Virushepatitis

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© 2011 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
Therapeutische Umschau 2011; 68 (4): DOI 10.1024/0040-5930/a000147
Übersichtsarbeit
Service de Gastroentérologie et d’Hépatologie, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne
Abteilung Innere Medizin II, Medizinische Universitätsklinik, Freiburg i. Br.
1
2
Darius Moradpour1 und Hubert E. Blum2
Virushepatitis
Die Virushepatitis ist weltweit mit einer hohen Morbidität und Mortalität assoziiert. Die Hepatitisviren A und E werden enteral übertragen und führen zu einer
meist selbstlimitierten akuten Hepatitis. Die Hepatitisviren B, C und D werden
parenteral übertragen und können zu einer chronischen Hepatitis führen, mit
potenzieller Progression zu einer Leberzirrhose und Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms. In diesem Beitrag werden der aktuelle Stand und neue
Entwicklungen in der Virologie und Epidemiologie, Diagnostik, Klinik, Therapie
und Prävention der Virushepatitis A – E zusammenfassend dargestellt.
Bis heute sind 5 verschiedene primär
hepatotrope Erreger der Virushepatitis
identifiziert (Abb. 1 und Tab. 1). Das
Hepatitis A Virus (HAV) und das Hepatitis E Virus (HEV) werden enteral
übertragen und führen zu einer meist
selbstlimitierten akuten Hepatitis. Die
Hepatitisviren B, C und D (HBV, HCV
und HDV) werden parenteral übertragen und können zu einer chronischen
Hepatitis führen, mit potenzieller Progression zu einer Leberzirrhose und
Entwicklung eines hepatozellulären
Karzinoms (HCC).
HAV IgM. Mit Ausheilung der Hepatitis A verschwinden anti-HAV IgM
bei gleichzeitigem Anstieg von antiHAV IgG, welche in der Regel lebenslang persistieren und vor einer Reinfektion schützen (Abb. 2).
Klinik
Die Hepatitis A ist eine akut verlaufende Erkrankung, wobei der Schweregrad
der klinischen Präsentation altersabhängig ist. Bei Kindern verläuft die
HAV-Infektion meist asymptomatisch
oder mild. Beim Erwachsenen hingegen kommt es nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich 4 Wochen zu
einer meist klinisch symptomatischen
akuten Hepatitis. Gelegentlich werden
cholestatische, protrahierte oder rezidivierende Verläufe beobachtet; diese
heilen jedoch immer aus. Fulminante
Verläufe der Hepatitis A sind insgesamt selten. Da aufgrund der fehlenden
erworbenen Immunität in westlichen
Ländern heute jedoch zunehmend Erwachsene infiziert werden, werden hier
vermehrt schwere Verläufe beobachtet
[2].
Therapie und Prävention
Die Therapie der Hepatitis A ist supportiv. Seit 1992 stehen auf inaktiviertem HAV basierende, sehr effektive
und gut tolerierte Impfstoffe zur Verfügung. Die Impfung ist für bestimmte
Risikogruppen indiziert (Reisende in
Endemiegebiete, berufliche Exposition,
Homosexuelle, intravenös Drogenabhängige, Patienten mit vorbestehender
chronischer Hepatopathie etc.), wobei
eine generelle Impfung heute diskutiert und in einigen Ländern schon umgesetzt ist. Die Impfung ist auch im
Post-Expositions-Setting wirksam [3],
sodass heute nur noch in Ausnahme-
Hepatitis A
Virologie und Epidemiologie
Das HAV ist ein kleines RNA-Virus, das
zur Familie der Picornaviren gehört [1].
Die HAV-Infektion wird meist enteral
(fäkal-oral) durch kontaminiertes Wasser, verunreinigte Nahrungsmittel oder
Kontakt mit HAV-Infizierten übertragen. Die Hepatitis A ist heute besonders in Ländern mit niedrigem sozioökonomischem Standard endemisch.
Dort werden vor allem Kinder infiziert.
Für die Bevölkerung westlicher Länder
ist die Hepatitis A zunehmend eine Erkrankung des Erwachsenenalters und
eine typische Reisekrankheit.
Diagnostik
Die Diagnostik der akuten Hepatitis A
basiert auf dem Nachweis von anti-
Abbildung 1 Schematische Darstellung der Hepatitisviren A-E
175
Darius Moradpour, Hubert E. Blum Virushepatitis
176
Übersichtsarbeit
fällen (z. B. Exposition bei Risikopatienten, Schwangerschaft) Immunglobuline gegen HAV verabreicht werden.
Hepatitis B
Virologie und Epidemiologie
Das HBV ist ein kleines DNA-Virus, das
zur Familie der Hepadnaviren gehört.
Weltweit sind ca. 400 Millionen Personen chronisch HBV-infiziert, wobei
die Prävalenz deutliche geographische
Unterschiede zeigt. Die HBV-Infektion
wird in Regionen mit hoher Prävalenz
(China, Südostasien und SubsaharaAfrika) meistens perinatal oder frühkindlich übertragen. In Westeuropa
und Nordamerika, wo die Prävalenzrate relativ niedrig ist (< 1 %), erfolgt
die Ansteckung überwiegend im Erwachsenenalter durch parenterale oder
sexuelle Transmission.
Diagnostik
Der wichtigste serologische Marker der
akuten und chronischen HBV-Infektion ist das HBsAg (Abb. 2). Bei der
akuten Hepatitis B ist HBsAg kurz vor,
während und noch kurz nach der klinischen Krankheitsphase und Erhöhung der Transaminasen nachweisbar
bei gleichzeitig frühem Auftreten von
anti-HBc IgM und nachfolgend IgG.
HBeAg als Hinweis auf hohe Virusreplikation und Infektiosität findet sich
meist in der Frühphase der Erkrankung. Mit Abklingen der klinischen
Symptome und Normalisierungstendenz der Transaminasen kommt es zunächst zum Verschwinden von HBeAg
und dann von HBsAg mit Serokonversion zu anti-HBe bzw. anti-HBs. Eine
anhaltende Hepatitisaktivität mit nachweisbarer HBV DNA trotz Verlust von
HBeAg bzw. Serokonversion zu antiHBe ist Ausdruck einer Infektion mit
einer HBV-Mutante, die kein HBeAg
mehr produziert (sog. „pre-core stop
codon“- oder „core promotor“-Mutante). Die HBeAg-negative/anti-HBe-positive Form der chronischen Hepatitis
B wird bei uns heute deutlich häufiger
beobachtet als die HBeAg-positive
Form. Die serologische Konstellation
mit anti-HBc, anti-HBe und anti-HBs
ist charakteristisch für eine ausgeheilte
Hepatitis B und zeigt Immunität gegen
eine HBV-Reinfektion an, wobei auch
hier Spuren potenziell replikationskompetenter HBV DNA in den Hepatozyten persistieren und bei schwerer
Immunsuppression Jahre oder Jahrzehnte später zu einer Reaktivierung
der Infektion führen können. Als Impfantwort nach Hepatitis B Vakzinierung
findet sich als einziger serologischer
Marker anti-HBs.
Personen mit persistierender HBsAgPositivität, aber niedriger HBV DNA
und normalen Transaminasen sowie
normaler Histologie bezeichnet man
als inaktive HBsAg-Carrier (Tab. 2).
Personen mit chronischer HBV-Infektion, hoher HBV DNA und in der Regel
positivem HBeAg, aber dennoch normalen Transaminasen und normaler
Histologie bezeichnet man als immuntolerant. Hier handelt es sich meistens
um Personen mit perinatal oder frühkindlich erworbener HBV-Infektion,
bei der es nach der Adoleszenz häufig
zur Aktivierung einer chronischen Hepatitis B kommt.
Der HBV DNA-Nachweis im Serum
mittels quantitativer „real-time PCR“
(Polymerasekettenreaktion) ist heute
gut standardisiert und spielt eine wichtige Rolle beim Therapiemonitoring
der chronischen Hepatitis B. Vielversprechende Ansätze sind zudem die
Quantifizierung von HBsAg im Serum
oder von cccDNA (covalently closed
circular DNA) in der Leber. Die Bestimmung der HBV-Genotypen (A – H) hat
hinsichtlich natürlichem Verlauf und
Therapie der Hepatitis B bisher keinen
gesicherten klinischen Stellenwert.
Klinik
Der klinische Verlauf der HBV-Infektion ist unter anderem abhängig vom
Alter zum Zeitpunkt der Infektion. Bei
Neugeborenen oder Kindern verläuft
die HBV-Infektion meist asymptomatisch, geht jedoch in über 90 % in eine
chronische Infektion über. Bei Erwachsenen hingegen verläuft die Infektion
häufig symptomatisch als akute Hepatitis B und heilt in über 90 % aus. Die
akute Hepatitis B kann in seltenen Fällen (ca. 1 %) einen fulminanten Verlauf
nehmen. Bei Übergang in eine chronische Hepatitis B entwickelt sich häufig eine Leberzirrhose, die mit einem
hohen HCC-Risiko assoziiert ist.
Therapie und Prävention
Bei inaktiven HBsAg-Carriern und immuntoleranten Personen sollten die
Transaminasen alle 6 Monate bestimmt
werden. Abhängig vom individuellem
Risikoprofil sollte auch eine HCC-Surveillance mittels Abdomen-Sonographie und Į-Foetoprotein (AFP)-Bestimmung erfolgen [4] (Abb. 3).
Transaminasenerhöhung, HBV DNA
sowie Entzündungsaktivität („grading“) und Fibrosegrad („staging“) in
der Leberbiopsie erlauben die Indikationsstellung zur antiviralen Therapie
[5, 6]. Auch bei Patienten mit Transaminasen im oberen Normbereich
kann histologisch eine Entzündungsaktivität/Fibrose vorliegen, die Indikation zu einer antiviralen Therapie sein
kann. Im Einzelfall sollten Therapieindikation und -modalität mit einem
Spezialisten abgesprochen werden.
Prinzipiell stehen zum einen pegyliertes Interferon-Į (PEG-IFN-Į) und
zum anderen Nukleosid- (Lamivudin,
Telbivudin, Entecavir) bzw. Nukleotidanaloga (Adefovir, Tenofovir) zur
Verfügung. Beide Therapiemodalitäten
haben Vor- und Nachteile, die im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden
sollten. Eine besondere Herausforderung stellt heute die antivirale Resistenzentwicklung bei der Therapie mit
Nukleos(t)idanaloga dar [7]. Eine genotypische Resistenzbestimmung wird in
Lausanne angeboten (www.chuv.ch/
imul/imu-collaborations-hbv_resistance_testing.html).
Die auf rekombinantem HBsAg basierende, sehr effektive und gut tolerierte
Impfung wird heute generell empfohlen. Weitere Präventionsmaßnahmen
+
selten (0.1 – 2 %)
–
–
–
–
+ (inaktiviertes
Virus)
Akute Hepatitis
Fulminante Hepatitis
Chronische Hepatitis
Zirrhose bei chron.
Hepatitis
HCC
Therapie
Vakzine
–
PEG-IFN-Į plus
Ribavirin*
+
+ (Hepatitis BVakzine)
PEG-IFN-Į
+
30 – 80 %
< 10 % bei HBV-HDVKoinfektion
~ 90 % bei HDVSuperinfektion
50 – 80 %
2 – 20 % nach 20 Jahren
gelegentlich
+
30 – 90
HDV RNA
anti-HDV
parenteral
extrem selten
+
21 – 84
HCV RNA, Genotyp
anti-HCV
parenteral
*Die Markteinführung einer ersten Generation spezifischer Inhibitoren der HCV-Serinprotease wird für 2011/2012 erwartet.
ALT, Alanin-Aminotransferase; HCC, hepatozelluläres Karzinom; PEG-IFN-Į, pegyliertes Interferon-Į.
+ (rekombinantes HBsAg)
PEG-IFN-Į oder
Nukleos(t)idanaloga
+
20 – 30 %
> 90 % beim
Neugeborenen
< 10 % beim
Erwachsenen
selten (ca. 1 %)
+
30 – 180
15 – 50
HBsAg od. anti-HBc
Inkubationszeit (Tage)
anti-HAV IgM
Suchtest
parenteral, sexuell,
perinatal
–
–
–
nur bei Immunsuppression
nur bei Immunsuppression
selten (bis 20 % in
Schwangerschaft)
+
15 – 60
HEV RNA
anti-HEV
enteral
HEV
([+]-Strang-RNA,
Hepeviridae)
HDV
(zirkuläre RNA,
subvirales Agens)
HCV
([+]-Strang-RNA,
Flaviviridae)
HBV
(partiell doppelsträngige DNA, Hepadnaviridae)
HBeAg/anti-HBe,
HBV DNA
enteral
Übertragung
Hepatitis E
Hepatitis D
Hepatitis C
Hepatitis B
Weiterführende Tests
HAV
([+]-Strang-RNA, Picornaviridae)
Virus
(Genom, Familie)
Hepatitis A
Tabelle 1 Übersicht über die Virushepatitis A-E
Therapeutische Umschau 2011; 68 (4): 175 – 181
Übersichtsarbeit
177
Darius Moradpour, Hubert E. Blum Virushepatitis
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Übersichtsarbeit
Abbildung 2 Verlauf der Virushepatitiden. (A) Akute Hepatitis A. (B) Akute Hepatitis B. (C) Akute Hepatitis B mit Übergang in
chronische Hepatitis B. (D) Akute Hepatitis C mit Übergang in chronische Hepatitis C. (E) HBV-HDV-Koinfektion. (F) HDV-Superinfektion. Die Hepatitis E verläuft sehr ähnlich wie die Hepatitis A.
Therapeutische Umschau 2011; 68 (4): 175 – 181
Übersichtsarbeit
Tabelle 2 Klassifikation der HBV-Infektion
HBsAg
HBeAg
HBV DNA
ALT
HBeAg-pos. CHB
+
+
105 – 109 IU/ml
Ĺ
HBeAg-neg. CHB
+
–
103 – 107 IU/ml
Ĺ
Inaktiver HBsAg Carrier
+
–
< 2 × 103 IU/ml
normal
Immuntolerant
+
+
107 – 1010 IU/ml
normal
Ausgeheilte Hepatitis B
– (anti-HBs)
–
–
normal
ALT, Alanin-Aminotransferase; CHB, chronische Hepatitis B.
umfassen das Screening von Blut und
Blutprodukten, HBsAg-Screening in
der Schwangerschaft, „safer sex“ etc.
Hepatitis C
Virologie und Epidemiologie
Das HCV ist ein umhülltes RNA-Virus,
das zur Familie der Flaviviren gehört.
Es wird parenteral übertragen, vor Einführung effizienter Screening-Verfahren am häufigsten durch Blut und Blutprodukte, heute am häufigsten durch
intravenösen Drogenabusus und seltener sexuell, perinatal, durch Nadelstichverletzungen sowie iatrogene oder
andere Routen. In Westeuropa und in
den USA sind ca. 1 – 2 % der Allgemeinbevölkerung und weltweit 120 – 180
Millionen Personen chronisch HCVinfiziert. Die HCV-Infektion stellt heute in vielen westlichen Ländern die
häufigste Ursache der chronischen Hepatitis, Leberzirrhose und des HCC dar
und ist die führende Indikation zur Lebertransplantation. Trotz einem Rückgang der Inzidenz von Neuinfektionen
seit Anfang der 1990er-Jahre muss für
die nächsten 10 – 20 Jahre mit einer
weiteren Zunahme von Patienten mit
den Spätfolgen der chronischen Hepatitis C gerechnet werden.
Diagnostik
Zur Diagnostik der Hepatitis C stehen
sensitive und spezifische Enzymimmunoassays zur Verfügung (Abb. 2). Zur
Therapieplanung und -überwachung
sind die Analyse des HCV-Genotyps
und die Quantifizierung der HCV RNA
im Serum mittels „real-time PCR“
wichtig. Eine Leberbiopsie wird empfohlen, um den Grad der entzündlichen
Aktivität und das Fibrosestadium zu
objektivieren sowie um gegebenenfalls
vorliegende Kofaktoren (z. B. Alkohol,
Eisenüberladung, „nonalcoholic fatty
liver disease“ [NAFLD]) zu dokumentieren. Nicht-invasive Methoden der
Fibrosebestimmung werden heute aktiv exploriert und teilweise kommerziell angeboten, sind aber, insbesondere im Hinblick auf die Differenzierung
intermediärer Fibrosestadien, einer Leberbiopsie noch nicht gleichwertig [8].
Klinik
Die akute Hepatitis C verläuft in der
Regel asymptomatisch und geht in
50 – 80 % der Fälle in eine chronische
Infektion über. Auch die chronische
Hepatitis C verläuft meist klinisch wenig apparent. Sie kann jedoch über
viele Jahre progredient sein und innerhalb von 20 Jahren in 2 – 20 % zu einer
Leberzirrhose führen. Das Risiko, auf
dem Boden einer HCV-assoziierten Leberzirrhose ein HCC zu entwickeln, beträgt 1 – 6 % pro Jahr.
Der natürliche Verlauf der chronischen
Hepatitis C wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Mit einer häufigeren
und rascheren Zirrhoseentwicklung
assoziiert sind ein höheres Alter zum
Zeitpunkt der Infektion, männliches
Geschlecht, Alkoholkonsum, Rauchen,
Koinfektionen mit HBV, HIV oder
Schistosoma, NAFLD, Eisenüberladung
und Immunsuppression. Ein umfassendes Management der chronischen
Hepatitis C sollte diese Faktoren (Alkohol- und Nikotinkarenz, Impfung gegen Hepatitis A und B, Reduktion von
Übergewicht) berücksichtigen.
Therapie und Prävention
Eine eindeutige Therapieindikation ist
gegeben bei chronischer Hepatitis C
mit einer signifikanten Fibrose in der
Leberbiopsie (Metavir-Fibrosestadium
• F2). In anderen Fällen sollte die Indikation auf individueller Basis gestellt
werden. Therapieziel ist eine anhaltende Viruselimination („sustained virological response“, SVR) am Ende einer
6-monatigen Nachbeobachtungsphase. Die Standardtherapie der chronischen Hepatitis C besteht nach wie
vor in einer Kombination von PEGIFN-Į mit Ribavirin [9]. Die Therapiedauer richtet sich nach dem Genotyp
(i. d. R. 48 Wochen für Genotyp 1 und 4
bzw. 24 Wochen für Genotyp 2 und 3),
wobei heute eine zunehmende Individualisierung der Therapiedauer und
-intensität aufgrund zusätzlicher Parameter, insbesondere dem Verlauf der
Virämie unter Therapie, erfolgt („response-guided therapy“). So wird auch
hier vor Therapieeinleitung eine Rücksprache mit einem Spezialisten empfohlen.
Mit der PEG-IFN-Į- plus RibavirinKombinationstherapie kann eine SVR
bei ca. 40 – 50 % der Genotyp 1- und bei
ca. 80 % der Genotyp 2- oder 3-infi-
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Darius Moradpour, Hubert E. Blum Virushepatitis
180
Übersichtsarbeit
Klinik
Abbildung 3 Natürlicher Verlauf und Management der chronischen Virushepatitis. Die Surveillance für das Auftreten eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) beginnt bei der chronischen Hepatitis B schon im Stadium der chronischen Hepatitis.
Bei der Hepatitis C oder anderen chronischen Hepatitiden erfolgt sie erst im Stadium der Zirrhose. LT, Lebertransplantation.
zierten Patienten erreicht werden. Genetische Polymorphismen im Bereich
des IL28B-Gens korrelieren mit dem
therapeutischen Ansprechen [10] und
können bei schwierigen Therapieentscheiden im Einzelfall hilfreich sein.
Aufbauend auf einem verbesserten
Verständnis des viralen Lebenszyklus
werden heute vielversprechende neue
präventive und therapeutische Strategien exploriert [11]. So wird die
Markteinführung der ersten Generation von spezifischen HCV-Proteaseinhibitoren für 2011/2012 erwartet
[12 – 15]. Diese werden noch mit PEGIFN-Į und Ribavirin kombiniert, wobei
die längerfristige Entwicklung zu IFNĮ-freien Kombinationstherapien geht.
Bei Leberzirrhose im Child-Pugh Stadium B oder C ist eine Standardtherapie
kontraindiziert. Für diese Patienten
sollte eine Lebertransplantation erwogen werden. Bei Patienten mit Leberzirrhose sollten zur Früherkennung
eines HCC alle 6 Monate eine Abdomen-Sonographie und eine AFP-Bestimmung erfolgen (Abb. 3).
Hepatitis D
Prinzipiell unterscheidet man die Koinfektion, bei der HBV und HDV gemeinsam übertragen werden, von der
Superinfektion, bei der ein HBV-Träger
mit HDV infiziert wird (Abb. 2). Die
akute Hepatitis kann in beiden Fällen
schwer verlaufen, mit einer Inzidenz
fulminanter Verläufe von ca. 5 %, bei
vorbestehender Leberschädigung bis
zu 20 %. Während es bei der HBVHDV-Koinfektion im Erwachsenenalter meistens zur spontanen Elimination beider Viren kommt, geht die HDVSuperinfektion in ca. 90 % der Fälle in
einen chronischen Verlauf über. Da das
HDV dann in der Regel dominiert,
spricht man von einer chronischen Hepatitis D. Die chronische Hepatitis D ist
im Allgemeinen gekennzeichnet durch
eine häufige und rasche Progression
zur Leberzirrhose und ein hohes HCCRisiko.
Virologie und Epidemiologie
Das HDV ist ein subvirales Agens, das
für die Bildung von Viruspartikeln auf
das HBsAg angewiesen ist und sich
deshalb nur in der Gegenwart einer
HBV-Infektion propagieren kann. Die
HDV-Infektion wird meist parenteral,
seltener auch sexuell übertragen. Weltweit sind ca. 5 % der HBV-Träger auch
mit dem HDV infiziert. Während die
Prävalenz in den klassischen Endemiegebieten, insbesondere im Mittelmeerraum, abgenommen hat, wird in Mittelund Nordeuropa im Zusammenhang
mit der Immigration von Patienten,
insbesondere aus Osteuropa und den
Staaten der ehemaligen Sowjetunion,
eine erneute Zunahme beobachtet
[16].
Diagnostik
Die Diagnostik basiert auf dem Nachweis von anti-HDV bei gleichzeitiger
Positivität für HBsAg (Abb. 2). Eine aktive HDV-Infektion wird durch den
Nachweis von HDV RNA im Serum bestätigt. Eine quantitative „real-time
PCR“ wird in Lausanne angeboten
(www.chuv.ch/imul/imu-collaborations-hbv_resistance_testing.html).
Therapie und Prävention
Die aktuelle Therapie besteht aus PEGIFN-Į während mindestens einem Jahr.
Diese ist aber nur bei ca. 20 % der Patienten erfolgreich. Für Patienten mit
fortgeschrittener Leberzirrhose und/
oder einem limitierten HCC sollte die
Möglichkeit einer Lebertransplantion
evaluiert werden. Da die Transmission
von HDV wie diejenige von HBV erfolgt, decken sich die Präventionsmaßnahmen für beide Viren (s. oben).
Hepatitis E
Virologie und Epidemiologie
Das HEV ist ein kleines RNA-Virus, das
enteral übertragen wird. Es ist endemisch in Teilen Asiens, Zentralamerikas und Afrikas. Man unterscheidet
verschiedene Genotypen, wobei die
Genotypen 1 und 2 nur beim Menschen
vorkommen und vor allem in den oben
genannten Endemiegebieten verbreitet
sind. Die Genotypen 3 und 4 können
den Menschen sowie verschiedene
Nutz- und Wildtiere (unter anderem
Schwein, Wildschwein, Hirsch) infizie-
Therapeutische Umschau 2011; 68 (4): 175 – 181
Übersichtsarbeit
ren und durch den Konsum von unzureichend gegrilltem oder gekochtem
Fleisch als Zoonose übertragen werden. So unterscheidet man in westlichen Ländern importierte (meistens
Genotyp 1 oder 2) von autochthonen
(meistens Genotyp 3) HEV-Infektionen
[17, 18].
Diagnostik
Die Diagnostik der HEV-Infektion basiert auf dem serologischen Nachweis
von anti-HEV.
Klinik
Der klinische Verlauf der HEV-Infektion ist in der Regel akut und selbstlimitierend. Die HEV-Infektion kann jedoch insbesondere bei schwangeren
Frauen im 3. Trimenon fulminant verlaufen und ist dann mit einer Mortalität bis zu 20 % assoziiert. Bei immunsupprimierten Patienten, insbesondere
nach Organtransplantation, können
chronische Verläufe beobachtet werden [19]. Da anti-HEV bei diesen Patienten häufig negativ sind, wird in
dieser Situation eine PCR zum
HEV RNA-Nachweis empfohlen.
Therapie und Prävention
Die Therapie der akuten Hepatitis E ist
supportiv. Verschiedene Impfstoffe
werden zur Zeit geprüft [20].
Viral hepatitis
Viral hepatitis is associated with significant morbidity and mortality
worldwide. Hepatitis A and E viruses
are enterally transmitted and lead to
usually self-limited acute hepatitis.
Hepatitis B, C and D viruses are transmitted by parenteral routes and can
lead to chronic hepatitis with progression to liver cirrhosis and hepatocellular carcinoma. Here, we briefly review
current understanding and new developments in the virology and epidemiology, diagnosis, natural history, therapy and prevention of viral hepatitis.
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Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Darius Moradpour
Service de Gastroentérologie
et d’Hépatologie
Centre Hospitalier
Universitaire Vadois
BU44/07/2421
Rue du Bugnon 44
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