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Enzephalopathien
anoxische,
toxische und
metabolische ~
Bearbeitung L. Deecke (aus Scientific American Medicine)
C:\text\papd\ECOANOXBU.doc
Bulletin
11 Neurologie
VII Anoxische, metabolische und toxische Enzephalopathien
Anoxische, metabolische und toxische Enzephalopathien
Der Begriff Enzephalopathie wird allgemein auf eine diffuse cerebrale Dysfunktion angewendet.
Eine derartige Dysfunktion manifestiert sich in typischer Weise durch Veränderungen der
kortikalen Funktion und Störungen des Bewußtseins, die von leichten Verwirrtheitszuständen
(d.h. Somnolenz) bis zum Koma reichen. Störungen des Bewußtseins reflektieren eine
Dysfunktion beider cerebraler Hemisphären oder eine solche der Formatio reticularis des
Hirnstamms. Enzephalopathien können auch durch fokale Ausfälle charakterisiert sein, die auf
eine mehr lokalisierte cerebrale Dysfunktion hinweisen.
Neurologische Untersuchung kann Typ der Enzephalopathie
differenzieren
Die neurologische Untersuchung von Patienten mit Verdacht auf Enzephalopathie sollte die
Natur und den Schweregrad der Enzephalopathie festhalten und primäre Erkrankungen des
Zentralnervensystems ausschließen. Eine Enzephalopathie, die mit Zeichen einer meningealen
Reizung einhergeht, legt eine Meningitis oder Subarachnoidalblutung nahe. Fokale
neurologische Ausfälle oder Hinweis auf erhöhten intrakraniellen Druck erfordert den
Ausschluß einer intrakraniellen Raumforderung. Bei metabolischen oder toxischen
Enzephalopathien fehlen meistens jedwede fokalen oder lateralisierenden neurologischen
Zeichen, doch schließt ihr Vorliegen diese Enzephalopathien keineswegs aus.
Fehlende Pupillenreaktion korreliert mit schlechter Prognose
Kreislaufstillstand von mehr als fünf Minuten Dauer kann ausgedehnte und irreversible Hirnschäden
verursachen, die in prolongiertem Koma resultieren. Die Prognose für Überleben oder brauchbare
Besserungen ist schlecht, vor allem wenn Hirnstammreflexe (vornehmlich Lichtreaktion der Pupille) fehlen.
Insbesondere bedeuten Verlust der Pupillenreaktion über mehr als 24 Stunden oder die Persistenz des Komas
über mehr als vier Tage eine schlechte Prognose. In einer Studie war bei komatösen Patienten nach
Herzstillstand mit kontinuierlich lichtstarren Pupillen, fehlendem Augenöffnen auf Schmerzreize, fehlenden
oder nur reflektorischen motorischen Äußerungen drei Tage nach Beginn des Komas, kein Überleben oder
Wiedergewinnung eines verwertbaren unabhängigen Lebens mehr zu erzielen (Edgren et al. 1994). In dieser
Studie war der genaueste Einzelprädiktor für ein schlechtes Aussteigen des Patienten unmittelbar nach der
Wiederherstellung spontaner Herz-Kreislauffunktion die fehlende Lichtreaktion der Pupillen (korrekt in 82 %
der Fälle).
Ursache der Sepsis-bedingten Enzephalopathien ungeklärt
Eine diffuse Enzephalopathie mit progredienter Eintrübung kann als Komplikation einer Sepsis auftreten,
besonders bei Patienten mit dem respiratorischen Distress-Syndrom des Erwachsenen. Die Ursache der
Enzephalopathien durch Sepsis ist unklar, kann aber mit direkter Infektion des Gehirns, mit Toxinen, die
durch die infektiösen Keime produziert werden, wenn sie Organparenchym oder andere Gewebe infizieren
oder mit Veränderungen in der zerebralen Mikrozirkulation, metabolischen Störungen und
Medikamenteneffekten zusammenhängen. Die Sepsis-bedingte Enzephalopathie neigt zu nächtlichen
Verschlimmerungen, ist von deutlichen EEG-Veränderungen begleitet und klart oft spontan auf.
Offensichtliche Infektionen sollten energisch behandelt werden,
metabolische Störungen sind zu korrigieren und die medikamentösen Erfordernisse anzupassen.
Überernährungs-bedingte metabolische Anomalien und
Enzephalopathie
Eine Enzephalopathie kann bei Patienten eintreten, die parenteral überernährt werden, in der Regel
wegen metabolischer Störungen wie Hypophosphatämie, Hyperammoniämie oder Hyperosmolarität.
Eine maligne Form der Wernicke-Enzephalopathie, einer Erkrankung, die auf Thiamin (Vitamin B1)Mangel beruht und häufig bei Alkoholismus vorkommt, kann sich entwickeln, wenn Patienten mit
längerer parenteraler Ernährung keine Thiaminsubstitution erhalten.
11 Neurologie: VII Anoxische, metabolische und toxische Enzephalopathien
VII ANOXISCHE, METABOLISCHE UND TOXISCHE ENZEPHALOPATHIEN
Der Begriff Enzephalopathie wird allgemein auf eine diffuse cerebrale Dysfunktion
angewendet. Eine derartige Dysfunktion manifestiert sich in typischer Weise durch
Veränderungen der kortikalen Funktion und Störungen des Bewußtseins, die von leichten
Verwirrtheitszuständen (d.h. Somnolenz) bis zum Koma reichen. Störungen des
Bewußtseins reflektieren eine Dysfunktion beider cerebraler Hemisphären oder eine solche
der formatio reticularis des Hirnstamms. Enzephalopathien können auch durch fokale
Ausfälle charakterisiert sein, die auf eine mehr lokalisierte cerebrale Dysfunktion
hinweisen. Im allgemeinen ist die Ursache jedoch eine systemische Störung, die das
Gehirn diffus befällt, doch können einige Regionen schwerer betroffen sein als andere.
Eine Vielzahl von Mechanismen können zu Enzephalopathien führen, doch sind
anoxische, metabolische und toxische Faktoren häufig kennzeichnend und können zu
sekundären strukturellen Veränderungen des Gehirns führen.
Klinische Untersuchung
Metabolische und toxische Enzephalopathien können nicht mit Sicherheit von solchen,
die von cerebralen Raumforderungen herrühren, unterschieden werden, doch können bestimmte
allgemeine Hinweise gegeben werden. Der Beginn ist oft schleichend, außer wenn ein akutes
Ereignis wie ein Herzstillstand oder eine Überdosierung von Drogen verantwortlich sind. In der
Regel sind die neurologischen Befunde symmetrisch oder multifokal in ihrer Ausbreitung, und
Tremor, Asterixis und Myoklonus sind häufig. Asterixis (manchmal als Flapping-Tremor
bezeichnet) besteht in kurzen Ausbrüchen einer längeren muskulären Kontraktion wie z.B. wenn
die Arme gegen die Schwerkraft ausgestreckt werden. Fokale oder lateralisierende Symptome
fehlen oder sind inkonstant. Sind sie vorhanden, so alternieren sie oft zwischen den Seiten. Mit
ein paar Ausnahmen sind erhaltene Pupillenreflexe im Kontext einer Hirnstammfunktionsstörung
stark hinweisend auf metabolische oder toxische Störungen. Die Sofortmaßnahmen bei
Enzephalopathien sind in Tabelle 1 zusammengefaßt.
ANAMNESE
Die Untersuchung erfordert eine akkurate Anamnese, um die Ursache der
Enzephalopathie und die Prognose zu etablieren. Es ist wichtig zu analysieren, ob die
neurologischen Symptome abrupt aufgetreten sind (wie z.B. bei einer vaskulären Pathologie)
oder allmählich, ob sie seit Beginn noch zugenommen haben und ob sie durch andere Symptome
und neurologische Zeichen eingeleitet wurden, die Aufschluß über die Ursache der Dysfunktion
geben könnten. Generalisierte Anfälle treten bei Drogen- und Alkoholentzug auf, ferner bei
verschiedenen anderen toxischen und metabolischen Enzephalopathien sowie bei strukturellen
Läsionen des Gehirns. Partielle Anfälle weisen mehr auf eine fokale Pathologie hin, können aber
bei gewissen metabolischen Störungen auftreten, vor allem wenn die Störung auf einer
vorbestehenden fokalen strukturellen Läsion wie einem alten Schlaganfall aufgepfropft ist.
Ähnlich sollte die frühere Vorgeschichte im Detail erhoben werden. Zum Beispiel können
Vorgeschichte und klinische Symptomatik auf Diabetes hinweisend sein, die Somnolenz also mit
einer iatrogenen Hypoglykämie oder einen nicht-ketotischen hyperosmolaren Status im
Zusammenhang stehen, während Somnolenz bei einem alkoholischen Patienten metabolisch sein
kann (z.B. hervorgerufen durch eine hepatische Störung oder Thiaminmangel) oder eben toxisch
(z.B. verursacht durch Alkoholintoxikation oder Entzug), oder schließlich infektiös oder
traumatisch in ihrer Ätiologie sein kann.
KÖRPERLICHE UNTERSUCHUNG
Die allgemeine Untersuchung ist bei Enzephalopathie wichtig. Zum Beispiel
können Ikterus, petechiale Blutungen, gastrointestinale Blutungen, Aszites oder
Hypothermie eine hepatische Dysfunktion anzeigen. Vergröberung der Gesichtszüge,
trockene Haare oder Bradykardie legen einen Hypothyreoidismus nahe. Akne,
Adipositas und Hypertonie finden sich häufig beim Cushing-Syndrom. Einstichstellen
in der Haut lassen an die Möglichkeit einer toxischen Enzephalopathie denken.
Hypertonie spricht dafür, daß die Enzephalopathie durch eine metabolische (z.B. renale
oder endokrinologische) oder ischämische (z.B. zerebrovaskuläre oder kardiovaskuläre)
Störung hervorgerufen ist, während Hypothermie an eine mögliche metabolische oder
toxische Verursachung denken läßt. Derartige Einzelsymptome können natürlich auch
irreführen und müssen immer in ihrem klinischem Kontext gesehen werden; z.B. sind
Fieber und Tachykardie häufige Zeichen einer Infektion, können aber auch bei Drogen
und Alkoholentzug beobachtet werden.
Tabelle 1 Sofortmaßnahmen bei Patienten mit Enzephalopathie ungeklärter Ätiologie
Atmungs- und Kreislaufstützung
Blutproben abnehmen für die Bestimmung folgender Parameter:
Serum Glukose und Elektrolyte
Komplettes Blutbild und Blutsenkung
Leber- und Nierenfunktion
Drogen- und Vergiftungsscreening
Urinprobe für Vergiftungsscreening
Beim Koma mit akutem Beginn und von unbekannter Ursache gebe man das Folgende:
Dextrose 25 g i.v. (um eine mögliche Hypoglykämie zu behandeln)
Thiamin 100 mg i.v. (um Wernicke’s Enzephalopathie zu verhüten)
Naloxon 1 mg i.v. (um eine mögliche Opiatüberdosierung zu
behandeln)
Allgemeine klinische und neurologische Untersuchung
Computertomographie des Schädels (wenn fokale intrakranielle Läsionen zu befürchten
sind)
Lumbalpunktion (wenn Meningitis oder Subarachnoidalblutung
vermutet werden)
Arterielle Blutgase (um zwischen den verschiedenen Ursachen der
metabolischen Enzephalopathie zu differenzieren)
Röntgen Thorax
Weitere Untersuchungen und Behandlungen abhängig von den
Ergebnissen der Erstuntersuchung
NEUROLOGISCHE UNTERSUCHUNG
Die neurologische Untersuchung sollte die Natur und den Schweregrad der
Enzephalopathie festhalten und primäre Erkrankungen des ZNS ausschließen. Eine
Enzephalopathie, die mit Zeichen einer meningealen Reizung einhergeht, legt eine
Meningitis oder Subarachnoidalblutung nahe, während fokale neurologische Ausfälle
oder Hinweis auf erhöhten intrakraniellen Druck den Ausschluß einer intrakraniellen
Raumforderung erfordert. Bei metabolischen oder toxischen Enzephalopathien fehlen
meistens irgendwelche fokale oder lateralisierende neurologische Zeichen, doch
schließt ihr Vorliegen metabolische oder toxische Enzephalopathien keineswegs aus.
Um die Natur und den Schweregrad einer Enzephalopathie zu bestimmen, muß der
mentale Status erhoben werden unter besonderer Berücksichtigung des
Bewußtseinsgrades, wie er durch die Aufmerksamkeitsspanne und das Beantworten
verbaler oder schmerzhafter Reize evaluierbar ist. Orientierung, Verhalten,
Sprachfunktion, Stimmung und Affekt, Gedankeninhalte und Gedächtnis sollten
möglichst untersucht werden. Die Kurzuntersuchung des ZNS besteht in der
Untersuchung der Hirnnerven - besonders der Pupillenreflexe - und der
sensomotorischen Funktionen von Armen und Beinen, einschließlich Sehnenreflexe
und Babinski.
Obwohl die Pupillenreaktion auf Licht bei Patienten mit metabolischen und toxischen
Enzephalopathien oft normal ist, kann eine Vielzahl von Pupillenstörungen auftreten.
Z.B. können eine fixierte dilatierte oder schwach antwortende Pupille oft bei der akuten
cerebralen Anoxie oder Intoxikation mit Anticholinergika oder sympathomimetischen
Medikamenten angetroffen werden. Abhängig von den Umständen, unter denen sie
angetroffen werden, sollte auch die Entstehung einer Einklemmung durch intrakranielle
Raumforderung in Betracht gezogen werden. Stecknadelkopfenge Pupillen sind ein
Hinweis auf Intoxikation mit Opioiden, Organophosphatvergiftung oder die
Anwendung miotischer Augentropfen; sie sind auch eine häufige Folge pontiner
Läsionen, wie z.B. durch Schlaganfall. Eine abnorme Asymmetrie der Pupillenweite
oder Reaktion spricht dafür, daß eine strukturelle Läsion des Hirnstamms (oder der
Hirnnerven) dahintersteckt. Diese Symptome sind bei metabolischen und toxischen
Enzephalopathien eher unwahrscheinlich. Augenbewegungsreflexe sollten ebenfalls
untersucht werden. Bei komatösen Patienten kann der Verlust des vestibulookulären
Reflexes entweder mit einer strukturellen Pons-Läsion oder Intoxikation mit Sedativa
auftreten; im Gegensatz dazu spricht eine Deviation eines oder beider Augen nach
unten bei einseitiger Kaltwasserirrigation des Gehörganges entschieden für eine
Intoxikation mit Sedativa.
Wenn eine Enzephalopathie progredient ist, werden die Patienten komatös. Die Tiefe
des Komas wird am besten charakterisiert durch die Beantwortung äußerer Reize [s.
Tabelle 2]. Lateralisierte Beantwortung spricht für eine strukturelle Läsion, während
bilateral symmetrische Reaktion entweder für eine strukturelle Läsion oder eine
metabolisch toxische Pathologie spricht. In Fällen einer raumfordernden oder
progredienten strukturellen Läsion, die eine transtentorielle Herniation nach unten
hervorruft, tritt der Ausfall der kortikalen Funktion in rostrokaudaler Reihenfolge
auf1[s. Tabelle 2].
Bis hierher Skripten verteilt
Anoxische Enzephalopathien
KARDIALE FUNKTIONSSTÖRUNG
Kreislaufstillstand
Vorübergehender Kreislaufstillstand kann zu einer globalen zerebralen
Ischämie führen und so zu einer Synkope, der manchmal unspezifische Vorboten
vorausgehen wie Parästhesien, Schwindel, Herzklopfen und Schwarzwerden vor den
Augen. Die Synkope ist begleitet von Blässe und Tonusverlust der Muskulatur,
jedoch treten mit prolongierter Ischämie tonische Haltepositionen auf bisweilen
begleitet von irregulären Zuckungen, die Krampfanfällen ähneln.2 Wenn nach der
Synkope ein Verwirrtheitszustand auftritt, so klärt sich dieser innerhalb einer Minute
auf. Die Synkope kann in Zusammenhang stehen mit kardialer Pathologie, einer
Dysautonomie, einer orthostatischen Hypotension, Endokrinopathien und
metabolischen Störungen. Die neurokardiogene (vasovagale) Synkope ist jedoch die
häufigste Variante [s. Kapitel 1, Unterkapitel IV].
Abhängig von ihrer Dauer können Kammerflimmern oder Asystolie irreversible
anoxisch ischämische Hirnschäden verursachen. Die Prognose hängt vom Alter des Patienten,
der Dauer des Kreislaufstillstands und dem Intervall bis zur kardiopulmonalen Reanimation
oder Defibrillation ab. Kreislaufstillstand durch Kammerflimmern hat eine bessere Prognose
als durch Asystolie. Die neurologischen Konsequenzen des Kreislaufstillstands hängen
vielleicht mit der Akkumulation intrazellulären Calziums, erhöhten extrazellulären
Konzentration von Glutamat und Aspartat sowie erhöhten Konzentrationen der freien
Radikale ab.
Im ausgereiften Nervensystem ist die graue Substanz in der Regel vulnerabler
gegenüber Ischämie als die weiße Substanz, und der Cortex ist empfindlicher als der
Hirnstamm. Sogenannte Grenzzonenbereiche die zwischen den Territorien der großen
Arterien liegen, sind besonders vulnerabel.
Kreislaufstillstand von weniger als 5 Minuten Dauer führt zu einem
vorübergehenden Verwirrtheitszustand oder vorübergehender Bewußtlosigkeit und
verminderter kognitiver Funktion. Die komplette Erholung ist die Regel, doch kann in
seltenen Fällen der Kreislaufstillstand nach 7-10 Tagen gefolgt werden von einer
demyelinisierenden Enzephalopathie mit zunehmender kognitiver Dysfunktion und
pyramidalen oder extrapyramidalen Ausfällen, die sogar letal enden kann.3 Diese Patienten
erlangen das Bewußtsein einige Stunden nach dem Kreislaufstillstand wieder, entwickeln aber
dann progrediente neurologische Ausfälle, wie z.B. intellektuelle Störungen,
Persönlichkeitsveränderungen, Anfälle, kortikale Blindheit, amnestische Syndrome oder
weniger häufig ein Locked-in-Syndrom, extrapyramidale Syndrome, Paraparese der Arme
oder Intentions (Aktions-) Myoklonus. Spinale Ausfälle können ebenfalls auftreten, sind aber
nicht die Regel.
Kreislaufstillstand von mehr als fünf Minuten Dauer kann ausgedehnte und
irreversible Hirnschäden verursachen, die in prolongiertem Koma resultieren. Die Prognose
für Überleben oder brauchbare Besserungen ist schlecht, vor allem wenn Hirnstammreflexe
(vornehmlich Lichtreaktion der Pupille) fehlen. Insbesondere bedeuten Verlust der
Pupillenreaktion über mehr als 24 Stunden oder die Persistenz des Komas über mehr als vier
Tage eine schlechte Prognose. In einer Studie war bei komatösen Patienten nach
Herzstillstand mit kontinuierlich lichtstarren Pupillen, fehlendem Augenöffnen auf
Schmerzreize, fehlenden oder nur reflexhaften motorischen Äußerungen drei Tage nach
Beginn des Komas, kein Überleben oder Wiedergewinnung eines verwertbaren unabhängigen
Lebens mehr zu erzielen [s. Tab. 3].4 In dieser Studie war der genaueste Einzelprädiktor für
ein schlechtes Aussteigen des Patienten unmittelbar nach der Wiederherstellung spontaner
Herz-Kreislauffunktion die fehlende Lichtreaktion der Pupillen (korrekt in 82 % der Fälle).
Von 89 Patienten mit fehlender Pupillenreaktion auf Licht nahmen 73 einen ungünstigen
Verlauf (d.h. Tod oder persistierendes apallisches Syndrom).4 Selbst wenn das Bewußtsein
wiedererlangt wird, führen fokale oder multifokale neurologische Ausfälle zu schwerer
Invalidität aufgrund dieser neurologischen Defizite, extrapyramidalmotorischen Syndromen
(z.B. Parkinsonismus), Sensibilitätsstörungen, Anfällen, Myoklonus und Störungen höherer
corticaler Funktionen, von denen Besserung in der Regel verzögert oder unvollständig bleibt.
Ein Intentions- (Aktions-) Myoklonus ist unter diesen Umständen besonders charakteristisch;
er wird häufig durch Schreckreaktionen (Startle) oder die verschiedensten Sinnesreize
aktiviert und spricht nur gelegentlich auf Clonazepam, Valproat, Piracetam oder 5Hydroxytryptophan an.
Manche Patienten erlangen nach Kreislaufstillstand nie das volle Bewußtsein
wieder sondern verbleiben in einem persistierenden apallischen Syndrom oder bieten die
Symptome des Hirntods. Das persistierende apallische Syndrom ist charakterisiert durch
die Rückkehr eines Schlaf-Wach-Rhythmus’ und der verschiedensten Reflexaktivitäten,
doch ist der ‘Wachzustand’ ohne wirkliches Wachsein (Coma vigile).5,6 Der Hirntod wird
definiert durch das Fehlen sämtlicher cerebraler Funktionen, einschließlich der
Funktionen des Cortex und des Hirnstamms über mindestens sechs Stunden, wenn
bestätigt durch elektroenzephalographischen Nachweis elektrischer Hirn-Inaktivität
(‘Nullinien-EEG’) oder aber über 24 Stunden ohne bestätigende EEG-Ableitung. Ein
brauchbarer klinischer Test bei Patienten mit vermutetem Hirntod ist der Apnoe-Test.
Dieser besteht in Evaluierung des Atemreflexes des Hirnstamms, indem man den
Kohlendioxyd-Partialdruck (PCO2) auf 60 mm Hg ansteigen läßt, während gleichzeitig
100 % Sauerstoff in den Endotrachealtubus gegeben wird. Hirntote Patienten zeigen
keinen Atemreflex auf den Apnoe-Test.7
Hirntod kann klinisch vorgetäuscht werden durch extreme Hypothermie,
Sedativaüberdosierung und neuromuskulären Block. Derartige Zustände müssen stets
ausgeschlossen werden, besonders wenn keine eindeutige Anamnese auf Herzstillstand
erhoben werden kann.
Herz-Katheterismus und -Chirurgie
Herzkatheterismus und perkutane transluminale Koronar-Angioplastie
verursachen manchmal zerebrale Embolien, die zu fokalen neurologischen Ausfällen
oder einer Enzephalopathie führen können, die sich durch Verhaltensauffälligkeiten
manifestiert. Enzephalopathie, Anfälle und Hirninfarkt nach Herzchirurgie rühren für
gewöhnlich von Hypoxie oder Embolisation her. Postoperative Enzephalopathien
können ebenfalls mit metabolischen Störungen in Zusammenhang stehen, ferner mit
Medikation, Infektion (besonders bei immunsupprimierten Patienten) oder das
Multiple Organ-Dysfunktionssyndrom (MODS, Multiorganversagen). Postoperative
Anfälle können von fokaler oder generalisierter zerebraler Ischämie, von Elektrolyt
oder metabolischen Störungen oder dem MODS herrühren. Die Erkennung der
genauen Ätiologie der Enzephalopathie kann in diesen Fällen schwierig sein. Nach
kardio-pulmonalen Bypassoperationen können intrakranielle Blutungen aufgrund
einer verminderten Thrombozytenadhäsion und verminderten Spiegeln der
Gerinnungsfaktoren herrühren.
Eine Enzephalopathie kann bald nach einer Herztransplantation auftreten als
Nebenwirkung der immunsuppressiven Medikation oder infolge einer Infektion (z.B.
Meningitis, Meningo-Enzephalitis oder Hirnabszeß) im Zusammenhang mit der
immunsuppressiven Therapie.8 Infektiöse Keime sind Aspergillus, Toxoplasma,
Cryptococcus, Candida, Nocardia und Viren. Bei Patienten auf LangzeitImmunsuppression kann eine Enzephalopathie durch ein primäres ZNS-Lymphom
entstehen s. Kapitel VI .
Eine Enzephalopathie nach koronarer Bypass-Chirurgie kann durch
Schlaganfall hervorgerufen werden, der in ca. 5 Prozent der bypassoperierten
Patienten auftritt9 und entweder embolisch oder weniger häufig durch einen
Grenzzoneninfarkt infolge Hypoperfusion bedingt ist.10 Ein Geräusch in den
Karotiden oder radiologischer Hinweis auf Arteriosklerose der Karotiden treibt das
Risiko auf Schlaganfall nicht eindeutig in die Höhe, eine Karotisendarteriektomie
vor der Herzchirurgie ist daher von fraglichem Wert.11
In seltenen Fällen erlangen die Patienten das Bewußtsein nach
Herzchirurgie nicht wieder, ohne daß eine spezifische metabolische Ursache
identifiziert werden kann. Diese Enzephalopathie ist wahrscheinlich die Folge
diffuser zerebraler Ischämie oder Hypoxie. Hemisphärische oder multifokale Infarkte
sind manchmal verantwortlich.9
Metabolische Enzephalopathien
RESPIRATORISCHE KRANKHEITEN
Hypoxie und Hyperkapnie
Die Pathogenese neurologischer Störungen im Zusammenhang mit Hypoxie
und Hyperkapnie ist noch nicht völlig geklärt, weil Hypoxie oft mit Säure-BasenStörungen einhergeht und zu hämatologischen und biochemischen Veränderungen
führt, die die zerebrale Funktion beeinträchtigen. Ferner können sowohl Hyperkapnie
als auch Hypoxie von einer gestörten Ventilation herrühren, und die daraus
resultierenden neurologischen Konsequenzen sind nur schwer differenzierbar.
Chronische pulmonale Insuffizienz führt zu einer Enzephalopathie, die
durch Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Desorientierung und gestörte kognitive
Funktionen charakterisiert ist. Die Untersuchung kann auch einen Lagetremor,
Myoklonus, Asterixis und Hyperreflexie zeigen; eine Stauungspapille ist manchmal
vorhanden. Diese Symptome sind nicht allein Folge der zerebralen Hypoxie, sondern
rühren auch von der Hyperkapnie her, welche zerebrale Vasodilatation verursacht,
erhöhten Liquordruck und pH Veränderungen des Liquors.
Höhenkrankheit kann zu einer Enzephalopathie führen, die durch
Kopfschmerzen, Erschöpfung, Anorexie, Übelkeit, Konzentrationsstörungen und
Schlafstörungen gekennzeichnet ist. Die Symptome der Höhenkrankheit stellen sich
innerhalb von Stunden bis Tagen ein, wenn man sich in Höhen von über 3300 m
begibt. In schweren Fällen oder bei größeren Höhen ist das Bewußtsein
beeinträchtigt, und der Patient kann ins Koma fallen - manchmal mit letalem
Ausgang. Das Hirnödem erzeugt Stauungspapille, retinale Blutungen, Neuropathie
der Hirnnerven, eine Vielzahl von sensomotorischen Defiziten und
Verhaltensstörungen. Der zugrundeliegende Mechanismen der Höhenkrankheit ist
nicht voll geklärt, doch können Glukokortikoide die Symptome verhüten oder
mildern.12
Hypokapnie
Hypokapnie, die Folge von Hyperventilation, erzeugt zerebrale
Vasokonstriktion, einen Abfall der peripheren Sauerstoffsättigung und ein
gestörtes Ionen-Gleichgewicht für Kalzium. Die resultierende
Enzephalopathie führt zu Schwindel, Parästhesien, Sehstörungen,
Kopfschmerzen, Unrast, Tremor, Übelkeit, Herzklopfen und
Bewußtseinsstörungen. Muskelkrämpfe oder ein Karpopedalspasmus können
auftreten. Die vielen Ursachen für Hyperventilation schließen ein Coma
hepaticum, Hirnstammläsionen und bestimmte kardio-pulmonale
Krankheiten ein, doch läßt sich in vielen Fällen keine spezifische Ursache
finden.
SEPSIS
Hier geht es dann weiter
Eine diffuse Enzephalopathie mit progredienter Eintrübung kann als
Komplikation einer Sepsis auftreten, besonders bei Patienten mit dem
respiratorischen Distress-Syndrom des Erwachsenen. Die Ursache der
Enzephalopathien durch Sepsis ist unklar, kann aber mit direkter Infektion
des Gehirns, mit Toxinen, die durch die infektiösen Keime produziert
werden, wenn sie Organparenchym oder andere Gewebe infizieren oder mit
Veränderungen in der zerebralen Mikrozirkulation, metabolischen Störungen
und Medikamenteneffekten zusammenhängen.13 Die Enzephalopathie
infolge Sepsis neigt zu nächtlichen Verschlimmerungen, ist von deutlichen
EEG-Veränderungen begleitet und klart oft spontan auf. Offensichtliche
Infektionen sollten energisch behandelt werden, metabolische Störungen sind
zu korrigieren und die medikamentösen Erfordernisse anzupassen.
Schwindel
bei
Kreislaufkollaps
LEBERERKRANKUNGEN
Portokavale Enzephalopathie
Eine Enzephalopathie kann die Folge chronischer
Lebererkrankungen sein und eilt manchmal dem Auftreten systemischer
Leberdysfunktion voran. Sie kann durch gastrointestinale Blutungen
provoziert werden, durch die Aufnahme großer Eiweißmengen, die
Anwendung bestimmter Sedativa und Diuretika oder durch Sepsis. Die
portokavale Enzephalopathie ist charakterisiert durch fluktuierende mentale
Störungen, oft mit schleichendem Beginn, welcher die klinische Erkennung
verzögert. Somnolenz, Eintrübung und Agitiertheit können auftreten und bis
zum Koma fortschreiten. Die okulären Reflexe sind erhalten, doch können
diskonjugierte Augenbewegungen und tonische Augendeviationen (nach
unten) in seltenen Fällen vorkommen. Ein Flapping Tremor (Asterixis) ist
häufig hinweisend; in schweren Fällen treten Dezerebrations- oder
Dekortikationsstellungen, Hyperreflexie und beidseitiger Babinski auf.
Routine-Leberfunktionstests korrelieren nicht immer mit der Schwere der
Enzephalopathie. Die arterielle Nüchtern-Ammoniumkonzentration und die
EEG-Ableitung, welche diffuse langsame Aktivität mit assoziierten
triphasischen Wellen zeigt, sind zur Bestimmung des Schweregrades
brauchbarer. Eine respiratorische Alkalose ist im allgemeinen dabei. Der
Liquor zeigt oft unspezifische Veränderungen; ein erhöhter Glutaminspiegel
ist stark hinweisend auf hepatische Enzephalopathie. Abnorme
Signalintensitäten lassen sich in den Stammganglien im T1-gewichteten
Magnet-Resonanz-Tomogramm finden. Die Pathomechanismen der
portokavalen Enzephalopathie sind nicht bekannt.14 Die Behandlung besteht
in der Beschränkung der Eiweißzufuhr, Ausschluß gastrointestinaler
Blutungen, Entfernen von Blut aus dem Magen-Darmtrakt, Gabe von
Laktulose oder Neomycin, Korrektur begleitender Elektrolyt-, biochemischer
und hämatologischer Störungen sowie allgemeinen Maßnahmen s.
Abschnitt 4, Kapiel XIII .
Chronische nicht auf Morbus Wilson beruhende hepatozerebrale
Degeneration
Manche Patienten mit chronischen Leberkrankheiten entwickeln
permanente neurologische Symptome, die denen beim Morbus Wilson
ähneln, wie Aktions (Intentions-) Tremor, Ataxie, Dysarthrie und
Choreoathetose. Die Schwere der Erkrankung korreliert am besten mit dem
arteriellen Nüchtern-Ammoniumspiegel. Bildgebende Untersuchungen
können Veränderungen zeigen. Es gibt keine spezifische Behandlung.
Lebertransplantation
Eine progrediente Enzephalopathie bald nach Lebertransplantation
spricht für Organabstoßung, zerebrale Anoxie, oder eine Komplikation durch
immunsuppressive Medikamente, besonders Cyclosporin. Anfälle sind
häufig und sprechen für metabolische Störungen, zerebrovaskuläre
Erkrankungen, Infektionen oder Komplikationen durch Medikamente.
Enzephalopathien, die Wochen oder Monate nach Lebertransplantation
auftreten, sind in der Regel durch Infektionen oder maligne Erkrankungen
des Nervensystems verursacht.
PANKREATISCHE ENZEPHALOPATHIE
Die akute Pankreatitis kann mit einer vorübergehenden
Enzephalopathie einhergehen, jedoch sind die Symptome unspezifisch und
ähneln denen anderer metabolischer Enzephalopathien. Die Diagnose wird
daher per exclusionem, durch Ausschluß anderer metabolischer Ursachen
gestellt.
GASTROINTESTINALE ERKRANKUNGEN
Ernährungsstörungen sind die häufigste Ursache bei allen
neurologischen Komplikationen gastrointestinaler Erkrankungen. Doch ist
es in der Regel nicht möglich, den verantwortlichen Nahrungsbestandteil
zu finden. Neurologische Komplikationen treten bei bis zu 15 Prozent der
Patienten auf, bei denen eine Magenresektion durchgeführt wird. Die
Vitamin B12 Resorption ist durch Mangel an Intrinsic Faktor gestört.
Verminderte Vitamin-B12 Resorption kann zu einer Fülle von Krankheiten
führen s. Abschnitt 5, Kapitel III . Magenanastomosen sind mit einer
unspezifischen Enzephalopathie in Verbindung gebracht worden,15 ferner
mit Myelopathie, Polyneuropathie, Wernicke Enzephalopathie und
ernährungsbedingter Amblyopie, doch sind die veranwortlichen
Mangelsubstanzen nicht bekannt. Chronische Gluten-Enteropathie
verursacht eine progrediente und manchmal letale ZNS-Erkrankung mit
einer Kombination aus Enzephalopathie, Myelopathie, zerebellären
Symptomen und peripherer Neuropathie.16
NIERENVERSAGEN
Die urämische Enzephalopathie ähnelt klinisch den anderen metabolischen
Enzephalopathien, und ihr Schweregrad kann nicht mit einem bestimmten
Laborparameter in Verbindung gebracht werden. Die Pathophysiologie ist unbekannt,
doch wird sie in der Regel auf die Akkumulation toxischer organischer Säuren im
ZNS oder der direkten Wirkung von Parathormon zugeschrieben.17
Dialyse-Dysequilibrium-Syndrom
Das Dialyse-Dysequilibrium-Syndrom besteht in einer Enzephalopathie, die
durch Kopfschmerz, Reizbarkeit, Agitiertheit, Somnolenz, Anfälle, Muskelkrämpfe
und Übelkeit gekennzeichnet ist. Es tritt während oder nach einer Hämodialyse oder
Peritonealdialyse auf und wird mit Wassereinlagerung in das Gehirn in
Zusammenhang gebracht.17 Andere Kennzeichen des Dialyse-DysequilibriumSyndroms bestehen in Exophthalmus, erhöhtem intraokulären und intrakraniellen
Druck und Stauungspapille. Aluminium wird immer noch diskutiert.
Dialyse-Demenz
Bei einigen Patienten, die über mehr als ein Jahr Dialysebehandlung erhalten
haben, kann sich eine letal ausgehende Enzephalopathie entwickeln, die Dialyse-Demenz
genannt wird. Die Ursache dieser Störung ist unklar. Aluminium-Intoxikation wird
vermutet, aus zwei Gründen: (1) Erhöhte zerebrale Aluminiumkonzentrationen werden bei
der post mortem-Untersuchung gefunden und (2) die Dialyse-Demenz ist seltener, seitdem
Aluminium aus den Dialysaten entfernt wurde. Ein charakteristisches Frühsymptom ist
hesitierende Sprache bis hin zum Sprachverlust. Wenn die Erkrankung fortschreitet, fallen
die intellektuellen Leistungen ab, und Halluzinationen, Illusionen, Anfälle, Myoklonus,
Asterixis, Gangstörungen und andere neurologische Symptome treten auf. Der Tod tritt in
der Regel ein Jahr nach Beginn der Erkrankung auf. Deferoxamin, ein Chelatbildner, der
Aluminium bindet, wird oft verschrieben, doch ist die optimale Dauer der Behandlung
unklar. Die Deferoxamin-Therapie kann die Enzephalopathie bei Patienten mit hohen
Serum-Aluminiumkonzentrationen verschlimmern,18 und Seh- und Hörstörungen
hervorrufen.19
Nierentransplantation
Die langjährige Immunsuppressions-Therapie bei Patienten nach
Nierentransplantation kann zu Komplikationen im Sinne einer Enzephalopathie führen.
Bis hierher kamen wir am 7.1.03
ELEKTROLYTSTÖRUNGEN
Natrium
Hyponatriämie und Hypernatriämie haben verschiedene Ursachen [s.
Abschnitt 10, Kapitel I]. Eine Enzephalopathie ist die Folge rascher Veränderungen
der Serumnatriumkonzentration, da das osmotische Gleichgewicht zwischen Liquor
und den anderen Körperflüssigkeiten verändert wird. Störungen von Kognition und
Wachheit können auftreten und bis zum Koma reichen. Begleitsymptome sind oft
Myoklonus, Asterixis*), Zittrigkeit und Fahrigkeit sowie Anfälle. Die Anfälle
sprechen oft schlecht auf antikonvulsive Medikation an, bevor die metabolische
Störung nicht korrigiert ist. Fokale motorische Ausfälle (z.B. Hemiparese) können bei
Hyponatriämie ohne strukturelle Läsion auftreten und bei der Hypernatriämie als
Folge intrazerebraler oder subduraler Blutungen, welche mit der osmosebedingten
Schrumpfung des Gehirns zusammenhängen mit dadurch bedingter Abscherung der
Blutgefäße. *) Ganz kurzer Tonusverlust, der sich immer wiederholt und daher wie
ein (Pseudo-) Tremor wirken kann.
Bei Patienten mit akuten zerebralen Syndromen wie
Subarachnoidalblutung wird die Hyponatriämie oft fälschlich dem 'Syndrom der
inadäquaten antidiuretischen Hormonausschüttung' (SIADH) zugeschrieben. Man
sollte stets bedenken, daß die Hyponatriämie in diesen Fällen häufiger durch
Salzverluste als durch SIADH bedingt ist: Das Plasmavolumen ist vermindert
und nicht etwa normal oder erhöht. Flüssigkeitseinschränkung würde dann die
Hypovolämie verschlimmern und könnte zu zerebraler Ischämie führen. Eine
Hyponatriämie sollte langsam korrigiert werden mit einer Rate von nicht mehr
als 12 mÄq/L/Tag, da die rasche Korrektur einer Hyponatriämie zu einer
zentralen pontinen Myelinolyse führen kann. [s.u. Ernährungsstörungen].20 Eine
zentrale pontine Myelinolyse kann die Besserung der hyponatriämischen
Enzephalopathie verschleiern oder auf sie folgen. In schweren Fällen führt sie zu
Eintrübung des Bewußtseins, schlaffer oder spastischer Tetraparese und
Pseudobulbärparalyse; in leichten Fällen sind die klinischen Symptome minimal,
aber ein verdächtiger Befund kann im MRT gesehen werden.
Kalium
Veränderungen des Serumkaliums kann verschiedene Ursachen haben [s.
Abscnitt 10, Kapitel II]. Hyperkaliämie ruft in der Regel Herzrhythmusstörungen
hervor, bevor sie neurologische Symptome macht; gelegentlich kann jedoch die
Arrythmie von brennenden Parästhesien, progredienten schlaffen Lähmungen,
abgeschwächten Reflexen und mentalen Veränderungen begleitet werden. Die
Behandlung hängt von der zugrundeliegenden Ätiologie, der Schwere der
Elektrolytstörung, und dem EKG ab. Eine Hypokaliämie erzeugt in der Regel
eher reversible neuromuskuläre Ausfälle als eine Enzephalopathie.
Calcium
Die Hauptstörung des ZNS bei Hypercalciämie ist eine Enzephalopathie,
gekennzeichnet durch eingeschränktes Bewußtsein, Kopfschmerzen, Apathie
oder Agitiertheit und in seltenen Fällen Anfälle. Neuromuskuläre
Komplikationen (z.B. Lähmungen und rasche Ermüdbarkeit der Muskulatur) sind
Folge der Beteiligung des peripheren Nervensystems.
Tetanie ist die allgemein bekannte Manifestation einer Hypocalciämie,
doch können auch fokale oder generalisierte Anfälle auftreten sowie eine
Enzephalopathie mit Verwirrtheit, Halluzinationen, Illusionen, Psychose,
Bewußtseinsstörungen und kognitiven Störungen. Die Anfälle sind
therapieresistent gegen antikonvulsive Medikamente, bevor nicht die
Hypocalciämie korrigiert ist. Andere ZNS-Komplikationen bestehen in
Parkinsonsyndrom und Chorea, die mit der Normalisierung des Serumcalciums
wieder verschwinden. Hirndruck und Myelopathie können ebenfalls bei
Hypercalciämie auftreten.
Magnesium
Eine Hypomagnesiämie kann bei der Hypocalciämie mit dabei sein und
zeitigt ähnliche neurologische Komplikationen.21 Die Hypomagnesiämie führt zu
einer Enzephalopathie mit Müdigkeit, Verwirrtheit, verminderten Reaktionen und
abgeschwächten oder fehlenden Reflexen. Hypotonie, Atemdepression und
Lähmungen infolge gestörter neuromuskulärer Transmission können ebenfalls
beobachtet werden. In schweren Fällen tritt Koma ein mit der Möglichkeit eines
letalen Ausgangs.
HYPOPHYSENERKRANKUNGEN
Eine Enzephalopathie ist häufig beim Cushing-Syndrom mit einer Vielzahl
von Symptomen wie Angst, Agitiertheit, Schlaflosigkeit, Depression, Euphorie,
Übererregbarkeit und Psychosen. Intrakranielle Druckerhöhung mit ihren
Begleiteffekten auf die zerebrale Funktion kann das Cushing-Syndrom
verschlimmern; sie tritt vornehmlich nach Entfernung des Hypophysenadenoms auf.
Hypophysenunterfunktion führt zu Apathie und intellektuellen Einbußen,
doch ist die spezifische Pathophysiologie dieser Symptome unklar, da stets mehrere
Hormone mitbetroffen sind.
Der Diabetes insipidus führt zu einer Enzephalopathie, welche in ihrer
Schwere von Irritierbarkeit bis zu Somnolenz und Koma reichen kann. Der Patient
ist hypoton und hyperthermisch. Vasopressin oder längerwirkende VasopressinAnaloga sind der übliche Therapieansatz.
SCHILDDRÜSENERKRANKUNGEN
Hyperthyreoidismus
Die bei Schildrüsenüberfunktion anzutreffende Enzephalopathie trägt die
Züge von Ängstlichkeit, Unrast, Zittrigkeit und Fahrigkeit, Reizbarkeit, Emotionaler
Labilität, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit. Depression
und Lethargie sind bei älteren Leuten verdächtig (z.B. 'apathischer
Hyperthyreoidismus'). Anfälle können auftreten.22 Die Untersuchung zeigt in der
Regel einen Haltetremor und generalisierte Hyperreflexie. Chorea23 und paroxysmale
Choreoathetose24 wurden ebenfalls beschrieben.
Eine schwerer verlaufende Enzephalopathie kennzeichnet die
thyreotoxische Krise mit Verwirrtheit und Agitiertheit, die bis zum Koma
fortschreiten. Die thyreotoxische Krise geht oft mit Fieber, Herzrhythmusstörungen
und anderen systemischen Störungen einher. Die Behandlung besteht in
rehydrierender und dämpfender Medikation, Beta-Blockern, Glukokortikoiden und
gelegentlich Plasmapherese.
Hypothyreoidismus
Mentale Veränderungen werden bei der Schildrüsenunterfunktion oft
angetroffen. Apathie, Somnolenz und Konzentration werden oft einer Dpression
zugeschrieben. Die kognitiven Funktionen sind häufog vermindert. Verwirrtheit,
Delir und Psychose kommen ebenfalls vor.25 Die Symptome verlieren sich nach
Korrektur der Schilddrüsenstörung. Ein schwerer Hypothyreoidismus kann zu
Bewußtseinsstörungen, begleitet von Hypotonie, Hypothermie, Atemstörungen,
Hypoglykämie und anderen metabolischen Störungen führen. Wenn die Therapie zu
spät einsetzt, schreitet die Enzephalopathie bis zum Koma fort, manchmal mit
letalem Ausgang.
Hashimoto-Thyreoiditis
Eine rezidivierende Enzephalopathie manifestiert durch Verwirrtheit,
Bewußtseinsveränderungen, Anfällen, Zittrigkeit und Fahrigkeit sowie Myoklonus
kann bei Patienten mit einer Hashimoto-Thyreoiditis auftreten. Schlaganfall-ähnliche
Episoden der Verschlimmerung sind häufig. Die Untersuchungen ergeben ein diffus
abnormes EEG und eine Eiweißerhöhung des Liquors ohne Pleozytose, doch zeigen
die bildgebenden Verfahren keine Veränderungen, außer fleckförmigen
Traceranreicherungen im Hirnszintigramm. Die Erkrankung wird mit
Glukokortikoiden behandelt und hat eine gute Langzeitprognose.26
DIABETES MELLITUS
Eine Enzephalopathie kann bei Diabetikern als Folge der metabolischen
Entgleisungen auftreten, die entweder direkt mit dem Diabetes zusammenhängen oder mit der
Therapie oder mit Komplikationen des Diabetes wie Nierenversagen (s.o.). Sie kann auch mit
zerebrovaskulären Erkrankungen zusammenhängen, die bei Diabetikern relativ häufig sind, da
diese ein erhöhtes Risiko für Hypertonie und Arteriosklerose haben.
Die diabetische Ketoazidose kann Erstmanifestation eines sonst noch nicht
erkannten Diabetes sein. Das klinische Erscheinungsbild ist das einer Enzephalopathie - in
diesem Falle ein Zustand von Bewußtseinsveränderungen, der von milder Verwirrtheit bis
zum Koma fortschreitet. Falls keine strukturelle Läsion des Gehirns zugrundeliegt, finden sich
in der Regel keine fokalen oder lateralisierten Ausfälle. Die Enzephalopathie ist
wahrscheinlich multifaktoriell: Serumhyperosmolarität, Azidose und 'Disseminierte
intravaskuläre Coagulation' (DIC) sind wahrscheinlich wichtige kontribuierende Faktoren, und
andere metabolische Entgleisungen, Infektionen, arterielle Verschlußphänomene und
Hirnödem kommen hinzu. Die Therapie besteht in Flüssigkeits- und Elektrolytersatz sowie
intravenösen Insulingaben (10 bis 20 Einheiten als Bolus, gefolgt von einer Dauerinfusion von
10 bis 15 E/h in normotoner Kochsalzlösung, wobei die Dosis vermindert wird, wenn der
Blutzucker abfällt) [s. Abschnitt 9, Kapitel VI].
Das nicht-ketotische hyperosmolare Koma tritt typischerweise bei älteren Patienten
mit mildem Diabetes auf [s. Abschnitt 9, Kapitel VI]. Progrediente Eintrübung ist das
vorherrschende klinische Symptom, manchmal begleitet von Anfällen und fokalen Ausfällen.
Hypotonie und Hinweise auf Dehydratation können dabei sein. Die Therapie hat für
Flüssigkeitsersatz mit hypotoner (½-normotoner) Kochsalzlösung zu sorgen, sowie Korrektur
der Hyperglykämie mit intravenösem Insulin und Korrektur anderer biochemischer
Entgleisungen.
HYPOGLYKÄMIE
Die Hypoglykämie erzeugt eine akute metabolische Enzephalopathie, die zu
irreversiblem Hirnschaden führen kann, wenn nicht sofort therapiert wird. Die häufigste
Ursache für eine Hypoglykämie ist Insulingabe bei diabetischen Patienten [s. Abschnitt 9,
Kapitel VI], andere Ursachen sind Lebererkrankungen, Alkoholismus und verschiedene
Tumoren [s. Abschnitt 9, Kapitel I]. Die Hypoglykämie führt initial zu Schweißausbruch,
Tachykardie, Pupillendilatation, Zittrigkeit und Fahrigkeit sowie mentalen
Veränderungen, die je nach Grad der Hypoglykämie in Ängstlichkeit, Verwirrtheit,
Stupor oder Koma bestehen können. Diese Warnzeichen der Sympathicusübereaktivität
können bei Patienten mit autonomer Dysregulation fehlen. Wenn die Komatiefe
zunimmt, ändern sich die Plantarreflexe von Beugung auf Streckung, und Dekortikationsoder Dezerebrationshaltung tritt auf. Hirnstammsymptome (inklusive abnorme
Pupillenreaktion) und transitorische fokale neurologische Ausfälle - manchmal zwischen
den Seiten alternierend - können ebenfalls auftreten. Bei einigen Patienten sind Anfälle
die einzige Manifestation einer Hypoglykämie. Atemdepression, Bradykardie und
fehlende Reflexe sind Vorzeichen des irreversiblen Hirnschadens. Die Gabe von Glucose
bessert oder beseitigt die Symptome innerhalb weniger Minuten, ohne daß mit einer
Laborbestätigung der Hypoglykämie Zeit vertan wird. Aus diesem Grunde sollten alle
Patienten, die mit einer Enzephalopathie ungeklärter Ätiologie zur Aufnahme kommen,
sofort 50 ml einer 50%-igen Dextroselösung i.v. erhalten.
ERNÄHRUNGSMANGELSTÖRUNGEN
Wernicke-Enzephalopathie
Die Wernicke-Enzephalopathie ist bei Alkoholikern häufig. Sie tritt auch
bei mangelernährten Patienten auf (besonders wenn Glucose oder orale Antidiabetica
gegeben werden), bei Dialysepatienten, bei Adipösen, die mit Gastroplastik
behandelt werden und bei Patienten mit dauerndem Erbrechen.27 Der Thiamin
(Vitamin B1)-Mangel ist verantwortlich für die Schlüsselsymptome der WernickeEnzephalopathie, die in Ophthalmoplegie bestehen (Nystagmus,
Augenmuskellähmungen, Blickparesen und in seltenen Fällen internukleäre
Ophthalmoplegie), Gangataxie und fluktuierenden Verwirrtheitszuständen. Die
pathologischen Veränderungen finden sich in typischen Regionen des Hirnstamms,
besonders in den Corpora mamillaria und dem Thalamus. Eine Polyneuropathie ist
oft dabei, und hypothalamische Beteiligung kann zu Hypotonie und Hypothermie
führen. Die Prognose hängt von der Raschheit einer effizienten Behandlung ab. Die
Therapie besteht in Thiamin-Substitution (100 mg i.v. pro die über 1 Woche gefolgt
von täglichen oralen Gaben). Die Besserung der Ophthalmoplegie setzt innerhalb
von ca. 1 Tag ein, und die Besserung der Enzephalopathie in ein paar Tagen bis
Wochen, doch sind residuale Defekte häufig.
Korsakoff-Enzephalopathie
Wie die Wernicke-Enzephalopathie wird auch die KorsakoffEnzephalopathie einem Thiaminmangel zugeschrieben, doch ist die genaue
Pathophysiologie nicht völlig geklärt.27 Eine selektive Gedächtnisstörung ist
die vorherrschende klinische Dysfunktion, doch führt Thiaminzufuhr selten
zur Besserung. Man beobachtet eine massive Störung des Neugedächtnisses
und Schwierigkeiten bei der Speicherung neuer Gedächtnisinhalte, dabei ist
die prompte Abrufung von Gedächtnisinhalten intakt. Den Patienten sind
keinerlei Defizite bewußt, und sie konfabulieren. Andere kognitive
Störungen finden sich seltener. Die Störung ist häufig bei chronischen
Alkoholikern, oft in Verbindung mit einer Wernicke-Enzephalopathie (d.h.
Wernicke-Korsakoff-Syndrom). Die pathologischen Veränderungen sind
ähnlich verteilt wie die der Wernicke-Enzephalopathie (s.o.).
Bis hierher kamen wir am 8.1.03
Subakute nekrotisierende Enzephalomyelopathie
Die subakute nekrotisierende Enzephalomyelopathie tritt als
autosomal-rezessive (AR) Erkrankung bei Kindern auf, selten bei
Erwachsenen. Die Verteilung der pathologischen Veränderungen ähnelt der
der Wernicke-Enzephalopathie, sodaß man an eine Störung des ThiaminStoffwechsels denkt. Thiaminzufuhr ist manchmal hilfreich, doch wird die
Enzephalomyelopathie nicht durch Ernährungsstörungen allein verursacht,
und ihre genaue pathophysiologische Grundlage ist unklar. Die Symptome
und neurologischen Zeichen bestehen in kognitiven Störungen, Anfällen,
schlaffen Lähmungen, Opticusatrophie, Nystagmus, Ataxie, Erbrechen und
Atmungsirregularitäten. Der Tod tritt oft innerhalb weniger Monate ein. Es
gibt keine spezifische Therapie.
Pellagra
Der Mangel an Niacin (Nicotinsäure) führt zu einer Enzephalopathie und zusätzlich
zu kutanen Läsionen, Glossitis, Anämie und gastrointestinalen Störungen (z.B. Anorexie,
Übelkeit und Diarrhö). Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit und affektive Störungen werden
gefolgt von Verwirrtheit, Halluzinationen, Illusionen und pyramidalen wie extrapyramidalen
Ausfällen (z.B. Tremor und Rigor). Eine Polyneuropathie kann hinzutreten. Die
pathologischen Veränderungen sind weitverbreitet im ZNS doch vornehmlich in den BetzZellen des motorischen Cortex. Das Ansprechen auf Niacinzufuhr ist in der Regel
enttäuschend, was dafür spricht, daß andere Ernährungsstörungen mit dabei sind.28
Zentrale pontine Myelinolyse
Die zentrale pontine Myelinolyse manifestiert sich klinisch durch Verwirrtheit oder
merkliche Störungen des Bewußtseins, Pseudobulbärparalyse, Pyramidenbahnausfälle in der
unteren oder allen Extremitäten und Babinski. Die Symptome und neurologischen Zeichen
sind über Tage bis Wochen progredient, und ein Locked-in-Syndrom oder Koma treten in
schweren Fällen auf. Das pathologische Schlüsselsymptom ist Zerstörung bis Verlust des
Myelins in der vorderen Brücke und anderen Hirnstammregionen, was im MRT sichtbar ist.
Die Erkrankung steht mit Alkoholismus in Zusammenhang, ferner mit Elektrolytstörungen,
malignen Erkrankungen und Ernährungsstörungen, und es scheint, daß sie besonders mit der
raschen Korrektur einer Hyponatriämie zusammenhängt.29 Aus diesem Grunde sollte eine
Hyponatriämie generell nicht rascher als mit 12 mÄq/L/Tag korrigiert werden [s.o.
Elektrolytstörungen].
Vitamin-B12-Mangel
Eine Enzephalopathie ist die bekannte Komplikation des Vitamin-B12Sie kann mit einer Myelopathie einhergehen, ferner mit Opticusatrophie und peripherer
Polyneuropathie sowohl isoliert oder in jeder Kombination. Die neurologischen
stehen nicht mit dem Vorliegen oder dem Schweregrad einer megaloblastischen
in Zusammenhang.30 Folsäure maskiert die hämatologische Anomalie, kann aber die
neurologischen Ausfälle nicht beheben. Aus diesem Grunde bewirkt die Anreicherung
Nahrung mit Folsäure, die in den Vereinigten Staaten 1994 begonnen wurde, in Zukunft
ein Ausbleiben der Anämie beim Vitamin-B12-Mangel. Therapie mit Vitamin-B12 bringt
neurologische Störung zu Stillstand und Besserung; das Ausmaß allfälliger
Reststörungen hängt von der Schwere und Dauer der Symptome vor dem Einsetzen der
Therapie ab.31 [s. Abschnitt 5, Kapitel III].
Vitamin-B12-Mangel
Eine Enzephalopathie ist die bekannte Komplikation des Vitamin-B12Mangels. Sie kann mit einer Myelopathie einhergehen, ferner mit Opticusatrophie und
peripherer Polyneuropathie sowohl isoliert oder in jeder Kombination. Die
neurologischen Störungen stehen nicht mit dem Vorliegen oder dem Schweregrad einer
megaloblastischen Anämie in Zusammenhang.30 Folsäure maskiert die hämatologische
Anomalie, kann aber die neurologischen Ausfälle nicht beheben. Aus diesem Grunde
bewirkt die Anreicherung der Nahrung mit Folsäure, die in den Vereinigten Staaten
1994 begonnen wurde, in Zukunft ein Ausbleiben der Anämie beim Vitamin-B12Mangel. Therapie mit Vitamin-B12 bringt die neurologische Störung zu Stillstand und
Besserung; das Ausmaß allfälliger Reststörungen hängt von der Schwere und Dauer der
Symptome vor dem Einsetzen der Therapie ab.31 [s. Abschnitt 5, Kapitel III].
Überernährung
Eine Enzephalopathie kann bei Patienten eintreten, die parenteral überernährt
werden, in der Regel wegen metabolischer Störungen wie Hypophosphatämie,
Hyperammoniämie oder Hyperosmolarität.32,33 Eine maligne Form der WernickeEnzephalopathie (s.o.) kann sich entwickeln, wenn Patienten mit längerer parenteraler
Ernährung keine Thiaminsubstitution erhalten.
Toxische Enzephalopathien
IATROGENE ERKRANKUNGEN
Viele toxische Enzephalopathien sind iatrogener Genese.34 Die ZNSFunktion wird von vielen Medikamenten auf verschiedenste Art und Weise
beeinträchtigt, doch bilden sich die ZNS-Funktionsstörungen im allgemeinen
zurück, wenn die verursachenden Medikamente abgesetzt werden. Besondere
Aufmerksamkeit ist hier denjenigen Medikamenten zu widmen, welche diffuse
Störungen der Hirnfunktion verursachen, wie sie sich durch Störungen des
Bewußtseins manifestieren. Iatrogene Enzephalopathien machen sich in erster
Linie durch Anfälle oder durch fokale neurologische Ausfälle bemerkbar, z.B.
durch extrapyramidale oder zerebelläre Syndrome [s. Abschnitt 13, Kapitel VIII].
Koma ist eine häufige Folge von Überdosierung von
verschiedenen Medikamenten, wie Betäubungsmitteln, Sedativa,
Neuroleptica, Antidepressiva, Anticonvulsiva und Analgetica. Die
klinische Untersuchung zeigt im allgemeinen erhaltene
Pupillenreaktion, doch können die Pupillen stecknadelkopfeng sein
bei Opiatvergiftung und dilatiert und verzögert reagierend bei
Barbiturat- oder Glutethimid-Überdosierung. Die spontanen und
reflektorischen Augenbewegungen sind typischerweise bei
Barbiturat- und Phenytoin-Intoxikation gestört, sogar in den
Frühstadien. Abhängig von der Tiefe des Komas, kann der
Cornealreflex fehlen, und schmerzhafte Reize an Rumpf oder
Extremitäten führen zu gezielter Abwehr oder aber zu
Dekortikations- oder Dezerebrationsstellungen bis zum Fehlen
jeglicher motorischer Antwort. Schlaffe Lähmungen und
Reflexabschwächungen an den Extremitäten sind häufig, doch
können auch Spastik, Reflexsteigerung und Babinski angetroffen
werden.
Eine fluktuierende Bewußtseinslage - mit Verwirrtheit, Delir,
Halluzinationen und eingeschränkter Aufmerksamkeitsspanne - kann vor allem bei
älteren Patienten auftreten als Reaktion auf eine ganze Reihe von Medikamenten,
wie verschiedene Antibiotica, ZNS-dämpfende Substanzen, Antiparkinsonmittel,
Anticonvulsiva und kardiovasculäre Medikamente. Unspezifische
Verhaltensstörungen - wie Unrast, Irritierbarkeit, Schlafstörungen, affektive
Störungen und Albträume - treten häufig zu Beginn auf, werden in ihrer
Bedeutung jedoch häufig nicht erkannt. Die Untersuchung ergibt oft Tremor,
Asterixis und Myoklonus zusätzlich zu den mentalen Störungen. Nystagmus wird
ebenfalls gesehen, vor allem wenn ZNS-dämpfende Medikamente oder
Anticonvulsiva gegeben wurden. Eine ähnliche klinische Symptomatik findet sich
beim Absetzen bestimmter Medikamente wie Benzodiazepine und Barbiturate.
Einige Enzephalopathien stehen mit den infektiösen und neoplastischen
Komplikationen immunsuppressiver Medikation im Zusammenhang. Eine
Enzephalopathie kann auch als direkte Konsequenz einer Glucocorticoidtherapie
vorkommen (z.B. Verhaltensstörungen und Psychose hervorrufend)35 sowie mit
Cyclosporin.34 Neben anderen Medikamenten zur Behandlung von
Herzkrankheiten, können Lidocain und verwandte Substanzen Anfälle, Tremor,
Parästhesien und Verwirrtheitszustände hervorrufen. Calciumkanalblocker,
Betablocker, Digoxin und Thiaziddiuretica können ebenfalls Enzephalopathien
erzeugen.
ALKOHOLBEDINGTE ERKRANKUNGEN
Alkoholintoxikation führt initial zu Verhaltensstörungen (d.h.
Enthemmung, Irritabilität, Euphorie), Dysarthrie, Ataxie, Nystagmus, Tachykardie
und Hautrötung. Stärkere Alkoholaufnahme kann Bewußtseinstrübung, Koma,
Hyporeflexie, Atemdepression und Tod hervorrufen. Der Grad der Toleranz gegen
Alkohol beeinflußt die bei einem bestimmten Blutalkoholspiegel bestehenden
Verhaltensstörungen.
Akuter Entzug von Alkohol nach einer Phase regelmäßiger Einnahme kann
initial zu Haltetremor und Zeichen autonomer Hyperaktivität führen. Anfälle sind
häufig, besonders innerhalb der ersten 48 Stunden nach Entzug. Die Anfälle sind in
der Regel tonisch-klonisch generalisiert und sind selbst limitierend, so daß sie nur
selten antikonvulsive Medikation erfordern. Das Delirium tremens kann 2 bis 7
Tage nach Entzug auftreten; es ist durch deutliche Agitiertheit, Übererregbarkeit,
Halluzinationen, Hyperthermie, Dehydrierung und Hypotonie gekennzeichnet. Die
Behandlung besteht in Benzodiazepinen, Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution
und allgemeiner stützender Therapie siehe Abschnitt 13, Kapitel III .
Verschiedene Enzephalopathien können bei Alkoholikern auftreten als
Konsequenz von Mangelernährungszuständen (s.o.).
Verschiedene Enzepohalopathien
DISSEMINIERTE INTRAVASKÜLÄRE KOAGULATION (DIC)
Eine DIC kann bei Erkrankungen des Gehirns und anderer Organe
auftreten, bei Sepsis, immun-mediierten Krankheiten, diabetischer
Ketoazidose, Neoplasmen sowie geburtshilflichen Komplikationen [s.
Abschnitt 5, Kapitel VI]. Die klinische Manifestation der DIC, inklusive der
vorherrschenden Thrombose oder Hämorrhagie, ist abhängig von der
Genese, Raschheit des Auftretens und Schweregrad. Eine Enzephalopathie
ist eine häufige Manifestation und reicht in ihrem Schweregrad von milder
Verwirrtheit bis zum Koma. Selbst komatöse Patienten können sich aber
vollständig erholen, so daß sie kontinuierliche Behandlung erfordern.
BINDEGEWEBSERKRANKUNGEN UND VASKULITIDEN
Bindegewebserkrankungen sind durch einen entzündlichen
Autoimmunprozess und Vaskulitis gekennzeichnet. Die häufigsten direkten ZNSManifestationen sind Enzephalopathie mit kognitiven Störungen oder
Verhaltensänderungen und neurologischen Ausfällen. Eine Enzephalopathie kann
ebenfalls von metabolischen Störungen resultieren, die mit der Beteiligung anderer
Organe oder der Therapie wie z.B. mit Glucocorticoiden und Immunsuppressiva
zusammenhängen.
Häufige Symptome einer direkten ZNS-Beteiligung bei Polyarteriitis
nodosa, Allergischer granulomatöser Angiitis (Churg-Strauss-Syndrom) und
überlappenden Syndromen bestehen in Kopfschmerzen (manchmal hinweisend auf
eine aseptische Meningitis) und Verhaltensstörungen wie kognitive
Einschränkungen, akute Verwirrtheit sowie affektive oder psychotische
Erkrankungen. Das EEG ist diffus verlangsamt, während die bildgebenden
Verfahren meist normal sind. Fokale ZNS-Symptome, die selten sind, werden in der
Regel durch Insulte oder Hämorrhagien verursacht. Die Angiographie zeigt die
Vaskulopathie nicht immer.
Kopfschmerz ist die häufigste initiale Beschwerde der Patienten mit
Riesenzellarteriitis. Andere Kennzeichen der Riesenzellarteriitis bestehen in
Claudicatio masticatoria und akuter einseitiger oder beidseitiger Erblindung, die
irreversibel sein kann. Andere ZNS-Komplikationen sind selten, doch treten eine
Enzephalopathie mit neuropsychiatrischen Störungen, Schlaganfälle, Krämpfe und
andere Manifestationen bei diesen Patienten manchmal auf.
Bei der Wegener´schen Granulomatose resultiert die zerebrale Beteiligung
von der Vaskulitis her oder vom Übergreifen der Granulome selbst, aus den oberen
Atemwegen auf das Gehirn.36 Die Enzephalopathie kann auch von einer basalen
Meningitis mit Hirnnervenausfällen, Temporallappenstörungen, Zerebralen
Infarkten oder Sinusthrombose herrühren.
Kopfschmerzen, kognitive und neuropsychiatrische Störungen, sowie fokale oder
multifokale Ausfälle von kleinen Infarkten sind die typischen Symptome einer
isolierten Angiitis des ZNS. Das Bewußtsein schränkt sich mit zunehmender Dauer
der Erkrankung ein. Der Liquor zeigt eine lymphozytäre Pleozytose und erhöhtes
Eiweiß. Fokale ischämische Läsionen können im CT oder MRT erkannt werden; die
Angiographie zeigt manchmal perlschnurartige Veränderungen der Gefäße. Biopsie
aus Meningen und Gehirn ist oft notwendig, um zur Diagnosesicherung zu
gelangen.
Die Rheumatoide Arthritis, die häufigste der Bindegewebserkrankungen
erzeugt selten Enzephalopathien, es sei denn die Beteiligung des oberen
Halsmarks oder atlantoaxiale Dislokation Kopfschmerzen oder
Hydrozephalus hervorruft oder zu Hirnstammausfällen durch direkte
medulläre Kompression oder Vertebralisbeteiligung führt.
Bei den meisten Patienten mit systemischem Lupus erythematodes
treten letztlich neurologische Komplikationen auf, oft innerhalb des ersten
Jahres. Episoden affektiver oder psychotischer Störungen sind häufig und
oft schwer von kortikosteroidbedingten mentalen Veränderungen
abgrenzbar. Veränderungen des Bewußtseins treten manchmal auf. Fokale
neurologische Defizite sind Manifestationen von Schlaganfällen in
Verbindung mit Herzklappenerkrankungen, das Vorhandensein von
Antiphospholipid-Antikörpern oder eine zerebrale Vaskulitis.37
Generalisierte oder partielle Anfälle treten manchmal auf; sie sind
wahrscheinlich Folge von Mikroinfarkten, metabolischen Störungen oder
systemischen Infektionen
Neurologische Komplikationen sind selten beim Sjögren-Syndrom, können
aber enzephalopathische Züge tragen, wie Verhaltensstörungen und psychiatrische
Auffälligkeiten, die mit einer aseptischen Meningitis, Meningoenzephalitis oder
fokalen neurologischen Störungen in Zusammenhang stehen. Zirka 20 Prozent der
Patienten mit Morbus Beh et entwickelt eine aseptische Meningitis oder
Meningoenzephalitis, die zu einer Enzephalopathie führt. Fokale oder multifokale
Ausfälle können auch von zerebralen Ischämien herrühren. Der Liquor ist häufig
abnorm mit einer milden Pleozytose und erhöhtem Eiweiß.
Antiphospholipid-Antikörper (die Lupus antikoagulierenden und
Antikardiolipin-Antikörper) werden besonders bei Patienten mit bestimmten
Bindegewebserkrankungen angetroffen,38 ferner bei Patienten unter verschiedenen
Medikationen, bei Patienten mit Infektionen und geburtshilflichen Komplikationen
und als Zufallsbefund. Eine akute ischämische Enzephalopathie, die sich durch
Verwirrtheit, Somnolenz, Tetraparese und beidseitigen Pyramidenbahnzeichen
äußert, wurde bei Patienten mit Nachweis von Antiphospholipid-Antikörpern
beschrieben.39
Die Pathogenese der Thromboseneigung, die mit dem Nachweis dieser
Antikörper verbunden ist, bleibt unklar. Immunosuppressive Therapie ist nicht
indiziert. Die Hirnvenenthrombose wird behandelt wie andere Thrombosen.
- Ende -
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