronischen Schmerzen und
von Schmerzen bei Kindern (10). Als
wichtige Grundlage gilt, dass die
Therapie wenn möglich oral, jedoch
immer nach einem festen Schema
erfolgen
sollte.
Eine
ausschließlich
bedarfsorientierte Schmerztherapie ist zu
vermeiden (zu Neuen Strategien siehe
unten).
Zur Behandlung des postoperativen
Schmerzes werden Opioide oft als
Monotherapeutika eingesetzt und nach
einem
festen
Dosierungsschema
appliziert. Dies dient einer konstanten
Unterdrückung des Schmerzes und führt
insgesamt zu einer Reduktion des
Opioidverbrauches. Es kann davon
ausgegangen
werden,
dass
bei
kurzfristiger Anwendung von Opioiden zu
Behandlung
des
postoperativen
Schmerzes die Suchtinzidenz sehr gering
ist.
Einfluss der Darreichungsform auf
die orale Therapie mit
Opioidanalgetika
Abgesehen von dem Arzneistoff selbst ist
auch die galenische Formulierung von
Bedeutung für das Ziel, eine möglichst
ununterbrochene Analgesie bei Tumorund chronischem Schmerz durch andere
Erkrankungen zu gewährleisten. Eine
solche Strategie lässt sich mit Ausnahme
von Levomethadon wegen der kurzen
Halbwertszeiten der Opioide (Tab. 2)
nur durch eine Retardierung erreichen.
Die
Retardierung
führt
zu
einer
langsameren Freisetzung der Wirkstoffe
bei der Magen-Darm Passage. Damit
verbunden sind einige wichtige Vorteile
für die Therapie:
• bequemeres Dosierungsintervall
• konstantere Plasmaspiegel
• Vermeidung unnötig hoher
Opioidspiegel im Plasma
(weniger Nebenwirkungen)
• Vermeidung unwirksam niedriger
Opioidspiegel im Plasma
(weniger Schmerzepisoden)
- 23 Diese
Vorteile
führen
zu
einer
Verbesserung von Therapiesicherheit,
Compliance und Wirksamkeit der oralen
Therapie mit Opioiden (11). Dadurch ist
eine Verbesserung der Schmerztherapie
erreichbar, die den Patienten sehr
zugute kommt.
Klinische Prüfung
von Opioidanalgetika
Die klinische Prüfung von Analgetika ist
vor allem deshalb problematisch, weil
Schmerzintensität ein individueller und
subjektiver Endpunkt ist, der durch sehr
viele Faktoren beeinflusst wird. Darüber
hinaus gibt es kaum zusätzlich messbare
objektive Parameter. Weiterhin wird die
Erfassung der Wirkung über einen
längeren Zeitraum hinweg, z.B. mehrere
Monate, auch dadurch erschwert, dass
sich nie genau sagen lässt, ob ein Opioid
wegen Toleranz, Verschlimmerung der
Schmerzintensität oder anderer Faktoren
an Wirkung verliert. Typischerweise sind
es vor allem psychosoziale Faktoren
einschließlich persönlicher Beziehungen,
Angstzustände, destruktive Denkweisen,
Depressionen, Schlafstörungen und viele
andere Änderungen im Leben eines
chronisch kranken Patienten, die seine
Schmerzempfindung und damit auch die
Wirkung
der
Opioide
beeinflussen
können und damit bei klinischen
Prüfungen berücksichtigt werden sollten.
Wie
eine
kürzliche
systematische
Übersicht am Beispiel der Tumortherapie
mit Opioiden jedoch gezeigt hat, ist dies
nur selten der Fall. Die Autoren fanden
für die Opioide Morphin, Oxycodon und
Hydromorphon
in
den
wichtigsten
medizinischen Datenbanken zwischen
1980 und 2005 insgesamt nur 34
randomisierte kontrollierte Studien (12)!
Keine dieser Studien war Placebokontrolliert, obwohl gut bekannt ist, dass
bei der Prüfung analgetischer Wirkungen
z.T.
hohe
Placeboeffekte
gefunden
werden und deshalb eine entsprechend
aussagekräftige Studie eigentlich nicht
auf Placebo verzichten kann.
Angesichts dieser Situation betonen Bell
et al. die schwache Studienlage am
Beispiel des Morphins (12) und eine
systematische Übersicht der Cochrane
Database kommt zum selben Ergebnis
(13). Dabei sind ethische Gründe nur
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:17-31
Pharmakologie häufig verwendeter oral verfügbarer Opioide
teilweise
stichhaltig,
um
einen
Placeboarm auszuschließen. Bell et al.
führen
aus,
dass
Patienten
mit
Schmerzen, die nach Stufe 2 des WHO
Stufenplans behandelt werden, durchaus
für die Dauertherapie ein Placebo
bekommen könnten, wenn der Gebrauch
von schnell freisetzenden Präparaten
(rescue medication) erlaubt bleibt.
Immerhin waren fast die Hälfte der 34
kontrollierten
Studien
mit
solchen
Patientengruppen durchgeführt worden.
Selbst die wenigen randomisierten
kontrollierten klinischen Studien
mit Morphin, Hydromorphon und
Oxycodon sind oft nicht Placebokontrolliert.
Die Studien untersuchen nicht
warum Opioide manchen Patienten
nicht helfen oder warum Patienten
auf nur auf ein bestimmtes Opioid
reagieren, nicht aber auf ein
anderes.
Die meisten der Studien vergleichen
verschiedene Opioide und testen
daher nicht die Wirksamkeit per se.
Hier bleibt der Aussagewert
angesichts der geringen Kontrolle
psychosozialer Faktoren begrenzt.
Dennoch kann nicht bezweifelt
werden, dass Morphin,
Hydromorphon und Oxycodon bei
der Therapie von Tumorschmerz
und chronischem nicht malignen
Schmerz wirksam und
therapeutisch wertvoll sind.
Eine weitere Schwäche der 34 Studien
war das Studiendesign. Die Studien
waren nicht auf die Untersuchung der
Wirksamkeit eines Opioids sondern auf
den Vergleich verschiedener Opioide
oder verschiedener Zubereitungen eines
Opioids ausgerichtet. In solchen Studien
ist das gleiche Ergebnis in beiden
Gruppen nur schwer interpretierbar,
denn
es
könnten
neben
gleicher
Wirksamkeit auch gleiche Unwirksamkeit
oder nicht adäquate statistische und
methodische
Genauigkeit
zugrunde
liegen. Insbesondere angesichts der
geringen Kontrolle der psychosozialen
- 24 Faktoren, bleibt der Aussagewert der
Ergebnisse begrenzt.
Trotz dieser Probleme, wird selbst in
kritischen Übersichten nicht bezweifelt,
dass Morphin (13), Hydromorphon (14)
und Oxycodon (15) stark wirksame
Analgetika sind. So kommen auch
andere ausführliche Übersichten zur
Behandlung von Tumorschmerz und
chronischem nicht malignem Schmerz zu
dem Schluss, dass diese drei Opioide als
Therapeutikum geeignet sind (5-7).
Anders sieht es bei Buprenorphin aus,
welches u.a. wegen der Möglichkeit der
Auslösung von Entzugserscheinungen als
zweite Wahl für die Behandlung von
Tumorschmerz gilt (7) und auch bei der
Behandlung chronischer Schmerzen nicht
im Vordergrund steht (5). Dagegen
kommt eine mehrmals aktualisierte
systematische Übersicht zu dem Schluss,
dass Buprenorphin zur Behandlung des
Opioidentzugs
Vorteile
gegenüber
Levomethadon hat (16). So erweist sich
gerade der für die Schmerztherapie als
eher weniger vorteilhaft eingeschätzte
partielle Agonismus an µ-Rezeptoren
vorteilhaft für die Entzugsbehandlung.
Auswahl der Opioidanalgetika
für die Schmerztherapie
Angesichts der derzeitigen Studienlage
erscheint es sinnvoll, bei der Auswahl
des Opioids mehr auf Unterschiede
zwischen den einzelnen Arzneistoffen
und ihren Darreichungsformen zu achten
als auf die meist unsicheren Ergebnisse
klinischer Studien. Solche Unterschiede
sind evident und betreffen:
• Voller oder partieller Agonist
• Metabolismus
• Elimination
• Wirkdauer
• Nebenwirkungspotenzial
• Missbrauchspotenzial
• Interaktionspotenzial
Das
früher
als
„Goldstandard“
klassifizierte Morphin, ob nun retardiert
oder als schnell freisetzende Form, wird
heute nicht mehr so häufig verwendet.
Der Arzneistoff hat klinisch relevante
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Pharmakologie häufig verwendeter oral verfügbarer Opioide
Nachteile, wobei hier vor allem die
Risiken durch Intoxikation mit aktiven
Metaboliten zu nennen sind. Dies gilt vor
allem
bei
Patienten
mit
Nierenfunktionsstörungen
oder
auch
bei
Patienten mit schwer kontrollierbarem
Gebrauch, z.B. bei der Behandlung von
chronischem Schmerz (7). Weiterhin
sollte bedacht werden, dass die variable
und insgesamt geringe Bioverfügbarkeit
zu Schwankungen der analgetischen
Wirksamkeit führen kann. Dies kann zu
zwischenzeitlichen
Schmerzepisoden
führen und damit die Grundforderung
aller Richtlinien nach einer effektiven
„around-the-clock“-Therapie
verletzen
(5,7,10).
In
der
Folge
könnte
beispielweise
der
Beigebrauch
von
unretardiertem Morphin steigen, was mit
stark schwankenden Plasmaspiegeln und
damit möglicherweise auch verstärkten
Nebenwirkungen verbunden wäre.
Wichtige
Kriterien
sind
auch
die
Komedikation des Patienten. So müssen
bei
AIDS-Patienten
Interaktionen
zwischen Ritonavir und Buprenorphin
beachtet werden. Andererseits wird das
Missbrauchspotenzial von Buprenorphin
gering
eingeschätzt.
Levomethadon,
welches in Deutschland häufig in der
Substitutionsbehandlung bei Abusus von
Opioiden verwendet wird, weist bei
Dauertherapie eine sehr lange (12-16 h)
und
oft
schlecht
vorhersagbare
Halbwertzeit auf. Damit besteht bei
eigenmächtiger zusätzlicher Einnahme
von mehr als einer Dosis pro Tag, welche
bei Schmerztherapie nicht unüblich ist,
die Gefahr der Akkumulation mit
gefährlich
hohen
Plasmaspiegeln.
Dagegen scheint Methadon gut bei
bestehender Opioidtoleranz zu wirken.
Opioidrotation
Unter Opioidrotation versteht man die
Umstellung eines Patienten von einem
Opioid auf ein anderes. Dies kann
erforderlich werden, wenn mit dem
ursprünglich verwendeten Opioid kein
ausreichender analgetischer Effekt mehr
erreicht wird, oder die für eine Analgesie
benötigte Dosis wegen Nebenwirkungen
wie beispielsweise Neurotoxizität nicht
mehr toleriert wird. Nicht nur klinische
Erfahrungen sondern auch molekulare
Aspekte sprechen für einen solchen
- 25 Ansatz (6,10). So ist gut bekannt, dass
die Kreuztoleranz zwischen Opioiden nur
bedingt ausgeprägt ist und dies lässt sich
vor dem Hintergrund der Diversität der
Subtypen von Opioidrezeptoren (µ, κ),
die vermutlich durch alternatives Splicing
oder Heterodimerisierung (siehe oben)
entstehen, auch molekular erklären.
Opioidrotation beinhaltet den abrupten
Abbruch der Therapie mit dem nicht
mehr wirksamen Opioid und den Beginn
der Therapie mit einer äquianalgetischen
Dosis eines alternativen Opioids (7). Bei
Opioidrotation muss das richtige Opioid
ausgewählt
und
vor
allem
eine
Überdosierung vermieden werden.
Übliche Startdosis für
einige Opioide
Opioid
übliche
Startdosis
Morphin
15-30 mg,
alle 3-4 h
Oxycodon
5-10 mg
alle 3-4 h
Hydromorphon
2-6 mg
alle 3-4 h
Buprenorphin
---
Tab. 2: Standarddosierungen für einige
unretardierte orale Opioide (Erwachsene
mit mehr als 50 kg Körpergewicht). Die
Äquivalenzdosis bei Opioidrotation soll
erst nach Auftitrierung erreicht werden,
wobei z.B. mit der üblichen Startdosis
begonnen
wird
(siehe
Text).
Die
Dosierungen stammen aus Tabellen, die
sich an Richtlinien orientieren (6,10).
Hierbei ist also die Frage einer
äquianalgetischen
Dosierung
von
entscheidender Bedeutung. Da das
alternative Opioid beispielsweise wegen
geringer Kreuztoleranz üblicherweise
wirksamer ist, sollte mit einer deutlich
geringeren Dosierung begonnen werden.
Empfohlen wird die übliche Startdosis
bzw. die Hälfte der Dosis zu wählen, die
dem zu ersetzenden Opioid äquivalent
ist. Schwierig dabei ist, dass die zur
Verfügung
stehenden
Tabellen
zur
Dosisäquivalenz teilweise stark variieren
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:17-31
Pharmakologie häufig verwendeter oral verfügbarer Opioide
(6,10). Hinzu kommt, dass Tabellen, die
Dosierungen für Opioide im Vergleich mit
Morphin angeben (Tab. 2), nicht
geeignet sind um solche Opioide
untereinander zu vergleichen.
Langfristige analgetische Therapie
mit Opioidanalgetika
Die langfristige Opioidtherapie hat im
letzten Jahrzehnt deutlich zugenommen
(5,6). Hierfür gibt es im Wesentlichen
zwei Gründe. Zum einen sind die
Fortschritte
der
Behandlung
von
Tumorerkrankungen zu nennen, die zu
einer
deutlichen
Steigerung
der
Lebenserwartung geführt haben. Ein
weiterer Grund ist die zunehmend
häufigere Behandlung von Patienten mit
chronischen Schmerzen, die nicht an
Tumorerkrankungen leiden. Die klinische
Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass die
wünschenswerte ausreichende Therapie
starker
Schmerzen
mit
einigen
ernsthaften Problemen verbunden ist,
die den therapeutischen Wert von
Opioiden nicht nur einschränken sondern
unter Umständen ganz zunichte machen
können. Zu nennen sind hier die oben
bereits
erwähnte
Entwicklung
von
neurotoxischen
Effekten
und
einer
Hyperalgesie, die Wirkungen auf das
Hormonsystem, sowie die Entwicklung
einer Sucht. So kommen Ballantyne und
Mao zu dem Schluss, dass hohe Dosen
von Opioiden bei der Behandlung
chronischer
nicht
Tumor-assoziierter
Schmerzen ineffektiv werden und dem
Patienten Schaden zufügen können (6).
Gleichzeitig wird vorgeschlagen, die
unkritische Verordnung von Opioiden
unbedingt zu vermeiden, auch und vor
allem, wenn großer Druck seitens der
Patienten ausgeübt wird, die Dosis zu
erhöhen.
Ganz ähnlich urteilen auch Trescot et al.
bei ihrer Beschreibung der Richtlinien der
„American Society of Interventional Pain
Physicians" (ASIPP) für die Behandlung
chronischer
nicht
Tumor-assoziierter
Schmerzen (5). Diese Richtlinien wurden
erarbeitet
um
die
Qualität
der
Versorgung
zu
verbessern,
die
Verfügbarkeit
für
Patienten
zu
erleichtern,
die
Effektivität
der
Behandlung zu optimieren und die
Kosten-Nutzen Relation zu verbessern.
- 26 Es wird ausführlich darauf hingewiesen,
dass die Effektivität von Opioiden bei
nicht Tumor-assoziierten chronischen
Schmerzen nach den bisherigen Studien
nur als wenig evidenzbasiert einzustufen
ist (Level IV). Dabei machen Sie vor
allem den Umstand geltend, dass die
insgesamt 42 randomisierten Studien,
die ihrer Beurteilung zugrunde liegen,
eine zu geringe Dauer aufweisen, um die
Effektivität einer Langzeittherapie zu
belegen. Untersucht wurden die Opioide
Morphin,
Oxycodon,
Dihydrocodon,
Hydromorphon, Codein, Fentanyl und
Levomethadon bei chronischem Rückenschmerz, diabetischer Neuropathie, Osteoarthritis, neuropathischem Schmerz
und Phantomschmerz.
Die Richtlinien sehen daher vor, dass die
Therapie mit Opioiden wichtigen Regeln
folgen muss, damit die Effektivität der
Therapie gewahrt und Schaden vom
Patienten abgewendet wird. Hierzu
gehören u.a.:
• gutes Verständnis zur Pharmakologie
der unterschiedlichen Opioide
• ausführliche Evaluation des Patienten,
einschließlich aller notwendigen (auch
invasiven) diagnostischen Maßnahmen
• die Formulierung klarer Therapieziele
sowie kontrollierbare Vorgaben an den
Patienten zur Beschaffung der Opioide
(Zusammenarbeit mit Apotheken zur
Vermeidung unkontrollierter
Einnahme durch Mehrfachverordnung)
• regelmäßige Kontrolle der Therapie
(Untersuchung, Erfassung von
Analgesie, Aktivität, Fehlverhalten
und Nebenwirkungen)
• ausführliche Dokumentation der
Behandlung durch Arzt und Patient
Schließlich betonen Trescot et al., dass
die Richtlinien lediglich den momentanen
Stand der wissenschaftlichen Evidenzen
reflektieren
und
keineswegs
als
„Standard der Versorgung“ gelten sollen.
Dennoch
zeigen
die
genannten
Schlussfolgerungen und Empfehlungen,
dass die langfristige Therapie von
chronischen
Schmerzen
besonderen
ärztlichen
Sachverstand
und
eine
entsprechende
Erfahrung
erfordert,
damit sie sicher und effektiv bleibt.
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:17-31
Pharmakologie häufig verwendeter oral verfügbarer Opioide
Therapie mit Opioidanalgetika in der
Schwangerschaft
Im Allgemeinen wird die Anwendung von
Opioiden
wie
Morphin,
Oxycodon,
Hydromorphon und Buprenorphin in der
Schwangerschaft nicht empfohlen, weil
zu wenige Erfahrungen und zu wenige
Daten zur Sicherheit vorliegen (1-4).
Zum gleichen Ergebnis kommt auch ein
systematisches Review, nach welchem
bis 2003 gerade einmal 6 Fallberichte
zum Einsatz von Opioiden bei Frauen im
Alter von 23-36 Jahren existierten,
während die allermeisten Berichte die
Substitutionsbehandlung von Opioidabhängigen Schwangeren beschreiben
(17).
An dieser Situation hat sich bis heute
nicht viel geändert. Es wurde berichtet,
dass die kontinuierliche Infusion von
Morphin zur Kontrolle starken Schmerzes
in der 27. Woche zur fetalen und
plazentaren Vasokonstriktion führte und
sich der Zustand des Fetus nach
Umstellung auf Fentanyl besserte (18).
Ein anderer Bericht beschreibt, dass
nach Verwendung von Morphin während
einer Schnittentbindung die erneute
epidurale Gabe von 1,5 mg Morphin
zentrale Krämpfe auslöste (19).
Andererseits existieren eine Reihe von
Berichten, die eine günstige NutzenRisiko-Relation bei epiduraler Applikation
in der Schwangerschaft beschreiben.
Hierzu zählt die analgetische Therapie
bei QT-Syndrom (20), C1-INH-Defizienz
(21), einer Dysfunktion der Symphyse
des Schambeins (22) und dem Arnold
Chiari Syndrom Typ I (23).
Buprenophin (transdermal), Methadon
und
schnell
freisetzendes
Morphin
zeigten im Rahmen einer randomisierten
klinischen Studie an Schwangeren mit
Opioid-Abhängigkeit keine Unterschiede
hinsichtlich fetaler Bewegungsmuster
und maternaler physiologischer Werte
wie Blutdruck, Körpertemperatur oder
Herzfrequenz
(24).
Ein
weiterer
Fallbericht
beschreibt
die
sichere
Anwendung
von
transdermalem
Buprenorphin bei einer Schwangeren mit
neuropathischen Schmerzen (25).
- 27 -
Neue Strategien zur Verbesserung
der Schmerztherapie mit
Opioidanalgetika
Trotz der guten Wirksamkeit der Opioide
bei der Behandlung starker Schmerzen,
beeinträchtigen einige Nebenwirkungen
ihren
Wert
im
Hinblick
auf
die
Verbesserung der Lebensqualität. Dies
gilt vor allem für die Obstipation,
welche bei längerer Behandlung bis zu
90 % der Patienten betreffen kann und
damit
die
bei
weitem
wichtigste
Nebenwirkung der Opioide darstellt. Die
Obstipation durch Opioide erfordert
nahezu
immer
die
gleichzeitige
Verordnung bzw. Selbstmedikation mit
Laxantien (10). Dennoch wird eine
solche
Zusatzmedikation
nach
Einschätzung der Deutschen Gesellschaft
für Schmerz-therapie e.V. nur bei ca. 30
% der ambulant versorgten Patienten
vom
Arzt
verordnet,
sodass
sich
vermutlich
viele
Patienten
selbst
Laxantien beschaffen. Dadurch könnten
zusätzliche
Gefahren
wie
Elektrolytverluste entstehen und sich
beispielsweise unbemerkt eine Hypokaliämie entwickeln.
Eine Opioid-induzierte Obstipation ist
durch
harten
Stuhl,
frustrane
Anstrengungen beim Stuhlgang und
unvollständige Darmentleerung gekennzeichnet. Die Patienten fühlen sich daher
sehr unwohl. Schmerzhafte Krämpfe im
Unterbauch, Blähungen und Koliken sind
nicht selten. Chronische Obstipation
kann zu Übelkeit und Erbrechen führen
sowie
ernste
Komplikationen
wie
Kotsteinbildung, Peritonitis und (Sub-)
Ileus auslösen.
Die Obstipation durch Opioide ist auch
bei der postoperativen Schmerztherapie
ein erhebliches Problem, denn sie
verstärkt die postoperative Darmatonie
und führt damit zu einer schmerzhaften
und kostenintensiven Beeinträchtigung
der Patienten (26). Die bei der
postoperative Darmatonie vorliegende
Beeinträchtigung der Peristaltik tritt bei
fast allen Patienten nach chirurgischen
Eingriffen, vor allem im Bereich des
Abdomens, auf. Obwohl nur wenig über
die Pathophysiologie bekannt ist, wird
eine Verschiebung des Gleichgewichtes
bei der Steuerung der Motilität über das
autonome
Nervensystem
vermutet.
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:17-31
Pharmakologie häufig verwendeter oral verfügbarer Opioide
Danach kommt es zu einer Steigerung
der durch Noradrenalin vermittelten
hemmenden Wirkung des sympathischen
Nervensystems, während die Aktivität
der parasympathischen Neuronen, die
die Motilität fördern, abnimmt. Hierbei
wird der Stimulation von Opiatrezeptoren
eine tragende Rolle zugeschrieben (siehe
Teil 1, Abb. 7).
Bei der postoperativen Darmatonie
addieren sich dabei die Effekte der durch
die OP vermehrt freigesetzten endogene
Opioide (Endorphine, siehe oben) und
der therapeutisch eingesetzten Opioide
(27). Morphin und andere Opiate
bewirken
eine
Hemmung
der
Ausschüttung von Acetylcholin aus den
parasympathischen Neuronen des Plexus
myentericus in der Darmwand. Dadurch
B
150
Placebo
1 mg ADL 8-2698
6 mg ADL 8-2698
100
50
150
Zeit (Median) bis zum
ersten Stuhlgang [ h ]
200
100
P<0.01
50
0
0
D
C
100
Angabe maximaler
Übelkeit [ mm ]
kommt es zu einer Erhöhung des
Muskeltonus
im
Dickdarm
und
gleichzeitig zu einer Verminderung der
propulsiven Darmperistaltik (spastische
Obstipation). Dies hat für die Patienten
unangenehme bis schmerzhafte Folgen.
So entwickeln sich nicht nur abdominelle
Beschwerden, sondern auch Übelkeit und
Erbrechen,
welches
aufgrund
der
frischen
Operationsnarbe
besonders
schmerzhaft sein kann. Darüber hinaus
benötigen die Patienten einen längeren
Zeitraum bis sie wieder feste Nahrung zu
sich nehmen können. Deshalb verursacht
die postoperative Darmatonie auch eine
Verlängerung des Klinikaufenthaltes, was
mit
entsprechend
hohen
Kosten
verbunden ist.
75
50
25
0
P<0.02
Zeit bis zur Entlassung [ h ]
Morphinsulfatverbrauch [ mg ]
A
- 28 -
150
100
P<0.001
50
0
Abb. 1: Wirkung des Opiatrezeptorblockers ADL 8-2698 (Alvimopan) auf (A) den Opiatverbrauch, (B) die Zeit bis
zum ersten Stuhlgang, (C) die Angabe max. Übelkeit und (D) die Zeit bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus bei Patienten
nach Hysterektomie (n=63) oder partieller Kolonresektion (n=15). Bei den Medianwerten in (B) und (D) wurde auf die
Darstellung der Streuungen verzichtet. Die P-Werte zeigen signifikante Unterschiede [Abb. aus: (28)].
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:17-31
Pharmakologie häufig verwendeter oral verfügbarer Opioide
Die neue Strategie zur Vermeidung
bzw. Verringerung der Obstipation durch
Opioide bedient sich der Unterschiede
bei der Pharmakokinetik der Liganden
am Opioidrezeptor (siehe oben). So
wurde kürzlich in Deutschland ein
Kombinationspräparat aus Oxycodon und
Naloxon für die orale Behandlung starker
bis sehr starker Schmerzen vorläufig
zugelassen. Dabei dient der Anteil von
Naloxon
der
Therapie
und/oder
Prophylaxe
einer
opioidinduzierten
Obstipation (28). Naloxon (siehe oben)
ist ein gut untersuchter und häufig
klinisch eingesetzter Opioidantagonist
mit bekanntem Sicherheitprofil und ist
nach oraler Gabe nur sehr wenig
bioverfügbar. Auf der Basis bisheriger
Erkenntnisse ist zu erwarten, dass diese
nun verfügbare neue Kombination zu
einer Verbesserung der analgetischen
Therapie bei Patienten mit starken bis
sehr starken Schmerzen führt, die sich
vor allem durch eine Erhöhung der
Lebensqualität auswirken dürfte.
- 29 -
Die Validität dieses Konzeptes erfährt
durch eine Neuentwicklung auf dem
Arzneimittelmarkt, die nach Aussage des
Entwicklers Adolor, Exton, PA, USA, in
den USA kurz vor der Zulassung steht,
eine klinische Bestätigung. Es wurde ein
neuer µ-Rezeptorantagonist entwickelt,
dessen orale Bioverfügbarkeit so niedrig
ist, dass bei oraler Gabe nur die µRezeptoren im Darm blockiert werden.
Die neue Substanz heißt Alvimopan. Die
klinische Prüfung von Alvimopan zeigte
(Abb. 1), dass Patienten, die nach einer
Hysterektomie oder einer Kolonresektion
bis zur Entlassung mit 6 mg vor der OP
und danach zweimal täglich behandelt
wurden weder mehr Opioide benötigten
noch mehr Schmerzen hatten (Abb. 1).
Dagegen waren die Zeit bis zum ersten
Stuhlgang, die Inzidenz von Übelkeit und
die Verweildauer in der Klinik signifikant
reduziert (29). Dieses Ergebnis wurde
erst kürzlich in zwei weiteren klinischen
Studien bestätigt (30,31).
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:17-31
Pharmakologie häufig verwendeter oral verfügbarer Opioide
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Autor:
Prof. Dr. Georg Kojda
Fachpharmakologe, Fachapotheker für Arzneimittelinformation
Fortbildungsbeauftragter Apothekerkammer Nordrhein, Apothekerverband Köln e.V.
Weiterbildungsbeauftragter Apothekerkammer Nordrhein
Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie,
Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität,
Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf
Den Fortbildungsfragebogen zur Erlangung eines Fortbildungspunktes zum
Fortbildungstelegramm Pharmazie* finden Sie hier:
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/Fortbildungstelegramm%20Pharmazie/index.html
(*hier finden Sie auch Informationen zum Fortbildungstelegramm Pharmazie, einem universitären und
anzeigenfreien Angebot für eine unabhängige pharmazeutische Fortbildung.)
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2007;1:17-31
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