Theoretische Physik III Quantenmechanik1 Peter Entel Theoretische Tieftemperaturphysik Gerhard–Mercator–Universität Duisburg 31. Dezember 1997 1 c Release 2.0, °1997 Holger van Husen I Vorwort Dieses Skript umfaßt die Quantenmechanik-Vorlesung, wie sie im Wintersemester 1993 von Prof. Entel gehalten worden ist. Das Setzen unter Verwendung des Formatierungsprogramms LATEX 2.09 hat den Zeitraum von Oktober 1993 bis Juli 1995 in Anspruch genommen. Allein diese Tatsache weist darauf hin, daß ich hierbei mit großer Sorgfalt vorgegangen bin. Dennoch lassen sich bei einem Projekt dieser Größenordnung Tippfehler nicht vermeiden. Korrekturvorschläge können an folgende E-Mail Adresse 1 gesendet werden. Leider ist es mir aus zeitlichen Gründen nicht mehr gelungen die notwendigen Abbildungen auf der Rechneranlage zu erzeugen und im Dokument zu implementieren, so daß man mit den Orignalzeichnungen vorliebnehmen muß. Ich hoffe, daß dieses Skript vielen Studenten eine Erleicherung bei der Erarbeitung des sehr umfangreichen Stoffes ist. Weeze, den 20.07.1995 Holger van Husen Vorwort zum Release 1.1 Im Rahmen meiner Diplomvorbereitungen habe ich einige Tippfehler beseitigt. Die Erstellung von computergestützten Abbildungen wird erst im Release 2.0 erfolgen. Weeze, den 25.12.1996 Holger van Husen Vorwort zum Release 2.0 Endlich ist es soweit!! Mit dem Release 2.0 liegt das QuantenmechanikSkript nun vollständig in elektronischer Form vor. Es beinhaltet zusätzlich 44 Abbildungen und ist im Postscript-Format verfügbar. Es kann als Hardcopy über die Fachschaft Physik bezogen werden oder als Postscript-Datei 1 [email protected] II über die Fachschafts-Seite des Fachbereichs 10 Physik und Technologie im World Wide Web. Da sich die letztgenannten Dienste noch im Aufbau befinden, können mir Interessenten an der elektronischen Form eine E-Mail2 senden. Sie erhalten das Skript dann auf Diskette. Mit dem Shareware-Programm Ghostscript von Aladdin Software, das für fast alle Plattformen im Internet verfügbar ist, kann der Inhalt der Postscript-Datei problemlos angezeigt werden. So ist es möglich auch nur bestimmte, für den jeweiligen Nutzer interessante Teile des Skripts auszudrucken. Mit dem Release 2.0 stelle ich meine Arbeit an diesem Projekt ein. Idealisten, die Verbesserungen und Fehlerkorrekturen vornehmen möchten, können sich an mich oder Prof. Entel wenden. Wir stellen den editierbaren LATEX-Quellcode gerne zur Verfügung. Weeze, den 31.07.1997 Holger van Husen 2 [email protected] Inhaltsverzeichnis 1 Klassische Mechanik 1 1.1 Wiederholung allgemeiner Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Lagrangesche Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.3 Hamilton-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.4 Hamiltonsche Formulierung der KM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.5 Kanonische Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.6 Geladenes Teilchen im elektromagnetischen Feld . . . . . . . . . . . . . 17 2 Grundbegriffe der Quantenmechanik 21 2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.2 Die Quantennatur des Lichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.3 Elektronenbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.4 Die Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.5 Mittelwerte in der QM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.6 Das Eigenwertproblem für stationäre Zustände . . . . . . . . . . . . . . 36 2.7 Eindimensionale Eigenwertprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.8 Der eindimensionale harmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2.9 Die Impulsdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2.10 Nachtrag zum Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III IV INHALTSVERZEICHNIS 3 Aufbau der Quantenmechanik 59 3.1 Zustände, Observable und Dirac-Schreibweise . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.2 Eigenwertproblem und Spektraldarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3.3 Die Wahrscheinlichkeitsinterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3.4 Zeitentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4 Symmetrietransformationen 81 4.1 Inversion am Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4.2 Translationen um den Vektor a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 4.3 Rotationen um den Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 5 Quantentheorie des Drehimpulses 89 5.1 Eigenwerte des Drehimpulsoperators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 5.2 Kugelfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 5.3 Teilchen im sphärisch symmetrischen Potential . . . . . . . . . . . . . . 98 5.4 Das Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 5.5 Kovalente Bindungen und das H2 -Molekül . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5.6 Normaler Zeeman–Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 6 Streutheorie 117 6.1 Streuquerschnitt und Partialwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 6.2 Streuphasen und Bornsche Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 6.3 Streuung an Potentialen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 6.4 Allgemeine Streutheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 7 Näherungsverfahren 135 7.1 Entwicklung nach kleinen Störungen (keine Entartung) . . . . . . . . . . 135 7.2 Fastentartung von zwei Energieniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 7.3 Variationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 INHALTSVERZEICHNIS V 8 Der Spin des Elektrons 143 8.1 Spinoperatoren für das Elektron 8.2 Spinabhängige Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 8.3 Addition von Drehimpulsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 8.4 Die Feinstruktur des Wasserstoffspektrums 9 Dirac-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 . . . . . . . . . . . . . . . . 153 157 9.1 Prinzip der minimalen Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 9.2 Der Spin des freien Dirac-Teilchens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 9.3 Kovariante γ-Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 9.4 Geschwindigkeit und Parität des Dirac-Teilchens . . . . . . . . . . . . . 167 10 Das relativistische H-Atom 171 10.1 Lamb-Shift und Hyperfeinaufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 10.2 Nichtrelativistischer Grenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 10.3 Diracs Löchertheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 VI INHALTSVERZEICHNIS Kapitel 1 Klassische Mechanik 1.1 Wiederholung allgemeiner Grundlagen Klassische Mechanik:1 Studium der Bewegung von (geladenen) Körpern mit der Masse m unter gegenseitigen und äußeren Einflüssen. Kinematik: Die Körper werden durch idealisierte Teilchen, sogenannte Massenpunkte ersetzt und ihre Bewegungen durch Bahnkurven ri (t) im euklidischen Raum beschrieben. Grenzen der Gültigkeit der Klassischen Mechanik: Für mikroskopische Objekte wie z.B. Elektonen in atomaren Bereichen verliert die klassische Bahnkurve ihren Sinn, da der Ort und die Geschwindigkeit nicht gleichzeitig scharf gemessen werden können. Es ist eine quantenmechanische Beschreibung erforderlich. Für kosmische Dimensionen ist der Raum nicht mehr euklidisch. Daraus folgt eine Beschreibung im Rahmen der (allgemeinen) Relativitätstheorie. Die Dynamische Beschreibung basiert auf den vier Newtonschen Axiomen: Axiom 1.1 (Trägheitsgesetz) Existenz eines Inertialsystems, in dem für kräftefreie Teilchen gilt: X mi ṙi = P = const. i 1 c 1997 Holger van Husen Release 2.0, ° 1 2 KAPITEL 1. KLASSISCHE MECHANIK Wegen dem Schwerpunkt 1 X mi ri M i R= und M Ṙ = P entspricht die kräftefreie Bewegung einer gradlinig gleichförmigen Bewegung des Schwerpunktes. Axiom 1.2 (Dynamische Grundgleichung) Im Inertialsystem bewirkt eine äußere Kraft Kai (r1 , ṙ1 , ..., rN , ṙN , t) : ṗi = Kai + X Kij ≡ Ki (1.1) i6=j Axiom 1.3 (Wechselwirkungsgesetz) Für innere Wechselwirkungskräfte gilt: Ki←j = −Kj←i = K(ri − rj ) ⇒ Kij = k(|ri − rj |) · ri − rj = −∇i Vij = −∇i V (|ri − rj |). |ri − rj | (1.2) Beispiele: Newtonsche Gravitationswechselwirkung als Kraft des Körpers 2 auf den Körper 1. K12 = −Gm1 m2 r1 − r2 |r1 − r2 |3 Coulomb-Kraft zwischen zwei Ladungen Q1 und Q2 : K12 = Q1 Q2 r1 − r2 |r1 − r2 |3 Mittels der Definition Kii = 0 (1.3) schließt man selbstwechselwirkende Kräfte aus. Für die Schwerpunktsbewegung folgt dann aus (1.1): M R̈ = X i ṗi = X i Kai + XX | i i6=j {z =0 Kij = Ka } (1.4) 1.1. WIEDERHOLUNG ALLGEMEINER GRUNDLAGEN 3 Axiom 1.4 (Superpositionsprinzip) Es ist bereits in (1.4) benutzt worden: Ka = Ka1 + Ka2 + Ka3 + . . . Mathematisches Problem der Klassischen Mechanik: Bei Vorgabe von Kai (r1 , ṙ1 , ..., rN , ṙN , t), i = 1, . . . , N , und bei Vorgabe der Kij löse man die 3N Differentialgleichungen 2. Ordnung in (1.1) mit den 6N Anfangsbedingungen r0i , ṙ0i . Bei abgeschlossenem System mit Kai = 0, Kij 6= 0 bleibt der Gesamtimpuls erhalten und das Problem reduziert sich auf 6 Integrale der Bewegung mit den Anfangsbedingungen R0 und P0 . Gesamtdrehimpuls: L= X Li = X i mi (ri × ṙi ) (1.5) i Zeitliche Änderung: L̇ = X mi [(ṙi × ṙi ) + (ri × r̈i )] = i = X i ri × Kai + X X i mi ri × r̈i = X ri × Ki i ri × Kij = Na . (1.6) i,j Der Betrag der inneren Kräfte fällt heraus: X (ri × Kij ) = i,j 1X 1X [(ri × Kij ) + (rj × Kji )] = (ri − rj ) × Kij = 0 2 i,j 2 i,j Ohne äußeres Drehmoment (Na = 0) ist L = L0 . In einem abgeschlossenem System ist demnach L konstant. Energie: Bevor man das volle Problem (1.1) löst, betrachtet man häufig die Eigenschaften von integralen Größen. Diese Eigenschaften führen zu allgemeinen Aussagen, die unabhängig von der speziellen Form der Bahnkurven ri (t), bzw. der Bahnkurve des Schwerpunktes R(t), sind. So ist z. B. der Energiesatz eine direkte Konsequenz von Newtons Gleichung bei konservativen Kräften. Kinetische Energie: X mi T = ṙ2i (1.7) 2 i 4 KAPITEL 1. KLASSISCHE MECHANIK Die zeitliche Änderung von T entspricht der Leistung unter Beteiligung der inneren Kräfte: X Ṫ = mi ṙi r̈i (1.8) i Die an den Teilchen geleistete Arbeit aller Kräfte zwischen den Zeiten t1 und t2 ist dann: Zt2 T2 − T1 = Ṫ dt = t1 Zt2 X t1 ṙi Ki = A21 i Für konservative Kräfte existiert eine potentielle Energie: V = V (r1 , . . . , rN ) mit Ki = −∇i V und ∇i ≡ ∇ri (1.9) Daraus folgt X X dV d = ∇i V · ṙi = − ṙi Ki = −Ṫ ⇒ (T + V ) = 0 dt dt i i oder T + V = E = const. wobei V = X i V a (ri ) + 1X V (|ri − rj |) mit Vii = 0 2 i,j (1.10) (1.11) Wegen Kij = −∇i Vij = −∇ij Vij und Kij = −Kji gilt: Vij = Vji 1.2 Lagrangesche Dynamik Einschränkung von Freiheitsgraden: Häufig ist die Bewegung eines Teilchens durch geometrische Bedingungen eingeschränkt (klassisches Beispiel: Pendelbewegung). Für N Teilchen können die 3N Koordinaten der 1.2. LAGRANGESCHE DYNAMIK 5 Bahnkurven ri (t) gewissen Beschränkungen unterliegen. Die Bindung an Flächen und Kurven sei durch r holonome Nebenbedingungen gegeben: fn (r1 , . . . , rN , t) = 0 , n = 1, . . . , r ≤ 3N (1.12) Es verbleiben f = 3N − r Freiheitsgrade. Wir denken uns (1.12) durch Zwangskräfte Zi realisiert, so daß an Stelle von (1.1) tritt: ṗi = Ki + Zi , i = 1, . . . , N. (1.13) Virtuelle Verrückungen: Obwohl man die Zi explizit (für holonome Zwangsbedingungen) berechnen kann, zieht man häufig eine Formulierung der Klassischen Mechanik vor, in der die Zi nicht mehr auftreten. In elementarer Form geschieht dies mittels virtueller Verrückungen. ri → ri + δri , t → t + δt mit δt ≡ 0 Die δri sind infinitesimale Verschiebungen, die mit den Zwangsbedingungen (1.12) verträglich sind: fn (r1 + δr1 , . . . , rN + δrN , t) = 0 Daraus folgt: ⇒ fn (r1 + δr1 , . . . , t) − fn (r1 , . . . , t) = δfn = N X ∇i fn · δri = 0 (1.14) i=1 Die realen Verrückungen erfolgen in dt 6= 0, für sie gilt: dfn = N X ∇i fn dri + i=1 ∂fn dt = 0 ∂t (1.15) Offensichtlich gilt δfn = dfn für t-unabhängige (skleronome) Bedingungen. D’Alembert-Prinzip: Die Kräfte, die durch Bindung von Teilchenbewegungen an Flächen u. s. w. auftreten, leisten bei virtuellen Verrückungen keine Arbeit am System: N X i=1 Zi δri = 0 (1.16) 6 KAPITEL 1. KLASSISCHE MECHANIK Aus (1.13) folgt dann: N X (Ki − ṗi ) · δri = 0 (1.17) i Lagrangesche Multiplikatoren: Aus (1.17) folgt eine erweiterte Newton-Gleichung mit expliziter Form der Zwangskräfte unter Verwendung von Lagrangeschen Multiplikatoren. Wegen δfn = 0 gilt auch λn δfn = 0. Daraus folgt: N X (Ki − ṗi + r X λn ∇i fn ) · δri = 0 (1.18) n=1 i=1 Nur die f = 3N −r Verrückungen δri sind unabhängig. Für die restlichen Verrückungen bestimmen wir die λn so, daß gilt: ṗi = Ki + r X n=1 | (1.19) λn ∇i fn {z } =Zi (1.19) bezeichnet man manchmal auch als Lagrange-Gleichungen 1. Art. Lagrange-Gleichungen: Man vermeidet die Berechnung der Zwangskräfte, wenn man von den 3N Kartesischen Koordinaten r1 , . . . , rN auf f = 3N − r voneinander unabhängigen Koordinaten q1 , . . . , qf so transformiert, daß r1 = r1 (q1 , . . . , qf , t) .. . rN = rN (q1 , . . . , qf , t) (1.20) die Gleichungen fn = 0 in (1.12) identisch erfüllen. Die Wahl dieser verallgemeinerten Koordinaten ist nicht eindeutig. Aus (1.20) folgt: f X ∂ri f X ∂ri ∂ri ∂t (1.21) X ∂ri Qk δqk δqk ≡ Ki δri = Ki ∂qk i=1 k=1 k=1 i=1 (1.22) δri = k=1 ∂qk δqk , ṙi = k=1 ∂qk q̇k + Damit folgt für die virtuelle Arbeit: N X f f X N X | {z Qk } 1.2. LAGRANGESCHE DYNAMIK 7 Qk = verallgemeinerte Kraftkomponente, wobei Qk δqk stets die Dimension [Energie] P besitzt. Für i ṗi · δri folgt mit (1.21): N X mi r̈i δri = i=1 = = = = f N X X mi r̈i i=1 k=1 f N X X · mi i=1 k=1 f N X X · mi i=1 k=1 f N X X i=1 k=1 f · X k=1 · mi d dt µ ∂ri δqk ∂qk (1.23) µ ¶ µ ¶ ∂ri d ṙi dt ∂qk d ∂ ṙi ṙi dt ∂ q̇k · d ∂ dt ∂ q̇k ∂T ∂ q̇k ¶ µ ¸ d ∂ri − ṙi δqk dt ∂qk ¸ ∂ ṙi − ṙi δqk ∂qk 1 2 ṙ 2 i ¶¸ − ¸ ∂ ∂qk µ 1 2 ṙ 2 i T = T (q1 , . . . , qf , q̇1 , . . . , q̇f , t) = δqk f X ∂T Ak δqk − δqk ≡ ∂qk k=1 mit ¶¸ (1.24) N X mi 2 ṙi . i=1 2 Aus dem D’Alembertschen Prinzip (1.17) folgt mit (1.22-24) dann: N X f X i k=1 (Ki − ṗi ) · δri = 0 = [Qk − Ak ]δqk ⇒ d ∂T ∂T − − Qk = 0 dt ∂ q̇k ∂qk (1.25) Dies entspricht f Differentialgleichungen 2. Ordnung für die qk . Vereinfachung für konservative Kräfte: Ki = −∇i V (r1 , . . . , rN ) ⇒ Qn = N X i=1 Ki N X ∂ri ∂V ∂ ṙi =− =− ∇i V · ∂qk ∂qk ∂qk i=1 (1.26) 8 KAPITEL 1. KLASSISCHE MECHANIK Außerdem gilt ∂V ∂ q̇k ≡ 0, so daß für konservative Kräfte aus (1.25) wird: d ∂L ∂L − =0 dt ∂ q̇k ∂qk L = T − V = L(q1 , . . . , qf , q̇1 , . . . , q̇f , t) (1.27) (1.28) (1.27) bezeichnet man als Lagrange-Gleichungen 2. Art. L = T − V heißt Lagrangefunktion. Man wird in der Klassischen Mechanik also zunächst auf die Lagrangefunktion geführt. Die für die Quantenmechanik so wichtige Hamiltonfunktion geht dann aus (1.28) durch eine Legendre-Transformation hervor. In der Feldtheorie ist die Existenz einer Hamiltondichte bei gegebener Lagrangedichte nicht immer gesichert. 1.3 Hamilton-Prinzip Hamilton-Prinzip: Die Eulerschen Gleichungen der Variationsrechung ähneln den Lagrange-Gleichungen der Klassischen Mechanik. Man kann daher annehmen, daß sich die Lagrange-Gleichungen durch Variation eines geeigneten Funktionals ergeben. Die Feststellung, daß dies so ist, heißt Hamiltonsches Prinzip. Extremale Wirkung: Wir gehen von den verallgemeinerten Koordinaten zurück auf Kartesische Koordinaten und betrachten die 3N Bahnkurven ri (t) im Zeitintervall t1 ≤ t ≤ t2 (ausgezogene Kurve): r i (t) r i (t) +δ r i (t) t1 t2 1.3. HAMILTON-PRINZIP 9 Die gestrichelte Kurve sei eine durch δri (t) bestimmte und mit den Nebenbedingungen verträgliche Nachbarbahn. Die Endpunkte sind jedoch gleich, d. h., δri (t1 ) = δri (t2 ) = 0 , i = 1, . . . , N (1.29) Diese Forderung ist keine Einschränkung, da ein beliebiges Zeitintervall betrachtet werden kann. Um alle mit den Nebenbedingungen verträglichen Bahnen zu erfassen, muß über das D’Alembert-Prinzip (1.17) für diese Zeitintervall integriert werden: Zt2 "X N t1 # Zt2 (Ki − ṗi )δri dt = i=1 Zt2 δL dt = δ t1 L dt = 0 (1.30) t1 Beweis für die Gültigkeit von (1.30): Wegen d 1 d r̈i δri = (ṙi δri ) − ṙi δ ṙi = (ṙi δri ) − δ(ṙ2i ) dt dt 2 gilt: Zt2 X N t1 mi d [Ki δri − (mi ṙi δri ) +δ( r2i )] dt = 2 |dt {z } i=1 Dabei wurde für =0,wegen(1.29) X Ki δri = − i X Zt2 δ(T − V ) dt = 0 t1 ∇i V δri = −δV i im Falle konservativer Kräfte gesetzt. (1.30) ist ein integrales Extremalprinzip. Die wirkliche Bahn zwischen gegebenen Anfangs- und Endbedingungen ist diejenige Bahn mit extremaler Wirkung S= Z t2 t1 L dt (1.31) , d. h., auf ihr ist δS = 0. Der Ablauf der Bewegung wird hier nicht mehr durch Differentialgleichungen wie in (1.17) bestimmt, sondern durch ein Integralprinzip. Es ist leicht zu zeigen, daß die Lagrange-Gleichungen (1.27) aus dem Hamilton-Prinzip (1.30) folgen. Variation (virtuelle Verrückung mit δt = 0) der Lagrange-Funktion L = L(q1 , . . . , qf , q̇1 , . . . , q̇f , t) ergibt: δL = X · ∂L k ∂L δqk + δ q̇k ∂qk ∂ q̇k ¸ 10 KAPITEL 1. KLASSISCHE MECHANIK Mit d dt µ ¶ ∂L δqk − ∂ q̇k µ d ∂L dt ∂ q̇k ¶ δqk folgt: Zt2 0 = δS = dt t1 X · ∂L k ∂qk δqk + d dt | µ ∂L δqk ∂ q̇k {z µ ¶ − } d ∂L dt ∂ q̇k ¶ ¸ δqk =0 Damit gilt ∂L d ∂L − =0 ∂qk dt ∂ q̇k weil die δqk linear unabhängig sind. Die Lagrange-Gleichungen sind die Eulerschen Gleichungen des Variationsproblems Zt2 δS = δ L dt = 0 t1 1.4 Hamiltonsche Formulierung der KM In der Hamiltonschen Formulierung werden verallgemeinerte Koordinaten und Impulse als äquivalente Variable behandelt. Die Hamiltonschen Gleichungen, die an Stelle der Lagrange-Gleichungen (1.27) treten, sind von einer gewissen mathematischen Einfachheit und außerdem symmetrisch in qk und q̇k . Diese mathematische Durchsichtigkeit steht hinter der Bezeichnung kanonisch, mit der man diese Gleichungen belegt. Es zeigt sich außerdem, daß in dieser Formulierung die Gleichungen der klassischen Mechanik invariant unter einer Klasse von Transformationen bleiben, die man als Kanonische Transformationen bezeichnet. Newtons Gleichung (1.1) ist z. B. nur invariant gegenüber einer Galilei-Transformation. Von besonderer Bedeutung ist ferner, daß die Hamiltonfunktion mit der Energie verknüpft ist, die Lagrangefunktion (1.28) hingegen nicht. Übergang von L zu H: Gegeben sei L = L(q, q̇, t) mit q: q1 , . . . , qf . Wir definieren einen verallgemeinerten Impuls 1.4. HAMILTONSCHE FORMULIERUNG DER KM pk = 11 ∂L ∂ q̇k (1.32) und bilden: · ¸ dL X ∂L ∂L ∂L ∂L d X ∂L ∂L d X pk q̇k + = q̇k + q̈k + = q̇k + = dt ∂qk ∂ q̇k ∂t dt k ∂ q̇k ∂t dt k ∂t k |{z} =pk Somit: # " ∂L d X pk q̇k − L = − dt k ∂t (1.33) Totales Differential von L: dL = k " ⇒ d ¸ X · ∂L X X ∂L ∂L ∂L dqk + dq̇k + dt = [ṗk dqk + pk dq̇k ] + dt ∂qk ∂ q̇k ∂t ∂t k # pk q̇k − L = k X [dpk q̇k + pk dq̇k ] − k = X X [ṗk dqk + pk dq̇k ] − k [−ṗk dqk + q̇k dpk ] − k ∂L dt ∂t ∂L dt ∂t (1.34) Die natürlichen Variablen der Funktion H= f X pk q̇k − L(q, q̇, t) = H(q, p, t) k=1 (1.35) sind also q und p und nicht q bzw. q̇. Die mathematische Verknüpfung (1.35) zwischen L und H entspricht einer Legendre-Transformation. H heißt Hamiltonfunktion. Aus (1.35) folgt: ¸ X · ∂H ∂H ∂H dH = dqk + dpk + dt (1.36) ∂qk ∂pk ∂t k Vergleich von (1.34) und (1.36) führt zu: 12 KAPITEL 1. KLASSISCHE MECHANIK ∂H ∂qk ∂H ∂pk ∂H ∂t = −ṗk (1.37) = q̇k = − , k = 1, . . . , f (1.38) ∂L . ∂t (1.39) (1.37)-(1.38) sind die Hamiltonschen Gleichungen. (1.39) besagt, daß auf der linken Seite q und p und auf der rechten Seite q und q̇ festgehalten werden. (1.35 ist der Ausgangspunkt zur Berechnung von H. Wenn H die Zeit nicht explizit enthält, gilt: ∂H dH = = 0 ⇒ H = const. dt ∂t (1.40) (1.40) gilt offensichtlich dann, wenn L die Zeit nicht explizit enthält ( z. B. für skleronome Zwangsbedingungen und konservative Kräfte). In diesem Fall folgt: ṙi = X ∂ri k ∂qk q̇k ⇒ T = X mi X ∂ri ∂ri ṙ2i = q̇k q̇l 2 ∂q ∂q i k,l | k{z l} akl Daraus folgt, daß T homogen quadratisch in den q̇ ist. Wegen pk = gilt X k ⇒H= X X ∂L ∂T = =2 akl q̇l ∂ q̇k ∂ q̇k l pk q̇k = 2 X akl q̇l q̇k = 2T k,l pk q̇k − L = 2T − (T − V ) = T + V k Für skleronome, konservative Systeme gilt also der Erhaltungssatz: H(q, p) = T (q, p) + V (q) = E (1.41) 1.4. HAMILTONSCHE FORMULIERUNG DER KM 13 Zyklische Koordinaten: Die Koordinate qk heißt zyklisch, wenn sie in L(q, q̇, t) bzw. in H(q, p, t) nicht vorkommt. Wegen (1.32) und (1.37) folgt sofort: ṗk = − ∂H = 0 ⇒ pk ≡ αk = const. ∂qk (1.42) Der zu einer zyklischen Koordinate gehörende verallgemeinerte Impuls ist zeitlich konstant. Beispiel: Zentralbewegung in der Ebene. Es sei q1 = r und q2 = ϕ. y 6 r = r(cos ϕ, sin ϕ) dr = dr(cos ϕ, sin ϕ) + r(− sin ϕ, cos ϕ)dϕ r * ṙ = ṙ(cos ϕ, sin ϕ) + rϕ̇(− sin ϕ, cos ϕ) ṙ2 = ṙ2 + r2 ϕ̇2 - x Die Lagrangefunktion lautet: L= m 2 m ṙ − V (r) = ṙ2 + r2 ϕ̇2 − V (r) 2 2 ϕ ist eine zyklische Koordinate. Für die generalisierten Impulse folgt: pr = ∂L = mṙ ∂ ṙ , pϕ = ∂L = mr2 ϕ̇ = αϕ ∂ ϕ̇ 2 αϕ p2r H= + + V (r) 2m 2mr2 (1.43) 2 = L2 = const. entspricht der wohlbekannten Drehimpulskonstanz bei Bewegungen αϕ in Zentralkraftfeldern. Verallgemeinerte zyklische Koordinaten: Das Beispiel beschreibt wegen H(q1 , q2 , p1 , p2 , t) = H(r, pr , pϕ , t) offensichtlich ein System mitf − 1 Freihheitsgraden, da die Koordinate ϕ nicht mehr in H auftaucht. Man kann die Lösung eines beliebigen Problems der klassischen Mechanik also so sehen, daß man verallgemeinerte Koordinaten sucht, die alle zyklisch sind. Dann hängt die 14 KAPITEL 1. KLASSISCHE MECHANIK Hamiltonfunktion nur noch von den generalisierten Impulsen und der Zeit ab. Die generalisierten Impulse sind selbst zeitlich konstant, d. h., H = H(p1 , . . . , pf , t) und ṗk = − ∂H =0 ∂qk Die kanonischen Bewegungsgleichungen lauten dann: q̇k = ∂H = ωk (t) ∂pk und ṗk = 0 Als Lösung erhält man: Zt ωk (t0 ) dt0 + βk pk = αk = const. , qk = 0 Dies entspricht 2f Integrationskonstanten. Poisson-Klammern: Für zwei beliebige Funktionen, F (q, p, t) und G(q, p, t), definieren wir die PoissonKlammer durch ¸ X · ∂F ∂G ∂F ∂G . (1.44) − [F, G] = ∂qk ∂pk ∂pk ∂qk k Wegen · ¸ · ¸ X ∂F X ∂F ∂H dF ∂F ∂F ∂F ∂F ∂H + = q̇k + ṗk + = − dt ∂q ∂p ∂t ∂q ∂p ∂p ∂q ∂t k k k k k k k k gilt dF ∂F = Ḟ = [F, H] + dt ∂t (1.45) Speziell lassen sich die Hamiltonschen Gleichungen schreiben als ṗk = [pk , H] , q̇k = [qk , H] . (1.46) Dies zeigt, welche kompakte Notierung im Rahmen der Hamiltonschen Formulierung möglich ist. (1.46) ersetzt vollwertig (1.37)-(1.38) und natürlich auch (1.27). Sehr 1.5. KANONISCHE TRANSFORMATIONEN 15 wichtig sind im Hinblick auf die Quantenmechanik die sogenannten fundamentalen Poisson-Klammern: ( [qk , ql ] = [pk , pl ] = 0 , [qk , pl ] = δkl mit δkl = 1 : k=l 0 : k 6= l (1.47) Dies ist unmittelbar klar, denn [qk , pl ] = X · ∂qk ∂pl n ∂qn ∂pn |{z} | {z} =δkn =δln − ∂qk ∂pl ∂pn ∂qn | {z ¸ = δkl . } =0 Sind F und H nicht explizit zeitabhängig (H = E = const) so ist F genau dann eine Erhaltungsgröße, wenn die Poisson-Klammer von F mit H verschwindet: Ḟ = [F, H] = 0. Für translations- und rotationsinvariante Systeme gilt für die Komponenten (α = 1, 2, 3) des Gesamtimpulses und Gesamtdrehimpulses: [Pα , H] = [Lα , H] = 0. 1.5 Kanonische Transformationen Die Symmetrie zwischen verallgemeinerten Koordinaten q und p in der Hamiltonschen Formulierung legt es nahe gemischte verallgemeinerte Koordinaten zu betrachten. An Stelle von Punkttransformationen Qk = Qk (q, t) , k = 1, . . . , f (1.48) (z. B. Übergang von Kartesischen zu Polarkoordinaten) wollen wir jetzt kanonische Transformationen betrachten: Qk = Qk (q, p, t) , Pk = Pk (q, p, t) , k = 1, . . . , f (1.49) Die Transformation in (1.49) der q und p auf die Q und P heißen kanonisch, wenn die Q, P wieder kanonische Gleichungen erfüllen: Q̇k = ∂H 0 ∂Pk , Ṗk = − ∂H 0 ∂Qk , H 0 = H 0 (Q, P, t). (1.50) Der eigentliche Sinn der Kanonischen Transformation besteht darin, alle Qk zyklisch zu machen. Daraus folgt: Pk = αk = const.; denn dann hat man (von f Zeitintegrationen 16 KAPITEL 1. KLASSISCHE MECHANIK abgesehen) die entsprechende Aufgabe aus der KM gelöst. Optimal wäre es, ein H 0 so zu finden, daß H 0 ≡ 0 gilt. Zur Ermittlung von H 0 (Q, P, t) führt man eine geeignete Funktion φ(Q, P, t) ein. Diese Funktion heißt Erzeugende der Kanonischen Transformation. Aus dem Hamiltonschen Prinzip Zt2 δ L dt = 0 t1 d φ(q, t) zu L ohne Einfluß folgt zunächst, daß die Addition einer beliebigen Funktion dt aud die Lagrange- Gleichungen bleibt (beide Typen von Bewegungsgleichungen folgen aus dem Hamilton-Prinzip). Klar, denn dφ L→L+ dt führt bei der Variation zu: Zt2 δ t1 Wegen H = P k dφ dt = δ [φ(q, t1 ) − φ(q, t2 )] = 0 da δq(t2 ) = δq(t1 ) dt pk q̇k − L muß bei einer Kanonischen Transformation gelten: δ Z "X # pk q̇k − H dt = δ Z "X Pk Q̇k − H dt = 0 k k X # 0 pk q̇k − H(q, p, t) = k X Pk Q̇k − H 0 (Q, P, t) + k dφ . dt (1.51) φ ist eigentlich beliebig. Um jedoch den Formalismus so kurz wie möglich zu gestalten, wollen wir hier annehmen, daß die q,Q ebenfalls ein System von unabhängigen Koordinaten bilden. Diese Einschränkung ist nicht notwendig. Für φ heißt das: · ¸ dφ X ∂φ ∂φ ∂φ φ = φ(q, Q, t) ⇒ = q̇k + Q̇k + dt ∂qk ∂Qk ∂t k (1.52) (1.52) in (1.51) eingesetzt liefert durch Koeffizientenvergleich: pk = ∂φ(q, Q, t) ∂qk , Pk = − ∂φ(q, Q, t) ∂Qk (1.53) 1.6. GELADENES TEILCHEN IM ELEKTROMAGNETISCHEN FELD und H 0 (Q, P, t) = H(q, p, t) + 17 ∂φ(q, Q, t) ∂t (1.54) Hamilton-Jacobi-Gleichung: Die Erzeugende für den Fall H 0 (Q, P, t) ≡ 0 sei W . In diesem Fall sind neben den Pk = αk = const. auch die Qk = βk = const. wegen (1.38). Aus (1.53 folgt: pk = ∂W ∂qk . Dies liefert in (1.54) eingesetzt: µ ¶ 0 = H q, ∂W ∂W ,t + ∂q ∂t (1.55) (1.55) heißt Hamilton-Jacobi-Gleichung und ist eine partielle Differentialgleichung für W (q1 , . . . , qf , β1 , . . . , βf , t). Beispiel: Ein Teilchen im Potential V(r). Es folgt: p2 1 H= + V (r) ⇒ 2m 2m "µ ∂W ∂x ¶2 µ + ∂W ∂y ¶2 µ + ∂W ∂z ¶2 # + V (x, y, z) + ∂W =0 ∂t Dies zeigt sehr schön, daß man das mechanische Problem eines Systems mit f Freiheitsgraden (im Beispiel f = 3) zurückgeführt hat auf die Lösung einer einzigen partiellen DGL. Formaler Lösungsweg: (q,β,t) Lösung von (1.55) liefert W (q, β, t) ⇒ αk = − ∂W∂β , Auflösung dieser f Gleichungen k nach den qk liefert qk = qk (α, β, t) als Lösung mit den 2f Konstanten α1 , . . . , αf und β1 , . . . , βf . 1.6 Geladenes Teilchen im elektromagnetischen Feld Aus der Elektrodynamik wissen wir, daß die Kraft auf ein geladenes Teilchen im elektromagnetischen Feld durch die Lorentzkraft gegeben ist: µ 1 mr̈ = e E + ṙ × B c ¶ (1.56) 18 KAPITEL 1. KLASSISCHE MECHANIK e sei die positive Elementarladung. Frage: Existiert L obwohl die Lorentzkraft nicht konservativ ist? Antwort: Ja, L hat die Form: L = T − Ve = m 2 e ṙ − eϕ + ṙ · A 2 c (1.57) Ve ist in diesem Fall ein geschwindigkeitsabhängiges Potential. Man beweist die Rich∂ tigkeit von (1.57), indem man hieran (1.56) herleitet (Schreibweise: ∂r ≡ ∇r ). ∂L e = mṙ + A ∂ ṙ c (1.58) d ∂L e dA = mr̈ + dt ∂ ṙ c dt (1.59) ∂ϕ e ∂ e ∂L = −e + [ṙ · A] = −e∇ϕ + [ṙ × (∇ × A) + (ṙ∇) A] ∂r ∂r c ∂r c Mit dA dt = (ṙ∇) A + d ∂L ∂L − dt ∂ ṙ ∂r ∂A ∂t folgt dann: · ¸ e ∂A (ṙ∇) A + c ∂t · ¸ 1 ∂A = mr̈ + e ∇ϕ + − c ∂t = mr̈ + + e∇ϕ − e [ṙ × (∇ × A) + (ṙ∇) A] c e ṙ × (∇ × A) . c Mit 1 ∂A , B=∇×A (1.60) c ∂t folgt in der Tat (1.56). Dabei ist die Darstellung (1.60) eine Folge der MaxwellGleichungen: 1 ∂B ∇×E=− , ∇ × B = 0. c ∂t E = −∇ϕ − Aus (1.57) folgt für den kanonischen Impuls: 1.6. GELADENES TEILCHEN IM ELEKTROMAGNETISCHEN FELD p= ∂L e = mṙ + A ∂ ṙ c 19 (1.61) (p ist also nicht einfach mṙ) und für µ ¶ 1 e v = ṙ = p− A . m c (1.62) Für die Hamiltonfunktion ergibt sich: µ µ ¶ ¶2 e m 1 e H = rṗ − L = mṙ + A ṙ − p− A 2 c 2 m c µ e + eϕ − ṙA c ¶2 1 e H= p− A 2m c + eϕ Hamiltonsche Gleichungen: ∂H e ṙ = ∂H ∂p und ṗ = − ∂r sind identisch mit mr̈ = eE + c ṙ × B. (1.63) 20 KAPITEL 1. KLASSISCHE MECHANIK Kapitel 2 Grundbegriffe der Quantenmechanik 2.1 Einführung Auf Seite 1 wurde auf die Grenzen der Gültigkeit der KM in atomaren Bereichen hingewiesen. Faßt man das Elektron als geladenes makroskopischen Teilchen auf und verwendet die Klassische Mechanik und die Klassische Elektrodynamik zur Beschreibung der Elektronenbewegung um den Atomkern, so müßte das Elektron wegen der beschleunigten Bewegung andauernd elektromagnetische Wellen aussenden. Klassische Mechanik und Elektrodynamik: Jedes Atom ist instabil! Dies widerspricht natürlich der Realität. Durch Lichtstreuung an Atomen (Wechselwirkung zwischen Photonen und Elektronen) kann man die diskreten Atomspektren (δ-funktionsartige scharfe Linien) nachweisen. Plancksches Wirkungsquantum: Die Diskretheit der Spektren macht die Einführung einer neuen Naturkonstanten notwendig h = 1.055 · 10−27 erg sec (2.1) h̄ = 2π (Bohr,Sommerfeld,Wilson...) und erfordert eine neue theoretische Formulierung für mikroskopische Objekte wie das Elektron. Übergang zur QM (älterer Zugang): Wir wollen diesen Zugang nur aufgrund der geschichtlichen Entwicklung erwähnen. Wir 21 22 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK gehen zurück zur Hamilton-Jacobi-Gleichung (1.55): H(q, ∂W ∂W , t) + =0 ∂q ∂t ~ t). , W = W (q, β, (2.2) Liegt keine explizite Zeitabhängigkeit vor, so ist H = E eine Konstante der Bewegung. Daraus folgt ∂W ∂t = −E. Dies ist von Bedeutung für konservative Systeme, die gleichzeitig separierbar und periodischer Natur sind. Separierbar: ~ t) = W1 (q1 , β, ~ t) + . . . + Wf (qf , β, ~ t). W (q1 , . . . , qf , β, Wegen (1.53): pk = ∂Wk ∂qk , j = 1, . . . , f. (2.3) (2.4) (2.3) definiert eine Klasse von Systemen, in denen jede Variable sich unabhängig von den anderen bewegt. Periodisch: {q, p} nimmt im Laufe der Zeit wiederholt die ursprünglichen Werte an. Für die Bewegung im Phasenraum folgt: Man definiert nun eine Wirkungsvariap ble1 des Systems durch I Jk = pk dqk , (2.5) q wobei pk durch (2.4) gegeben ist und das Integral über die schraffierte Fläche im Phasenraum einer Periode zu erstrecken ist. Der Übergang von dem durch (2.2)-(2.5) beschriebenen klassischen System zu einem Quantensystem geschieht durch die Quantisierungsvorschrift: I Jk = pk dqk = nk · h , nk = 1, 2, . . . (2.6) Beispiel: Eindimensionaler harmonischer Oszillator H= 1 k p2 + q2 = E 2m 2 2 Jk hat die Dimension einer Wirkung: [Jk ] = 8 cm = ergsec sec (2.7) 2.1. EINFÜHRUNG 23 Aus (2.2) folgt: µ 1 2m H= ∂W ∂q ¶2 k + q2 = E 2 Die formale Lösung lautet damit: s µ ∂W k p= = ± 2m E − q 2 ∂q 2 ¶ (2.8) Mit der Variablentransformation s s 2E sin θ k q= ⇒ dq = 2E cos θdθ k (2.9) erhält man: I J = dqp = r = 2E Mit ω 2 = k m s I m k dθ q ¡ ¢ 2E cos θ 2mE 1 − sin2 θ k r Z2π 2 dθcos θ = 2πE | 0 m ≡n·h k{z } (2.10) (2.6) folgt hieraus: E = nh̄ω , n = 1, 2, . . . (2.11) p q Offensichtlich wird durch (2.6) die Fläche der erlaubten Orbitale quantisiert, d. h. der Phasenraum {q, p} wird in Gebiete der Größe h eingeteilt. Wie wir später sehen werden, liefert (2.11) tatsächlich die richtigen Energiewerte für den quantenmechanischen Oszillator, wenn man von der Nullpunktsenergie einmal absieht. Bohr hat die vorstehende Überlegung auf die Bewegung eines Elektrons im Atom übertragen und gefordert, daß (2.6) auch für Elektronenbahnen“ gültig ist, auf denen das ” 24 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK Elektron keine elektromagnetische Energie abstrahlt. Diese Bahnen mit ihren diskreten Energien ähnlich (2.11) sollen stabil sein und somit das diskrete Atomspektrum erklären. Die Konstante h̄ in E = h̄ω = hν verknüpft dabei die Teilcheneigenschaft E mit der Welleneigenschaft ν. Für das im Kernpotential gebundene Elektron entspricht die Quantisierungsvorschrift (2.6) der Bedingung einer stehenden Welle: h pk = λk – de Broglie-Wellenlänge λk I I 1 ⇒ Jk = dqk pk = h dqk = nk · h λk Wir wollen hier nur (ohne Beweis) festhalten, daß (2.6) in manchen Fällen gute Ergebnisse liefert, im allgemeinen aber nicht richtig ist. Insbesondere erfüllen nicht alle Systeme die Forderung, konservativ, separabel2 und periodisch zu sein. Z. B. kann man mittels (2.6) keine Mehrelektronensysteme quantisieren. Mittels (2.6) hat man eine halbklassische QM postuliert, da man immer noch an der Bahnkurve eines Teilchens festhält. Die Grundlage für eine bessere Formulierung der QM ist im wesentlichen von Sommerfeld und Dirac geschaffen worden (neuer Zugang zur QM). Sie haben (2.6) durch die Kanonische Quantisierungsvorschrift ersetzt. Sie beruht darauf die klassische Poisson-Klammer (1.43) durch einen Kommutator der QM zu ersetzen: i 1 h F̂ , Ĝ (2.12) [F, G] → ih̄ F̂ und Ĝ sind jetzt hermitesche Operatoren (Observable), sofern es sich um meßbare Größen handelt. Insbesondere gehen die fundamentalen Poisson-Klammern (1.47) über in die Kanonischen Vertauschungsrelationen [qk , ql ] = [pk , pl ] = 0 , [pk , ql ] = h̄ δkl i (2.13) Entsprechend erhält man die fundamentale Bewegungsgleichung für Operatoren aus (1.45) gemäß der Übersetzungsvorschrift: i ∂ F̂ ih dF̂ = Ĥ, F̂ + dt h̄ ∂t (2.14) Wir werden uns in dieser Vorlesung im Rahmen der Kanonischen Quantisierungsvorschrift bewegen. Sie kann auf jedes System der KM angewendet werden. Der 2 Die analytisch lösbaren Probleme in der QM sind i. a. separabel 2.2. DIE QUANTENNATUR DES LICHTES 25 ungeheuere Erfolg dieser quantenmechanischen Formulierung wird durch alle bekannten experimentellen Ergebnisse unterstützt. Die auf (2.12) beruhende QM vermag unter anderem die folgenden Systeme qualitativ und quantitativ richtig zu beschreiben. 1. Atome: Stabilität, Größe, diskrete Spektren 2. Moleküle: Stabilität durch homöopolare Bindung 3. Festkörper: Stabilität, makroskopische Quanteneigenschaften wie Magnetismus und Supraleitung u. s. w. 4. Kernphysik: Radioaktiver Zerfall 5. Elementarteilchenphysik: Erweitert man die QM auf die QFT (Quantenfeldtheorie), so kann man auch die Entstehung und Vernichtung von Elementarteilchen beschreiben. Allerdings gibt es hier noch nicht gelöste Fragestellungen. Im folgendem Abschnitt tragen wir einige experimentelle Fakten zusammen, die wesentlich mit dazu beigetragen haben, sich von der KM und KE zu lösen und die QM zu formulieren. 2.2 Die Quantennatur des Lichtes In der KE wird das Licht durch eine elektromagnetische Welle der Form h (E, B) = Re (E0 , B0 )ei(kr−ωt) i (2.15) beschrieben. Interferenzen entstehen durch Superposition von verschiedenen (E, B) -Wellen und Intensitäten sind proportional zu E2 +B2 . Wichtige Bestimmungsgrößen für die elektromagnetische Welle sind: Kreisfrequenz ω = 2πν, (2.16) 2π λ (2.17) Wellenzahl k = |k| = Sie werden durch die Dispersionsrelation verknüpft: ω = ck (2.18) 26 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK Wir wollen im folgenden 3 Effekte aufführen, die auf die Quantennatur des Lichtes hinweisen und die sich daher nicht mit der Wellennatur (2.15) erklären lassen. 1. Photoelektrischer Effekt: Durch Licht können Elektronen aus einer Metalloberfläche austreten. Charakteristisch für das Spektrum dieser Photoelek” tronen“: eElektron E a) Maximale kin. Energie der Elektronen Emax = h̄ω − A, wobei A der Austrittsarbeit entspricht. Licht ω b) Intensität des Spektrums (∼ Anzahl der Elektronen) ist proportional zur Lichtintensität → mehr Elektronen bei gleichem Emax . Metall Offensichtlich widerspricht b) der KE, in der die Energie der Welle durch E2 + B2 (Intensität) gegeben ist. Aus a) kann man aus der Steigung h̄ entnehmen: E max ω A Deutung: Metallelektronen“ können Licht in Form von Lichtquanten absorbieren. Die Quanten ” des quantisierten Feldes (2.15) nennt man Photonen; sie haben die Energie E = h̄ω. Für h̄ω > A können die Metallelektronen aus dem Metall heraustreten. Auch die Existenz von A ist nur quantenmechanisch deutbar, denn klassisch sollten auch für kleine ω und hinreichender Beobachtungszeit Elektronen austreten. Die richtige Deutung dieses Effektes geht auf Einstein zurück. 2.2. DIE QUANTENNATUR DES LICHTES 27 2. Hohlraumstrahlung: U RayleighJeans Ein Hohlraum (Wände haben die Temperatur T) ist im thermischen Gleichgewicht mit elektromagnetischer Strahlung ausgefüllt. Laut Experiment ist die spektrale Verteilung dieser Strahlung: Wien h̄ω u(ω, T ) ∼ ω 2 e h̄ω kB T −1 ω Planck benutzte quantisierte Energien für die Wandatome: E = nh̄ω und berechnete theoretisch: 2 (h̄ω)3 u(ω, T ) = (2.19) 2 3 πh̄ c e kh̄ω BT − 1 Dieses Ergebnis stimmte bestens mit dem Experiment überein und ist gültig für alle Frequenzen. Auch hier war zur Erklärung die neue Naturkonstante h̄ erforderlich: Die elektromagnetische Strahlung kann mit den Wandatomen nur diskrete Energiewerte ∼ nh̄ω austauschen. (2.19) löste gleichzeitig das Problem, daß die aufintegrierte klassische Energiedichte Z∞ dωu(ω) wegen uklass (ω, T ) ∼ ω 2 kB T 0 unendlich groß wäre (Ultraviolettkatastrophe). 3. Compton-Effekt: Photonen mit der Energie ε = h̄ω haben aufgrund der relativistischen Energieformel q ε= c2 p2 + m20 c4 (2.20) q 2 auch einen Impuls. Wegen v = c und ε = mc2 mit m = m0 / 1 − vc2 haben Photonen Ruhemasse Null, da sonst die Energie ε des Photons unendlich groß wäre. Daraus folgt: p= h̄ω ε = = h̄k c c mit p = h̄k (2.21) Die Interpretation von Photonen als Teilchen mit Energie und Impuls wird durch den Compton-Effekt bestätigt. Bei Streuung von Licht an freien Elektronen tritt eine charakteristische Änderung der Wellenlänge auf: ∆λ = λ − λ0 = λc (1 − cos θ) (2.22) 28 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK λc heißt Comptonwellenlänge des Elektrons: λc = 2πh̄ , mc m – Ruhemasse des Elektrons (2.23) (2.22) kann mittels Impuls- und Energieerhaltung bei einem Stoßprozeß zwischen Photon und Elektron gewonnen werden (Übung). k k0 θ p el Als Ergebnis dieser drei Effekte haben wir ein Elementarteilchen, das Photon, gefunden. Eine richtige Beschreibung der Wechselwirkung zwischen Photonen und Elektronen kann wegen der Lichtgeschwindigkeit der Photonen nur im Rahmen der QED erfolgen. In dieser Vorlesung beschränken wir uns auf die nichtrelativistische QM (in der die Photonen nicht vorkommen), die eine angemessene Beschreibung für mikroskopische Objekte mit Masse (wie Elektron, Neutron) darstellt. 2.3 Elektronenbeugung und ihre statistische Deutung Bei Beugung von Lichtwellen (oder Wasserwellen...) mit der Wellenfunktion ψ(r, t) = Aei(kr−ωt) (2.24) an einem Hindernis entstehen Kugelwellen (Huygensches Prinzip), die interferieren können. Ein geeigneter Detektor mißt dann die Intensität ρ(r, t) = ψ ∗ (r, t)ψ(r, t) = |ψ(r, t)|2 (2.25) (2.25) ist Ausgangspunkt für mögliche Interferenzbilder. Hierzu einfachstes Gedankenexperiment. 2.3. ELEKTRONENBEUGUNG 29 Beugung am Doppelspalt: Ist ein Spalt geschlossen, so sieht man die Intensität: ρ1 = |ψ1 |2 oder ρ2 = |ψ2 |2 . Ψ1 Sind beide Spalte geöffnet, so sieht man: ρ12 = |ψ1 + ψ2 |2 = ρ1 + ρ2 + ψ1∗ ψ2 + ψ1 ψ2∗ 6= ρ1 + ρ2 (2.26) Ψ2 Schirm Beugung von Elektronen: Historisch postulierte de Broglie 1924 die Wellennatur des Elektrons im H-Atom, um die Quantisierungsvorschrift (2.6) für Atomelektronen zu deuten. Der experimentelle Nachweis der Wellennatur gelang Davisson-Germer 1927. Heute sind (Streu-)experimente mit Elektronen und Neutronen Standardmethoden der experimentellen Festkörperphysik. Man kann also annehmen, daß mikroskopische Teilchen durch ein Feld oder eine Wellenfunktion (wie beim Licht) zu beschreiben sind. Im Unterschied zu (2.15) ist das Feld im allgemeinen nicht reell. Wie beim Licht nehmen wir an: p = Teilchengröße E = k Wellengröße Klassische Teilcheneigenschaft ω Zeitabh. der Welle Frage: Wie hat man (2.24)-(2.26) für Elektronen zu deuten? Interpretieren wir ρ(r, t) als Materiedichte wie in einer Kontinuumstheorie, so geht der Teilchencharakter verloren. Den Teilchencharakter kann man aber durch Auffangen einzelner Elektronen auf dem Schirm nachweisen. Aus dem Nachweis eines einzelnen Elektrons im Detektor kann man schließen, daß es eine wohldefinierte Bahn zurückgelegt haben muß. Also doch ein klassisches Teilchen? Bezüglich der Bahn: ja! Aber: verschiedene Elektronen treffen an verschiedenen Stellen auf den Schirm auf. Daraus folgt, daß ψ(r, t) kein einzelnes Elektron beschreibt. Richtige Interpretation von ρ(r, t) : Die Dichte ρ(r, t) beschreibt die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron bei r anzutreffen. Dabei ist die Bahn eines einzelnen Elektrons nicht vorhersehbar; deshalb verliert der 30 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK Bahnbegriff in der QM seine Bedeutung. Die QM kann nur die Wahrscheinlichkeitsverteilung ρ(r, t) vorhersagen3 2.4 Die Schrödingergleichung Die Schrödingergleichung ist eine lineare, partielle Differentialgleichung von erster Ordnung in der Zeitableitung, die die zeitliche Entwicklung der Wellenfunktion ψ(r, t) beschreibt. ψ(r, t) bezeichnet man auch als Zustand (einer Klasse von äquivalenten Teilchen, z. B. Elektronen). Nachlässige Schreibweise: ψ(r, t) = Zustand eines Teilchens, besser wäre Wahrscheinlichkeitsamplitude. Die Schrödingergleichung läßt sich nicht herleiten, sie läßt sich nur plausibel machen. Ein freies Teilchen wird durch eine ebene Welle (2.24) beschrieben, wobei man den Impuls des Teilchens durch Gradientenbildung bestimmen kann: i h̄ h̄ ∇ψ = ∇Ae h̄ (pr−Et) = pψ i i (2.27) Entsprechend läßt sich die Energie des Teilchens durch eine Zeitableitung bestimmen: ih̄ i ∂ ∂ ψ = ih̄ Ae h̄ (pr−Et) = Eψ ∂t ∂t (2.28) Für nichtrelativistische Teilchen gilt: E= p2 2m (2.29) Folglich können wir die Schrödingergleichung für ein freies Teilchen mit der Masse m schreiben als: µ ¶2 1 h̄ ∂ ∇ ψ = ih̄ ψ (2.30) 2m i ∂t Der Übergang von der KM zur QM erfolgt somit formal durch die Ersetzung: h̄ ∇ ≡ p̂ (Impulsoperator) i ∂ E −→ ih̄ ≡ Ĥ (Energieoperator) ∂t p −→ 3 (2.31) (2.32) Wellen- und Teilchencharakter mikroskopischer Objekte lassen sich in der QM explizit darstellen“: ” Hamiltonoperator in 2. Quantisierung Schrödingergleichung −→ + ⇒ Teilchencharakter: nk = hck , ck i ⇒ Wellencharakter: ψ 2.4. DIE SCHRÖDINGERGLEICHUNG 31 Für relativistische Teilchen ist (2.30) ungeeignet, da nicht lorentzinvariant. Eine richtige relativistische Erweiterung wird erst möglich durch Berücksichtigung der Statistik der Teilchen (d. h. Berücksichtigung eines zusätzlichen Freiheitsgrades mikroskopischer Teilchen, des Drehimpulses). Schrödingergleichung für ein elektromagnetisches Feld (p → p − ec A , E → E − eϕ): " 1 2m µ # ¶2 h̄ e ∇ − A(r, t) i c + eϕ(r, t) ψ(r, t) = ih̄ ∂ ψ(r, t) ∂t (2.33) Man bezeichnet die eckige Klammer auch als Hamiltonoperator für ein freies Teilchen der Ladung e in einem elektromagnetischen Feld: b = 1 H µ 2m ¶2 h̄ e ∇ − A(r, t) i c + eϕ(r, t) (2.34) Dem Energiesatz der KM entspricht in der QM: b = ih̄ Hψ ∂ ψ = ih̄ψ̇ ∂t (2.35) Oft hat man statt des elektromagnetischen Feldes ein äußeres Potentialfeld, dann lautet b H: 2 b = − h̄ ∆ + V (r, t) (2.36) H 2m Für N Teilchen: b =− H N X h̄2 i=1 2mi ∆i + V (r1 , . . . , rN , t) (2.37) ρ(r1 , . . . , rN , t) = |ψ(r1 , . . . , rN , t)|2 beschreibt dann die Wahrscheinlichkeitsdichte bei einer Messung zur Zeit t Teilchen 1 bei r1 . . . Teilchen N bei rN zu finden. Wir wollen noch einmal alle wichtigen Begriffe im Zusammenhang mit der zeitabhängigen Schrödingergleichung (2.35) auflisten. Zeitabhängige Schrödingergleichung: b = ih̄ Hψ ∂ ψ ∂t 32 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK Hamiltonoperator: b entspricht dem Energieoperator und nicht ih̄ ∂ , wie man fälschlicherweise aus (2.32) H ∂t ablesen könnte. Quantenmechanischer Zustand: Ist ψ(r, t0 ) zu einer Zeit t0 bekannt, so liefert (2.35) den Zustand zu jeder anderen Zeit. Linearkombination: Sind ψ1 und ψ2 Lösungen, so ist es auch ψ = a1 ψ1 + a2 ψ2 Lösung. Wahrscheinlichkeitsdichte: Mit ρ(r, t) = |ψ(r, t)|2 ist die Wahrscheinlichkeit das quantenmechanische Teilchen (stellvertretend für eine Klasse identischer Teilchen) bei r in d3 r zu finden gerade gleich ρ(r, t)d3 r. Da die Wahrscheinlichkeit das Teilchen irgendwo zu finden gleich eins sein sollte, muß gelten: Z d3 rρ(r, t) = 1 (2.38) Man bezeichnet (2.38) auch als Normierungsbedingung für die Wellenfunktion Z d3 r|ψ(r, t)|2 = 1 (2.39) und schränkt damit die Klasse möglicher Zustandsfunktionen ein. Die Wellenfunktion ψ(r, t) muß absolut quadratintegrabel sein, während die Normierungsbedingung b von der allgemei(2.39) zeitlich erhalten bleibt. Wir wollen dies für den Fall, daß H nen Form (2.33) ist, beweisen: Es gilt: ρ = |ψ|2 = ψ ∗ ψ b ih̄ψ̇ = Hψ ∗ b ∗ψ∗ −ih̄ψ̇ = H b = Mit H ρ̇ = 1 2m ³ h̄ i∇ 1 ∗ ψ ih̄ ´2 − ec A ( " ) ⇒ ρ̇ = ψ̇ ∗ ψ + ψ ∗ ψ̇, b − ψH b ∗ψ∗ ⇒ ih̄ρ̇ = ih̄ψ̇ ∗ ψ + ψ ∗ ih̄ψ̇ = ψ ∗ Hψ + eϕ folgt: 1 h̄ e h̄ e −h̄2 ∇2 − A∇ − ∇A + 2m ic ic ( " µ ¶2 # e A c µ ) + eϕ ψ ¶ # ) 2 1 1 h̄ e h̄ e e − ψ −h̄2 ∇2 + A∇ + ∇A + A + eϕ ψ ∗ , ih̄ 2m ic ic c i h̄ h ∗ 2 e = − ψ ∇ ψ − ψ∇2 ψ ∗ + [ψ ∗ (A∇ + ∇A)ψ + ψ(A∇ + ∇A)ψ ∗ ] 2mi 2mc h̄ e = − ∇ [ψ ∗ ∇ψ − ψ∇ψ ∗ ] + ∇ (Aψ ∗ ψ) 2mi mc 2.4. DIE SCHRÖDINGERGLEICHUNG 33 Mit der Wahrscheinlichkeitsstromdichte: · µ ¶ µ ¶ ¸ 1 h̄ e h̄ e j(r, t) = ψ ∗ (r, t) ∇ − A(r, t) ψ(r, t) + ψ(r, t) − ∇ − A(r, t) ψ ∗ (r, t) 2m i c i c (2.40) folgt die Kontinuitätsgleichung: ρ̇ + ∇ · j = 0 (2.41) Wichtig bei der Herleitung von (2.40)-(2.41) ist, daß der ∇-Operator auf alles wirkt, was rechts von ihm steht. Aus (2.41) folgt die Erhaltung der Normierung4 : d dt Z Z d3 rρ = − V I d3 r∇ · j = V df · j. F Die Beschränkung auf quadratintegrable Funktionen, um die physikalische Forderung (2.39) zu erfüllen, ist kein Problem, da man zu Wellenpaketen (Übungen) übergehen kann: Z ψ(r) = d3 kϕ(k) exp(ikr). (2.42) Stromdichte: Sie veranschaulicht, warum ψ(r, t0 ) zur Kennzeichnung des quantenmechanischen Zustandes ausreicht. Wir betrachten (2.40) für A = 0 und zerlegen ψ(r, t) in Betrag und Phase: ψ(r, t) = |ψ(r, t)|eiχ(r,t) (2.43) j(r, t) = h̄ |ψ(r, t)|2 ∇χ(r, t) m (2.44) Somit enthält die Phase (und deswegen ψ) Information über die momentane Geschwindigkeit des Teilchens. 4 Es gibt natürlich pathologische Fälle, in denen die Kontinuitätsgleichung nicht erfüllt ist. 34 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK Operatoren: Im Prinzip kommt man mit den folgenden Operatoren aus, da sich wegen b q b, p b) H(q, p) → H( alle anderen Operatoren aus ihnen herleiten müssen. Ortsoperator: r → br 2.5 b. Impulsoperator: p → h̄i ∇ = p , Mittelwerte in der QM Mittlerer Ort eines Teilchens: Da ρ(r, t)d3 r die Wahrscheinlichkeit dafür ist, das Teilchen zur Zeit t bei r zu finden, ist es sinnvoll einen mittleren Ort zu definieren5 : Z Z 3 hri = d rρ(r, t)r = d3 rψ ∗ (r, t)rψ(r, t) (2.45) Mittelwert des Impulses: Als mittlerer Impuls wird postuliert Z bi = hp b ψ(r, t) d3 rψ ∗ (r, t)p (2.46) Dieses Postulat ist plausibel, weil aus (2.45)-(2.46) die klassische Bewegungsgleichung für die Mittelwerte folgt, falls der Ortsoperator nicht explizit von der Zeit abhängt: d hri dt Z = (2.40) = 3 (2.41) d rρ̇r = − h̄ 2mi Z Z 3 d3 rj d rr(∇j) = Z d3 r [ψ ∗ ∇ψ − ψ∇ψ ∗ ] = 1 m Z d3 rψ ∗ h̄ ∇ψ i |{z} b p Daraus folgt: d 1 bi hri = hp dt m 5 Weil b r ein ” trivialer “ Operator ist, lassen wir das Operatorzeichen fort (2.47) 2.5. MITTELWERTE IN DER QM 35 Weiteres Differenzieren führt zu · d2 d h̄ h̄ b i = d 3 r ψ̇ ∗ ∇ψ + ψ ∗ ∇ψ̇ m 2 hri = hp dt dt i | {z } |i {z } b ψ∗ H ¸ b ψ) −∇(H p2 b = b Mit H 2m + V (r) für 1 Teilchen wird daraus "à Z d2 m 2 hri = dt 3 d r Z + ! à h̄2 h̄2 − ∆ψ ∗ ∇ψ − ψ ∗ ∇ − ∆ψ 2m 2m !# d3 r [V ψ ∗ ∇ψ − ψ∗∇(V ψ)] | {z } −|ψ|2 ∇V Der erste Term auf der rechten Seite fällt fort. Die verbleibende Identität zwischen den Mittelwerten bezeichnet man auch als Ehrenfestsches Theorem: m d2 d b i = h−∇V i = hKi hri = hp 2 dt dt (2.48) Zeitliche Veränderung des Mittelwertes eines beliebigen Operators Ab : Ab darf jetzt die Zeit explizit enthalten (z. B. Hamiltonoperator mit zeitlich oszillierendem Magnetfeld). Ferner nehmen wir an, daß es plausibel ist, einen Mittelwert für Ab wie für r in (2.45) zu postulieren. Dann folgt: d b hAiψ = dt Z Z d3 r[ ψ̇ ∗ Aψ + ψ ∗ A |{z} b i Hψ ∗ h̄ ψ̇ |{z} | b − h̄i Hψ ∂ Ab ψ ∂t } {z D E d3 rψ ∗ ]+ b ∂A ∂t Damit gilt: i Dh b biE d b hAiψ = H, A + ψ dt h̄ * ∂ Ab ∂t + ψ (2.49) 36 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK h i b A b den Kommutator: Dabei bezeichnet H, h i b A b =H bA b−A bH b H, (2.49) entspricht der Gleichung der in der Einführung notierten Operatorgleichung (2.14). 2.6 Das Eigenwertproblem für stationäre Zustände b nicht explizit von t abhängt, so liegt es nahe, die Schrödingergleichung in r Wenn H und t zu separieren mittels ψ(r, t) = ϕ(r)χ(t) (2.50) b = χHϕ b = ih̄ϕχ̇ ⇒ Hϕ b = ih̄ϕ Hψ χ̇ χ̇ ⇒ = −iα = const. ⇒ χ(t) ∼ exp(−iαt) χ χ Schreiben wir noch h̄α = E, so gilt i b ψ(r, t) = ϕ(r) exp(− Et) , Hϕ(r) = Eϕ(r) h̄ (2.51) b = Eϕ bezeichnet man auch als zeitfreie SchrödingergleiDas Eigenwerproblem Hϕ chung für stationäre Zustände, weil die zugehörige Dichte ρ(r, t) = |ψ(r, t)|2 = |ϕ(r)|2 zeitunabhängig ist. Die Bedeutung von E wird durch Z b ψ= hHi Z b d3 rψ ∗ (r, t)Hψ(r, t) = Z b d3 rϕ∗ (r)Hϕ(r) =E d3 r|ϕ(r)|2 = E deutlich. Man verbindet mit dem Separationsansatz (2.50) die Hoffnung, daß die Menge dieser Lösungen ein vollständiges Funktionensystem bilden. In diesem Fall läßt sich jede b Lösung von Hψ(r, t) = ih̄ψ̇(r, t) schreiben als: ψ(r, t) = X n i an ϕn (r)e− h̄ En t (2.52) 2.6. DAS EIGENWERTPROBLEM FÜR STATIONÄRE ZUSTÄNDE 37 Wie bereits erwähnt, wird man nicht alle Lösungen des Eigenwertproblems (2.51) gebrauchen können. Die physikalisch sinnvolle Forderung nach Quadratintegrabilität hatten wir bereits kennengelent. Dadurch wird die Lösungsmannigfaltigkeit der ϕ(r) stark eingeschränkt, da die meisten ϕ(r) bei gegebenem E für r → ∞ nicht abfallen! E kontinuierliches Spektrum diskrete Spektren (ϕ normierbar) r Typisches Beispiel sind die nicht im Sinne von (2.39) normierbaren Streuzustände für E>0 Hilbertraum H: Die Menge der ϕ ∈ L2 (<3 ) 6 bilden einen linearen Vektorraum, auch Hilbertraum genannt. In L2 kann ein Skalarprodukt mit einer Reihe von Rechenregeln definiert werden: Z Skalarprodukt: hϕ1 |ϕ2 i = d3 rϕ∗1 (r)ϕ2 (r), Linearität: hϕ1 |aϕ2 + bϕ2 i = (a + b)hϕ1 |ϕ2 i a, b ∈ =, Hermitizität: hϕ1 |ϕ2 i = hϕ2 |ϕ1 i∗ , Positivität: hϕ|ϕi ≥ 0 , hϕ|ϕi = 0 ⇔ ϕ ≡ 0, Antilinearität: haϕ1 + bϕ1 |ϕ2 i = (a∗ + b∗ )hϕ1 |ϕ2 i (2.53) q Norm: ||ϕ|| ≡ + hϕ|ϕi, Homogenität: ||aϕ|| = |a| · ||ϕ||, Positivität: ||ϕ|| ≥ 0 , ||ϕ|| = 0 ⇔ ϕ ≡ 0, Dreiecksungleichung: ||ϕ1 + ϕ2 || ≤ ||ϕ1 || + ||ϕ2 || 6 L2 (<3 ) ≡ Menge der in <3 quadratintegrablen Funktionen. 38 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK Da wegen der Existenz der Norm eine Topologie definiert werden kann, hängt der Konvergenzbegriff mit der Norm zusammen. Konvergenz: ϕn → ϕ im Sinne der Norm: Z d3 r|ϕn (r) − ϕ(r)|2 → 0 bedeutet Konvergenz im quadratischen Mittel (aber keine punktweise Konvergenz ϕn (r) → ϕ(r)!). Vollständigkeit: L2 als Hilbertraum ist ein vollständiger Vektorraum im Sinne der Konvergenz. Dimension von L2 : Die Dimension von L2 ist abzählbar unendlich. Schwarzsche Ungleichung: Aus µZ 3 ¶2 d r|ϕ1 ϕ2 | µZ ≤ ¶ µZ 3 2 d r|ϕ1 | · ¶ 3 2 d r|ϕ2 | folgt die Schwarzsche Ungleichung: |hϕ1 |ϕ2 i|2 ≤ hϕ1 |ϕ1 i · hϕ2 |ϕ2 i (2.54) Damit beweist man die Dreiecksungleichung. Wir kommen nun zu einigen allgemeinen Eigenschaften von Operatoren. In dem Eigenb auf L2 als ein linearer Operator. wertproblem (2.51) wirkt der Hamiltonoperator H b Allgemein heißt A linear, wenn gilt: b 1 ϕ1 + a2 ϕ2 ) = a1 Aϕ b 1 + a2 Aϕ b 2 A(a (2.55) Wir betrachten in dieser Vorlesung nur lineare Operatoren. Beschränkte Operatoren: b Dann gilt mit einem festen C für alle ϕ ∈ L2 die Abschätzung: ||Aϕ|| ≤ C||ϕ||. Das b kleinste C heißt Norm von A. Unbeschränkte Operatoren: Für sie ist die Angabe eines festen C nicht möglich. Der Impulsoperator pb = h̄i ∇, der Ortsoperator und der Hamiltonoperator sind Beispiele für unbeschränkte Operatoren. Unbeschränktheit bedeutet, daß die betreffende Größe jeden Wert annehmen kann. 2.6. DAS EIGENWERTPROBLEM FÜR STATIONÄRE ZUSTÄNDE 39 Nimmt man z. B. ein Wellenpaket mit räumlich schnell veränderlicher Phase, so kann der Impuls beliebig groß werden: ϕ ||pbϕeikr || ≈ h̄k||ϕ||. r Unbeschränkte Operatoren können zu Komplikationen führen, da sie nicht auf dem ganzen Hilbertraum definiert sind. Beispiel: R λr −2λr ϕ(r) = er ∈ L2 (<3 ) aber wegen ∇ϕ = −e−λr (1 + λr) rr 6∈ L2 weil d3 r e r4 = ∞ ist pbϕ 6∈ L2 . Adjungierte Operatoren: Zu jedem linearen beschränkten Operator Ab gibt es einen adjungierten Operator Ab+ (mit denselben Eigenschaften), der folgendermaßen definiert ist: hA+ ϕ1 |ϕ2 i = hϕ1 |Aϕ2 i (2.56) Falls A+ = A, so heißt A hermitesch oder selbstadjungiert. Für unbeschränkte Operatoren ist die Existenz des selbstadjungierten Operators gegebenenfalls zu überprüfen. Unter Observablen versteht man physikalische Meßgrößen. Sie werden in der Quantenmechanik durch lineare Operatoren dargestellt. Der Mittelwert eines solchen Operators im Zustand ϕ(r) lautet: Z b ϕ = hϕ|Aϕi b ≡ hϕ|A|ϕi b hAi = b d3 rϕ∗ (r)Aϕ(r) (2.57) Dieser Mittelwert entspricht dem mittleren Meßwert der zugehörigen physikalischen b ϕ als Mittelwert eine reelle Größe sein muß, werden alle Observablen Größe. Da hAi durch hermitesche Operatoren dargestellt: Z b hϕ|A|ϕi = Z b = d rϕ Aϕ 3 ∗ Z d r(Ab+ ϕ)∗ ϕ = 3 b ∗ϕ d3 r(Aϕ) Z = Daraus folgt: b ∗ = hϕ|A|ϕi b ∗ d3 rϕ(Aϕ) b = hAi b ∗ hAi b sind (trotz ihres unbeschränkten b und H Die uns bisher begegneten Operatoren wie br, p Charakters) alle hermitesch. 40 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK Beispiel: Impulsoperator Z Z µ ¶ h̄ h̄ d3 rϕ∗1 (r) ∇ϕ2 (r) = d3 r − ∇ϕ∗1 (r) ϕ2 (r) i i ¶∗ µ Z h̄ ∇ϕ1 (r) ϕ2 (r) = hpbϕ1 |ϕ2 i = d3 r i hϕ1 |pbϕ2 i = Weil der Operator der potentiellen Energie Vb (r) reell ist, ist er trivialerweise hermitesch: Z hϕ1 |Vb |ϕ2 i = Z d3 rϕ∗1 (r)Vb (r)ϕ2 (r) = d3 r(Vb ϕ1 )∗ ϕ2 = hVb ϕ1 |ϕ2 i Aus hermiteschen Operatoren zusammengesetzte Operatoren: b hermitesch, so gilt: Seien Ab und B 1. aAb ist hermitesch für reelle a 2. Abn , (n = 2, 3, . . .) hermitesch b hermitesch, wenn F (x) eine reelle Funktion ist, da sie dann in einer Potenz3. F (A) reihe entwickelbar ist b +=B b +A b+ , denn: 4. (AbB) hϕ1 |AB|ϕ2 i = hA+ ϕ1 |Bϕ2 i = hB + A+ ϕ1 |ϕ2 i Offensichtlich ist das Produkt zweier hermitescher Operatoren hermitesch, wenn beide vertauschen: (AB)+ = B + A+ = BA = AB. Beispiel nicht vertauschbarer hermitescher Operatoren: b−x bpbx )ϕ(r) = (pbx x h̄ ∂ h̄ h̄ ∂ (xϕ(r)) − x ϕ(r) = ϕ(r) i ∂x i ∂x i Daraus folgt: bβ ] = [pbα , x h̄ δαβ i , α, β = x, y, z (2.58) Dies sind die berühmten kanonischen Vertauschungsregeln. Zwar ist wegen 2) und b = H(b b ) hermitesch; wegen (2.58) ist aber nicht reellen Vb der Hamiltonoperator H r, p b ) auch hermitesch. jede reellwertige Funktion F (br, p 2.7. EINDIMENSIONALE EIGENWERTPROBLEME 41 Einige Bemerkungen zum Eigenwertproblem (2.51): b hermitesch ist, sind alle E reell: Da H b = Eϕ ⇒ hϕ|H|ϕi b Hϕ =E b n = En ϕn folgt mit En 6= E 0 : da ϕ normiert sein soll, d. h., hϕ|ϕi = 1. Aus Hϕ n b 0 i = E 0 hϕn |ϕ 0 i hϕn |Hϕ n n n b n |ϕ 0 i = En hϕn |ϕ 0 i hHϕ n n Daraus folgt: hϕn |ϕn0 i = 0 für n 6= n0 Die Eigenzustände zu verschiedenen Eigenwerten sind orthogonal zueinander. Die Vollständigkeit ist für hermitesche Operatoren ebenfalls gesichert. Allerdings zeigt die Spektraltheorie, daß man nicht immer mit einer diskreten Abzählung von Eigenzuständen auskommt. Das typische Spektrum enthält diskrete und kontinuierliche Anteile. 2.7 Eindimensionale Eigenwertprobleme: Ein Teilchen in stückweise konstantem Potential Wir beschränken uns auf d = 1 (eine Raumdimension). Die zeitfreie Schrödingergleichung in einem Bereich konstanten Potentials lautet: − h̄2 d2 ϕ(x) = (E − V )ϕ(x) 2m dx2 (2.59) i) (E − V ) ≥ 0: Es existieren zwei Lösungen, die jeweils einer Bewegung nach rechts bzw. links mit dem Impuls h̄k ≥ 0 entsprechen7 k ist definiert durch 7 ϕ± (x) ∝ e±ikx (2.60) h̄2 k 2 =E−V 2m (2.61) Die zeitabhängige Lösung hat die Form ψ(x, t) = Aei(±kx−ωt) mit der Eigenschaft: ψ(x, t) = ψ(±x − ωk t) ≡ ψ(x ± ωk ∆t, t + ∆t) entspricht einer nach rechts bzw. links laufenden Welle. 42 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK ii) (E − V ) < 0. Zwei Lösungen: κ > 0 ist definiert durch: ϕ± (x) ∝ e∓κx (2.62) h̄2 κ2 = −(E − V ) 2m (2.63) Bei genauer Angabe des stückweise konstanten Potentials müssen die Lösungen (2.60) und (2.62) mit Hilfe von Stetigkeitsüberlegungen aneinandergereiht werden. Hierzu einige bekannte eindimensionale Beispiele. a) Teilchen in eindimensionaler Box: ∞ , x<0 0 , 0≤x≤a V (x) = ∞ , x>a (2.64) 0 a x In den äußeren Bereichen ist wegen V = ∞ die Wahrscheinlichkeit |ϕ|2 = 0. Daraus ergeben sich die Randbedingungen ϕ(0) = ϕ(a) = 0. ϕ bleibt also auch bei unendlichem Potential stetig. Für E > 0 ergibt sich die allgemeine Lösung als Linearkombination von (2.60): ϕ(x) = Aeikx + Be−ikx ⇒ ⇒ ϕ(0) = 0 = A + B ⇒ B = −A ϕ(x) = 2iA sin kx ≡ c sin kx Sei c reell, so folgt aus der Bedingung ϕ(a) = 0: ka = nπ mit n = 1, 2, 3, . . . Normierung: Za 2 c2 dx sin |{z} kx = k Zka 1=c 0 y c2 dy sin y = n k Zπ 2 2 0 mit s c= k2 = nπ r 2 a dy sin2 y = n 0 c2 π k 2 2.7. EINDIMENSIONALE EIGENWERTPROBLEME 43 Daraus folgt: r ϕn (x) = 2 πn sin kn x , kn = a L , En = h̄2 kn2 2m (2.65) Die ϕn (x) entsprechen stehenden Wellen, die ein vollständiges Funktionensystem in L2 ([0, a]) bilden. Es liegt ein rein diskreten Spektrum vor. Für a → ∞ wird das Spektrum dicht und ϕn (x) → ϕk (x) = e±ikx . Dies sind uneigentliche Eigenfunktionen mit einem kontinuierlichen Spektrum. b) Streuung am Potentialtopf und Teilchen im Potentialtopf ( V (x) = V(x) −V : x ∈ [0, a] 0 : sonst x -V i) E ≥ 0: Von links und rechts einlaufende Wellen können reflektiert werden und rechts oder links weiterlaufen. Ansatz für von links einlaufende Welle: r eikx + rk e−ikx tk eikx ϕ(x) = AeiKx + Be−iKx t x 0 a rk = b Reflexionsamplitude Für k gilt: − , tk = b Transmissionsamplitude h̄2 d2 ϕ(x) = Eϕ(x) mit x < 0 oder x > a 2m dx2 Daraus folgt für links einlaufende Wellen: h̄2 k 2 =E 2m Für K gilt: : x<0 : x>a : x ∈ [0, a] à h̄2 d2 − −V 2m dx2 mit k > 0 ! ϕ(x) = Eϕ(x) mit x ∈ [0, a] 44 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK Daraus folgt: h̄2 K 2 =E+V 2m mit K > 0 Stetigkeit von ϕ an den Stellen x = 0 und x = a bedingt: 1 + rk = A + B und tk eika = AeiKa + Be−iKa Die Stetigkeit von ϕ0 liefert: ik(1 − rk ) = iK(A − B) und iktk eika = iK(AeiKa − Be−iKa ) q k E = E+V folgt dann aus der Stetigkeit bei x = 0 durch Mit der Hilfsgröße ξ = K Addition bzw. Subtraktion der entsprechenden Gleichungen: ξ(1 − rk ) + 1 + rk = 2A , − ξ(1 − rk ) + 1 + rk = 2B Unter Berücksichtigung der Termumformung 1 1 tk eika = eiKa [1 + ξ + rk (1 − ξ)] + e−iKa [1 − ξ + rk (1 + ξ)] 2 2 folgt aus der Stetigkeit bei x = a durch Subtraktion der obigen Gleichungen: µ ¶ 1 1 [1 + ξ + rk (1 − ξ)] − [1 + ξ + rk (1 − ξ)] 2 2ξ ¶ µ 1 1 [1 − ξ + rk (1 + ξ)] + [1 − ξ + rk (1 + ξ)] +e−iKa 2 2ξ 0 = eiKa Daraus folgt: ³ rk = tk eika = i 1 ξ ´ − ξ sin Ka ³ 2 cos Ka − i 1 ξ 2 ³ 2 cos Ka − i 1 ξ ´ + ξ sin Ka ´ + ξ sin Ka (2.66) (2.67) 2.7. EINDIMENSIONALE EIGENWERTPROBLEME 45 Für den Reflexions- und Transmissionskoeffizienten ergibt sich: ³ Rk = |rk |2 = Tk = |tk |2 = 1 ξ −ξ 4 cos2 Ka ´2 ³ + 4 cos2 Ka + ³ 1 ξ sin2 Ka +ξ 4 1 ξ +ξ ´2 ´2 2 (2.68) sin Ka sin2 Ka (2.69) Offensichtlich ist die Summe R k + Tk = 1 (2.70) eine Erhaltungsgröße. Dies läßt sich ganz allgemein mit Hilfe der Konstanz der WronskiDeterminante beweisen (Übung). Klassisch ist natürlich immmer Tk = 1. Schreiben wir (2.69) in der Form " 1 Tk = 1 + 4 µ 1 −ξ ξ ¶2 #−1 2 sin Ka , so sehen wir, daß in der QM der Transmissionkoeffizient Tk = 1 wird für Ka = nπ, n = 0, 1, 2, . . . In diesem Fall spricht man von Resonanz. Man hat dann stehende Wellen im Bereich des Potentialtopfes mit der Breite a (insgesamt passen n2 Wellenlängen auf die Topfbreite). Für einen sehr tiefen Topf ist bei festem E ξ ¿ 1 und die Resonanzen führen zu sehr abrupten Änderungen in Tk : 1 = Tk = 1 1 + 4ξ2 sin2 Ka ( 1 , Ka = nπ , Ka = 6 nπ 4ξ 2 sin2 Ka¿1 Tk Die zu Ka = nπ gehörigen Energien im Kontinuum heißen virtuelle Energieni¡ ¢ h̄2 nπ 2 veaus: En = 2m −V. a 1 nπ (n+1) π Ka ii) E < 0: Keine Lösung für E + V < 0. Dies folgt aus der Positivität der kinetischen Energie: hψ|pb2 |ψi = hpbψ|pbψi ≥ 0. Hieraus folgt ganz allgemein, daß die Energie eines Systems nie kleiner ist als das Minimum von V (r). 46 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK Ansatz: iKx + Be−iKx Ae ϕ(x) = Cekx De−kx 2 2 K , x ∈ [0, a], h̄2m = E + V, K > 0 2 2 h̄ k , x < 0, 2m = −E, k > 0 , x>a Stetigkeit: A+B =C , iK(A + B) = kC ⇒ A(iK − k) = B(iK + k) AeiKa + Be−iKa = De−ka iK(AeiKa + Be−iKa ) = −kDe−ka ⇒ a(iK + k)eiKa = B(iK − k)e−iKa Daraus folgt: µ iK + k iK − k −2iKa A = = e B iK − k iK + k Oder: ( ⇒ Ka K k = cot 2 K Ka k = − tan 2 iK + k iK − k ¶2 = e−2iKa ) Dies bedeutet: µ K Ka nπ = − tan + k 2 2 ¶ (2.71) ka ϕ gerade π 2π h̄2 K 2 h̄2 k 2 + = V = const. 2m 2m 3π ⇒ ϕ ungerade Ka (Ka)2 + (ka)2 = 2m 2 a V h̄2 2.7. EINDIMENSIONALE EIGENWERTPROBLEME 47 Aus der graphischen Lösung fogt, daß K = 0, k = 0 keine Lösung ist. Klar, da wegen A = −B und (C = D = 0) dann ϕ ≡ 0 ist. Setzt man die beiden Lösungen (2.71) über Ka die Koeffizienten in ϕ(x) ein, so findet man daß K k = − cot 2 geraden Eigenfunktionen ϕ(x) = ϕ(−x) entspricht. Parität: Wenn wir den Potentialtopf symmetrisch bezüglich x = 0 legen, so gilt V (x) = V (−x) und " # h̄2 d2 − + V (x) ϕ(x) = Eϕ(x) 2m dx2 geht bei x → −x über in " # h̄2 d2 − + V (x) ϕ(−x) = Eϕ(−x) 2m dx2 Daraus folgt, daß ϕ(x) und ϕ(−x) Lösungen derselben Schrödingergleichung und derselben Energie sind. Dann könne sich die Lösungen aber nur durch eine konstanten Faktor λ unterscheiden: ϕ(−x) = λϕ(x) Dies in Operatorform geschrieben, definiert den Paritätsoperator Pb , der x in −x überführt: Pb ϕ(x) = λϕ(−x) Nochmalige Anwendung von Pb liefert: Pb 2 ϕ(x) ≡ ϕ(x) = λPb ϕ(−x) = λ2 ϕ(x) Daraus folgt, daß Pb 2 = 1 und Pb die Eigenwerte λ = ±1 hat. Die Eigenfunktionen eines symmetrischen Potentials sind also entweder von gerader Parität oder von ungerader Parität. Wenn allerdings zu einem gegebenen Eigenwert E mehr als eine linear unabhängige Lösung existiert, so braucht keine ausgezeichnete Parität vorzuliegen. 48 2.8 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK Der eindimensionale harmonische Oszillator Dies ist ein wichtiges Beispiel für die algebraische Lösungsmethode. Dabei wird im wesentlichen die kanonische Vertauschungsrelation (2.58) benutzt. Aus der klassischen Hamiltonfunktion erhält man durch Ersetzung der Variablen p und x durch Operatoren den Hamiltonoperator: 2 b = pb + m ω 2 x b2 H (2.72) 2m 2 Gesucht sind E und ϕ(x) der zeitfreien Schrödingergleichung: − h̄2 00 m ϕ (x) + ω 2 x2 ϕ(x) = Eϕ(x) 2m 2 (2.73) Wir dividieren durch h̄ω (Übergang auf dimensionslose Größen): 1 2 à mω 2 h̄ d2 x − h̄ mω dx2 ! ϕ(x) = E ϕ(x) h̄ω und definieren eine Wellenzahl r k0 = Dann legt à 1 1 d2 k02 x2 − 2 2 2 k0 dx ! mω h̄ (2.74) à 1 i2 = k02 x2 − 2 2 pb2 2 h̄ k0 ! die Einführung neuer zueinander adjungierter, dimensionloser Operatoren nahe: µ 1 ipb b+ b = √ k0 x h̄k 2 0 ¶ µ 1 ipb b− , b = √ k0 x h̄k 2 0 ¶ + (2.75) Wirkung von b, b+ auf ϕ(x): µ 1 1 d b− b bϕ = k0 x 2 k0 dx + ¶µ ¶ à 1 0 1 1 d2 bϕ + k0 x ϕ = k02 x2 − 2 2 k0 2 k0 dx ! 1 ϕ− ϕ 2 2.8. DER EINDIMENSIONALE HARMONISCHE OSZILLATOR µ 1 1 d b+ bb ϕ = k0 x 2 k0 dx ¶µ + à ¶ 1 0 1 1 d2 bϕ − k0 x ϕ = k02 x2 − 2 2 k0 2 k0 dx 49 ! 1 ϕ+ ϕ 2 Somit gilt: (bb+ − b+ b)ϕ = ϕ Daraus folgt: bb+ − b+ b = [b, b+ ] = 1 (2.76) b] = (2.76) entspricht dem Kommutator [pb, x + [b, b ] = = = 1 2 ( bx b k02 x ( h̄ i, denn ) i i i 1 i 1 bx b + pbx b− x bpb + 2 2 pbpb − k02 x b− x bpb − 2 2 pbpb + pbx h̄ h̄ h̄ h̄ h̄ k0 h̄ k0 ) 1 1 i i b, x b] + 2 2 [pb, pb] + [pb, x b] + [pb, x b] ko2 [x 2 h̄ h̄ h̄ k0 i b] = 1 [pb, x h̄ Aus der Eigenschaft b+ bϕ = ³ b H h̄ω − 1 2 ´ ϕ folgt: µ ¶ 1 + b H = h̄ω b b + 2 (2.77) b = Eϕ ist äquivalent zu und die Lösung des Eigenwertproblems Hϕ b+ bϕ = λϕ mit λ = 1 E − h̄ω 2 (2.78) Angenommen wir hätten eine Lösung. Dann folgt: 1. hϕ|b+ b|ϕi = hbϕ|bϕi ≥ 0 → λ ≥ 0 2. ( + b(b bϕ) = λbϕ (bb+ )bϕ = (b+ b + 1)bϕ → b+ b(bϕ) = (λ − 1)bϕ → bϕ 6= 0 entspricht einem Eigenzustand mit Eigenwert λ − 1. 50 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK 3. Durch Induktion folgt: b+ b(bn ϕ) = (λ − n)(bn ϕ) Damit ist bn ϕ = 0 spätestens für n > λ. 4. n0 sei die größte natürliche Zahl mit bn0 ϕ ≡ ϕ0 6= 0 und bϕ0 = 0. Folglich b+ bϕ0 = (λ − n0 )ϕ0 = 0 → λ = n0 . λ muß also eine ganze Zahl sein. 5. Analog zu 2) zeigt man: b+ b(b+ ϕ) = b+ (bb+ ϕ) = b+ (b+ b + 1)ϕ = (λ + 1)b+ ϕ → b+ b((b+ )n ϕ) = (λ + n)(b+ )n ϕ Für ϕ = ϕ0 folgt: b+ b((b+ )n ϕ0 ) = n(b+ )n ϕ0 ≡ nϕn 6. Normierung: n ϕn = cn b+ ϕ0 , ϕn+1 = (2.79) cn+1 + b ϕn cn Sei ϕn+1 normiert: 1 = hϕn+1 |ϕn+1 i µ ¶ cn+1 2 + = hb ϕn |b+ ϕn i cn µ ¶ µ ¶ cn+1 2 cn+1 2 + = hϕn | |{z} bb ϕn i = (n + 1) cn cn + b b+1 Daraus folgt: cn+1 1 =√ cn n+1 1 , ϕn+1 = √ b+ ϕn n+1 und 1 n ϕn = √ b+ ϕ0 n! (2.80) 7. ϕ0 bezeichnet man auch als Vakuum mit der Eigenschaft bϕ0 = 0. Zu dem Vakuum ϕ0 gibt es die Serie von Eigenzuständen (2.80). Das Spektrum des harmonischen Oszillators ist nach (2.78): µ Hϕn = En ϕn 1 mit En = h̄ω n + 2 ¶ (2.81) 2.8. DER EINDIMENSIONALE HARMONISCHE OSZILLATOR 8. Der Grundzustand berechnet sich aus bϕ0 = −k02 xϕ0 mit der Lösung ϕ0 = c0 e Z∞ c20 −k02 x2 dxe k 2 x2 − 02 = −∞ c20 √1 2 ³ k0 x + 1 d k0 dx ´ 51 ϕ0 = 0 oder ϕ00 = . Die Normierung liefert: √ π =1 k0 s → c0 = k √0 π Daraus folgt: s ϕ0 (x) = 2 k0 k 2 √0 e− 2 x , k0 = π r mω h̄ (2.82) Die {ϕn } bilden ein vollständig orthonormiertes System mit hϕn |ϕn0 i = δnn0 (2.83) Mittels (2.75) gelangt man zu einer expliziten Darstellung der ϕn : µ à ¶ 2 2 k0 k0 1 d 1 1 2 d 2 b ϕ = √ k0 x − ϕ=− √ e2x e− 2 x ϕ k0 dx dx 2 k0 2 ! + Aus dieser Identität folgt: (−1)n k02 2 (b ) ϕ = √ n e 2 x 2 µ + n d k0 dx ¶n à e − 2 k0 x2 2 ! ϕ Setzen wir speziell ϕ = ϕ0 ein, so ergibt sich s ϕn (x) = (−1) s n 2 k0 k0 x2 2 √ e n 2 n! π µ 1 d k0 dx ¶n 2 2 e−k0 x k2 k0 − 20 x2 √ H (k x)e , n 0 2n n! π µ ¶n d 2 n y2 Hn (y) = (−1) e e−y ≡ Hermite − P olynom dy = (2.84) 52 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK Auch hier haben die Lösungen wegen der Symmetrie des Potentials gerade oder ungerade Parität. Im Unterschied zur klassischen Mechanik sind die Energien diskret und äquidistant. Es gibt Aufenthaltswahrscheinlichkeiten |ϕn |2 jenseits der Potentialbarriere (wie beim Potentialtopf). E n=2 n=1 n=0 x 2.9 Die Impulsdarstellung Fouriertransformierte: Für alle ϕ(r) ∈ L2 betrachten wir die folgende Abbildung durch einen linearen, beb: schränkten Operator U b : U ϕ(r) → ϕ(k) mit ϕ(k) = 1 (2π)3/2 Z d3 rϕ(r)e−ikr (2.85) Achtung: Wir benutzen hier denselben Buchstaben ϕ, sowohl für die ursprüngliche Funktion ϕ(r) als auch für die Fouriertransformierte. Wegen e−ikr ∈ L1 muß man sich zunächst auf ϕ(r) ∈ L1 ∩ L2 beschränken. Für diese ϕ(r) läßt sich zeigen: Z ϕ(k) ∈ L2 und Z d3 k|ϕ(k)|2 = d3 r|ϕ(r)|2 (2.86) Man kann nun die Abbildung auf den ganzen L∈ fortsetzen (ohne Beweis). Normerhaltung: Aus (2.86) folgt: b ϕ|U b ϕi = hϕ|U b +U b ϕi = hϕ|ϕi hU ⇒ b +U b =1 U b+ = U b −1 , U (2.87) Unitärer Operator: b + beschreibt offensichtlich die Umkehrung der Die Eigenschaft (2.87) heißt unitär. U Fouriertransformation: Z Z 1 b ϕ2 i = hϕ1 |U d3 kϕ∗1 (k) d3 rϕ2 (r)e−ikr (2π)3/2 µ ¶∗ Z Z 1 3 3 ikr = d r d kϕ1 (k)e ϕ2 (r) (2π)3/2 b + ϕ1 |ϕ2 i = hU 2.9. DIE IMPULSDARSTELLUNG Daraus folgt: b + ϕ1 = U 53 1 (2π)3/2 Z d3 kϕ1 (k)eikr = ϕ1 (r) (2.88) Explizite Ausführung der Fouriertransformation geschieht mit Hilfe der folgenden Darstellung der δ-Funktion: 1 δ(r) = (2π)3 Z Z 3 d ke ikr d3 rδ(r) = 1 , (2.89) Damit läßt sich die inverse Operation (2.88) leicht nachrechnen 1 (2π)3/2 Z d3 kϕ(k)eikr = Z 1 (2π)3/2 Z d3 keikr 1 d r ϕ(r ) (2π)3 3 0 = 1 (2π)3/2 Z Z 0 0 d3 r0 ϕ(r0 )e−ikr 0 d3 keik(r−r ) = ϕ(r) | {z } δ(r−r0 ) Auch die Normerhaltung folgt sofort (Übungen). Ebenso wie |ϕ(r)|2 wird man |ϕ(k)|2 als Wahrscheinlichkeitsverteilung interpretieren. |ϕ(k)|2 d3 k ist die Wahrscheinlichkeit, daß das Teilchen eine Wellenzahl im Element d3 k um k hat. Dies läßt sich plausibel machen: µ Z ¶ Z µ h̄ ∂ h̄ ∂ n ϕ(x) = dxϕ∗ (x) i ∂x i ∂x Z Z 1 = dxϕ∗ (x) √ dk(h̄k)n ϕ(k)eikx 2π hpbnx iϕ = dxϕ∗ (x) ¶n 1 √ 2π Z dkϕ(k)eikx Z = dk(h̄k)n |ϕ(k)|2 (2.90) Die Impulsverteilung ist gebräuchlicher als die Wellenzahlverteilung: |ϕ(k)|2 d3 k = |ϕ(p)|2 d3 p ⇒ |ϕ(p)|2 = 1 p |ϕ(k = )|2 h̄ h̄3 Damit folgt für die Wellenfunktion in der Impulsdarstellung: ϕ(p) = 1 (2πh̄)3/2 Z i d3 rϕ(r)e− h̄ pr (2.91) 54 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK Impulsoperator in der Impulsdarstellung: b = h̄i ∇ unter dem Integral einfach als Faktor Wegen (2.90) wirkt der Impulsoperator p p = h̄k auf die Wellenfunktion. Ortsdarstellung in der Impulsdarstellung: Z Z Z i 1 dxϕ∗ (x) √ dpxϕ(p)e h̄ px 2πh̄ Z Z 1 h̄ ∂ i px = dxϕ∗ (x) √ dpxϕ(p) e h̄ i ∂p 2πh̄ µ ¶ Z Z i 1 h̄ ∂ ∗ px h̄ = dxϕ (x) √ dpe − ϕ(p) i ∂p 2πh̄ µ ¶ Z h̄ ∂ = dpϕ∗ (p) − ϕ(p) i ∂p bϕ(x) = dxϕ∗ (x)x biϕ = hx (2.92) Somit ist der Ortsoperator in der Impulsdarstellung durch − h̄i ∇p gegeben. Kanonischer Kommutator in der Impulsdarstellung: · ¸ p, − Daraus folgt: µ ¶ h̄ ∂ h̄ ∂ ∂ h̄ ϕ(p) = − p ϕ(p) − (pϕ(p)) = ϕ(p) i ∂p i ∂p ∂p i " h̄ ∂ pα , − i ∂pβ # bβ ] = = [pbα , x h̄ δαβ i α, β = x, y, z (2.93) Klar, denn die Kommentatoreigenschaft sollte darstellungsfrei sein. Die Schrödingergleichung in Impulsdarstellung gewinnt man entweder durch die formale Ersetzung: h̄ b p b b, b H( r) → H(p, − ∇p ) i oder durch Ausrechnen wie zuvor: µ Z b d3 pH Es folgt: ¶ i h̄ ∇r , r ψ(p, t)e h̄ pr = i Z µ d3 p ih̄ ¶ i ∂ ψ(p, t)e h̄ pr ∂t 2.9. DIE IMPULSDARSTELLUNG ³ 55 ´ b p, − h̄ ∇p ψ(p, t) = ih̄ ∂ ψ(p, t), H i ∂t h p2 2m ³ + V − h̄i ∇p ´i ψ(p, t) = ih̄ψ̇(p, t) (2.94) Allerdings ist (2.94) nur dann sinnvoll, wenn V (r) ein Polynom ist. Als Beispiel betrachten wir den eindimensionalen harmonischen Oszillator: µ ¶ pb2 m 2 2 p2 m 2 h̄ ∂ 2 p2 h̄2 mω 2 ∂ 2 b H= + ω x → + ω − = − 2m 2 2m 2 i ∂p 2m 2 ∂p2 (2.95) Für beliebige Potentiale benutzt man das Faltungstheorem, d. h. man betrachtet die Fouriertransformierte von V (r)ψ(r, t): Z = i 1 d3 rV (r)ψ(r, t)e− h̄ pr 3/2 (2πh̄) Z Z i 1 1 0 3 d rV (r) d3 p0 ψ(p0 , t)e− h̄ r(p−p ) 3/2 3/2 (2πh̄) (2πh̄) Z = d3 p0 V (p − p0 )ψ(p0 , t) mit V (p − p0 ) = 1 (2πh̄)3 Z i 0 d3 rV (r)e− h̄ r(p−p ) Man erhält an Stelle von (2.94) jetzt eine Integrodifferentialgleichung: p2 ψ(p, t) + 2m Z d3 p0 V (p − p0 )ψ(p0 , t) = ih̄ψ̇(p, t), V (p − p0 ) = 1 (2π)3 Z i 0 d3 rV (r)e− h̄ r(p−p ) (2.96) Eigenfunktionen zum Impulsoperator pb = h̄i ∇r : i b ϕr (r) = pϕp (r) p mit ϕp (r) = e h̄ pr (2πh̄)3/2 (2.97) 56 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK p ist der Quantenzahlindex. Spektrum: kontinuierliche Eigenfunktionen sind nicht normierbar. Betrachtet man das Skalarprodukt: Z i 1 0 hϕp |ϕp0 i = d3 re h̄ r(p−p ) = δ(p0 − p) (2.98) (2πh̄)3 Saloppe Schreibweise: Auf δ-Funktionen normieren. Tatsächlich ist (2.98) eine Orthonormalitätsrelation für kontinuierliche Spektren. Die Fouriertransformation liefert die Eigenfunktionen (des Impulsoperators) in der Impulsdarstellung: 1 ϕp (p ) = (2πh̄)3/2 Z i 0 2.10 0 d3 rϕp (r)e− h̄ p r = δ(p − p0 ) (2.99) Nachtrag zum Oszillator Grundzustandswellenfunktion: s ϕ0 (x) = à k k2 √0 exp − 0 x2 π 2 ! r , k0 = mω h̄ Das Energiespektrum ist äquidistant (im Unterschied zum Potentialtopf). Bemerkenswert: Die endliche Grundzustandsenergie, die man auch als Nullpunktsenergie bezeichnet. Ursache: Unschärfe zwischen Ort und Impuls. Im Festkörper (bei T = 0) entsprechen dieser Nullpunktsenergie die Nullpunktsschwingungen der Atome, die nicht diskret beobachtbar sind. Was passiert eigentlich bei 2 Teilchen in 2 gekoppelten Oszillatorpotentialen? Klassisch: 2 charakteristische Normalschwingungen Quantenmechanisch: b =− H h̄2 ∂ 2 h̄2 ∂ 2 m 2 2 m ω x − + + ω 2 x22 + V (x1 , x2 ) 1 2m ∂x21 2 2m ∂x22 2 (2.100) Die Wellenfunktion soll normierbar sein Z∞ dx1 dx2 |ψ(x1 , x2 , t)|2 = 1 −∞ (2.101) 2.10. NACHTRAG ZUM OSZILLATOR 57 |ψ(x1 , x2 , t)|2 dx1 dx2 entspricht der Wahrscheinlichkeit dafür, daß zur Zeit t Teilchen 1 im Intervall dx1 und Teilchen 2 in Intervall dx2 zu finden ist. Dies wirft sofort die Frage nach der Unterscheidbarkeit quantenmechanischer Teilchen auf. Nehmen wir Unterscheidbarkeit an, so findet man als Lösung eine Wellenfunktion, die in ihrer zeitlichen Entwicklung analoges zu den klassischen Normalschwingungen aufweist. Bei identischen Teilchen, z. B. 2 Fermionen (etwa Elektronen) oder 2 Bosonen (etwa He-Atome) ist die Lösung komplizierter, da die Form der Wellenfunktion von der Statistik der Teilchen abhängt. Die Lösung des stationären Problems für 2 unterscheidbare Teilchen liefert mit: 1 b1 + x b2 ) , (x 2 b b2 − x b1 r = x b = R (2.102) das Energiespektrum: µ E = h̄ωR N + 1 2 µ ¶ + h̄ωr n + 1 2 ¶ , n, N = 0, 1, 2, . . . ∞ (2.103) b sich wie die Hamiltonfunktion der klassischen Meder durch Einführung von (2.95) H chanik separieren läßt. Im Falle ununterscheidbarer Teilchen gilt: ψ(x1 , x2 , t) = ψ(x2 , x1 , t) (Bosonen) ψ(x1 , x2 , t) = −ψ(x2 , x1 , t) (F ermionen) (2.104) Für Fermionen heißt das: ψ(x1 = x, x2 = x, t) = 0 (2.105) und heißt Pauli-Prinzip. Das Energiespektrum ist das gleiche wie (2.103) mit der Einschränkung: µ E = h̄ωR 1 N+ 2 ¶ µ + h̄ωr 1 n+ 2 ¶ ( n gerade f ür Bosonen n ungerade f ür F ermionen (2.106) 58 KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER QUANTENMECHANIK Zweite Quantisierung (2.106) beschreibt den harmonischen Oszillator in der 2. Quantisierung (auf den allgemeinen Formalismus können wir hier aus Zeitgründen nicht eingehen). Grob vereinfacht kann man sagen, daß in der 2.Quantisierung der Teilchenaspekt betont wird, in der 1.Quantisierung hingegen der Wellenaspekt. Oszillator: Wir können den quantenmechanischen Oszillator (2.106) mit En = h̄ω(n + 12 ) als eine Menge von n (Quasi-) Teilchen der Energie h̄ω betrachten. Die Änderung der Besetzungszahl n läßt sich als Hinzufügen (oder Wegnehmen) eines Teilchens zu (oder aus) dem n-ten Energieniveau interpretieren. Diese Änderung der Besetzungszahl findet bei Wechselwirkung von Materie und Strahlungsfeld statt. Quantisiert man das elektromagnetische Feld (genauer: das Vektorpotential A(r)), so folgt ebenfalls (2.106). Es gibt eine ganze Liste von Feldern, die sich quantisieren lassen. Hier nur eine Auswahl von Feldern und (Quasi-)Teilchen: Elektromagnetisches Feld: En = h̄ω(n + 21 ), ω = ck; En+1 − En = h̄ω ist die Photonenenergie Schallschwingungen: En = h̄ω(n + 21 ), ω = cs k; En+1 − En = h̄ω ist die Phononenenergie Spinwellen: (Magnetisierungswellen in einem Ferromagneten) En = h̄ω(n + 21 ), ω = Dk 2 ; En+1 − En = h̄ω ist die Magnonenenergie Dichtewellen in einem Elektronengas: En = h̄ω(n + 21 ), ω = ωp + D̃k 2 ; En+1 − En = h̄ω ist die Plasmonenenergie Kapitel 3 Allgemeiner (formaler) Aufbau der Quantenmechanik 3.1 Zustände, Observable und Dirac-Schreibweise Bisher haben wir die QM in der Orts- und Impulsdarstellung formuliert. Gesucht ist eine darstellungsfreie Formulierung, woraus die Orts-und Impulsdarstellung als wichtige Spezialfälle folgen. Zustände für Teilchen oder ein System von Teilchen werden durch Elemente des Hilbertraums H beschrieben und heißen Zustandsvektoren. Wir bezeichen die Zustandsvektoren jetzt durch Symbole wie |ψi, |ϕi, . . . KET-Vektoren (3.1) Dies sind abstrakte Zustände. Zur Einführung der Dirac-Schreibweise ordnen wir jedem KET eineindeutig eine dualen Vektor (und somit dem Hilbertraum einen dualen Raum) zu: hψ|, hϕ|, . . . BRA-Vektoren (3.2) Formale Schreibweise: |ψi → hψ| = (|ψi)+ Beispiel: (3.3) a1 .. |ψi : . an , (|ψi)+ : 59 ³ a∗1 . . . a∗n ´ 60 KAPITEL 3. AUFBAU DER QUANTENMECHANIK Weil der duale Raum dem Raum der auf H linear beschränkten Funktionale entspricht, gewinnt hψ| eine eigene Bedeutung. Skalarprodukt wie früher hψ|ϕi=hBRA|KET b i= b bra(c)ket (Klammer). Dies verdeutlicht die Herkunft der Bezeichnung. Observable sind Meßgrößen. Ihnen werden in der QM lineare hermitesche Operatoren zugeordnet. Die Bilinearform eines solchen Operators Ab b = hψ|A|ϕi b b hψ|Aϕi = hBRA|A|KET i (3.4) b Wie zuvor ist der adjungierte Operator ist eine Zahl und heißt Matrixelement von A. definiert durch b = hA b+ ψ|ϕi , hA b+ ψ|ϕi∗ = hϕ|A b+ ψi hψ|Aϕi Daraus folgt: b ∗ = hϕ|A b+ |ψi hψ|A|ϕi (3.5) Gleichbedeutend hiermit ist die Definition des adjungierten Operators als Zuordnung im dualen Raum: b A|ui = |vi, ³ formal: ´+ b A|ui = hu|Ab+ = hv| Ab+ = Ab heißt hermitesch oder selbstadjungiert. Dirac-Schreibweise: Wir betrachten Operatoren der Form Ab = |uihv|. Dies ist das neue an der abstrakten Darstellung. Ab ist linear: b A|ϕi = |uihv|ϕi = (hv|ϕi) · |ui Ab ordnet somit |ϕi den Zustand |ui mit einer komplexen Zahl hv|ϕi zu. Projektionsoperatoren: Pu = |uihu| , hu|ui = 1 (3.6) Pu projeziert jeden beliebigen Zustand auf |ui: Pu |ϕi = |uihu|ϕi = hu|ϕi|ui hu|ϕi ist dabei die Komponente von |ϕi in Richtung des Einheitsvektors |ui. Pu ist hermitesch; außerdem gilt: (|uihu|)2 = |uihu|uihu| = |uihu| → Pu2 = Pu (3.7) 3.1. ZUSTÄNDE, OBSERVABLE UND DIRAC-SCHREIBWEISE 61 Mit Hilfe solcher Projektoren lassen sich viele Aussagen elegant formulieren: Vollständigkeit eines orthonormierten Systems {|un i, hun |um i = δnm }: X |un ihun | = 1 (3.8) n Dies ist die übliche Bedeutung der Vollständigkeit, da jeder Zustand |ϕi nach einer solchen Basis entwickelt werden kann: |ϕi = 1|ϕi = X |un i hun |ϕi = X | {z } n ϕn |un i (3.9) n ϕn Es gilt weiter: hϕ|ϕi = hϕ|1|ϕi = = X X hϕ|un ihun |ϕi n hun |ϕi∗ hun |ϕi n = X |hun |ϕi|2 = n X |ϕn |2 (3.10) n Man sagt auch, daß man |ϕi in dieser Basis {|un i} dargestellt hat. Die komplexen Zahlen ϕn = hun |ϕi sind die Komponenten und heißen Darsteller von |ϕi in der {|un i}-Basis. Darstellung von linearen Operatoren: Auch jeden linearen Operator kann man entsprechend darstellen b = Ab = 1A1 X n,m = X b m ihum | |un i hun |A|u | {z } Anm |un iAnm hum | (3.11) n,m Die Anm bilden eine Matrix mit komplexen Elementen. Die Matrix heißt Darsteller des Operators Ab in der {|un i}-Basis. Für die Matrixelemente gilt: b m i∗ = hum |A b+ |un i = A+ A∗nm = hun |A|u mn 62 KAPITEL 3. AUFBAU DER QUANTENMECHANIK Dem Produkt von zwei Operatoren entspricht ein Matrixprodukt: b = 1A1 b B1 b Cb = AbB = X b m ihum |B|u b l ihul | |un ihun |A|u n,m,l = X |un i Anm Bml hul | | n,m,l = X {z } Cnl |un iCnl hul | (3.12) n,l Beispiel: Die Eigenfunktionen ϕn (x) des harmonischen Oszillators, siehe (2.84), bilden eine Basis. In dieser können die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren, b+ und b, durch Matrizen dargestellt werden: Aus der Eigenschaft 6. auf Seite 50 folgt: ϕn+1 = 1 cn+1 + b ϕn = √ b+ ϕn cn n+1 → b+ ϕn = √ n + 1ϕn+1 , Darauf wenden wir b an: bb+ ϕn−1 = √ nbϕn → √ 1 n−1+1 √ bϕn = √ (b+ b + 1)ϕn−1 = ϕn−1 = nϕn−1 n n b+ bϕn = nϕn Die resultierende Matrixdarstellung sieht dann so aus: + b+ nm = hϕn |b |ϕm i = √ m + 1 · δn,m+1 bnm = hϕn |b|ϕm i = √ m · δn,m−1 (b+ b)nm = hϕn |b+ b|ϕm i = m · δnm → → → m 00 00 00 30 0 1 0 n0 0 0 2 0 0 0 0 n0 m 100 0 20 00 3 000 0 0 0 n0 0 1 0 0 0 0 2 0 m 0 0 0 3 3.1. ZUSTÄNDE, OBSERVABLE UND DIRAC-SCHREIBWEISE 63 Wegen bb+ = 1 + b+ b folgt noch: (bb+ )nm = hϕn |bb+ |ϕm i = (m + 1) · δnm 1 0 0 n0 → 0 2 0 0 0 0 3 0 m 0 0 0 4 Den Übergang von der Orts- in die Impulsdarstellung haben wir explizit mit Hilfe der δ-Funktion ausgeführt. Es werde bereits darauf hingewiesen, daß dieser Darstellungswechsel mit Hilfe eines unitären Operators formulierbar ist. Wir wollen jetzt die Rechenregeln für einen Darstellungswechsel in der Dirac-Schreibweise kennenlernen: Darstellungswechsel: {|un i}, {|vn i} seien zwei Basissysteme (Basissysteme sollen von jetzt ab per definitionem orthormiert sein). Der Übergang von {|vn i} nach {|un i}: |un i = 1|un i = X X |vm i hvm |un i = | {z } m Umn |vm i (3.13) m Umn ist durch die Matrix Umn = hvm |un i gegeben. Umn ist der von beiden Basen abhängige b , denn: Darsteller eines unitären Operators U b |vn i = |un i U ⇒ b |vn i = hvm |un i = Umn hvm |U b folgt aus: Die Unitarität von U b = U X b+ = |un ihvn | , U n Daraus folgt: bU b+ = U X X |vn ihun | (3.14) n |un i hvn |vm ihum | = | {z } m,n X |un ihun | = 1 n δnm Haben wir speziell |ϕi nach {|un i} und {|vn i} entwickelt, so vermittelt Umn wie in (3.13) den Darstellungwechsel |ϕi = X n |ϕi = X n |un i hun |ϕi = | {z } ϕu n |vn i hvn |ϕi = | {z } ϕvn X ϕun |un i, n X n ϕvn |vn i 64 KAPITEL 3. AUFBAU DER QUANTENMECHANIK Daraus folgt: ϕvn = hvn |ϕi = X hvn |um ihum |ϕi = m ϕun = hun |ϕi = X X Unm ϕum m hun |vm ihvm |ϕi = X m ∗ Umn ϕvm (3.15) m Darstellungswechsel für Operatoren: b ni Avmn = hvm |A|v = X b k ihuk |vn i hvm |ul ihul |A|u l,k = X ∗ Uml Aulk Unk = X l,k = + Uml Aulk Ukn l,k bA bU b + )u (U (3.16) mn b so folgt daraus, daß die {|un i}− und {|vn i}− Darstellungen von U b Setzt man Ab = U identisch sind. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Übergang von einer zu einer anderen Darstellung einem unitären Operator entspricht. 3.2 Eigenwertproblem und Spektraldarstellung b Eigenwertproblem eines hermiteschen Operators A: b n i = an |an i A|a (3.17) b hermitesch), n= |an i= b Eigenvektor, an = b Eigenwert (reell für A b Quantenzahl. Lösen von (3.17) führt auf die Spektraldarstellung von Ab Die |an i sollen (sofern normierbar) orthonormiert sein: han |am i = δnm Die {|an i} bleiben Unterraum in H. In diesem Unterraum hat Ab die Darstellung: b =A b Ab = A1 X n |an ihan | = X n an |an ihan | (3.18) 3.2. EIGENWERTPROBLEM UND SPEKTRALDARSTELLUNG 65 Diese Darstellung von Ab in seiner eigenen Basis heißt Spektraldarstellung, sofern die |an i eine Basis des ganzen Hilbertraums bilden. Beispiel: Hamiltonoperator des harmonischen Oszillators 1 b H|ni = h̄ω(n + )|ni 2 Daraus folgt die Spektraldarstellung: b = H1 b = H X n 1 h̄ω(n + )|nihn| 2 Kontinuierliches Spektrum: (3.18) schließt zunächst die Möglichkeit eines kontinuierlichen Spektrums aus. In (3.18) sind die an diskrete Zahlenwerte, die man der Größe nach ordnen kann. Mit Hilfe der Spektraltheorie läßt sich (3.18) auf kontinuierliche Spektren erweitern. Hierzu parametrisieren wir ein kontinuierliches Spektrum mit Hilfe eines kontinuierlichen Index λ: Z X Ab = an |an ihan | + dλ aλ |aλ ihaλ | (3.19) n mit der Vollständigkeitsrelation: X Z |an ihan | + dλ |aλ ihaλ | = 1 (3.20) n Dabei sieht das Spektrum jetzt folgendermaßen aus: a 1 a 2 a3 a aN Diskretes Spektrum: z. B. Energieniveaus im Potentialtopf (abzählbar) Kontinuierliches Spektrum: z. B. E > 0 für Potentialtopf (nicht abzählbar) Wenn wir paarweise Orthogonalität aller Zustände voraussetzen, so folgt: 1|am i = X Z |an ihan |am i , 1|aη i = dλ |aλ ihaλ |aη i, n han |am i = δnm , haλ |aη i = δ(λ − η) , han |aλ i = 0 (3.21) 66 KAPITEL 3. AUFBAU DER QUANTENMECHANIK Eine solche Parametrisierung, aus der (3.21) folgt, ist i. a. nicht leicht zu finden. Die Ursache der Schwierigkeit ist die mögliche Entartung der Eigenwerte. Die Eigenvektoren zu einem Eigenwert a bilden einen linearen Unterraum Ua ⊂ H. Gilt dim(Ua ) ≥ 1, so heißt a entartet und dim(Ua ) ≥ 1 heißt Entartungsgrad. Beispiel für Entartung V(x) 1-fach x -V -W -W 2-fach entartet 0 E -V 1-fach entartet heißt: keine einlaufende Wellen von x = −∞. 2-fach entartet heißt: einlaufende Wellen von x = ±∞ Wir wollen ganz kurz und ohne Beweis skizzieren, wie man die Schwierigkeit umgehen P kann. An Stelle von (3.19) betrachtet man die Summe (a) aller Projektionsoperatoren zu Eigenwerten < a: X (a) = aX n <a Z |an ihan | + dλ |aλ ihaλ | (3.22) n (3.22) heißt Spektralschar. Eigenschaften wollen wir hier nicht beweisen, daher ohne Beweis die Aussage: Zu jedem hermiteschen Operator Ab existiert genau eine Spektralschar, so daß gilt: Ab = ∞ X d X (a)a (3.23) −∞ (3.23) ist ein Operator-Stieltjesintegral. Geläufige Darstellungen: Die Spektraldarstellung hermitescher Operatoren ist wichtig, weil bei manchen Rechnungen die einfachen Eigenschaften der Projektionsoperatoren das Leben erleichtern. Besonders wichtig sind die uns bereits bekannten Darstellungen. Energiedarstellung: b selbst: Hier nehmen wir die Eigenbasis von H X n b n i = En |En i |En ihEn | = 1 , H|E 3.2. EIGENWERTPROBLEM UND SPEKTRALDARSTELLUNG 67 Die Schrödingergleichung wird zu: b H|ψi = ih̄|ψ̇i → b H X |En i hEn |ψi = ih̄ n X | {z } cn (t) En |En icn (t) = ih̄ X n X |En ihEn |ψ̇i n |En iċn (t) n oder En cn (t) = ih̄ċn (t), (3.24) cn (t) = hEn |ψ(t)i Ortsdarstellung: Hier kennen wir bereits: Z b|xi , x dx |xihx| = 1 hx0 |xi = δ(x − x0 ) → Z |ψ(t)i = Z dx |xihx|ψ(t)i = dx ψ(x, t)|xi Der Darsteller von ψ in der Ortsdarstellung lautet somit: ψ(x, t) = hx|ψ(t)i (3.25) b Mit der Schrödingergleichung H|ψi = E|ψi folgt: Z b hx|H dx0 |x0 ihx0 |ψ(t)i = Ehx|ψ(t)i Die Darstellung Z Z b 0 ihx0 |ψ(t)i = dx hx|H|x 0 b dx0 H(x, x0 )ψ(x, t) ist ungewöhnlich. Für die potentielle Energie gilt: hx|Vb |x0 i = V (x) · δ(x − x0 ) 68 KAPITEL 3. AUFBAU DER QUANTENMECHANIK Für die kinetische Energie muß man offensichtlich fordern: h̄2 00 hx|Tb|x0 i = − δ (x − x0 ) 2m 1 wegen hx| 2m µ h̄ ∂ i ∂x0 ¶2 |x0 i = − h̄2 ∂ 2 δ(x − x0 ) 2m ∂x02 Vorstehendes läßt sich leicht auf drei Dimensionen verallgemeinern. Impulsdarstellung: Bereits bekannt Z pb|pi = p|pi , dp |pihp| = 1 ⇒ Z |ψ(t)i = hp0 |pi = δ(p − p0 ) Z dp |pihp|ψ(t)i = dp ψ(p, t)|pi Wir vollziehen noch einmal den Übergang von der x-Darstellung in die p-Darstellung nach: Z Z ϕ(x) = hx|ϕi = hx|1|ϕi = dp hx|pihp|ϕi = dp hx|piϕ(p) Damit dies mit der umgekehrten Transformation von (2.85) übereinstimmt, muß offenbar gelten: exp h̄i px hx|pi = √ 2πh̄ (3.26) Hieraus folgt auch die Ortsdarstellung des Impulsoperators: hx|pb|x0 i = hx|pb1|x0 i Z Z dp hx|pb|pihp|x0 i = = · Z = = dpphx|pihp|x0 i exp h̄i p(x − x0 ) h̄ ∂ 1 dp p = 2πh̄ i ∂x 2πh̄ h̄ ∂ δ(x − x0 ) i ∂x Z µ ¶¸ i p(x − x0 ) dp exp h̄ In drei Dimensionen: b |r0 i = hr|p h̄ ∇r δ(r − r0 ) i (3.27) 3.2. EIGENWERTPROBLEM UND SPEKTRALDARSTELLUNG 69 Hiermit versteht man jetzt auch: Z hx|pb|ϕi = hx|pb1|ψi = Z dx0 = dx0 hx|pb|x0 ihx0 |ϕi h̄ ∂ h̄ 0 δ (x − x0 )ϕ(x0 ) = ϕ(x) i i ∂x Gleichzeitige Diagonalisierung verschiedener Operatoren: Wir haben weiter oben die Matrixdarstellung von Operatoren kennengelernt. Von (3.17) ausgehend erhalten wir für die Darstellung des Eigenwertproblems in einer beliebigen Basis {|un i}: b hun |A|ai = ahun |ai Termumformung der linken Seite liefert: b b hun |A|ai = hun |A1|ai = X b m ihum |ai = hun |A|u m Daraus folgt: X X Anm hum |ai = ahun |ai m Anm hum |ai = ahun |ai (3.28) m Für einen endlichen Vektorraum mit Dimension N ist (3.28) ein Gleichungssystem für die N Darsteller. Die Eigenwerte aν , ν = 1, . . . , N gewinnt man dann aus det{Anm − aδnm } = 0 (3.29) Dies entspricht der Diagonalisierung der Matrix Anm . Von besonderem Interesse ist nun die gleichzeitige Diagonalisierung verschiedener Operatoren. Notwendige Voraussetzung für die Lösbarkeit dieses Probems: Haben 2 Operatoren eine gemeinsame Eigenbasis, so vertauschen sie. Der Beweis ist einfach. Aus X b n i = an |ϕn i , B|ϕ b n i = bn |ϕn i , A|ϕ |ϕn ihϕn | = 1 n folgt h b B b A, i ³ = = ´ b −B bA b 1 AbB X³ ´ b −B bA b |ϕn ihϕn | AbB n = X n (an bn − bn an ) |ϕn ihϕn | = 0 70 KAPITEL 3. AUFBAU DER QUANTENMECHANIK Es gilt auch die Umkehrung: Vertauschen 2 hermitesche Operatoren, so besitzen sie eine simultane Eigenbasis. Zum Beweis: b n i ist auch B|ϕ b n i Eib B|ϕ b n i) = B( b A|ϕ b n i) = an B|ϕ 1. an nicht entartet. Wegen A( b genvektor von A zum Eigenwert an . Daraus folgt: b n i ∼ |ϕn i oder B|ϕ b n i = bn |ϕn i. B|ϕ 2. Sei an r-fach entartet: b ns i = an |ϕns i , s = 1, . . . , r A|ϕ b A|ϕ b ns i) = A( b B|ϕ b ns i) = an B|ϕ b ns i ist auch B|ϕ b ns i Eigenvektor von A b Wegen B( zum Eigenwert an . Die |ϕns i sind orthonormal und spannen einen r-dimensionalen b ns i Element dieses Eigenraum zum Eigenwert an auf. Wegen oben ist auch B|ϕ b ns i nach den |ϕns i entwickelbar ist: Eigenraums. Daraus folgt, daß B|ϕ b ns i = 1 B|ϕ b ns i = B|ϕ r X b ns i |ϕns0 i hϕns0 |B|ϕ s0 =1 = r X | {z } n Bss 0 n Bss 0 |ϕns0 i s0 =1 Lösung mit der Matrixmethode. Daraus folgt: bϕ ens i = bns |ϕ ens i B| bϕ ens i = an |ϕ ens i ist wobei die |ϕens i Linearkombinationen der |ϕns i sind. Wegen A| der Beweis beendet. Verallgemeinerung: Jedes System von hermiteschen Operatoren, die paarweise vertauschen, hat eine gemeinsame Eigenbasis. Liegt die Eigenbasis eindeutig fest, so heißt dieses System vollständig. 3.3. DIE WAHRSCHEINLICHKEITSINTERPRETATION 3.3 71 Die Wahrscheinlichkeitsinterpretation In den ersten beiden Abschnitten dieses Kapitels haben wir die Grundregeln der QM in abstrakter Weise formuliert: 1. Der QM-Zustand eines Systems wird durch einen Vektor |ψ(t)i ∈ H beschrieben. 2. Den physikalischen Meßgrößen werden hermitesche Operatoren zugeordnet. Diese können beschränkt sein, d. h. sie besitzen eine eigentliche oder uneigentliche Eigenbasis. Meßbare physikalische Größen werden in der Physik ganz allgemein als Observable bezeichnet. Speziell in der QM werden Observable durch hermitesche Operatoren dargestellt. Die Meßwerte sind dann die Eigenwerte. 3. Das Skalarprodukt mit |ϕi ∈ H definiert eine Wahrscheinlichkeitsamplitude hϕ|ψ(t)i 4. Die Observablen Ort und Impuls genügen den fundamentalen Vertauschungsrelationen: h̄ bα , x bβ ] = [pbα , pbβ ] = 0 , [pbα , x bβ ] = δαβ [x i 5. Die zeitliche Änderung des Zustandsvektors |ψ(t)i ist durch die Schrödingergleichung gegeben: b H|ψ(t)i = ih̄|ψ̇(t)i Beziehung zur Realität wird wie im Abschnitt 2.3 durch die richtige Interpretation der |ψ(t)i hergestellt. Wir hatten bereits |ψ(r)|2 = |hr|ψi|2 und |ψ(p)|2 = |hp|ψi|2 als Wahrscheinlichkeitsverteilung plausibel gemacht. Etwas allgemeiner postulieren wir jetzt: Das Skalarprodukt hϕ|ψi hat die Bedeutung einer Wahrscheinlichkeitsamplitude, |hϕ|ψi|2 ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß im Zustand |ψi der Zustand |ϕi enthalten ist. Wir wollen mit diesem Postulat arbeiten: 1. Hierzu charakterisieren wir |ϕi durch eine Observable Ab (oder durch ein vollständiges System von Observablen): |a1 i .. |ϕi = . |aN i Das Spektrum soll nicht entartet sein. b n i = an |an i , A|a 72 KAPITEL 3. AUFBAU DER QUANTENMECHANIK 2. Das Postulat besagt: Die Messung von Ab liefert als Ergebnis die Zahl an mit der Wahrscheinlichkeit |han |ψi|2 . Der Mittelwert von Ab ergibt sich durch viele Messungen.: Ā = X an ωn = X n b b ψ an |han |ψi|2 = hψ|A|ψi = hAi (3.30) n X ωn = X n hψ|an ihan |ψi = hψ|ψi = 1 (3.31) n 3. Wird im Einzelexperiment an gemessen, so ist das System aus dem ursprünglichen Zustand |ψi in den Zustand |an i übergegangen. Bei entartetem Spektrum ist der neue Zustand nicht bekannt. Speziell für |ψi = |am i wird an mit Gewißheit gemessen: Ab ist scharf. 4. Modifizierung für kontinuierliche Spektren: |ψi = X Z han |ψi|an i + dλ haλ |ψi|aλ i (3.32) n ωλ = |haλ |ψi|2 entspricht der Wahrscheinlichkeitsdichte und ωλ dλ der Wahrscheinlichkeit aλ im Intervall [aλ , aλ + dλ] zu messen. Der Dimensionsunterschied zwischen normierbaren und nicht normierbaren Zuständen ist auch in den Normierungsbedingungen zu finden: han |am i = δnm , haλ |aη i = δ(λ − η) hat die Dimension λ−1 . 5. Der Mittelwert von Ab ist eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für Meßwerte. Man kann eine solche Verteilung auch durch das mittlere Schwankungsquadrat von Ab charakterisieren: b 2 ≡ h(A b − hAi) b 2i ≥ 0 (∆A)2 = hAb2 i − hAi (3.33) ∆A mißt die Streuung der Verteilung um den Mittelwert und heißt auch Unschärfe von Ab im Zustand |ψi. Offensichtlich gilt (Übungen): Ist die Unschärfe von Ab im Zustand |ψi Null ⇐⇒ |ψi ist Eigenzustand zu Ab 6. Meßprozeß noch einmal stichwortartig: Bei einer Messung wird der Zustand eines Systems i. a. verändert. Jede Messung stellt also einen Eingriff in die mikroskopische Welt dar; dieser Eingriff ist laut Heisenberg nicht zu vermeiden. 3.3. DIE WAHRSCHEINLICHKEITSINTERPRETATION 73 7. Unschärferelation Will man mehrere Observable gleichzeitig messen, so hängt das Ergebnis i. a. von der Reihenfolge ab. Dieses Problem wird qualitativ die Unschärferelation h durch i h i b b b b b B b =0 beschrieben. Wir betrachten speziell A und B mit A, B 6= 0. Der Fall A, b zugleich scharf ist trivial, da gemeinsame Eigenbasis existiert, so daß Ab und B meßbar sein können. Setze b b0 = B b − hBi b Ab0 = Ab − hAi , B ⇒ ⇒ (∆A)2 = hAb02 i , b 02 i (∆B)2 = hB b 02 |ψi = hA b0 ψ|A b0 ψihB b 0 ψ|B b 0 ψi ≥ |hA b0 ψ|B b 0 ψi|2 (∆A)2 (∆B)2 = hψ|Ab02 |ψihψ|B Weiter gilt: b 0 ψi = hψ|A b0 B b 0 |ψi hAb0 ψ|B b0 + B b 0A b0 b0 − B b 0A b0 Ab0 B Ab0 B |ψi + hψ| |ψi 2 2 = α + iβ α, β reell = hψ| Daraus folgt: b 0 ψi| = (∆A)(∆B) ≥ |hAb0 ψ|B q α2 + β 2 ≥ |β| Das heißt: s 1 1 b B]|ψi| b (∆A)(∆B) ≥ |hψ|[A, ≡ 2 2 hψ| b [AbB] |ψi2 i (3.34) Die Nichtvertauschbarkeit von zwei Observablen führt zu einer unteren Grenze b =x b folgt die berühmte Heisenfür ihre Unschärfen. Speziell für Ab = pb und B bergsche Unschärferelation: ∆p · ∆x ≥ h̄ 2 (3.35) Die untere Grenze ist explizit zustandsabhängig. Aus (3.35) folgt, daß Ort und Impuls nicht gleichzeitig scharf meßbar sind. Wann gilt das Gleichheitszeichen in (3.34)? 74 KAPITEL 3. AUFBAU DER QUANTENMECHANIK Zunächst Gleichheitszeichen bei Schwarzscher Ungleichung. Das bedeutet: b 0 |ψi Ab0 |ψi = C B Ferner muß α = 0 sein. Dies ist äquivalent zu: b0 + B b 0A b0 |ψh= 0 = (C ∗ + C)hψ|B b 02 |ψi hψ|Ab0 B Sei C rein imaginär, d. h., C = iγ. Somit folgt die Bedingung: b − iγ(B b − hBi)]|ψi b [Ab − hAi =0 Speziell für Ort und Impuls in (3.35): b − hx bi)]|ψi = 0 [pb − hpbi − iγ(x folgt in der Ortsdarstellung: · Daraus folgt: ¸ h̄ ∂ − p̄ − iγ(x − x̄) |ψi = 0 i ∂x ¶ µ ψ(x) = exp − µ ¶ i γ (x − x̄)2 exp p̄x 2h̄ h̄ mit x̄ = hxi p̄ = hpi Die Wahrscheinlichkeitsdichte |ψ(x)|2 ist in diesem Fall eine Gaußverteilung mit h̄ b in dem Schwankungsquadrat (∆x)2 = h(x − hxi)2 i = 2γ . Die Unschärfe von x q h̄ = ∆x. Wegen ∆x · ∆p = h̄2 (für diesen speziellen Fall) q 2γ diesem Zustand ist folgt ∆p = h̄ 1 2 ∆x = h̄γ 2 . Diskussion in den Übungen. 8. Gemisch und Quantenstatistik: Der Wahrscheinlichkeitsdichte ωAb(a) in 4) entspricht der hermitesche Operator ωλ −→ δ(Ab − aλ ), denn: hδ(Ab − aλ )iψ = hψ|δ(Ab − aλ )|ψi Z daλ0 daλ00 hψ|aλ0 ihaλ0 |δ(Ab − aλ )|aλ00 ihaλ00 |ψi = Z daλ0 hψ|aλ0 ihaλ0 |δ(Ab − aλ )|aλ0 ihaλ0 |ψi = Z = daλ0 δ(aλ0 − aλ )|haλ0 |ψi|2 = |iaλ |ψh|2 (3.36) 3.3. DIE WAHRSCHEINLICHKEITSINTERPRETATION 75 Wir wollen dies hier nicht weitertreiben, sondern nur annehmen, daß die AusR messung der ωλ nicht ausreicht, um |ψi = dx haλ |ψi|aλ i eindeutig festzulegen. Neben den ωλ = |haλ |ψi|2 benötigt man auch noch die Phase von haλ |ψi. Man kann daher nicht sagen , daß man immer wieder wirklich |ψi ausgemessen hat. Es könnte auch sein, daß mit der Wahrscheinlichkeitsdichte ωλ der Zustand |aλ i vorgelegen hat. Dieses Problem führt auf die Quantenstatistik. Bisher haben wir den Zustand eines Systems durch einen einzigen Vektor |ψ(t)i ∈ H gekennzeichnet. Man bezeichnet dies als den reinen Fall oder die reine Gesamtheit. Oft ist der Zustand eines Systems nur unvollständig bekannt (z. B. wie oben: Unkenntnis der Phase). Dann lassen sich nur statistische Aussagen machen. Gemischte Gesamtheit heißt, mit der Wahrscheinlichkeit ωn den Zustand |ψn i zu haben, hψn |ψn i = 1. Um den Zustand eines Systems zu beschreiben, benötigt man dann die ganze Basis {|ψn i}. In dieser Gesamtheit von Zuständen ist |ψi mit der Wahrscheinlichkeit ωn vertreten. Anschaulich: System sein N-mal nebeneinandergestellt: 2 2 1 2 2 ... 3 2 N Reiner Fall: In jedem Kästchen derselbe Hilbertvektor, z. B. |ψ64 i. Gemisch: In N1 Kästchen |ψ1 i, in N2 Kästchen |ψ2 i ... in Nn Kästchen |ψN i mit: X Nn = N, n Nn = ωn N →∞ N lim , 0 ≤ ωn ≤ 1 , X ωn = 1 n Erwartungswert einer Observablen Ab im gemischten Zustand: b = hAi X b ni ωn hψn |A|ψ n = X n,m = b ni ωn hψn |ψm ihψm |A|ψ | {z X X n m hψn | } δnm | b ni ωm |ψm ihψm | A|ψ {z b W Somit folgt: } (3.37) 76 KAPITEL 3. AUFBAU DER QUANTENMECHANIK b = hAi X c A|ψ b n i ≡ Spur(W c A) b hψn |W n c = W X ωm |ψm ihψm |, ωm = |hψm |ψi|2 m c) = Spur(W X (3.38) W+ = W ωn = 1, n c heißt Dichteoperator. Dabei werde ausgenutzt, daß die {|ψn i} eine Basis W bilden. Als Spurbildung definiert man mit einer beliebigen Basis {|ϕn i} die Summe: X b = b ni Sp(A) hϕn |A|ϕ (3.39) n Mit Angabe des Dichteoperators ist die gemischte Gesamtheit charakterisiert. Der reine Fall ist als Spezialfall enthalten, wenn nur eins der ωn = 1 ist und alle anderen Null. In diesem Fall gilt: c2 = W c W P c = W in der Form der Spektraldarstellung (3.18) eines m ωm |ψm ihψm | ähnelt P b c der Konstruktion beliebigen Operators A = n an |an ihan |. Tatsächlich ist W entsprechend ein hermitescher Operator mit Eigenbasis. In mancher Hinsicht ist er aber von Observablen zu unterscheiden. Beispiel: Kanonische Gesamtheit der Quantenstatistik des Gleichgewichts: c= W b exp(−β H) b Sp(exp(−β H)) , β= 1 kB T (3.40) c , H] b = 0 ⇒ Ẇ = 0 ⇒ Gleichgewicht. Offensichtlich gilt: [W c und H b haben eine simultane Eigenbasis: W b n i = En |En i , W c |En i = ωn |En i , ωn = H|E exp(−βEn ) Z (3.41) b Z = Sp(exp(−β H)) (3.42) 3.4. ZEITENTWICKLUNG 77 P b = Z heißt Zustandsumme: Z = Sp(exp(−β H)) n Z = Sp(exp(−βEn )). ωn −1 heißt in diesem Fall (abgesehen vom Faktor Z ) Boltzmannfaktor. ωn ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß das System im Zustand |En i ist. Mittelwerte: 1 b A b Sp(exp(−β H) Z X exp(−βEn ) X b ni = b ni = hEn |A|E ωn hEn |A|E Z n n b = Sp(W c A) b = hAi Angenommen, das System kann die Energien E0 < E1 < E2 < . . . < E∞ annehmen, wobei E0 nicht entartet sein soll, dann folgt für T → 0(β → ∞): c = |E0 ihE0 | lim W T →0 Für T → 0 geht das System in seinen Grundzustand und damit in einen reinen Fall über (Übungen): c W = c ·1= W X c |En ihEn | = W n T →0 = 3.4 X n e−βEn |En ihEn | −βEm me P |E0 ihE0 | Zeitentwicklung: Schrödinger-, Heisenberg- und Wechselwirkungsbild Die zeitliche Entwicklung eines Zustandes ist durch die Schrödingergleichung gegeben: b H|ψi = ih̄ ∂ |ψi ∂t (3.43) Wir betrachten die Abbildung U (t1 , t0 ) : |ψ(t0 )i −→ |ψ(t1 )i, (3.44) die den Zustand zur Zeit t0 in den Zustand zur Zeit t1 überführt. Diese Abbildung ist linear und invertierbar (weil (3.44)eindeutig lösbar ist). Der Zeitentwicklungsoperator ist demnach unitär (Norm bleibt erhalten): b (t, t0 )|ψ(t0 )i |ψ(t)i = U (3.45) 78 KAPITEL 3. AUFBAU DER QUANTENMECHANIK Er hat folgende Eigenschaften: b (t0 , t0 ) = 1 U b (t2 , t1 )U b (t1 , t0 ) = U b (t2 , t0 ) U b −1 (t1 , t0 ) = U b + (t1 , t0 ) = U b (t0 , t1 ) U (3.46) Eine explizite Form gewinnt man leicht aus b U b (t, t0 ) = ih̄ H(t) d b U (t, t0 ) dt (3.47) b nicht explizit zeitabhängig ist, d. h., Ḣ = 0. (3.48) läßt sich nun für den Fall, daß H formal aufintegrieren: i b b (t, t0 ) = e− h̄ H·(t−t0 ) U (3.48) Die Form (3.48) ist ein bißchen ungewohnt aber richtig, da (3.48 → 49) der Aufintegration der Schrödingergleichung entspricht: b H|ψ(t)i = ih̄ d |ψ(t)i dt ⇒ i b H·t h̄ |ψ(t)i = e| −{z } |ψ(0)i (3.49) b(t,0) ≡U Man kann nun das dynamische Geschehen in verschiedenen Bildern beschreiben: Schrödingerbild: Hier sind die Zustandsvektoren zeitabhängig: |ψs (t)i = U (t)|ψs (0)i Die Observablen sind hingegen zeitunabhängig: Ab = Abs . Heisenbergbild: Hier sind die Zustandsvektoren zeitunabhängig: |ψH i = |ψs (0)i . Die Observablen sind zeitabhängig: b + (t)A bs U b (t) AbH (t) = U (3.50) Die beiden Bilder sind völlig äquivalent, da die Matrixelemente unabhängig von den benutzten Bildern sind: b + (t)A bs U (t)|ψs (0)i = hψH |A bH (t)|ψH i hψs (t)|Abs |ψs (t)i = hψs (0)|U 3.4. ZEITENTWICKLUNG 79 An die Stelle der Schrödingergleichung tritt im Heisenbergbild die Bewegungsgleichung für Observable: d b AH (t) dt = (3.50) = ´ d ³ b+ b b (t) U (t)As (t)U dt i b+ b b b (t) − i U b + (t)A bs (t)H bU b (t) + U b + (t)Ȧs (t)U b (t) U (t)H As (t)U h̄ h̄ i ∂ i hb b H, AH (t) + AbH (t) h̄ µ ∂t µ ¶ ¶ i i b b b b AH (t) = exp Ht As (t) exp − Ht h̄ h̄ d b AH (t) = dt (3.51) ḃ = ∂ H b = 0 folgt H b H (t) = H b s = H. b Kommutiert A bH (t) mit H, b so folgt Falls H ∂t b A b heißt dann wie in KM Erhaltungsgröße. Klassisches Analogon AbH (t) = Abs = A; zu (3.52) ist die Bewegungsgleichung mit Hilfe von Poissonklammern (1.44). Wechselwirkungsbild (skizzenhaft) Hier liegt die Vorstellung zugrunde, daß b =H b0 + H b1 H b 0 ist. eine Aufspaltung mit lösbarem Problem H Im Wechselwirkungsbild definiert man im Unterschied zum Schrödingerbild die zeitliche b 0: Entwicklung des Zustandsvektors nur mit H i b |ψW (t)i = e h̄ H0 t |ψs (t)i Differentiation nach der Zeit liefert: · ¸ i b ∂ ∂ b0 t b 0 e h̄i H |ψs (t)i ih̄ |ψW (t)i = −H + e h̄ H0 t ih̄ ∂t ∂t Daraus folgt: ih̄ ∂ b 1 (t)|ψW (t)i |ψW (t)i = H ∂t (3.52) 80 KAPITEL 3. AUFBAU DER QUANTENMECHANIK Bewegungsgleichung für beliebigen Operator im Wechselwirkungsbild i ∂ b i hb b AW (t) = H0 , AW (t) ∂t h̄ und für den Zustandsvektor: b (t, t0 )|ψW (t0 )i |ψW (t)i = U Lösung iterativ (hier keine Herleitung) b (t, t0 ) = U ∞ µ X n=0 i − h̄ ¶n 1 n! Zt Zt 0 h i b 1 (t1 ) . . . H b n (tn ) dtn T H dt1 . . . 0 − h̄i b (t, t0 ) ≡ T e U Rt b1 (t0 ) dt0 H t0 Vergleich der drei Bilder liefert: |ψs (0)i = |ψH i = |ψW (0)i Abs = AbH (0) = AbW (0) b (0, t0 )|ψW (t0 )i |ψH i = |ψW (0)i = U b und |ψW (t0 )i konstruieren! Man kann somit exakte Zustandsvektoren mit Hilfe von U Kapitel 4 Symmetrietransformationen 4.1 Inversion am Ursprung Von der KM wissen wir, daß zu Invarianzen Erhaltungsgrößen gehören. Dies übertragen wir auf die QM. Inversion und Paritätsoperator: b Wir beschreiben die Inversion I(|ψi) eines Zustandes durch den Paritätsoperator Pb (|ψi). In der Ortsdarstellung entspricht die Inversion am Ursprung der Ersetzung r → −r: Pb ψ(r) = ±ψ(−r) (4.1) Pb ist unitär und hermitesch Pb + = Pb −1 = Pb (4.2) und hat die Eigenwerte ±1. +1 entspricht skalaren Teilchen, −1 pseudoskalaren Teilchen. b Auswirkung der Inversion auf A|ψi: b A|ψi) b b I( = Pb (A|ψi) = (Pb AbPb + ) Pb |ψi | {z } b Ab0 Ib(A)= b wenn gilt: Ab ist invariant unter I, b Pb ] = 0 Ab0 = Ab ⇔ [A, 81 (4.3) 82 KAPITEL 4. SYMMETRIETRANSFORMATIONEN Invarianz des Hamiltonoperators: Formal gilt b Pb + = −p b Pb br Pb + = −br , Pb p (4.4) b = Tb + Vb invariant unter Pb , falls Vb (−r) = Vb (r). H b und Pb haben dann eine Daher ist H gemeinsame Eigenbasis: b H|ψi = E|ψi , Pb |ψi = ±|ψi b nach der Parität klassifizieren, sofern E nicht Man kann somit die Eigenzustände von H entartet ist: Pb |ψi = |ψi d. h. ψ(−r) = ψ(r) heißen gerade Pb |ψi = −|ψi d. h. ψ(−r) = −ψ(r) heißen ungerade. b H|ψ b i i = E|ψi i mit (i = 1, . . . , r) können die |ψi i Für entartete Eigenwerte von H: verschiedene Parität haben. 4.2 Translationen um den Vektor a Translationen in Orstsdarstellung: Tb(a) ψ(r) = ψ(r − a) (4.5) Translationsgruppe: Die Translationen bilden eine Translationsgruppe im R3 , wobei die Menge {Tb(a)} eine unitäre Darstellung der Translationsgruppe in H bildet. Gruppenoperationen: Tb(a) Tb(b) = Tb(b) Tb(a) = Tb(a + b) Formal gilt: Tb(a) br Tb+ (a) = r − a b Tb+ (a) = p b , Tb(a) p Klar, denn z. B. h̄ Tb pb Tb+ ψ(r) = Tb pb ψ(r − a) = Tb(a) ∇r ψ(r − a) |i {z } ψ̃(r) = ψ̃(r − a) = h̄ b ψ(r) ∇r−a ψ(r) = p i | {z } ≡∇r (4.6) (4.7) 4.3. ROTATIONEN UM DEN URSPRUNG 83 b vertauschen. Damit folgt als simultane Aus dieser Relation folgt auch, daß Tb(a) und p Eigenbasis |pi mit i e h̄ p·r hr|pi = 3 (2πh̄) 2 Mit (4.5) folgt dann für die Eigenwerte von Tb: i Tb(a)|pi = e− h̄ p·a |pi p·a Tb(a) = e− h̄ b i ⇒ (4.8) i 3 i Klar, denn hr|Tb(a)|pi = hr − a|pi = e h̄ p(r−a) /(2πh̄) 2 = e− h̄ p·a hr|pi. b Translationsinvarianz von H: b mit allen Tb(a), so gilt: Vertauscht H h i b Tb(a) = 0 H, h für alle a ⇔ i b p b =0 H, b = H(p b) H 4.3 Rotationen um den Ursprung Rotationen: Wir betrachten Rotationen R, die das Dreibein {ei }, i = 1, 2, 3 in {e0 i } drehen. Es gilt dann e0 i = R · ei = 3 X Rij · ej ≡ R(ei ) (4.9) j=1 Die Matrixelemente Rij sind gegben durch: Rij = e0 i · ej (4.10) Für beliebige Vektoren A folgt A= 3 X i=1 Ai ei (4.11) 84 KAPITEL 4. SYMMETRIETRANSFORMATIONEN und A0 = R(A) = 3 X Ai e0 i = i=1 3 X A0i ei (4.12) i=1 Die Komponenten A0i im alten Koordinatensystem sind: A0k = 3 X Rki Ai (4.13) i=1 (4.12) skalar mit ek multipliziert. Die Menge aller Rotationen R um einen festen Punkt im <3 bilden die Spezielle orthogonale Gruppe in 3 Dimensionen SO(3). (4.13) entspricht einer Darstellung dieser Gruppe durch (3 × 3)-Matrizen. Die Matrizen R haben die Eigenschaften: R∗ = R , R+ = R−1 , det R = 1 (4.14) d. h. wir hatten rechtshändige Koordinatensysteme vorausgesetzt, die Rechtshändigkeit bleibt bei einer orthogonalen Transformation erhalten . Es folgt sofort, daß jede Matrix mit den Eigenschaften (4.14) einer Rotation entspricht. Parametrisierung von Rotationen: 1. In der Klassischen Mechanik durch Angabe der Eulerschen Winkel. 2. In der Quantenmechanik erscheint folgende Parametrisierung sinnvoll. Jeder Drehung wird ein Vektor α zugeordnet, dessen Richtung die Drehachse anzeigt und dessen Länge der Drehwinkel ist. Um dies eindeutig zu machen, kann man |α| ≤ π fordern und für |α| = π die Vektoren α und −α identifizieren. Wirkung von Rotationen auf Zustände wird mit Hilfe eines unitären Operators b im Hilbertraum definiert: D b D|ψi = R(|ψi) (4.15) Dabei wirkt z. B. in der Ortsdarstellung eine Rotation R nur auf r: ψ 0 (r) ≡ R(ψ(r)) 4.3. ROTATIONEN UM DEN URSPRUNG 85 Für Operatoren gilt: b =D bA bD b+ Ab0 = R(A) (4.16) b in H bekommen wir mit Hilfe des Drehimpulsoperators: Eine Darstellung von D b =b b L r×p (4.17) b abhängen, weil Rotationsinvarianz (etwa des HaDie Darstellung wird deshalb von L miltonoperators) mit der Erhaltung des Drehimpulses zusammenhängt. Aus ähnlichen Gründen war zuvor der Translationsoperator notwendigerweise mit dem Impulsoperator verknüpft, siehe (4.8). b sind hermitesch, weil wegen Alle Komponenten von L b i = ²ijk x bj pbk L (4.18) b verknüpft werde. ²ijk ist ein total nur kommutierende Komponenten von br und p antisymmetrischer Tensor mit den Eigenschaften: ²ijk = ei ·(ej ×ek ) = 1 : (i, j, k) zyklisch aus (1, 2, 3) −1 : (i, j, k) antizyklisch aus (1, 2, 3) 0 : sonst (4.19) In der Notation (4.18) wird über gleich vorkommende Indizes summiert (d. h. über j), somit folgt z. B.: b 1 = ²123 x b2 pb3 + ²132 x b3 pb2 = x b2 pb3 − x b3 pb2 L b i vertauschen nicht untereinander, sondern es gilt: Die Komponenten L h i bk bi, L b j = ih̄²ijk L L (4.20) Dieses entspricht b ×L b = ih̄L b L b ist dann explizit gegeben durch Die Darstellung D 86 KAPITEL 4. SYMMETRIETRANSFORMATIONEN µ ¶ b b α) = exp − i α D(~ ~L h̄ (4.21) Zum Beweis von (4.21) legen wir die z-Achse in Richtung von α ~ und benutzen Polarkoordinaten. In der Ortsdarstellung: h̄ b3 ≡ L bz = x bpby − ybpbx = L i µ ∂ ∂ b x − yb ∂y ∂x ¶ = h̄ ∂ i ∂ϕ (4.22) (4.22) in (4.21) eingesetzt: µ b α) = exp − i αLz D(~ h̄ ¶ µ = exp −α ∂ ∂ϕ ¶ , α ~ = αe3 ≡ αez (4.23) und µ b α)ψ(r, θ, ϕ) D(~ ¶ ∂ ψ(r, θ, ϕ) = exp −α ∂ϕ µ ¶ ∞ X (−α)n ∂ n = ψ(r, θ, ϕ) n! ∂ϕ n=0 = ψ(r, θ, ϕ − α) Dies entspricht einer Drehung um die z-Achse um den Winkel α. Speziell für eine infinitesimale Drehung |~ α| ¿ 1 gilt: b α) = 1 − D(~ i b α ~L + . . . h̄ bA bD b+ = D bA bD b −1 = (1 − Ab0 = D i b i b b α ~ L)A(1 + α ~ L) h̄ h̄ Daraus folgt: Ab0 = Ab − i h b bi α ~ L, A + . . . h̄ (4.24) Rotationsinvariante Größen: b 2 , V (r), 1 , H b = pb2 + V (rb). b 2, b b, L Rotationsinvariante Größen sind z. B.: p r2 , br · p 2m |b r| 4.3. ROTATIONEN UM DEN URSPRUNG 87 Dies sind alles skalare Operatoren oder Skalaroperatoren. Offensichtlich gilt für alle b Skalaroperatoren A: h i h i b L = 0 ⇔ A, b D(~ b α) = 0 für alle α A, ~ b = b L b 2 ] = [L b 2 , L] Bei Rotationsinvarianz bleibt also der Drehimpuls erhalten. Wegen [H, 2 b b b b b b [L, P ] = 0 kann man H, L , Lz , P simultan diagonalisieren. i h b P b = 0 folgt aus (4.4): Die Gültigkeit von L, h b Pb L, i b Pb − Pb L b = (b b ) Pb − Pb (b b) = L r×p r×p b Pb + (Pb p b Pb + ) Pb b )Pb − (Pb b = (br × p r Pb + ) × P | {z } | {z } =1 −b r | {z } −b p b )Pb − (b b )Pb = 0 = (br × p r×p Die Invarianz des Hamiltonoperators gegenüber verschiedenen Symmetrieoperationen hat weitreichende Konsequenzen. Bis jetzt wissen wir: h i b p b H, h i b = H(p) , H, b L b =0 H ⇒ ⇒ b = H(pb2 ) H (4.25) Vertauschungsregeln für Drehimpuls und Vektoroperatoren: Für infinitesimale Drehungen gilt (4.24): b0 = A b − A i h b bi α ~ L, A + . . . h̄ Andererseits gilt aber auch: b0 = A b −α b + ... A ~ ×A α A α b A] b oder Somit α ~ × Ab = h̄i [αL, h A (4.26) i bk bi, A bj = ih̄²ijk A L (4.27) 88 KAPITEL 4. SYMMETRIETRANSFORMATIONEN Polarkoordinaten: Der Vollständigkeit halber und für den späteren Gebrauch notieren wir: x = r sin θ cos ϕ y = r sin θ sin ϕ eϕ er e3 θ ϕ e1 r z = r cos θ eθ r = (sin θ cos ϕ, sin θ sin ϕ, cos θ), r ∂ = er = (cos θ cos ϕ, cos θ sin ϕ, − sin θ), ∂θ = er × eθ = (− sin ϕ, cos ϕ, 0) er = e2 r sin θ eθ eϕ (4.28) Für den Gradienten folgt: ∇ = er 1 ∂ 1 ∂ ∂ + eθ + eϕ ∂r r ∂θ r sin θ ∂ϕ (4.29) und für die einzelnen Drehimpulskomponenten ergibt sich: b1 L b2 L b3 L µ ¶ µ ¶ ∂ h̄ ∂ ∂ ∂ = − sin ϕ − cos ϕ cot θ , yb − zb i ∂z ∂y i ∂θ ∂ϕ µ ¶ µ ¶ ∂ ∂ h̄ ∂ b y = h̄ zb ∂ − x b ≡ L − sin ϕ cot θ = − cos ϕ , i ∂x ∂z i ∂θ ∂ϕ µ ¶ ∂ ∂ h̄ ∂ b z = h̄ x b ≡ L − yb = , i ∂y ∂x i ∂ϕ b x = h̄ ≡ L b2 ≡ L 3 X i=1 à b 2 = −h̄2 L i µ ∂ 1 ∂2 1 ∂ 2 ∂ϕ2 + sin θ ∂θ sin θ ∂θ sin θ b =b (4.30) folgt aus (4.29) mittels: L r × h̄i ∇. ¶! (4.30) Kapitel 5 Quantentheorie des Drehimpulses 5.1 Eigenwerte des Drehimpulsoperators Im folgenden interessieren wir uns insbesondere für die Eigenfunktionen und Eigenwerte b 2 und L bz . von L Vertauschungsrelationen: h i Jbi , Jbj = ih̄²ijk Jbk (5.1) b mit diesen Vertauschungsrelationen heißt Drehimpuls. (5.1) folgt bereits Ein Operator J aus den infinitesimalen Erzeugenden einer Darstellung der Drehgruppe SO(3), wobei die Struktur der Gruppe verantwortlich ist für die Strukturkonstanten ²ijk . In der Feldtheorie bezeichnet man ²ijk auch als Levi-Civita-Tensor. Es gilt wie zuvor: i b b D(α) = e− h̄ α~ J (5.2) b heißt L b =b b Bahndrehimpuls. Wir setzen: Im Unterschied zu J r×p b = h̄Λ , J [Λi , Λj ] = i²ijk Λk (5.3) Wir benötigen weiter die Definitionen: (Λ+ = Λ ⇒ Λ+ = Λ+ − ), Λ± = Λx ± iΛy 2 Λ = Λ2x + Λ2y + [Λz , Λ± ] = ±Λ± 2 Λ+ Λ− = Λ − h Λ2z Λ2z , , + Λz 2 i h 2 i Λ , Λi = 0 ⇒ Λ , Λ± = 0 [Λ+ , Λ− ] = 2Λz , , 89 2 Λ− Λ+ = Λ − (5.4) (5.5) (5.6) Λ2z − Λz . (5.7) 90 KAPITEL 5. QUANTENTHEORIE DES DREHIMPULSES Wegen (5.5) können wir Λ2 und Λz simultan diagonalisieren. Wegen Λ2 ≥ 0 hat Λ2 keine negativen Eigenwerte. Wir schreiben sie ohne Beschränkung als: Λ2 |λµ i = λ(λ + 1)|λµ i , Λz |λµ i = µ|λµ i , λ ≥ 0 (5.8) wobei {|λµ i} die simultane Eigenbasis bezeichnet. Für die Mittelwerte von Λ+ Λ− und Λ− Λ+ folgt aus (5.7): hλµ |Λ+ Λ− |λµ i = hλµ |Λ2 − Λ2z + Λz |λµ i h = i λ(λ + 1) − µ2 + µ hλµ |λµ i = (λ + µ)(λ − µ + 1) hλµ |Λ− Λ+ |λµ i = hλµ |Λ2 − Λ2z − Λz |λµ i h = i λ(λ + 1) − µ2 − µ hλµ |λµ i = (λ − µ)(λ + µ + 1) Dabei wurde vorausgesetzt, daß die {|λµ i} normiert sind. Wegen hλµ |Λ± Λ∓ |λµ i = hΛ∓ λµ |Λ∓ λµ i ≥ 0 folgt: λ ≥ µ ≥ −λ (5.9) Falls Λ+ |λµ i = 0 ⇔ µ = λ Λ− |λµ i = 0 ⇔ µ = −λ Falls Λ+ |λµ i 6= 0: Λ2 (Λ+ |λµ i) = Λ+ Λ2 |λµ i = λ(λ + 1)(Λ+ |λµ i), Λz (Λ+ |λµ i) = Λ+ + Λ+ Λz |λµ i = (µ + 1)(Λ+ |λµ i), Daraus folgt, daß Λ+ |λµ i ein Eigenzustand zu Λ2 und Λz ist. (5.10) 5.1. EIGENWERTE DES DREHIMPULSOPERATORS 91 Falls Λ− |λµ i 6= 0: Λ2 Λ− |λµ i = λ(λ + 1)Λ− |λµ i , Λz Λ− |λµ i = (µ − 1)Λ− |λµ i Somit folgt, daß Λ− |λµ i ebenfalls ein Eigenzustand zu Λ2 und Λz ist. Λ+ und Λ− verhalten sich ähnlich wie die Auf- und Absteigeoperatoren beim harmonischen Oszillator. Wegen (5.10) hat man hier für µ eine Beschränkung nach unten und nach oben, d. h. beim wiederholten Aufsteigen bzw. Absteigen gelangt man notwendigerweise zu µ = λ bzw zu µ = −λ. Damit muß 2λ = n eine ganze Zahl sein. Somit kann λ nur die Werte λ = n2 = 0, 12 , 1, 32 , . . . annehmen. Die zugehörigen Eigenwerte von Λz sind µ = −λ, −λ + 1, . . . , λ − 1, λ. Sie sind also mit λ ganz oder halbzahlig. Zu gegebenem Eigenwert λ(λ + 1) von Λ2 gibt es genau 2λ + 1 Eigenwerte von Λz . D. h. zu jedem n bzw. λ können wir eine Darstellung konstruieren, deren Dimensionen gerade 2λ + 1 ist. Eine Basis dieses 2λ + 1-dimensionalen Raumes ist durch {|λµ i} gegeben. Standarddarstellung: Die allgemein gebräuchliche Notation ist λ→j , µ→m Jb2 |j mi = h̄2 j(j + 1)|j mi , Jbz |j mi = h̄m|j mi, mit j ≥ 0 , (5.11) m = −j, −j + 1, . . . , j − 1, j Die auf der vorherigen Seite erwähnten Relationen legen folgende Definitionen nahe: 1 Λ− |j mi j(j + 1) − m(m − 1) |j m − 1i = p 1 Λ+ |j mi j(j + 1) − m(m + 1) |j m + 1i = p (5.12) In der Standarddarstellung werden die Operatoren Λ(j) durch folgende Matrizen dargestellt: hj m|Λz(j) |j m0 i = mδmm0 (j) hj m|Λ± |j m0 i = q j(j + 1) − mm0 δm,m0 ±1 (5.13) 92 KAPITEL 5. QUANTENTHEORIE DES DREHIMPULSES Beispiele: j=0: j= 1 2 b=0 Λ=J : 1 Λz = 2 à 1 0 0 −1 ! à , Λ+ = 0 1 0 0 ! à , Λ− = 0 0 1 0 ! Oder auch Λ = 21 σ, wobei die Komponenten von σ die Paulischen Spinmatrizen repräsentieren: à σ1 = 0 1 1 0 ! à , σ2 = 0 −i i 0 ! à , σ3 − = 1 0 0 −1 ! j=1: 1 0 0 Λz = 0 0 0 0 0 −1 , 0 Λ+ = 0 0 √ 2 √0 0 2 0 0 , 0 0 0 √ Λ− = 2 √0 0 0 2 0 Jb2 und Jbz sind gleichzeitig scharf meßbar, da die Operatoren vertauschen. Jbx und Jby sind nicht gleichzeitig scharf meßbar. Die Unschärfe ist in diesem Fall: (∆Jbx )2 = hJbx2 − hJbx i2 i h̄2 hj m|Λ2+ + Λ2− + Λ+ Λ− + Λ− Λ+ |j mi = 4 h̄2 = hj m|2(Λ2 − Λ22 )|j mi 4 i h̄2 h h̄2 = j(j + 1) − m2 ≥ 2 2 (5.14) D. h. ∆Jbx > 0 außer für j = 0. In (5.14) wurde noch hJbx2 − Jby2 i = 0 benutzt. b = rb × pb: Bahndrehimpuls L b 2 |l mi = h̄2 l(l + 1)|l mi , L b z |l mi = h̄ m|l mi L In der Ortsdarstellung gilt: b z |l mi = h̄ mhr|l mi hr|L (5.15) 5.2. KUGELFUNKTIONEN Mit Lz = h̄ ∂ i ∂ϕ 93 folgt: h̄ ∂ hr|l mi = h̄ mhr|l mi i ∂ϕ Daraus folgt: 1 hr|l mi = √ eimϕ Flm (r, θ) 2π (5.16) √ 2π ist Konvention. Eindeutigkeit von hr|l mi verlangt eim(ϕ+2π) = eimϕ . Deshalb ist im2π e = 1, also m und l ganzzahlig mit l = 0 (s), 1 (p), 2 (d), 3 (f ), . . . 5.2 Kugelfunktionen Wir wollen die Eigenfunktionen des Bahndrehimpulses L = r × p kennenlernen. In Ortsdarstellung ist bei einer Drehung von ψ(r, θ, ϕ) nur der Winkelanteil betroffen, b wirkt nur auf die Winkel. Wir bauen daher den Hilbertraum als Tend. h., auch L sorprodukt von Radialwellenfunktionen und Winkelfunktionen auf der Kugeloberfläche auf: ψ(r, θ, ϕ) = fl (r) · Ylm (θ, ϕ) ≡ hr|lmi (5.17) l, m sind Indizes für die Basen, was noch zu zeigen ist. Aus (4.30) folgt: b ± = h̄ L i µ ∂ ∂ − sin ϕ − cos ϕ cot θ ∂θ ∂ϕ ¶ µ h̄ ∂ ∂ ±i cos ϕ − sin ϕ cot θ i ∂θ ∂ϕ ¶ Daraus folgt: µ ¶ ∂ ∂ ±iϕ b b b L± = Lx ±iLy = h̄e ± + i cot θ ∂θ Aus (5.12) folgen die Relationen, ∂ϕ , bz = L h̄ ∂ i ∂ϕ (5.18) 94 KAPITEL 5. QUANTENTHEORIE DES DREHIMPULSES s |jmi = (j + m)! Λj−m |jji = (2j)!(j − m)! − s (j − m)! Λj+m |j − ji (2j)!(j + m)! + (5.19) so daß man für die Eigenfunktionen des Bahndrehimpulses in der Ortsdarstellung auch schreiben kann (j → l): s hr|lmi = (l + m)! Λl−m hr|lli (2l)!(l − m)! − (5.20) mit Λ+ hr|lli = 0. (5.21) Für (5.21) läßt sich mit (5.16) und (5.18) weiter schreiben: µ Λ+ hr|lli = eiϕ Daraus folgt: µ ∂ ∂ + i cot θ ∂θ ∂ϕ ¶ 1 √ eilϕ Fll (r, θ) 2π ¶ ∂ − l cot θ hr|lli = 0 ∂θ (5.22) (5.22) spielt dieselbe Rolle wie bϕ0 = 0 beim harmonischen Oszillator. Die Lösung von (5.22) ist eilϕ hr|lli = al fl (r) · √ sinl θ (5.23) 2π Für den Normierungsfaktor al ergibt sich Z∞ Z 3 2 Z dr r2 |fl (r)|2 d r |hr|lli| = 0 {z | =1 } | sin θ dθ dϕa2l {z sin2l θ 2π } =1 Daraus folgt: Zπ 1= a2l Z1 2l+1 dθ sin 0 θ= a2l dx (1 − x2 )l = 2 −1 22l (l!)2 2 a (2l + 1)! l 5.2. KUGELFUNKTIONEN 95 Damit gilt: p (2l + 1)! eilϕ √ √ sinl θ · fl (r) 2l l! 2 2π hr|lli = (5.24) Für m 6= l folgt aus (5.17) und (5.20): hr|lmi = fl (r) · Ylm (θ, ϕ) mit s Ylm (θ, ϕ) = al p (l + m)! eilϕ Λl−m sinl θ − √ (2l)!(l − m)! 2π (2l + 1)! √ 2l l! 2 = s · µ ∂ ∂ (l + m)! e−iϕ − + i cot θ (2l)!(l − m)!2π ∂θ ∂ϕ ¶¸l−m eilϕ sinl θ Setzen wir sinl θ ≡ g(θ) und l − m = n, so folgt: µ Λn− eilϕ g(θ) ¶ ∂ ∂ n ilϕ = e − + i cot θ e g(θ) ∂θ ∂ϕ ¶n µ ∂ − l cot θ g(θ) = eiϕ(l−n) − ∂θ −iϕn (5.25) Mit x = cos θ gilt: µ − ¶ · ¸ l d (1 − x2 ) 2 g(θ) dx · ¸ d = sin−l+1 θ sinl θ g(θ) d(cos θ) ∂ − l cot θ g(θ) = ∂θ (1 − x2 ) −l+1 2 (5.26) (5.26) läßt sich leicht nachrechnen: x = cos θ , dx = − sin θ dθ Daraus folgt: (1 − x2 ) −l+1 2 −l+1 l l l d (1 − x2 ) 2 g(θ) = (1 − x2 ) 2 (1 − x2 ) 2 −1 (−2x)g(θ) dx 2 −l+1 l 1 d −(1 − x2 ) 2 (1 − x2 ) 2 g(θ) 1 (1 − x2 ) 2 dθ µ = ¶ d − − l cot θ g(θ) dθ 96 KAPITEL 5. QUANTENTHEORIE DES DREHIMPULSES Für (5.25) folgt dann · µ Λn− eilϕ g(θ) = eiϕ(l−n) sinn−l θ d d(cos θ) ¶n ¸ sinl θ g(θ) (5.27) und somit für Ylm (θ, ϕ): (−1)l Ylm (θ, ϕ) = l 2 l! s 2l + 1 (l + m)! eimϕ 4π (l − m)! sinm θ µ d d(cos θ) ¶l−m sin2l θ (5.28) Für Yl0 folgt: s Yl0 = 2l + 1 (−1)l 4π 2l l! µ d d(cos θ) Pl (x) = ¶l s sin2l θ = 2l + 1 Pl (cos θ) 4π 1 dl 2 (x − 1)l 2l l! dxl (5.29) (5.30) Die Pl (x) heißen Legendresche Polynome und sind spezielle Kugelfunktionen. Die Ylm (θ, ϕ) heißen Kugelflächenfunktionen erster Art. Der Faktor (−1)l führt sin2l θ = (1 − x2 )l in (x2 − 1)l über. Er ist in (5.28) willkürlich hinzugefügt worden. Aus (5.30) folgt, daß die Pl (x) Polynome vom Grade l sind: P0 (x) = 1, P1 (x) = x, Pl (1) = 1, 1 P2 (x) = (3x2 − 1), . . . 2 Pl (−1) = (−1)l . Parität der Kugelflächenfunktionen: Aus (4.28) folgt, daß r → −r in Polarkoordinaten bedeutet: r→r Daraus folgt: , θ →π−θ , ϕ→ϕ+π (5.31) (5.32) 5.2. KUGELFUNKTIONEN 1. 97 Pb ψ(r, θ, ϕ) = ψ(r, π − θ, ϕ + π) (5.33) Für die einzelnen Anteile in Ylm (θ, ϕ) heißt das: cos θ → − cos θ , sin θ → sin θ eimϕ → (−1)m eimϕ , , 2. Insgesamt folgt Pb Ylm (θ, ϕ) = Ylm (π − θ, ϕ + π) = (−1)m (−1)l−m Ylm (θ, ϕ) = (−1)l Ylm (θ, ϕ) (5.34) Die Parität der Kugelflächenfunktionen ist Pb = (−1)l . 3. Eine zu (5.28) analoge Darstellung für m → −m liefert: ∗ Yl −m (θ, ϕ) = (−1)m Ylm (θ, ϕ) (5.35) 4. Die Ylm bilden eine Basis auf der Einheitskugel: Z ∗ dΩ Ylm (θ, ϕ)Yl0 m0 (θ, ϕ) = δll0 δmm0 (5.36) 5. Insbesondere können Funktionen F (θ, ϕ) nach den Ylm entwickelt werden: F (θ, ϕ) = ∞ X l X Z alm Ylm (θ, ϕ) , alm = ∗ dl Ylm (θ, ϕ)F (θ, ϕ) (5.37) l=0 m=−l Aus (5.28) folgt für die ersten Kugelflächenfunktionen: r Y00 = Y11 = Y22 = Y20 = Y2 −2 = 1 , 4π r r r 1 3 1 3 −iϕ 1 3 iϕ e sin θ , Y10 = cos θ , Y1 −1 = e sin θ − 2 2π 2 r 2π 2 2π r 1 15 i2ϕ 2 1 15 iϕ e sin θ , Y21 = e sin θ cos θ 4 r 2π 2 2πr 1 5 1 15 −iϕ (3 cos2 θ − 1) , Y2 −1 = e sin θ cos θ 4rπ 2 2π 1 15 −i2ϕ 2 e sin θ (5.38) 4 2π Offensichtlich ist die Wahrscheinlichkeitsdichte |Ylm |2 rotationssymmetrisch bezüglich der z-Achse. 98 5.3 KAPITEL 5. QUANTENTHEORIE DES DREHIMPULSES Teilchen im sphärisch symmetrischen Potential Für ein Teilchen im Zentralfeld ist die potentielle Energie kugelsymmetrisch. Es ist daher sinnvoll, Polarkoordinaten zu benutzen. D.h. " # h̄2 − ∆ + V (br) ψ(r) = Eψ(r) 2m geht mit " (5.39) µ 1 1 ∂ 1 ∂2 1 ∂2 ∂ r + + ∆= sin θ 2 2 2 2 r ∂r r sin θ ∂ϕ sin θ ∂θ ∂θ " b 2 = −h̄2 L ⇒ ∆= µ ∂ 1 ∂2 1 ∂ 2 ∂ϕ2 + sin θ ∂θ sin θ ∂θ sin θ b2 1 ∂2 L r − r ∂r2 h̄2 r2 oder pb2 = − ¶# (5.40) ¶# b2 h̄2 ∂ 2 L r + r ∂r2 r2 (5.41) (5.42) über in: " # b2 h̄2 ∂ 2 L − (r ψ) + + V (r) ψ = Eψ 2mr ∂r2 2mr2 (5.43) b L b 2 und L b z mitWegen des gegen Rotationen invarianten Zentralfeldes vertauschen H, einander, d.h., diese Operatoren sind simultan diagonalisierbar. Die Eigenfunktionen b sind für beliebiges fl (r) Eigenfunktionen von L b 2 und ψ(r, θ, ϕ) = fl (r) Ylm (θ, ϕ) von H b z . Setzen wir diesen Separationsansatz in (5.43) ein, so folgt für die RadialwellenL funktion fl (r) die Differentialgleichung: " # h̄2 d2 h̄2 l(l + 1) − (r f ) + + V (r) fl (r) = E fl (r) l 2mr dr2 2mr2 (5.44) Ähnlich wie in der Klassischen Mechanik läßt sich hier die Größe h̄2 l(l+1)/2mr2 +V (r) als effektives Potential interpretieren: Vef f (r) = h̄2 l(l + 1) + V (r) 2mr2 (5.45) 5.3. TEILCHEN IM SPHÄRISCH SYMMETRISCHEN POTENTIAL 99 Mit der Substitution Rl (r) = r fl (r) (5.46) folgt aus (5.44): − h̄2 00 R (r) + Vef f (r) · Rl (r) = ERl (r) 2m l (5.47) b Die Lösung von (5.47) hängt von l, nicht aber von m ab. Die Eigenzustände von H 2 b b b sind also bezüglich m entartet. Wegen der Vertauschbarkeit von H, L , Lz können wir schreiben: b H|lmi = E|lmi , b 2 |lmi = h̄2 l(l + 1)|lmi , L b z |lmi = h̄m|lmi L b x, L b y und L b ± mit H b vertauschen, Die Entartung hängt nun damit zusammen, daß auch L denn: b ± |lmi ∼ |l m ± 1i , H|lmi b L = E|lmi ⇒ b ± H|lmi b bL b ± |lmi = E L b ± |lmi L =H ⇒ b m ± 1i = E|l m ± 1i H|l zum gleichen Eigenwert E. Wegen ψ = fl Ylm = Rl r Ylm hat die Normierungsbedingung Z∞ Z∞ 2 2 dr |Rl (r)|2 dr r |fl (r)| = 0 (5.48) 0 die gewohnte Gestalt. (5.47) heißt auch radiale Schrödingergleichung. Sie ist eindimensional. Ihre Lösung läßt sich für beliebige V (r) nicht explizit angeben. Man kann aber das Verhalten der Lösungen für große und kleine r diskutieren. Hierzu machen wir die folgende Annahme. Für r → 0 soll |V (r)| schwächer als r12 wachsen. Daraus folgt, daß |V (r)|r2 → 0, d.h., man kann V (r) gegen die Zentrifugalbarriere vernachlässigen. Dann wird aus (5.47): l(l + 1) −Rl00 + R≈0 r2 Daraus folgt: 100 KAPITEL 5. QUANTENTHEORIE DES DREHIMPULSES Rl ∼ rl+1 (5.49) Lösungen der Form Rl ∼ r−l scheiden wegen Nichtnormierbarkeit aus r→0 fl (r) ∼ rl Für r → ∞ soll |V (r)| stärker als 1 r (5.50) abnehmen. Damit folgt aus (5.47): − h̄2 00 R = ER 2m Deshalb gilt: ( R= 2 2 k ≥0 a sin kr + b cos kr = c sin(kr + η) : E = h̄2m 2 2 k −kr kr Ae + Be : B ≡ 0 , E = − h̄2m <0 (5.51) oder ( f (r) = c sin(kr+η) r −kr Aer : E≥0 : E<0 (5.52) E < 0: Die Forderung, daß A exp(−kr) für r → 0 stetig in rl übergeht, ist nur für r bestimmte diskrete Energiewerte möglich. Die diskreten Energiewerte erhalten daher neben l die zusätzliche Quantenzahl n: b H|nlmi = Enl |nlmi (5.53) Rnl (r) zählt n alle möglichen Längen zu einem festen l ab. r sin(kr+η) (Kugelwelle) stetig in rl übergehen. Dies ist für jedes belier Wegen fnl (r) = E ≥ 0: Hier muß bige E > 0 möglich. Daher entspricht E ≥ 0 dem kontinuierlichen Spektrum. η hat l als Index. Für V = 0 folgt: ηl (V = 0) = − lπ 2 (5.54) Den durch das Potential bewirkten Phasenunterschied nennt man die Streuphase δl : δl = ηl − ηl (V = 0) (5.55) 5.4. DAS WASSERSTOFFATOM 5.4 101 Das Wasserstoffatom 2 Ein Elektron im Coulombpotential V (r) = − er ist ein einfaches Modell für ein Wasserstoffatom (mP roton = ∞). Die Naturkonstanten sind mittels einer Skalentransformation eleminierbar. Längen: r a0 ρ= , a0 = h̄2 ≈ 0.53 Å me2 (Bohrscher Radius) Energien: ²= E Ry , Ry = Damit geht e2 h̄2 me4 = ≈ 13.604eV = 2a0 2ma20 2h̄2 " # h̄2 00 h̄2 l(l + 1) e2 − Rl (r) + Rl (r) = E · Rl (r) − 2m 2mr2 r nach Multiplikation mir − 2ma20 h̄2 über in: ¸ · d2 R 2 l(l + 1) R=0 + ²+ − 2 dρ ρ ρ2 (5.56) Sei ² < 0. Der folgende Ansatz liegt nahe: R(ρ) = e−αρ ρl+1 X βν ρν , ² = −α2 ν=0 (5.57) Für die ersten beiden Ableitungen von R(ρ) folgt: R0 (ρ) = X ν=0 00 R (ρ) = X ν=0 h i e−αρ βν (ν + l + 1)ρν+l − αρν+l+1 , h e−αρ βν (ν + l + 1)(ν + l)ρν+l−1 − 2α(ν + l + 1)ρν+l + α2 ρν+l+1 i 102 KAPITEL 5. QUANTENTHEORIE DES DREHIMPULSES Einsetzen in (5.56) ergibt die Rekursion: X h eαρ βν ρν (ν + l + 1)(ν + l)ρν+l−1 − 2α(ν + l + 1)ρν+l + α2 ρν+l+1 ν=0 ¶ µ + ¸ 2 l(l + 1) ν+l+1 ρ =0 − ρ ρ2 ²+ Daraus folgt: X h eαρ βν ((ν + l + 1)(ν + l) − l(l + 1)) ρν+l−1 + 2(1 − α(ν + l + 1))ρν+l ν=0 i + (² + α2 ) ρν+l+1 = 0 | {z } =0 Damit gilt: βν+1 [(ν + l + 2)(ν + l + 1) − l(l + 1)] = 2βν [α(ν + l + 1) − 1] (5.58) Angenommen die Taylorreihe in (5.57) bricht nicht ab. Für ν À l folgt: βν+1 = 2α βν ν ⇒ βν = (2αν ) β0 ν! β0 ist eine Normierungskonstante und R wächst dann wie: R = e−αρ ρl+1 X (2α)ν ρν β0 = β0 eαρ ρl+1 ν=0 | ν! {z ∼ r→∞ eαρ −→ ∞ } e2αρ Diese Alternative scheidet aus. Demnach muß die Taylorreihe für ein ν = nν abbrechen, d.h., βnν 6= 0, βν = βnν +1 = 0. Dies führt zu einer Bedingung für α: α= 1 1 ≡ nν + l + 1 n , nν = 0, 1, . . . (5.59) n heißt Hauptquantenzahl. Für die Energie der gebundenen Zustände folgt mit ² = −α2 = − n12 : 5.4. DAS WASSERSTOFFATOM En = − 103 Ry e2 1 = − , n = 1, 2, . . . n2 2a0 n2 (5.60) Wegen nν +l+1 = n , nν = 0, 1, . . . folgt für die Drehimpulsquantenzahl l zu gegebenem n: 0≤l ≤n−1 (5.61) Das heißt zu l = 0, 1, . . . , n − 1 gehört dieselbe Energie En . Zu jedem l gibt es weitere (2l + 1) Zustände |lmi. Somit ist der Gesamtentartungsgrad von En : n−1 X n−1 X l=0 l=0 (2l + 1) = n + 2 l =n+2 n(n + 1) = n2 2 (5.62) Eigenfunktionen: ψnlm (r, θ, ϕ) = fnl (r) Ylm (θ, ϕ) mit R(ρ) − r 1 = cnl e na0 fnl (r) = r r µ r a0 ¶l+1 n−l−1 X µ βν ν=0 r a0 ¶ν und ³ βν+1 = 1 n 2 ν+l+1− βν n (ν + 1)(ν + 2l + 2) , βν = − n2 ´ν (n − l − 1)! ν!(2l + 1 + ν)!(n − l − ν − 1)! β0 Damit folgt für die Radialwellenfunktion: 1 − r fnl (r) = cnl e na0 a0 µ r a0 ¶l n−l−1 X µ ν=0 2r − na0 ¶ν (n − l − 1)!β0 ν!(2l + 1 + ν)!(n − l − ν − 1)! cnl ist eine Normierungskonstante. Etwas eleganter läßt sich fnl (r) mit Hilfe der verallgemeinerten Laguerre-Polynome ausdrücken: R(ρ) = e−αρ ρl+1 n−l−1 X ν=0 βν ρν ≡ e−αρ ρl+1 L(2αρ) (5.63) 104 KAPITEL 5. QUANTENTHEORIE DES DREHIMPULSES Mit x ≡ 2αρ und ½ · ¸ · x d2 R 2(l + 1) 1 l − 1 l(l + 1) = R00 = (2α)l+1 e− 2 xl+1 L00 + L0 −1 +L − + 2 dx x 4 x x2 ¸¾ führt (5.63) eingesetzt in (5.56) auf eine Differentialgleichung für L(x): · xL00 + L0 [2(l + 1) − x] + L ¸ 1 − (l + 1) = 0 α (5.64) Die sogenannte Laguerrsche Differentialgleichung lautet x · L00 (x) + L0 (x) [p + 1 − x] + q · L(x) = 0 (5.65) mit ganzzahligen p, q ≥ 0 und einer bei x = 0 regulären Lösung: Lpq (x) = (−1)p dp 0 L (x) , dxp q+p L0q (x) = ex dq ¡ −x q ¢ e x dxq (5.66) Damit läßt sich die Radialwellenfunktion für das Wasserstoffatom einschließlich Normierungsfaktor in folgender Form schreiben: fnl (r) = 1 2 3 2 a2 n 0 s (n − l − 1)! Fnl [(n + l)!]3 µ 2r na0 x Fnl (x) = e− 2 xl L2l+1 n−l−1 (x) fnl ist normiert: ¶ (5.67) Z∞ dr r2 fn0 l (r)fnl (r) = δnn0 (5.68) hnlm|n0 l0 m0 i = δnn0 δll0 δmm0 (5.69) 0 Daraus folgt: Das Laguerre-Polynom ist vom Grade q = α1 − l − 1 = n − l − 1 wegen (5.59), d.h., die Radialwellenfunktion hat genau n − l − 1 Knoten oder Nullstellen außer r = 0. Bei r = 0 liegt eine l-fache Nullstelle vor, so daß die Gesamtzahl der Nullstellen im 5.4. DAS WASSERSTOFFATOM 105 Endlichen gerade n − 1 ist. Die ersten Radialwellen lauten: f10 = 2 3 2 e − ar 0 a0 f20 = f30 = f21 = µ 1 3 2 (2a0 ) √ à 2 3 3 2 9a0 1 2− r a0 ¶ e − 2ar 2r 2 1− + 3a0 27 µ 0 r a0 ¶2 ! e − 3ar (5.70) 0 r − 2ar e 0 24a3 a0 q 0 Radiale Wahrscheinlichkeitsdichte: Z ωnl = d3 r |ψ(r, θ, ϕ)|2 δ(r − r0 ) = r2 |fnl (r)|2 = |Rnl (r)|2 Speziell folgt mit ψ100 = f10 Y00 = √ 2 4πa30 e − ar 0 für ω10 (r): 2 ω10 (r) = r2 f10 = r2 4 − a2r e 0 a30 mit einem Maximum bei r = a0 . ω10 "Bohrsche Bahn" a0 Für den mittleren Radius und reziproken mittleren Radius folgt: r (5.71) 106 KAPITEL 5. QUANTENTHEORIE DES DREHIMPULSES hrinlm = 1 h inlm = r a0 [3n2 − l(l + 1)] 2 1 a0 n2 (5.72) (5.73) Spektroskopische Nomenklatur (noch unvollständig wegen fehlendem Elektronenspin): Eigenfunktion (Orbital) ψ100 (1s) ψ200 (2s) ψ210 (2p) ψ211 (2p) ψ21−1 (2p) ψ300 (3s) ... Eigenwerte von b b2 bz H L L -Ry 0 0 Ry − 4 0 0 Ry 2 − 4 2h̄ 0 2 − Ry 2h̄ h̄ 4 − Ry 2h̄2 −h̄ 4 Ry − 9 0 0 Radiale Quantenzahl nν = n − l − 1 0 1 0 0 0 2 E > 0 : Hier läßt sich der Radialanteil mittels der konfluenten hypergeometrischen Reihe schreiben (E = h̄2 2m ³ k a0 ´2 ): ± ikr a Rkl (r) = Ckl e 0 µ r a0 ¶l+1 µ 1 2ikr F l + 1 ± , 2l + 2, ∓ ik a0 ¶ F führt für r → ∞ zu einem logarithmischen Term in der Phase! 5.5 Kovalente Bindungen und das H2 -Molekül Das Wasserstoffatom konnte exakt behandelt werden. Bei Atomen mit mehr als einem Elektron ist dies nicht mehr möglich. Bringt man viele Atome zusammen, so tritt ein neues Phänomen auf. Das System kann seine Energie durch Kondensation erniedrigen, d. h., durch Übergang zu einem Festkörper. Die Stabilität eines Festkörpers hängt im wesentlichen vom Bindungstyp ab, wobei die Bindung von den Elektronen in der äußeren Schale (Valenzelektronen) hervorgerufen wird. Man unterscheidet vier Bindungsarten: 5.5. KOVALENTE BINDUNGEN UND DAS H2 -MOLEKÜL 107 1. van der Waals-Bindung 2. Ionenbindung 3. kovalente Bindung 4. metallische Bindung Als Bindungs- oder Kohäsionsenergie bezeichnet man die Energie, die notwendig ist, um den Festkörper in seine atomaren Bestandteile zu zerlegen. Werden bei der Kondensation die Elektronenwellenfunktionen verbogen und tragen so zur Bindung bei, so nennt man dies eine kovalente Bindung. Bei der van der Waals- und Ionenbindung bleiben die Wellenfunktionen unverformt und die Bedingung VN (R) = minimal erlaubt eine zufriedenstellende Beschreibung. Diese Forderung alleine ist jetzt nicht mehr sinnvoll, da bereits in nullter Näherung die Valenzelektronenzustände im periodischen Potential mitgenommen werden müssen. Dieser Bindungstyp ist daher sehr viel schwieriger zu behandeln als alle anderen Arten von Bindung. Prominente Beispiele für kovalente Bindung sind Festkörper mit Tetraederstruktur (C,Si,Ge). Wegen der Gleichwertigkeit aller Atome existiert keine Ionenbindung und deshalb auch keine dichte Packung wie bei Ionenkristallen. Die Tetraederbindungen erinnern an die Bindung organischer Moleküle. D. h., die Valenzelektronen bleiben nicht an einem Atom lokalisiert, sondern haben eine endliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit zwischen benachbarten Atomen und an den Atomen selbst. Die kovalente Bindung zeichnet Richtungen aus. Einzelne kovalente Bindungen sind: H–H C–C Si–Si Ge–Ge : : : : 4.5eV 3.6eV 1.8eV 1.8eV In vielen Festkörpern ist die Bindung sowohl ionisch als auch kovalent. Interessant ist dabei das Verhalten bei zunehmender Valenz der Partner: Alkali-Halogenide: I-VII ionisch Erdalkali-Chalcogenide: I-VI etwas kovalent GaS, InSb u. s. w.: III-V Kovalenz überwiegt IV kovalent In der Gruppe der Erdalkali-Chalcogenide überwiegt der ionische Beitrag zur Bindung bei NaCl-Struktur, beim Zinkblendetyp hingegen der kovalente Anteil. GaS und InSb sind wichtige Halbleiter. 108 KAPITEL 5. QUANTENTHEORIE DES DREHIMPULSES Wir wollen das Zustandekommen der kovalenten Bindung am Beispiel des H2 -Moleküls demonstrieren. Darüber hinaus läßt sich auch das Heisenberg-Modell herleiten. Elektron 2 Elektron 1 r1a r12 r1b Atom a r2a Atom b R Ra r2b Rb 0 à H = | à = | e2 p21 − 2m r1a p21 e2 − 2m r1b ! à + {z ! H0 + {z à p22 e2 − 2m r2b p22 e2 − 2m r2a ! } ! } à e2 e2 e2 e2 + − − + r12 R r1b r2a | {z StörungH1 à e2 e2 e2 e2 + + − − r12 R r1a r2b {z | e0 H ! (5.74) } ! } e1 Störung H Grundzustand von H0 : ψI = ϕa (r1 ) ϕb (r2 ) (0) ⇒ E0 = 2²0 e0: Grundzustand von H ψII = ϕa (r2 ) ϕb (r1 ). Heitler und London: Betrachte eine Linearkombination von ψI und ψII : ψ(r1 , r2 ) = cI ψI + cII ψII (5.75) Dies entspricht einer störungstheoretischen Analyse, wobei cI und cII die Rolle von Variationsparametern übernehmen. Wir nehmen das Ergebnis der Rechnung vorweg: E= hψ|H|ψi hψ|ψi , ∂E =0 ∂ci 5.5. KOVALENTE BINDUNGEN UND DAS H2 -MOLEKÜL 109 Daraus folgt: à C A A∗ C !à ! cI cII à = (E − 2²0 ) 1 S2 S∗2 1 !à cI cII ! S, A, C sind reell, falls ϕa und ϕb reelle Werte besitzen. Daraus folgt: E± = 2²0 + C ±A 1 ± S2 , 1 cI = ±cII = p 2(1 ± S 2 ) (5.76) Die Indizes ± zeigen symmetrische bzw. antisymmetrische Wellenfunktionen an. Betrachte die Bindungsenergie der kovalenten Bindung E+ - 2ε0 Φ Triplett , E - R 0 = 0,7395 A R Φ Singulett , E + -5 eV ΦT riplett = ψ− (r1 , r2 ) χT (s1 , s2 ) mit ψ− = cI [ψI − ψII ] (5.77) ΦSingluett = ψ+ (r1 , r2 ) χS (s1 , s2 ) mit ψ+ = cI [ψI + ψII ] (5.78) Sei A < 0 für R > R0 und C > 0 für fast alle R, so folgt C + A|R>R0 < 0 und C − A|R>R0 > 0. Die Rechnung lautet im einzelnen: Sei cI , cII ∈ R; 1 ≡ r1 , 2 ≡ r2 . Z hψ|ψi = n d3 r1 d3 r2 c2I |ϕa (1)|2 |ϕb (2)|2 + c2II ϕa (2)|2 |ϕb (1)|2 +cI cII (ϕ∗a (1) ϕa (2) ϕ∗b (2) ϕb (1) + ϕ∗a (2) ϕa (1) ϕ∗b (1) ϕb (2))} hψ|ψi = c2I + c2II + 2cI cII S ∗ S (5.79) 110 KAPITEL 5. QUANTENTHEORIE DES DREHIMPULSES Z S= d3 r ϕ∗a (r)ϕb (r) (5.80) Z hψ|H|ψi = c2I d3 r1 d3 r2 ϕ∗a (1)ϕ∗b (2) [ H0 +H1 ] ϕa (1)ϕb (2) |{z} 2²0 Z h Z + cI cII Z d3 r1 d3 r2 ϕ∗a (1)ϕ∗b (2) [H0 + H1 ] ϕa (2)ϕb (1) d3 r1 d3 r2 ϕ∗a (2)ϕ∗b (1) [H0 + H1 ] ϕa (1)ϕb (2) + cI cII ³ i e0 + H e 1 ϕa (2)ϕb (1) d3 r1 d3 r2 ϕ∗a (2)ϕ∗b (1) H + c2II ´ ³ ´ hψ|H|ψi = 2²0 c2I + c2II + 4²0 SS ∗ cI cII + C c2I + c2II + (A + A∗ ) cI cII à Z C = 3 3 3 3 2 d r1 d r2 |ψI | à Z = 2 d r1 d r2 |ψII | d3 r1 d3 r2 ψI∗ ψII ! e2 e2 e2 e2 + − − r12 R r1a r2b à Z A = e2 e2 e2 e2 + − − r12 R r1b r2a (5.81) ! e2 e2 e2 e2 + − − r12 R r1b r2a ! (5.82) Normierung: hψ|ψi = 1 ⇒ c2I + c2II + 2cI cII S 2 = 1 Bei symmetrischen Ortswellenfunktionen gilt: cI = cII = p 1 2(1 + SS ∗ ) (5.83) Ortswellen antisymmetrisch: cI = −cII = p 1 2(1 − SS ∗ ) (5.84) 5.5. KOVALENTE BINDUNGEN UND DAS H2 -MOLEKÜL 111 Man entnimmt (5.81) mit (5.83-84) sofort, daß man wirklich störungstheoretisch gerechnet hat, da der erste Anteil in (5.81) (5.83) 2²0 (c2I + c2II ) + 4²0 SS ∗ = 4²0 (1 + SS ∗ ) = 2²0 2(1 + SS ∗ ) nichts anderes als die ungestörte Energie des Moleküls ist. Mit (5.83-84) erhalten wir noch: E+ = h i 1 C +A 2 4² + 4² S + 2C + 2A = 2²0 + 0 0 2 2(1 + S ) 1 + S2 (5.85) E− = h i C −A 1 2 4² − 4² S + 2C − 2A = 2²0 + 0 0 2 2(1 − S ) 1 − S2 (5.86) Wir finden somit für die Wechselwirkung zwischen zwei H–Atomen im Singulettzustand vS ≈ C + A , ΦS = ψ+ (r1 , r2 ) χS (S1 , S2 ), (5.87) ΦT = ψ− (r1 , r2 ) χT (S1 , S2 ). (5.88) und im Triplettzustand: vT ≈ C − A , Die Spinfunktionen lassen sich mit 1 ≡ S1 , 2 ≡ S2 und Index 0, 0 ≡ S, MS ≡ S z explizit angeben: 1 χS (1, 2) ≡ χ0,0 = √ [α(1)β(2) − β(1)α(2)] , 2 wobei à ! α= 1 0 à ! , β= 0 1 χ1,1 (1, 2) = α(1)α(2) χT (1, 2) = χ1,0 (1, 2) = √12 [α(1)β(2) + β(1)α(2)] χ1,−1 (1, 2) = β(1)β(2) (5.89) Wir wollen v S (1, 2) noch in direkte und Spin–Spin–Wechselwirkung aufspalten. Hierzu T ersetzt man formal: v S (1, 2) ≈ C ± A = C − T 1 [1 + 4S1 · S2 ] A ≡ v(1, 2) 2 (5.90) 112 KAPITEL 5. QUANTENTHEORIE DES DREHIMPULSES Überprüfung: · ⇒ µ ¶¸ 1 1 1 1 2 3 [1 + 4S1 · S2 ] = [1 + 4~σ1 · ~σ2 ] = S − 1+4 2 2 2 2 4 · µ ¶¸ 1 1 2 3 1+4 S − |S = 0, S z = 0i = −1|S = 0, S z = 0i, {z } 2 2 4 | · µ 1 1 2 3 1+4 S − 2 2 4 Singulett ¶¸ |S = 1, S z = 1, 0, −1i = 1|S = 0, S z = 1, 0, −1i, | {z } T riplett Somit: v(1, 2) = C − 1 1 [1 + 4S1 , S2 ] A = (4C − 2A) − 2S1 · S2 A | {z } 2 |4 {z } 1 (v +3vT ) 4 S vT −vS Daraus folgt: v(1, 2) = vD (1, 2) + vE (1, 2) S1 · S2 1 vD (1, 2) = [vS (1, 2) + 3vT (1, 2)] 4 vE (1, 2) = vT (1, 2) − vS (1, 2) (5.91) Wegen vT (1, 2) − vS (1, 2) > 0 für alle Abstände ist die Wechselwirkung zwischen 2 Wasserstoffatomen immer antiferromagnetischer Natur. Ferromagnetische Wechselwirkung gibt es im Prinzip erst, wenn jedes Atom mehr als ein Valenzelektron mitbringt. Anschaulich entspricht vD der über alle Spinzustände des H2 –Systems gemittelten Wechselwirkung mit PS und PT als Projektionsoperator: v(1, 2) = vS PS + vT PT 1 ( | ↑↓ i − | ↓↑ i ) ( h ↑↓ | − h ↓↑ | ) 2 1 = | ↑↑ i h ↑↑ | + | ↓↓ i h ↓↓ | + ( | ↑↓ i − | ↓↑ i ) ( h ↑↓ | − h ↓↑ | ) 2 PS = PT 5.5. KOVALENTE BINDUNGEN UND DAS H2 -MOLEKÜL damit erhält man: ³ h ↑↑ | + h ↓↓ | + ³ hv(1, 2)i = = ´ h ↑↓ | − h ↓↑ | ] (vS PS + vT PT ) ( | ↑↑ i + | ↓↓ i) | ↑↑ i + | ↓↓ i + ³ + √1 [ 2 h ↑↑ | + h ↓↓ | + ³ √1 [ 2 | ↑↑ i + | ↓↓ i + 113 √2 | 2 ´³ ↑↓ i | ↑↑ i + | ↓↓ i + ´ √2 | 2 ´ ↑↓ i h ↑↓ | − h ↓↑ | ] (vS PS + vT PT ) √22 | ↑↓ i √2 | 2 ´³ ↑↓ i | ↑↑ i + | ↓↓ i + √2 | 2 ´ ↑↓ i 1 (vS + 3vT ) 4 * Heisenberg–Modell: Verallgemeinert man die obigen Überlegungen für eine periodische Anordnung von N Spinoperatoren, so gelangt man zum Heisenberg–Modell: H=− X Jij Si · Sj − gµB X H · Si (5.92) i i,j;i6=j Die Spinoperatoren genügen den Vertauschungsrelationen: [Si , Sj ] = 0 für i 6= j h [Six , Siy ] = iSiz Siz , Si± i Si± = (zyklisch) ±Si± (5.93) = Six ± iSiy Den Operator S2 ersetzt man in der Regel durch seinen Eigenwert S2 = S(S + 1). Es ist ferner sinnvoll h̄ = 1 zu benutzen. Den Eigenzustand von S z bezeichnen wir mit |m i: S z |m i = m|m i , S ± |m i = q m = −S, −s + 1, . . . , S − 1, S S(S + 1) − m2 ∓ m |m ± 1 i S + |m = S i = 0 , S − |m = −S i = 0 Bezeichnet |m ii den Zustand des i-ten Spins, dann ist der Grundzustand für ein System in dem alle Spins in die positive z–Richtung zeigen: |0 i ≡ Y i |S ii (5.94) 114 KAPITEL 5. QUANTENTHEORIE DES DREHIMPULSES H|0 i = − = − X ³ Jij Six Sjx + Siy Sjy i6=j X + szi Sjz ´ − gµB Hz X Siz |0 i i Jij S 2 − gµB Hz S |0 i (5.95) i6=j (5.95) zeigt, daß |0 i in der Tat ein Eigenvektor von H ist. Der tiefste Eigenwert liegt dann vor, wenn alle Jij > 0 sind (ferromagnetische Wechselwirkung). Die angeregten Zustände mit einem und mehr umgeklappten Spins und die zugehörige Energie lassen sich dann nicht mehr exakt berechnen. Die elementaren Anregungen, die quantisierten Spinwellen entsprechen, heißen Magnonen. Wir werden später bei der Behandlung der Molekularfeldtheorie auf (5.92) zurückkommen. * Von besonderem Interesse ist noch das Vorzeichen der Wechselwirkung Jij in (5.92). Aus (5.91) geht hervor, daß für den hypothetischen Festkörper metallischer Wasserstoff die Wechselwirkung zwischen den Spins immer antiferromagnetischer Natur wäre. Dies entspricht Jij < 0 in (5.92). Das Vorzeichen von Jij ist durch ein Austauschintegral vom Typ A in (5.82) gegeben: Z Jij = d3 r1 d3 r2 ϕ∗i (1)ϕ∗j (2) Vij ϕi (2)ϕj (1) (5.96) Wellenfunktionen mit s–Charkter: Im Bereich des Überlapps ϕ∗i (1)ϕj (2) > 0 favorisieren die abstoßenden Terme wie 2 e2 rij den Ferromagnetismus, anziehende Terme wie − reij favorisieren den Antiferromagnetismus. Die anziehenden Terme tragen wenig bei, wenn der Überlapp weit von den Kernen entfernt ist: Jij > 0: Für große rij und kleine orbitale Radien und für kleine Werte der Wellenfunktionen in Kernnähe (l > 0, da ϕ(r) ∼ rl für r → 0). Tatsächlich ist meist Jij > 0 für nächste Nachbarn in 3d–Übergangsmetallverbindungen und in Seltenen Erdverbindungen. Man hat schon früh versucht zumindest qualitativ die verschiedenen Arten von Magnetismus zu erklären (Bethe). Semiquantitative Ergebnisse für Übergangsmetalle: 5.6. NORMALER ZEEMAN–EFFEKT 115 Diese Kurven erklären einen anderen Effekt qualitativ. Beim Fe liegt das Maximum von J(r) rechts vom Gleichgewichtsabstand R0 . Für parallele Spins führt der Austauschterm daher zu einer zusätzlichen abstoßenden Kraft zwischen zwei Atomen. Mit zunehmender Temperatur wird diese Kraft wegen abnehmender Magnetisierung kleiner. Diese abnehmende Kraft wirkt daher der normalen Ausdehnung bei Temperaturzunahme entgegen. In (Fe,Ni)–Legierungen können sich beide Effekte in einem größeren Temperaturintervall kompensieren (Invar–Effekt: Thermischer Ausdehnungskoeffizient ³ gegenseitig ´ α = V1 ∂V ≈ 0). ∂T p 5.6 Normaler Zeeman–Effekt Wir betrachten nun ein Elektron in einem Zentralfeld V (r) in Gegenwart eines homogenen Magnetfeldes B = rotA mit A = 12 B × r. Hamiltonoperator: µ ¶ 2 1 e b − A + V (r) p 2m c 2 e pb e b+p b A) = + V (r) + A2 − (Ap 2 |2m {z } |2mc {z } 2mc b = H b0 =H O(B 2 ) Daraus folgt für nicht zu starke Magnetfelder: b =H b0 − H b= Wegen A p 1 2 e b +p b A) (Ap 2mc (5.97) b =p b = 12 B (r × p b ) = 12 B · L b A folgt: (B × r) p b ·B=H b = H b0 − e L b0 − µ H ~b · B 2mc e b µ ~b = L 2mc (5.98) (5.99) b b0 − e L Legt man die z–Achse in B–Richtung, so hat H 2mc z dieselben Eigenfunktionen b 0 , nur die Eigenwerte haben sich geändert H b 0 | nlm i = Enl | nlm i. Daraus | nlm i wie H folgt: 116 KAPITEL 5. QUANTENTHEORIE DES DREHIMPULSES Enlm = Enl − mµB B , µB = eh̄ >0 2mc (5.100) µB heißt Bohrsches Magneton und ist eine natürliche Maßeinheit für magnetische Momente. Die (2l+1)–fache Entartung bezüglich m wird durch das Magnetfeld vollständig aufgehoben. Anhand optischer Übergänge im Atom beobachtet man diese Aufspaltung Aufhebung der Entartung durch ein Magnetfeld: µB B E nl ωnlm,n0 l0 m0 1 (Enlm − En0 l0 m0 ) h̄ 1 1 = (Enl − En0 l0 ) + µB B (m − m0 ) |h̄ {z } |h̄ {z } = =ωnl,n0 l0 =ωL ωL heißt Lamorfrequenz. Auswahlregeln: Es sind nur Übergänge erlaubt, für die gilt: ∆l = ±1 , ∆m = 0, ±1 Die wirklich beobachtete Linienstruktur ist allerdings wegen des Spins der Elektronen viel komplizierter (Anomaler Zeeman–Effekt). Es wurde oben ein bestimmtes Vektorpotential zu B ausgewählt. Es erhebt sich die Frage, ob die Ergebnisse unabhängig von dieser speziellen Eichung sind. Ja, denn die Schrödingergleichung behält ihre Form bei Umeichung. Die Eichtransformation entspricht einer unitären Transformation im Hilbertraum. Eichinvarianzen sind die wichtigsten Symmetrien in der Natur; dies sprengt allerdings den Rahmen der gegenwärtigen Vorlesung. Kapitel 6 Streutheorie 6.1 Streuquerschnitt und Partialwellen Die Streuung von Teilchen an einem Target sei durch ein Potential V (r) gekennzeichnet. Auch hier werden wir uns auf ein rotationssymmetrisches Potential beschränken und die ungebundenen Zustände (Streuzustände) näher betrachten. Voraussetzung an V (r): Das Potential soll für r → ∞ stärker als wird auch von einem abgeschirmten Coulombpotential erfüllt). 1 r abfallen (dies Stationäre Streuzustände ψk (r) sind Lösungen der Schrödingergleichung " # h̄2 − ∆ + V (r) ψk (r) = E ψk (r) 2m mit h̄2 k 2 >0 2m (6.1) ψk (r) zeigt asymptotisches Verhalten: r→∞ ψk (r) −→ exp(ikr) + f (Ω) exp(ikr) r (6.2) (6.2) entspricht einer auslaufenden Kugelwelle mit richtungsabhängiger Amplitude. Die analysierte Struktur von (6.2) wurde bereits in (5.52) notiert. Aufgabe ist es nun, f (Ω) bei vorgegebenem k und k 2 (Energie) zu finden. 117 118 KAPITEL 6. STREUTHEORIE Bei einem Streuprozeß passiert folgendes. Der einfallende Strahl von Teilchen besitzt für eine ebene Welle die Stromdichte: je = h̄ h̄k [ψe∗ ∇ψe − ψe ∇ψe∗ ] = 2mi m (6.3) Der auslaufende Strahl von gestreuten Teilchen besitzt die Stromdichte: ja = h̄|k| |f (Ω)|2 m r2 (6.4) dS = r 2 Ω θ ja Ebene Welle Kugelwellen Die Zahl der pro Raumwinkeleinheit auslaufenden Teilchen ist dann dN = ja dS = ja r2 dΩ ⇒ dN = ja r2 dΩ (6.5) Als differentiellen Wirkungsquerschnitt definiert man: 1 dN ja r2 dσ = = = |f (Ω)|2 dΩ je dΩ je (6.6) Strenggenommmen wurde bei der Bildung von ja die Interferenz zwischen exp(ikr) und f (Ω) exp(ikr) vernachlässigt. Zur Rechtfertigung des obigen Vorgehens sollte man r aus den stationären Streuzuständen Wellenpakete bilden (eine sehr schöne Diskussion ist in Quantum Mechanics von G. Baym zu finden). f (Ω) heißt Streuamplitude und und hat, wie man (6.2) entnehmen kann, die Dimension einer Länge. Für ein Zentralpotential ist das Problem rotationsinvariant um die k– Achse. Daraus folgt, daß f (Ω) unabhängig von ϕ ist: ψk (r) = ψk (r, θ) = exp(ikr) + f (θ) exp(ikr) r (6.7) An Stelle der Gleichung (6.1) tritt die radiale Schrödingergleichug: " # h̄2 d2 h̄2 l(l + 1) − + V (r) + Rl = E Rl 2m dr2 2mr2 mit Rl = rfl (6.8) 6.1. STREUQUERSCHNITT UND PARTIALWELLEN Mit E = h̄2 k2 2m , V = h̄2 2m U " 119 wird aus (6.8): # d2 l(l + 1) + k 2 − U (r) − Rl (r) = 0 2 dr r2 (6.9) Die asymptotische Lösung haben wir bereits kurz diskutiert. Wir schreiben sie als r→∞ Rl −→ al sin(kr − πl + δl ) 2 (6.10) δl entspricht der Phasenverschiebung gegenüber U = 0: δl = 0. Die bereits abgezogene feste Phasenverschiebung πl 2 folgt aus der freien Bewegung eines Teilchens bei festem Drehimpuls. Mit V = 0 folgt: " h̄2 d2 h̄2 l(l + 1) h̄2 k 2 − (rf ) + − 2mr dr2 2m r2 2m " ⇒ " ⇒ # f =0 # l(l + 1) d2 2 d + − 2− − k2 f = 0 dr r dr r2 # l(l + 1) d2 2 d − + − 1 f (ρ) = 0 dρ2 ρ dρ ρ2 mit ρ = kr (6.11) (6.11) ähnelt der Besselschen Differentialgleichung: " à p2 d2 1 d + 1 − + dx2 x dx x2 !# I(x) = 0 Tatsächlich entspricht (6.11) der DGL der sphärischen Bessel- und Neumannfunktionen mit den 2 linear unabhägigen Lösungen r jl (ρ) = r nl (ρ) = π I 1 (ρ) −→ 2ρ l+ 2 ( 1 πl ρ sin(ρ − 2 ) ρl (2l+1)!! π N 1 (ρ) 2ρ l+ 2 r l+1 = (−1) π I 1 (ρ) −→ 2ρ −l− 2 ( , ρ→∞ , ρ→0 − ρ1 cos(ρ − πl 2) −(2l − 1)!!ρ−l−1 , , ρ→∞ ρ→0 (6.12) 120 KAPITEL 6. STREUTHEORIE jl bezeichnet die Spährische Besselfunktion und nl die Sphärische Neumannfunktion. Wegen fl (ρ) ∼ ρl kommt nur jl in Frage und die allgemeine Lösung für V = 0 lautet: ψE,lm (r, θ, ϕ) = aE,lm Jl (kr)Ylm (θ, ϕ) (6.13) Da andererseits ψE (r) = exp(ikr) ein freies Teilchen beschreibt, ist exp(ikr) entwickelbar: exp(ikr) = ∞ X l X alm Ylm (θ, ϕ) · jl (kr) (6.14) l=0 m=−l Legen wir die z–Achse in k–Richtung kr = kr cos(θ) so führt dies auf: exp(ikr cos(θ)) = ∞ X il (2l + 1)Pl (cos θ)jl (kr) l=0 (6.15) Wir kehren zum Streuproblem für V 6= 0 zurück. (6.10) folgt also direkt aus der 1. Relation in (6.12). Wegen der Rotationsinvarianz ist ψk unabhängig von ϕ,d. h., Ylm → Yl0 ∼ Pl (cos θ), so daß wir für die vollständige Lösung des Streuproblems (6.89) schreiben können 1 ψk (r, θ) = ∞ X Re (r) l=0 r r→∞ Pl (cos θ) −→ ∞ X al l=0 r sin(kr − πl + δl ) · Pl (cos θ) 2 (6.16) (6.16) heißt Partialwellenzerlegung. Mit (6.15) und Pl (1) = 1 folgt für (6.2): ψk (r, θ) r→∞ −→ = = exp(ikr) r ¸ ∞ · X exp(ikr) il (2l + 1)jl (kr) + fl Pl (cos θ) r l=0 exp(ikz) + f (θ) ·µ ∞ X Pl (cos θ) l=0 r 2l + 1 fl + 2ik ¶ (6.17) l 2l ¸ +1 exp(ikr) − (−1) exp(−ikr) 2ik b2 , wohl ist die ebene Welle Eigenfunktion zu L b , Die Streulösung (6.7) ist kein Eigenzustand zu L bk da sie bei Rotation um k in sich übergeht. exp(ikr) = exp(ikr cos θ) ist unabhängig von ϕ und daher ∂ bz = h̄i ∂ϕ Eigenfunktion von L zum Eigenwert Lz = h̄m = 0. Deswegen kann der Streuzustand nach fl Ylm=0 entwickelt werden. 1 6.1. STREUQUERSCHNITT UND PARTIALWELLEN 121 wobei wir auch die Streuamplitude f (θ) nach Kugelflächenfunktionen entwickelt haben: f (θ) = ∞ X fl Pl (cos θ) (6.18) l=0 und für die jl die asymptotische Form benutzt haben: µ j(kr) = = ¶ 1 πl sin kr − kr 2 l ³ ´ (−i) πl exp(ikr) − (−1)l exp(−ikr) , (±i)l = exp(±i ) 2ikr 2 (6.19) Andererseits folgt aus (6.16): ψk (r, θ) = ∞ X Pl (cos θ) l=0 r e−i( 2 −δl ) ei( 2 −δl ) al exp(ikr) − al exp(−ikr) 2i 2i πl πl (6.20) so daß ein Vergleich von (6.17) und (6.20) liefert: 2l + 1 2l + 1 ei( 2 −δl ) = (−1)l = exp(iπl) al 2i 2ik 2ik πl Daraus folgt: 2l + 1 2l + 1 iδl = il e k k i 2l + 1 h 2iδl 2l + 1 iδl e sin δl e −1 = 2ik k al = e fl = iπl 2 eiδl (6.21) (6.22) Setzen wir (6.21) in (6.20) ein, so folgt: ∞ X " 2l + 1 e−ikr eikr ψk (r, θ) = Pl (cos θ) −i2l + e2iδl 2i kr kr l=0 # (6.23) so sehen wir, daß die auslaufende l–Kugelwelle gegenüber der einlaufenden eine Phasenverschiebung von eδl aufweist. Einsetzen von (6.21) in (6.18) liefert: 122 KAPITEL 6. STREUTHEORIE f (Ω) = ∞ 1X (2l + 1) eiδl sin δl · Pl (cos θ) k l=0 (6.24) f (Ω) ist damit durch die Phasenverschiebung der Partialwellen ausgedrückt und für den Streuquerschnitt folgt dσ dΩ = |f (θ)|2 = 1 X (2l + 1)(2l0 + 1)ei(δl −δl0 ) sin δl sin δl0 Pl (cos θ) Pl0 (cos θ) k 2 l l0 (6.25) Totaler Wirkungsquerschnitt: Z σtotal = Z ∞ 4π X dΩ|f (θ)| = 2 (2l + 1) sin2 δl k l=0 2 dσ(Ω) = (6.26) R 4π . σl = 4π (2l+1) sin2 δl ist der Beitrag der Partialwelle Dies folgt aus dΩ Pl Pl0 = δl l0 2l+1 k2 mit Drehimpuls l zum totalen Streuquerschnitt σtotal = X σl l Offensichtlich kann jede Partialwelle maximal σlmax = 4π (2l + 1) für δl = π2 + nπ k2 beitragen. Man spricht dann von Resonanz im l–Kanal. P Eine wichtige Identität folgt aus (6.24) und (6.26). Wegen Im(f (θ = 0)) = l Im(fl ) = P 1 P k 2 l k (2l + 1) sin δl = l 4π σl folgt: σtotal = 4π Im(f (0)) k (6.27) (6.27) heißt optisches Theorem. Es ist eigentlich eine Konsequenz der Kontinuitätsgleichung. Der gesamte Teilchenfluß durch eine große Kugeloberfläche um das Streuzentrum muß verschwinden. 6.2. STREUPHASEN UND BORNSCHE NÄHERUNG 6.2 123 Streuphasen und Bornsche Näherung Die Phasenverschiebungen oder Streuphasen δl bestimmen vollständig den differentiellen und den totalen Streuquerschnitt (6.27). Man kann sie im großen Abstand vom Streuzentrum beobachten. Sie entstehen allerdings in unmittelbarer Umgebung des Streuzentrums. Wir wollen daher eine Form für δl herleiten, in die alle Informationen aus dem Bereich 0 ≤ r ≤ ∞ eingeht: " # d2 e − l(l + 1) R e l (r) = 0 + k2 − U 2 dr r2 e l (r → ∞) ∼ sin(kr − R (6.28) πl e + δl ) 2 (6.29) e l und bilden die Differenz: Wir multiplizieren (6.28) mit Rl , (6.9) mit R " # " # 2 d2 2 e − l(l + 1) R el − R el d + k2 − U e − l(l + 1) Rl = 0 Rl + k − U 2 2 2 dr r dr r2 e 00 − R e l R00 = d (Rl R e0 − R e l R0 ) = −(U − U e )Rl R eR ⇒ Rl R l l l l dr e l (0) = 0 ergibt die Integration: Wegen Rl (0) = R Z∞ dr 0 d e0 − R e l R0 ) (Rl R l l dr Z e 0 (∞) − R e l (∞)R0 (∞) = − = Rl (∞)R l l · e )rl R el dr (U − U ¸ πl πl e πl e πl ∼ k sin(kr − + δl ) cos(kr − + δl ) − sin(kr − + δl ) cos(kr − + δl ) 2 2 2 2 = k sin(δl − δel ) sin(δl − δel ) = − 1 k Z ∞ 0 el e )Rl R dr (U − U (6.30) 124 KAPITEL 6. STREUTHEORIE Nützliche Folgerungen: e ≡ 0 ⇒ δel , R e l = kr jl (kr). Daraus folgt: (a) U 2m sin δl = − 2 h̄ Z∞ dr rV (r)jl (kr)Rl (r) (6.31) 0 Dies entspricht einer Integralformel für die Streuphase, in die alle Information aus [0, ∞] eingeht. Für eine quantitative Berechnung von δl muß natürlich die Differentialgleichung für Rl gelöst werden. (b) Für sehr kleine Unterschiede ∆V = V − Ve ist auch δl − δel = ∆δl sehr klein und e l ≈ Rl aus (6.30): wir erhalten mit R 2m ∆δl = − 2 h̄ k Z∞ dr ∆V Rl2 (6.32) 0 (6.32) erlaubt eine eindeutige Festlegung von δl , indem wir uns das Potential von 0 bis V in kleinen Schritten aufgebaut denken. Man entnimmt (6.32) auch, daß positive Potentialzuwächse negative Streuphasenänderungen bewirken und umgekehrt. Ein positives Potential hat abstoßenden Charakter. δl < 0 bewirkt, daß die Radialwellenfunktion nach außen verlagert wird (für V < 0 entsprechend umgekehrt): V>0 δl < 0 Rl (r) jl (kr) δ l /k r (c) Aus (6.31) folgt die Bornsche Näherung für die Streuphase im Falle eines schwa2 l(l+1) bzw. |U | ¿ chen Potentials. Schwaches Potential heißt: |V | ¿ E − h̄ 2mr 2 l(l+1) 2 k − r2 in (6.9). Dann ist auch δl klein und Rl wird nur wenig von Rl0 = kr jl (kr) abweichen. 6.2. STREUPHASEN UND BORNSCHE NÄHERUNG 125 Bornsche Näherung: 2mk δl = − 2 h̄ Z∞ dr r2 V (r)jl2 (kr) (6.33) 0 (d) Potentiale mit endlicher Reichweite: Hier bietet sich eine andere Abschätzung an. Endliche Reichweitepheißt V (r) ≈ 0 für r ≥ r0 . jl (kr) hat erstes und größtes Maximum bei kr ≈ l(l + 1): jl (kr) (kr) 1 lπ kr sin(kr - 2 ) l kr l(l+1) Das Integral in (6.31) erstreckt sich nur noch bis r0 : 2m sin δl = − 2 h̄ Zr0 dr rV (r)jl (kr)Rl (r) 0 p Für kr0 ¿ l(l + 1) liegt das Maximum von jl weit außerhalb der Reichweite des Potentials. Daraus folgt, daß das Integral sehr klein und damit sin δl für kr0 ¿ l vernachlässigbar wird. Anschaulich bedeutet das (klassisch): b r0 Ein Teilchen mit Drehimpuls L = |r × p| = b · p wird nicht gestreut √ für b > r0 . p h̄ l(l+1) Mit L = h̄ l(l + 1) und p = h̄k führt diese Ungleichung auf b = ≈ kl ⇒ h̄k L > r0 = ˆ kl > r0 ⇒ kr0 < l. Beispiel: Kernkräfte: r0 ≈ 10−13 cm. Damit erfolgt nur s–Wellenstreuung für kr ≤ 1. Für Protonen bedeutet das: E< h̄2 ≈ 108 eV = 100 MeV 2mr02 126 KAPITEL 6. STREUTHEORIE (e) Niederenergiestreuung: Was passiert im Limes kleiner Energien E → 0? D. h. wir betrachten den Fall kr0 ¿ 1. In diesem Fall verhält sich Rl ∼ (kr)l+1 und j0 (kr → 0) = sinkrkr → 1. Damit wird: ( lim = k→0 0 , l 6= 0 −a , l = 0 (6.34) mit 2m a= 2 h̄ Z∞ 0 R0 (r) 2m dr rV (r) lim ∼ 2 k→0 k h̄ Zr0 dr r2 V (r) 0 (6.35) a ≡Streulänge ( je nach Vorzeichen des Potentials positiv oder negativ). Aus P (6.24) folgt für die Streuamplitude f (θ) = k1 ∞ l=0 (2l + 1) exp(iδl ) sin δl · Pl (cos θ): lim f (θ) = −a k→0 (6.36) Mit (6.26) ergibt sich in diesem Fall für den totalen Streuuerschnitt: lim σtotal = 4πa2 k→0 (6.37) Das entspricht klassisch der Streuung an einer Kugel mit dem Radius 2|a|. 6.3 Beispiele für die Streuung an Potentialen endlicher Reichweite Wir betrachten jetzt Potentiale für die V (r) ≡ 0 für r > r0 . Hierfür sind die stationären Kugelwellen in ψE lm (r) = fE l (r) · Ylm (θ, ϕ) (6.38) durch die Linearkombinationen der Funktionen in (6.12) gegeben: fE0 l (r) = A jl (kr) + B nl (kr) (6.39) 6.3. STREUUNG AN POTENTIALEN 127 Wegen des asymptotischen Verhaltens für r → ∞ in (6.10) und (6.12): 1 πl sin(kr − + δl ), r 2 1 πl jl (kr) ∼ sin(kr − ), kr 2 1 πl nl (kr) ∼ − cos(kr − ), kr 2 fE l (r) ∼ folgt für die Koeffizienten A und B: A = cos δl , B = − sin δl (6.40) Durch stetig differenzierbares Anpassen von (6.39) an die Lösung im Bereich [0, r0 ] mit V 6= 0 erhält man einmal die Norm von fE l , zum anderen die Streuphase selbst. An der Norm ist man bei Streuproblemen oft nicht interessiert. Wir bilden daher den Quotienten der Bewegungsgleichungen: · ¸ d fE0 l (r0 ) = ln fE l (r) fE l (r0 ) dr ¸ · d ln(jl (kr) cos δl − nl (kr) sin δl ) = dr r0 (6.41) r0 Hieraus folgt: " tan δl = df l jl dr − f dj dr df l nl dr − f dn dr # r=r0 (6.42) (a) S–Wellenstreuung an einem Potentialtopf: h̄2 k2 V(r) V0 sei V0 = 2m0 . Für kleine Energien (kr0 ¿ 1) r0 0 dominiert die S–Wellenstreuung. Die Radialgleir chung hat für r < r0 dieselbe Form wie im freien -V0 Fall, es ist lediglich k 2 durch k 2 + k02 zu ersetzen. Daraus folgt die Lösung für l = 0: 1 fE 0 (r) = r ( A sin qr : r < r0 , q 2 = k 2 + k02 sin(kr + δ0 ) : r > r0 (6.43) Stetigkeitsbedingungen: A sin qr0 = sin(kr0 + δ0 ) , Aq cos qr0 = k cos(kr0 + δ0 ) ⇒ tan(kr0 + δ0 ) = kq tan qr0 . Daraus folgt: 128 KAPITEL 6. STREUTHEORIE µ δ0 = −kr0 + arctan k tan qr0 q ¶ (6.44) Tiefer Potentialtopf: q ≈ k0 oder kk0 ¿ 1. Wir unterscheiden zwei Fälle: ³ 1. qr0 ≈ k0 r0 6≈ π n + 1 2 ´ , n = 0, 1, 2, . . . Dann folgt: · δ0 ≈ −kr0 + k tan qr0 tan qr0 = −kr0 1 − q qr0 ¸ (6.45) Für σT otal folgt aus (6.26): · σT otal = 4π tan qr0 sin2 δ0 ≈ 4πr02 1 − k2 qr0 ¸2 (6.46) Für bestimmte Energien, tan qr0 = qr0 , ist σT otal ≡ 0. Diese Erscheinung wird in der Kernphysik beobachtet und heißt Ramsauer–Effekt. Für bestimmte Energien wird das Atom durchsichtig. ³ ´ 2 2 kr 2. qr0 ≈ qr r0 = π n + 21 (Index r steht für resonant). Er = h̄2m heißt Resoq nanzenergie. Wir entwickeln cot(kr0 + δ0 ) = k cot qr0 um qr : q cot qr0 = k = = mit Γ 2 = h̄2 4kr 2m r0 . q qr cot [qrr0 − (qr − q)r0 ] ≈ (qr − q)r0 k kr 2qr r0 2 (qr − q)r0 ≈ (q − q 2 ) 2kr 2kr r r0 2 Er − E (kr + k02 − k 2 − k02 ) = Γ 2kr 2 Wenn wir in (6.44) noch kr r0 ¿ 1 vernachlässigen, so folgt: tan δ0 = Γ 2 Er − E , Γ h̄2 4kr = 2 2m r0 Wegen (6.24) interessiert noch: eiδ0 sin δ0 = (cos δ0 + i sin δ0 ) sin δ0 (6.47) 6.3. STREUUNG AN POTENTIALEN 129 ¶ µ = = = a a 1 √ √ + i√ 1 + a2 1 + a2 1 + a2 a a [1 + ia] ≡ mit a = tan δ0 1 + a2 1 − ia Γ 2 Er − E − i Γ2 =− Γ 2 E − Er + i Γ2 Für die Streuamplitude folgt somit: f0 = Γ 1 iδ0 1 2 e sin δ0 = − k k E − Er + i Γ2 (6.48) und für σT otal : ³ ´2 Γ σT otal = 4π 4π 2 sin2 δ0 = 2 ³ ´ kr2 kr (E − E )2 + Γ 2 r 2 (6.49) In der Nähe der Streuresonanz E = Er wachsen δ0 und σT otal plötzlich an: π σtotal δ0 π 2 Γ Er E Er E Für l 6= 0 findet man ebenfalls Resonanzen vom Typ (6.47). Tatsächlich genügt δl einer entsprechenden Relation. 130 KAPITEL 6. STREUTHEORIE (b) Streuung an einer harten Kugel V(r) ( V (r) = 0 r0 ∞ , 0 , r < r0 r > r0 Die Anpassungsbedingung Für (6.39) ist jetzt fE2 l (r0 ) = 0, so daß für δl aus (6.39–40) folgt: r fE l (r0 ) = cos δl jl (kr0 ) − sin δl nl (kr0 ) = 0 Daraus folgt: tan δl = jl (kr0 ) nl (kr0 ) (6.50) Weiterhin: σl = 4π 4π jl2 (kr0 ) 2 (2l + 1) sin δ = (2l + 1) l 2 k2 k2 nl (kr0 ) + jl2 (kr0 ) Kleine Energien: kr0 ¿ 1. Nur l = 0 trägt bei. Mit j0 (x) = − x1 cos x folgt dann µ ¶2 2 sin kr0 σ0 = 4πr0 kr0 1 x (6.51) sin x , no (x) = Daraus folgt: lim σT otal = 4πr02 k→0 (6.52) Ein Vergleich mit (6.37) bestätigt, daß die Streulänge für die harte Kugel gerade a = r0 ist. Außerdem ist σ viermal größer (für kleine Energien) als der klassische Wert σkl = πr02 . Hier macht sich die Welleneigenschaft des Streuteilchens drastisch bemerkbar (Interferenz von einlaufender ebener Welle und auslaufender Welle). Große Energien: kr0 À 1. Wegen σl ≤ 4π (2l+1) tragen kleine l nicht wesentlich k2 zu σT otal bei. Eine Auswertung von (6.25) führt auf l À 0: · dσ r2 θ ≈ 0 1 + tan2 · J12 (kr0 sin θ) dΩ 4 2 ¸ (6.53) 6.4. ALLGEMEINE STREUTHEORIE mit der Besselfunktion: 131 ( q J1 (x) = 2 πx sin(x − x 2 π 4) , x→0 , x→∞ Offensichtlich ist die Streuung im Unterschied zu der Streuung bei kleinen Energien stark anisotrop: 2 1+(kr0) 4 dσ r02 d Ω 1 π 1 kr0 Für σT otal ergibt sich: θ k→0 σT otal = 2πr02 (6.54) Also auch für hohe Energien wird nicht der klassische Wert reproduziert. Ursache ist die Schattenstreuung. Anschaulich kann die Welle in den Schatten der harten Kugel eindringen, was klassische Streuteilchen nicht können. 6.4 Allgemeine Streutheorie Wir suchen eine Lösung des Streuproblems für ein beliebiges Streupotential V (r): ´ h̄2 ³ ∆ + k 2 ψk (r) = V (r) ψk (r) , 2m h̄2 k 2 >0 2m (6.55) ´ h̄2 ³ ∆ + k 2 ϕk (r) = 0 2m (6.56) E= Für V = 0 muß die Lösung übergehen in hr|ϕk i ≡ ϕk (r) = eik·r 3 (2π) 2 , Für V 6= 0 und r → ∞ soll die Lösung die asymptotische Form (6.2) haben: ψk (r) → eik·r + f (Ω) eik·r r 132 KAPITEL 6. STREUTHEORIE Wir stellen jetzt eine iterationsfähige Integralgleichung für den Streuzustand auf. Offensichtlich muß man hierbei den Operator (∆ + k 2 ) invertieren. Dies gelingt mittels der Greenfunktion Gk (r, r0 ): ´ h̄2 ³ ∆r0 + k 2 Gk (r, r0 ) = δ(r − r0 ) 2m (6.57) Durch Multiplikation von ´£ ¤ h̄2 ³ ∆ + k 2 ψk (r0 ) − ϕk (r0 ) = V (r0 ) ψk (r0 ) 2m (6.58) mit Gk (r, r0 ) und Integration erhält man: Z ψk (r) = ϕk (r) + d3 r0 Gk (r, r0 ) V (r0 )ψk (r0 ) (6.59) Gk (r, r0 ) beschreibt die Ausbreitung von Wellen, die von dem Quellpunkt r0 ausgehen. Wegen Translationsinvarianz gilt: Gk (r, r0 ) = Gk (r − r0 ) Berechnung von Gk mittels Fouriertransformation: Gk (r − r0 ) = 1 (2π)3 δ(r − r0 ) = Z 1 (2π)3 0 d3 q Gk (q)eiq(r−r ) Z 0 d3 q eiq(r−r ) Einsetzen von (6.60-61) in (6.57) liefert: ´ h̄2 ³ 2 −q + k 2 Gk (q) = 1 2m (6.60) (6.61) 6.4. ALLGEMEINE STREUTHEORIE 133 Daraus folgt: 2m 1 2 k 2 ± i0+ − q 2 ± i h̄ 0 m e±ik|r−r | 0 G± (r − r ) = − k 2πh̄2 |r − r0 | G± k (q) = (6.62) 0 G± k (r − r ) entspricht auslaufenden bzw. einlaufenden Kugelwellen. Aus (6.59) wird damit ψk± (r) = ϕk (r) − m 2πh̄2 Z 0 d3 r0 eik|r−r | V (r0 )ψk± (r0 ) |r − r0 | (6.63) eine Integralgleichung für den Streuzustand ψk+ . Asymptotisches Verhalten: Wegen des Potentials sei r0 um r0 ≡ 0 lokalisiert. Für r À r folgt: s 2rr0 r02 r · r0 . + ≈ r − r2 r2 r |r − r0 | = r 1 − Setzen man k0 = k rr so folgt: 0 eik|r−r | eikr −ikk0 r0 e ≈ 0 r−r r Also: r→∞ ψk+ (r) −→ " 1 4π 2 m f (k, k ) = − 2 h̄ 0 = e 3 (2π) 2 4π 2 m h̄2 Z ik·r Z eikr + f (k, k ) r 0 3 0 d r # 0 e−ik ·r (2π) 3 2 (6.64) 0 V (r0 )ψk+ (r0 ) d3 r0 hϕk0 |V |ψk i (6.65) 134 KAPITEL 6. STREUTHEORIE Iterative Lösung: Formal kann man schreiben: ψ + = ϕ + GV ψ + = ϕ + GV ϕ + GV GV ϕ + . . . + (GV )n ψ + Für solche Energien, für die formal GV ¿ 1 gilt, ist die Bornsche Näherung sinnvoll: ψk = ϕk + GV ϕk d. h., 4π 2 m hϕk0 |V |ψk i h̄2 Z m 0 0 0 = − d3 r0 e−ik ·r V (r0 )eik·r 2 2πh̄ Z m 0 = − d3 r0 V (r0 )e−iq·r , q = k0 − k 2 2πh̄ f (k, k0 ) = − (6.66) Die Streuamplitude in Bornscher Näherung ist also die Fouriertransformierte des Streupotentials: f (k, k0 ) = − m V (q) 2πh̄2 (6.67) Zusammenhang mit dem Streuwinkel: q 2 = |k − k0 |2 = k 2 + k 02 − 2kk 0 cos θ = 4k 2 sin2 θ 2 (6.68) Streuquerschnitt in Bornscher Näherug: m2 dσ = |f |2 = 2 4 |V (q)|2 dΩ 4π h̄ (6.69) Lippmann–Schwinger–Gleichung: b =H b 0 + Vb H , b 0 |ϕa i = Ea |ϕa i H Die Integralgleichung für |ψa+ i heißt Lippmann–Schwinger–Gleichung: |ψa+ i = |ϕa i + 1 Ea + i0+ b0 −H Vb |ψa+ i (6.70) Kapitel 7 Näherungsverfahren 7.1 Entwicklung nach kleinen Störungen (keine Entartung) Fast alle realistischen Probleme der Quantenmechanik sind nicht exakt lösbar. Daher b sinnvoll zu zerlegen: versucht man H b =H b0 + H b1 H (7.1) b 0 sei vollkommen diagonalisierbar,d. h., die exakten Eigenzustände und Eigenwerte H b 1 soll in einem bestimmten Sinn klein gegen H b 0 sein. seien bekannt. H Störungstheorie betreiben heißt, die genäherten Eigenfunktionen und Eigenwerte b 0 zu von (7.1) mit Hilfe der exakten Eigenfunktionen und exakten Eigenwerte von H b bestimmen. Spektrum von H0 : ³ ´ b 0 − E 0 |E 0 i = 0 H n n (7.2) Hierbei bezeichnet n den diskreten, einfach entarteten Energieeigenwert. Die hochgestellte Null zeigt an, daß es sich um ein ungestörtes Problem handelt. Gesucht ist das b Spektrum von H: ³ ´ b − En |En i = 0 H (7.3) Energieverschiebung: b − En |En i = hE 0 |H b0 + H b 1 − En |En i 0 = hEn0 |H n b 1 |En i = hEn0 |En0 − En |En i + hEn0 |H 135 136 KAPITEL 7. NÄHERUNGSVERFAHREN ∆En = En − En0 = b 1 |En i hEn0 |H hEn0 |En i (7.4) Zur Berechnung von (7.4) muß man |En i zumindest näherungsweise kennen. Zur Berechnung von |En i benutzen wir Projektionsoperatoren. Pbn = |En0 ihEn0 | projiziert jeden b n = 1 − Pbn = P 0 |E 00 ihE 00 | projiziert auf alle Zustände Zustand auf |En0 i und Q n 6=n n n außer |En0 i. Es gilt: b0 b 0 Pbn = E 0 Pbn = Pbn H H n , b n |E 0 i ≡ 0 Q n b − En = H b 0 − E 0 − ∆En + H b1 H n ³ ´ b 0 − E 0 |En i ≡ 0: Daraus folgt,wegen Pbn H n ³ ´ ³ ´ ³ ´ b 0 − E 0 |En i = ∆En − H b 1 |En i = Q b n ∆En − H b 1 |En i H n ³ (7.5) ´ b 0 − E 0 die formale Lösung: Aus (7.5) folgt durch Inversion des Operators H n |En i = |En0 i + bn Q b0 − E0 H n ³ ´ b 1 |En i ∆En − H (7.6) (7.6) ist wohldefiniert, weil wegen bn Q b0 − E0 H n = X |E 00 ihE 00 | n n n0 6=n En00 − En0 (7.7) und En00 6= En0 (keine Entartung) der Nenner nicht verschwinden kann. In (7.6) tritt b 1 → 0 , ∆En → 0 auch |En i → |E 0 i gehen muß. Aus |En0 i additiv hinzu, weil für H n (7.6) folgt: hEn0 |En i = 1 (7.8) und damit auch b 1 |En i ∆En = En − En0 = hEn0 |H (7.9) 7.1. ENTWICKLUNG NACH KLEINEN STÖRUNGEN (KEINE ENTARTUNG)137 Setzen wir (7.6) in (7.9) ein, so folgt: " ∆En = b1 hEn0 |H |En0 i + b 1 |E 0 i + hE 0 |H b1 ∆En = hEn0 |H n n ³ bn Q b0 − E0 H n b0 − E0 H n # b 1 |En i ∆En − H ³ bn Q ´ ´ b 1 |En i ∆En − H (7.10) b 1 hinreichend klein, ist der zweite Term offensichtlich von höherer Ordnung. Für H (7.6+9) bietet die Möglichkeit der Iteration. b 1: 1. Ordnung in H b 1 |E 0 i ∆En(1) = hEn0 |H n " |En i(1) = 1− # bn Q b0 − E0 H n b 1 |E 0 i H n (7.11) Wenn wir die zweite Relation ausschreiben: |En i1 = |En0 i − X |En00 i n0 6=n b 1 |E 0 i hEn00 |H n En00 − En0 b 1 dem Zustand |E 0 i die anderen so sehen wir explizit, daß durch den Störoperator H n 0 Zustände En0 i beigemischt werden. b 1: 2. Ordnung in H (1) Diese Ordnung wird besonders wichtig, wenn ∆En = 0 ist. Zweite Relation in (7.11) eingesetzt in (7.9) liefert: b1 ∆En(2) = ∆En(1) − hEn0 |H bn Q b0 − E0 H n b 1 |E 0 i H n 138 KAPITEL 7. NÄHERUNGSVERFAHREN oder ∆En(2) = ∆En(1) − b 1 |E 00 i|2 X |hE 0 |H n n n0 6=n En00 − En0 (7.12) Speziell für En = E1 ≡ Grundzustandsenergie (En0 > E1 mit n0 = 2, 3, . . .) ist der Beitrag 2. Ordnung stets negativ, unabhängig von dem Vorzeichen der Störung: (2) (1) ∆E1 − ∆E1 = b 1 |E 0 i|2 X |hE 0 |H 1 1 n0 6=1 E10 − En00 <0 Beispiel: Atom mit 2 Elektronen, z. B. He: b = H pb2 2e2 2e2 e2 pb21 + 2 − − + 2m 2m r1 r2 r12 | {z b0 H } , r12 = |r1 − r2 |. (7.13) |{z} b1 H b 0 entspricht dem Wasserstoffproblem für 2 nicht wech(7.13) ist nicht exakt lösbar. H selwirkende Elektronen. Hierbei sollen beide Elektronen im |1si–Zustand sein. Also: |E10 i = |1s 1si r1 −r2 ψ10 (r1 , r2 ) e− a = hr1 r2 |1s 1si = ϕ100 (r1 )ϕ100 (r2 ) = πa3 2 2 b 0 an Stelle von − e beim einfachen Wassermit a = a20 wegen des Potentials − 2er in H r stoffatom. E10 = −2 · 4 · 13.6 eV = −108.8 eV (1) ∆E1 (1) E1 b 1 |E 0 i = hE10 |H 1 Z 2(r1 −r2 ) 1 e2 d3 r1 d3 r2 e− a = 2 6 π a |r1 − r2 | 2 5e = = 34 eV 8 a (1) = E10 + ∆E1 = −108.8 + 34 = −74.8 eV Verglichen mit dem experimentellen Wert von −78.6 eV ist dies bereits eine sehr gute Näherung. 7.2. FASTENTARTUNG VON ZWEI ENERGIENIVEAUS 7.2 139 Fastentartung von zwei Energieniveaus Wir nehmen an, daß für 2 fast entartete Niveaus b 1 |E 0 i hE10 |H 2 6¿ 1 0 E2 − E10 gilt. Dann ist offensichtlich der Ausdruck in (7.11) für |En i(1) nicht brauchbar, weil der korrekte Eigenzustand für |E1 i und |E2 i ungefähr gleiche Anteile von |E10 i und |E20 i enthält. In nullter Ordnung würde man eine Linearkombination benutzen: |Ei = a|E10 i + b|E20 i (7.14) Eingesetzt in die Schrödingergleichung ³ ´ b0 + H b 1 − E |Ei = 0 H (7.15) b 1 |E 0 i Vij = hEi0 |H j (7.16) ergibt dies mit nach Multiplikation von hE10 | bzw. hE20 | die Gleichungen: ³ ´ E10 + V11 − E a + V12 b = 0 ³ ´ V21 a + E20 + V22 − E b = 0 Für eine nichttriviale Lösung muß die Determinante verschwinden E1,2 ´ 1 1³ 0 = E1 + V11 + E20 + V22 ± 2 2 q ¡ 0 ¢2 E1 + V11 − E20 − V22 + 4|V12 |2 (7.17) Um die Diskussion zu vereinfachen, setzen wir V11 = V22 = 0 , V12 6= 0 und definieren ∆ = E10 − E20 E1,2 · ¸ ´ q 1 ³ 0 0 2 2 = E1 + E2 ± ∆ + 4|V12 | 2 (7.18) (7.19) 140 KAPITEL 7. NÄHERUNGSVERFAHREN Das Bild zeigt die Abhängigkeit von E1,2 in Abhängigkeit von ∆ für ein festes V12 . Wenn ∆ sein Vorzeichen ändert, so tauschen die Zustände |E1 i und |E2 i ihre Identität. Die Störung treibt die Niveaus E10 und E20 auseinander, so daß für E10 − E20 (zufällige Entartung) eine Aufspaltung zwischen E1 und E2 stattfindet. Ausgehend von |E1 i und |E2 i kann man die Beimischung der anderen Zustände |En0 i mit n 6= 1, 2 wie zuvor betrachten. Diese Betrachtung läßt sich von 2 auf f entartete Eigenwerte verallgemeinern. Die P b0 + H b 1 − E|Ei Linearkombination fn=1 an |En0 i = |Ei führt dann durch Einsetzen in (H zu f gekoppelten Gleichungen: f X (Hmn − Eδmn ) an = 0 , m = 1, . . . , f. (7.20) n=1 Lösung von (7.21) wie zuvor durch Nullsetzen der Determinante. 7.3 Variationsverfahren b beschriebenen Systems, so gilt Sei E0 die exakte Grundzustandsenergie des durch H für jedes |ψi: b hψ|H|ψi (7.21) E0 ≤ hψ|ψi b 0 i = E0 |E0 i. Das Gleichheitszeichen gilt für |ψi = |E0 i , H|E b Beweis: Entwicklung von |ψi nach einer Eigenbasis von H: |ψi = X |un ihun |ψi n Daraus folgt: b hψ|H|ψi hψ|ψi = = 1 X b ni |hun |ψi|2 hun |H|u hψ|ψi n 1 X En |hun |ψi|2 hψ|ψi n In bezug auf die Störungsrechnung erlaubt (7.21) folgende Aussage: b 0 in H b =H b0 + H b 1 mit H b 0 |ϕ0 i = E (0) |ϕ0 i , hϕ0 |ϕi = 1. Sei |ϕ0 i Grundzustand von H 0 Es gilt dann (0) b 1 |ϕi = E (1) E0 ≤ E0 + hϕ0 |H (7.22) 0 7.3. VARIATIONSVERFAHREN 141 d. h., die Störungsrechnung 1. Ordnung liefert immer eine obere Schranke für E0 . Wegen E0 = min ψ kann man b hψ|H|ψi hψ|ψi b hψ|H|ψi hψ|ψi (7.23) als Funktional ansehen: F [ψ] = b hψ|H|ψi hψ|ψi (7.24) das man auf einer bestimmten Familie von Zuständen aus H betrachtet, für die eben (7.22) einfach zu berechnen ist. Aus dieser Familie sucht man sich das |ψi heraus, für das F [ψ] minimal ist: E0 ≤ min F [ψ] (7.25) ψ∈F − (r1 +r2 ) a0 mit a = (z=2) eine ganze Beispiel: He–Atom. Wir machen aus ψ(r1 , r2 ) = e πaa3 0 Familie, indem wir neben der tatsächlichen Kernladung Z zulassen. Diese muß dann wegen (7.25) durch Minimalisieren von F [ψ] bestimmt werden: ∂F =0 ∂Z 0 Die explizite Rechnung liefert: · 0 µ 02 F (Z ) = 2Ry Z − 2Z ⇒ Z0 = 2 − 0 5 2− 16 ¶¸ 5 27 = <2 16 16 Die resultierende Grundzustandsenergie E0,Variation = −76.6 eV ≈ E0, Exp = −78.6 eV liegt näher beim experimentellen Wert als der störungstheoretische. Physikalisch beruht die Verbesserung darauf, daß näherungsweise die Abschirmung der 2 Kernladungen durch das andere Elektron berücksichtigt wurde. Deswegen auch Z 0 < Z = 2. * 142 KAPITEL 7. NÄHERUNGSVERFAHREN Stationaritätssatz: b (δF [ψ] = 0) ⇔ |ψi ist Eigenvektor zu H Beweis: Man kann nach dem Real-bzw. Imaginärteil von ψ ( in der Dirac–Schreibweise nach |ψi und hψ|) unabhängig variieren: µ b hδψ|H|ψi 1 b δF [ψ] = + hψ|H|ψi δ hψ|ψi hψ|ψi | {z ¶ } hδψ|ψi − hψ|ψi2 Daraus folgt: δF [ψ] = i 1 h b hδψ|H|ψi − F [ψ]hδψ|ψi = 0 hψ|ψi b ⇒ H|ψi = F |ψi da hδψ| beliebig Kapitel 8 Der Spin des Elektrons 8.1 Spinoperatoren für das Elektron Viele Elementarteilchen haben experimentell nachweisbar einen von Null verschiedenen Eigendrehimpuls (Spin). Zum Spin existiert kein klassisches Analogon. Der Spin des Elektrons wurde im Zusammenhang mit dem Zeeman–Effekt beobachtet → Anomaler Zeeman–Effekt. Wir wiederholen kurz den Zeeman–Effekt für ein Atom mit Z Elektronen. b = H Z X à i=1 Ze2 pb2i − 2m ri ! + X e2 i<j , rij rij = |ri − rj | In einem schwachen Magnetfeld B und der speziellen Eichung 1 b A(r) = B × br 2 wird mit (8.2) eb bi → p b i − A(r p i) c aus (8.1): b = H Z X à i=1 | − Z X i=0 pb2i Ze2 − 2m ri {z b0 H ! + X e2 i<j rij } + Z X i=1 | ´ e ³b b i) bi + p b i A(r A(ri )p 2mc 143 e2 A2 (ri ) 2mc2 {z O(B 2 ) (8.1) } 144 KAPITEL 8. DER SPIN DES ELEKTRONS Wegen b i )p bi = A(r 1 1 1 bi b i = B · (b b i) = B · L (B × bri ) · p ri × p | {z } 2 2 2 bi L folgt b0 − b =H H e b , B·L 2mc b = L Z X bi = L i=1 Z X b b i. ri × p (8.3) i=1 Hier ist die Ladung des Elektrons e < 0. Folglich besitzt jedes Elektron ein magnetisches Bahnmoment µi : e b ~µ bi = Li , 2mc c = e L b das Gesamtmoment (als Operator) der Elektronen am Atom ist. wobei M 2mc b 2 , L·B b b 0 kann man H b 0, L Wegen der Rotationsinvarianz von H simultan diagonalisieren. Wir klassifizieren die Eigenzustände der Z Elektronen gemäß (B k z–Achse): b0 − E0 ) | n L M i = 0 (H nL b 2 − h̄2 L(L + 1)) | n L M i = 0 (L b z − h̄M ) | n L M i = (L (8.4) 0 Dabei sind M und L ganzzahlig: −L ≤ M ≤ L , L = 0, 1, 2, 3, . . . 0 sind (2L + 1)-fach entartet. Im Magnetfeld wird diese Entartung Die Eigenwerte EnL aufgehoben; die Eigenwerte von (8.3) sind: En L M = En0 L + µB M B , µB = − eh̄ >0 2mc Das Experiment sollte also zeigen: 1. (2L + 1) Terme (Multiplett), also eine ungerade Zahl. 2. Keine Verschiebung des Schwerpunktes des Multipletts. (8.5) 8.1. SPINOPERATOREN FÜR DAS ELEKTRON 145 3. Abstand der Niveaus universell durch µB bestimmt und unabängig vom Atom. E0nL E nLM Experimenteller Befund: 1. Z gerade ⇒ Zahl der Zustände im Multiplett ist ungerade. 2. Schwerpunkt des Multipletts häufig verschoben. 3. Aufspaltung entspricht gµB M B , g–Landé-Faktor. Diese Anomalien wurden 1925 von Goudsmit und Uhlenbeck mit der Annahme eines b für jedes Elektron mit Größe h̄ erklärt. Das mit dem Spin verknüpfte magneSpins S 2 tische Moment ist: e b ~µ b s = gs S mit gs = 2.0023193044 2mc (8.6) Wir benutzen gs = 2. Man sollte sich aber merken, daß gs die am genauesten bekannte Naturkonstante ist. Alle Nachkommastellen sind berechnet (Quantenelektrodynamik) und stimmen mit dem Experiment überein (Sientific American 8/1980, Seite 90). Man unterscheidet 1. Fermionen mit halbzahligem Spin: 21 , 32 , . . . Leptonen mit Spin 12 (Elektron, Myon), Quarks und die daraus aufgebauten Nukleonen. 2. Bosonen mit ganzzahligem Spin. 1, 2, 3, . . . Photonen mit Spin 1. Sie erzeugen die elektromagnetische Wechselwirkung zwischen zwei Elektronen. Quantisierte Gitterschwingungen (Phononen) kann man ebenfalls einen Spin 1 zuordnen. Das entspricht einem Vektorspin für die transversalen und longitudinalen Komponenten der Auslenkungen von Ionen. Zwischen Photonen und Phononen gibt es gewisse Analogien. Sie sind beispielsweise beide masselose Teilchen. 146 KAPITEL 8. DER SPIN DES ELEKTRONS Der Zusammenhang zwischen Spin und Statistik ergibt sich erst im Rahmen einer relativistischen Formulierung. Besonders einsichtig wird diese Formulierung in der Darstellung der 2. Quantisierung. Die Statistik wird dann durch die Vertauschungsrelationen für Fermionen und Bosonen festgelegt. h ak , a+ k0 h ak , a+ k0 i − = δkk0 für Bosonen (8.7) = δkk0 für Fermionen (8.8) i + Dabei ist a+ k ein Erzeugungsoperator für ein Boson oder ein Fermion im Zustand | . . . k . . .i und ak ein Vernichtungsoperator (ähnlich wie die Auf- und Absteigeoperatoren beim harmonischen Oszillator). Die verschiedenen Vertauschungsrelationen und damit der Zusammenhang zwischen Spin und Statistik ergeben sich aus der Forderung, daß der Hamiltonoperator für freie Fermionen- und Bosonenfelder positiv definit ist. Drehimpulseigenschaften von Spin- 12 Teilchen: Zwei Eigenvektoren | s ms i mit s = 12 , ms = ± 21 . Wir schreiben zur Abkürzung: | ±i = | Sb2 | ±i = 1 1 ± i 2 2 (8.9) 3 2 h̄ | ±i , 4 Sbz | ±i = ± h̄ | ±i 2 (8.10) Zweidimensionaler Spin–Hilbertraum: | ±i bilden eine Basis: | +ih+ | + | −ih− |= 1 (8.11) Entwicklung von | ψi nach dieser Basis: | ψi = h+ | ψi | +i + h− | ψi | −i ≡ ψ+ | +i + ψ− | −i Darsteller in der | ±i Basis: Wir definieren: b= S (8.12) h̄ ~ b σ 2 (8.13) b in der | ±i Basis heißen Paulimatrizen: Die Darsteller von ~σ à bx = σ 0 1 1 0 ! à , by = i σ 0 −1 1 0 ! à , bz = σ 1 0 0 −1 ! (8.14) 8.1. SPINOPERATOREN FÜR DAS ELEKTRON h 147 i Wegen Sbi , Sbj = ²ijk ih̄Sbk gilt: bi , σ bj ] = ²ijk 2iσ bk [σ (8.15) Weitere Eigenschaften: à bx2 σ = by2 σ = bz2 σ =1≡ 1 0 0 1 ! , bi σ bj = σ bj σ bi = ²ijk iσ bk σ (8.16) Aus (8.16) folgt die Antikommutatoreigenschaft: bx σ by + σ by σ bx = 0 σ bi = 0 Sp σ und (8.17) bi = −1 det σ Observable und Zustände: Für Spin- 12 Teilchen muß der Hilbertraum vergrößert werden. Mit der Notation | µi =| ±i (8.18) und | rµi =| ri | µi , ψ(r, µ) = hrµ | ψi (8.19) ist | ψi jetzt Element des tensoriellen Produktes: | ψi ∈ HBahnzustände ⊗ HSpinzustände Die folgende Notation ist noch üblich: à 1 ψ(r ± ) = ψ± (r) 2 ⇒ ψ= ! ψ+ (r) ψ− (r) (8.20) Die Wellenfunktion für ein Spin– 21 Teilchen ist demnach ein zweikomponentiger Spibz nor. Mit den Eigenvektoren von σ à ! α= 1 0 à ! , β= 0 1 (8.21) 148 KAPITEL 8. DER SPIN DES ELEKTRONS wird aus (8.20) à ! ψ+ (r) ψ= = ψ+ (r) α + ψ− (r) β ψ− (r) (8.22) Der zu (8.20) adjungierte Spinor ist: ¡ ¢ ∗ ∗ ψ + = ψ+ (r) ψ− (r) (8.23) so daß mit (8.22) für die Gesamtdichte folgt: |ψ|2 = ψ + ψ = |ψ+ (r)|2 + |ψ− (r)|2 (8.24) Für das innere Produkt zweier verschiedener Zustände gilt: Z d3 r hϕ|ψi = hϕ|rµihrµ|ψi µ Z = X £ ¤ d3 r ϕ∗+ (r)ψ+ (r) + ϕ∗− (r)ψ− (r) (8.25) |ψ± (r)|2 d3 r = Wahrscheinlichkeit, das Teilchen mit ms = ± 21 bei r zu finden. Von besonderem Interesse ist die Spinpolarisierung, d. h., der Mittelwert von Sbz : Z hSbz iψ = = = h̄ bz ψ(r) d3 r ψ + (r) σ 2 à Z ¡ ∗ ¢ 1 0 h̄ ∗ d3 r ψ+ (r) ψ− (r) 0 −1 2 Z h i h̄ d3 r |ψ+ (r)|2 + |ψ− (r)|2 2 oder allgemein ψ+ (r) ψ− (r) ! (8.26) Z hSbz iψ = Gesamtdrehimpuls: !à b d3 r ψ + (r) Sψ(r) b=L b +S b J Verallgemeinerung auf N Elektronen ist klar. Mit der Basis |r1 µ1 . . . rN µN i = |r1 µ1 i . . . |rN µN i (8.27) 8.2. SPINABHÄNGIGE WECHSELWIRKUNGEN 149 ist der Darsteller von |ψi bezüglich dieser Basis: hr1 µ1 . . . rN µN |ψi = ψ(r1 µ1 , . . . , rN µN ) (8.28) Für den Gesamtdrehimpuls folgt: b=L b +S b= J N X i=1 8.2 bi + L N X bi S i=1 Spinabhängige Wechselwirkungen Für Z Elektronen eines Atoms in einem schwachen Magnetfeld müssen wir (8.3) jetzt erweitern: z X b− b b =H b0 − e B · L ~µ bsi · B H (8.29) 2mc i=1 Wegen X i e b e X ~µ b bsi = gs si = gs S 2mc i 2mc folgt b = H0 − H ´ ³ ´ e ³b b · B = H0 − e b + 2S b ·B L + gs S L 2mc 2mc (8.30) Der Spin wird im Gegensatz zum Bahndrehimpuls zweimal gezählt, d. h., die Störung in einem schwachen Magnetfeld lautet nicht: b1 = H µB b b=L b +S b J · B mit J h̄ Neben (8.30) folgt aus der Dirac–Gleichung im nichtrelativistischen Grenzfall noch die Spin–Bahn–Kopplung. Für ein Elektron lautet die Spin–Bahn–Kopplung: µ b ls H b e b v = − (gs − 1) S· E 2mc c µ ¶ b gs − 1 ~ v bs · E = − µ gs c ¶ (8.31) 150 KAPITEL 8. DER SPIN DES ELEKTRONS b p e b b= m bs = gs 2mc Hierbei sei ~µ S und v . Das Elektron bewegt sich dabei mit der Geschwindigkeit v im elektrischen Feld des Atoms. Es sieht dabei das Magnetfeld: BAtom = − v ×E c Diese klassische Interpretation kann daher nicht den sogenannten Thomasfaktor 12 (gs = 2) verständlich machen. Im kugelsymmetrischen Potential gilt: eE = − r dv r dr 1 1 dV v ⇒ E× =− c ec r dr µ ¶ b 1 1 dV b p b =− L r× m emc r dr Daraus folgt: Hls = 1 1 dV b b L·S 2m2 c2 r dr (8.32) Die relativistische Korrektur der kinetischen Energie ist µ pb4 1 − 3 2 +O 4 8m c c 8.3 ¶ Addition von Drehimpulsen Wir machen uns die Problematik anhand des Wasserstoffatoms klar: 2 b = pb + V (r) − H 2m ´ e ³b 1 1 dV b 1 L + 2S · B + L·S− 2 2 2mc 2m c r dr 2mc2 à pb2 2m !2 Zu den 3 Bahnquantenzahlen n, l, ml kommt die Spinquantenzahl ms = ± 12 hinzu. Für B = 0 und bei Vernachlässigung der Spin–Bahn–Kopplung kommutieren b L b 2, L b z , Sb2 , Sbz . D. h., die simultanen Eigenzustände zu diesen Operatoren sind die H, 8.3. ADDITION VON DREHIMPULSEN 151 des ursprünglichen Wasserstoffproblems, außer daß eine zusätzliche Entartung wegen des Elektronenspins auftritt. h i h i b l s 6= 0 sind ml und ms wegen H b l s, L b z 6= 0 und H b l s , Sbz 6= 0 keine guten Für H ” Quantenzahlen“. Zum Glück gilt: h i b +S b =0 b L H, b=L b +S b mit H b vertauschen und man kann Daraus folgt, daß alle Komponenten von J 2 b b die Zustände mit den Eigenwerten von J und Jz klassifizieren. Wir haben also das folgende System vertauschbarer Operatoren: b −→ n H b 2 −→ l(l + 1) L Jb2 −→ j(j + 1) Jbz −→ M = ml + ms 3 Sb2 −→ 4 Es verbleibt als Aufgabe, die Eigenvektoren zum Gesamtdrehimpulsoperator zu bestimmen. Wir wollen das vorstehende Problem verallgemeinern und betrachten die Addition von zwei Drehimpulsen Jb1 und Jb2 . Offensichtlich gibt es (2j1 + 1) Zustände | j1 m1 i und (2j2 +1) Zustände | j2 m2 i. Der tensorielle Produktraum enthält dann (2j1 +1)·(2j2 +1) Zustände. Eine natürliche Basis ist | j1 j2 m1 m2 i =| j1 m1 i | j2 m2 i (8.33) b=J b1 + J b 2 . Zunächst stellen wir fest, In diesem Raum studieren wir die Wirkung von J b daß die Basisvektoren (8.34) Eigenvektoren von Jz sind: ³ Jbz | j1 j2 m1 m2 i = ´ Jb1z + Jb2z | j1 m1 i | j2 m2 i = h̄(m1 + m2 ) | j1 m1 i | j2 m2 i = h̄m | j1 j2 m1 m2 i , m = m1 + m2 . (8.34) b1 · J b 2 (Jb1 und Jb2 (8.34) sind im allgemeinen keine Eigenvektoren von Jb2 = Jb12 + Jb22 + 2J 2 b b kommutieren). Aber die Eigenzustände von J und Jz lassen sich nach (8.34) entwickeln: | j mi = X | j1 j2 m1 m2 ihj1 j2 m1 m2 | j mi m1 ,m2 ≡ X m1 ,m2 (m1 +m2 =m) Cj1 j2 (j m | m1 m2 ) | j1 j2 m1 m2 i (8.35) 152 KAPITEL 8. DER SPIN DES ELEKTRONS Die Cj1 j2 (j m | m1 m2 ) heißen Clebsch–Gordon–Koeffizienten. Wegen (8.35) ist C ≡ 0 für m1 6= m2 (es wird nur über m = m1 + m2 summiert). Wir wollen noch die erlaubten Werte für j berechnen. Wir betrachten zunächst den größten Wert für m: 1. mmax =h m1 max i + m2 max = j1 + j2 2 b b Wegen J , Jz = 0 ist | j1 j2 j1 j2 i Eigenvektor von Jbz und Jb2 : | j̄ m = j̄i =| j1 j2 j1 j2 i , j̄ = mmax = j1 + j2 (8.36) Wie in Kapitel 5 kann man sich mittels Absteigeoperatoren Jb− = Jb1− + Jb2− insgesamt (2j̄ + 1) Zustände | j̄ mi verschaffen. 2. Wir betrachten nun den speziellen Wert m = mmax − 1 = j̄ − 1. Für diesen Wert hat Jbz wegen (8.34) zwei Eigenvektoren, | j1 j2 (j1 −1)j2 i und | j1 j2 j1 (j2 −1)i. Aus diesem zweidimensionalen Raum erhält man durch Linearkombination gerade den Zustand | (j̄ = j1 + j2 )(j̄ − 1)i. Die zweite hierzu orthogonale Linearkombination muß Eigenvektor zu Jb2 mit j = j̄−1 sein, denn es ist klar, daß j mit | (j̄−1)(j̄−1)i wegen m = j̄ − 1 nur die Werte j̄ oder j̄ − 1 annehmen kann. j̄ fällt aber aus, da alle Zustände mit j = j̄ bereits in (8.37) erfaßt wurden. Ausgehend von diesem Zustand | (j̄−1)(j̄−1)i konstruiert man sich mittels Jb− alle (2(j̄−1)+1) = (2j̄−1) Zustände | (j̄ − 1)mi. 3. Für m = j̄ − 2 enthält (8.34) drei Eigenvektoren zu Jbz : | j1 j2 (j1 − 2)j2 i , | j1 j2 j1 (j2 − 2)i , | j1 j2 (j1 − 1)(j1 − 1)i Hiermit kann ich 3 Linearkombinationen bilden: j = j̄ m = j̄ − 2 ⇓ | j̄ j = j̄ − 1 j = j̄ − 2 m = j̄ − 2 m = j̄ − 2 ⇓ mi ⇓ | (j̄ − 1)mi | (j̄ − 2)(j̄ − 2)i b 2 . j in Nur die letzte Linearkombination führt zu dem gesuchten Eigenvektor von L | j mi nimmt also sukzessive die Werte j̄, j̄ −1, j̄ −2, . . . an. Auf diese Weise kommt man zu einem minimalen Wert j ≥ 0. Offensichtlich folgt aus der Dimensionalität des Raumes: (2j1 + 1)(2j2 + 2) = j̄ X (2j + 1) j=j (8.37) 8.4. DIE FEINSTRUKTUR DES WASSERSTOFFSPEKTRUMS 153 Die Rechnung (Übungen) liefert j = |j1 + j2 |. Daraus folgt: |j1 − j2 | ≤ j ≤ |j1 + j2 | (8.38) Zu jedem j gehören (2j + 1) Zustände mit −j ≤ m ≤ j. Beispiel: Addition von 2 Spins: S = S1 + S2 ⇒ j1 = j2 = 1 2 (8.38) liefert für j in | j mi die zwei Möglichkeiten j = 0 (Singulett) oder j = 1 (Triplett). Die Basis (8.33) besteht hier aus den vier Zuständen: | + +i , | − +i , | + −i , | − −i Eigenvektoren des Gesamtspins j ≡ s seien | s mi: Sb2 | s mi = h̄2 s(s + 1) | s mi , Sbz | s mi = h̄m | s mi Singulett (S = 0) : Sb2 | 0 0i = 0 1 | 0 0i = √ [| + −i− | − +i] 2 (8.39) Triplett (S = 1): Sb2 | 1 mi = h̄2 12 | 1 mi | 1 1i = | + +i 1 | 1 0i = √ [| + −i− | − +i] 2 | 1 − 1i = | − −i 8.4 (8.40) Die Feinstruktur des Wasserstoffspektrums Wir sind jetzt in der Lage, das Wasserstoffatom unter Berücksichtigung der Spin–Bahn– b =L b + S) b 2 sind h̄2 j(j + 1) mit Wechselwirkung zu behandeln. Die Eigenwerte von (J (8.39) folgt 154 KAPITEL 8. DER SPIN DES ELEKTRONS j = l± j = 1 2 1 2 , , l=0 l 6= 0 (8.41) Klassifikation der Eigenzustände: | ψi =| n l j mj i (8.42) Für B = 0 und ohne die relativistische Korrektur der kinetischen Energie sei das ungestörte Problem: b0 = H pb2 + V (r) 2m (0) b 0 | ψi = E mit H n l | ψi (8.43) Der Einfluß der Spin–Bahn–Kopplung behandeln wir störungstheoretische: (1) (0) (0) b l si = E + En l j = En l + hH nl 1 2m2 c2 ¿ ψ| 1 dV b b L·S|ψ r dr À (8.44) b ·S b auf | ψi läßt sich leicht angeben, wenn man benutzt Die Wirkung L ³ ´2 b +S b Jb2 = L Daraus folgt b ·S b + Sb2 b 2 + 2L =L ⇒ b ·S b = [Jb2 − L b 2 − Sb2 ] 2L · ¸ h̄2 3 b b L · S | ψi = j(j + 1) − l(l + 1) − 2 (1) (0) En l j = En l + 2 h̄ 4m2 c2 ¿ 1 dV r dr (8.46) 4 À nl 0 : l=0 l : j =l+ −(l + 1) : j = l − (8.45) 1 2 1 2 (8.47) (8.47) ermöglicht auch Aussagen über andere Einelektronensysteme, so sind die Alkalien Li ⇒ 1s2 2s1 , Na ⇒ [Ne] 3s1 , K ⇒ [Ar] 4s1 , Rb ⇒ [Kr] 5s1 , Cs ⇒ [Xe] 6s1 , Fr ⇒ [Rn] 7s1 8.4. DIE FEINSTRUKTUR DES WASSERSTOFFSPEKTRUMS 155 echte Einelektronensysteme. Gemäß (8.47) sind alle Zustände, außer den s–Zuständen, aufgespalten. Dies ist der Dublette–Charakter von Einelektronenatomen. Berühmt geworden ist die gelbe D–Linie (zwei Linien D1 und D2 mit einem Abstand von 6Å ≈ 1884eV) des Na. Siehe auch Finkelnburg Einführung in die Atomphysik“. Für die ” Charakterisierung der Terme gibt es folgende Konvention: nlj : 1s 1 , 2s 1 , 2p 1 , 2p 1 , 3s 1 , 3p 1 . . . . 2 2 2 2 2 2 Für Einelektronensysteme mit komplizierten inneren Aufbau benutzt man große Buchstaben. Die Kennzeichung der Dublette–Struktur geschieht durch Hinzufügen einer kleinen 2 links oben am Buchstaben, z. B., 2 2 p 1 (Sprechweise: Dublette–P). 2 Feinstruktur des H–Atoms: Feinstrukturkonstante: α= 1 e2 ≈ h̄c 137 (8.48) (0) Damit läßt sich En schreiben als En(0) = −mc2 α2 2n2 (8.49) 2 Für das Coulombpotential V = − er folgt 1 dV e2 = 3 r dr r ¿ , 1 r3 À = nl 1 2 a30 l(l + 1)(2l + 1)n3 Damit folgt: b l s i = −E (0) hH n α2 n(2l + 1) ( 1 l+1 − 1l , a0 = : j =l+ : j =l− 1 2 1 2 h̄2 mc2 (8.50) (8.51) Nimmt man auch noch die relativistische Korrektur zur kinetischen Energie in der Störungstheorie 1. Ordnung mit, so erhält man insgesamt: " En l j = Diskussion: En(0) α2 1+ 2 n à n j+ 1 2 3 − 4 ! # 4 + O(α ) (8.52) 156 KAPITEL 8. DER SPIN DES ELEKTRONS (0) (a) Die beiden relativistischen Effekte heben die n2 –fache Entartung von En auf. (b) Außer von n hängen die Energieniveaus von j, aber nicht mehr von l ab. Daraus folgt, daß die Niveaus mit gleichen n und j für l = j ± 21 entartet bleiben. (c) Wegen des Spins gehören zu n jetzt 2n2 Zustände. (d) Termschema für n = 2. f = 2 · 22 Zustände: 2s, 2p 2p 3/2 10 4 MHz 2s 1/2 , 2p 1/2 (Lamb-Shift) 2s 1/2 1076 MHz 2p 1/2 Der Lamb–Shift rührt von der Quantisierung des elektromagnetischen Feldes aufgrund der Wechselwirkung des Elektrons mit den Vakuumfluktuationen dieses Feldes her, Anschaulich: Der Lamb-Shift des 2s 1 –Niveaus relativ zum 2p 1 –Niveau 2 2 wird durch eine Wolke von Photonen und virtuellen Elektron-Positron Paaren erzeugt, die das gebundene Elektron umgeben. Sie modifizieren die Formfaktoren und damit die resultierende Coulomb–Wechselwirkung mit dem Proton. Kapitel 9 Dirac-Gleichung 9.1 Prinzip der minimalen Kopplung Wir hatten gesehen, daß für Boseteilchen die Forderungen nach Erhaltung der Viererstromdichte und nach einer positiv definiten Teilchendichte nicht gleichzeitig erfüllbar waren. Dies folgte aus der Struktur der Wellengleichung. Um im Einteilchenbild bleiben zu können, haben wir die negativen Wahrscheinlichkeitsdichten als positive Dichten für negativ geladene Bosonen interpretiert. Zufrieden können wir damit nicht sein, denn um Erzeugung und Vernichtung von Teilchenpaaren beschreiben zu können (bei Erhaltung der Gesamtladungsdichte) bräuchten wir eine feldtheoretische Erweiterung der Klein–Gordon–Gleichung. Mit anderen Worten: Wir müßten eine Wechselwirkung ähnlich wie in der QED einschalten, die die Teilchenzahl nicht notwendigerweise konstant läßt. Die Formulierung einer solchen Feldtheorie könnte im Rahmen der 2. Quantisierung durchgeführt werden, weil hier die Bosestatistik durch die Vertauschungsrelationen für die Feldamplituden berücksichtigt werden kann. Die Wechselwirkung zwischen den quantisierten (freien) Feldern wird dann aus Lorentz-invarianten Lagrange–Dichten hergeleitet. Dabei berücksichtigt man das Prinzip der mininmalen Ersetzung für Teilchen in einem Feld und das Prinzip der minimalen Kopplung zwischen Teilchen und Strahlungsfeld. Wir wollen hier zunächst im Einteilchenbild bleiben und nur die relativistisch invariante Wellengleichung für freie Teilchen mit Spin diskutieren. Freie Bosonen und Fermionen unterscheiden sich dann so: (a) Bose–Statistik für Teilchen mit integralem Spin impliziert eine nicht notwendigerweise positiv definite Teilchen- oder Ladungsdichte. Die Bose–Statistik folgt aus der Vertauschung zweier Observabler an 2 Punkten mit raumartiger Trennung. 157 158 KAPITEL 9. DIRAC-GLEICHUNG (b) Fermi–Statistik folgt für Teilchen mit nicht integralem Spin. Auch hier treten negative Energien auf – aber immerhin läßt sich eine posotiv definite Teilchendichte formulieren. Da die Spin 12 -Dirac-Gleichung von fundamentaler Bedeutung für die relativistische Physik ist, betrachten wir neben ihrer Herleitung auch noch das Dirac-Atom. * Wir folgen bei der Herleitung Dirac. Gesucht wird eine Gleichung für die Wellenfunktion ψ, die relativistische Invarianz hat, eine positiv definite Aufenthaltwahrscheinlichkeit besitzt und natürlich mehrkomponentig ist, um den Spin beschreiben zu können. NR–Spintheorie: ( ψ(rt, s) = Allgemein bezeichnet man ψ= ψ(rt, ↑) ψ(rt, ↓) ψ1 ψ2 .. . ψN als N-komponentigen Spinor. Wegen der obigen Vorraussetzungen muß die Gleichung folgende Form haben: ih̄ ∂ ψ = HD ψ ∂t (9.1) Da die Zeitableitung nur von 1. Ordnung ist, sollte wegen der relativistischen Invarianz das auch beim Ort so sein: h̄ p= ∇ i Wir machen daher den Ansatz: HD = c~ α · p~ + βmc2 (9.2) α ~ und β müssen Matrizen (hermitesch) sein, die auf den Spinor wirken, da sonst (9.1) nicht rotationsinvariant ist. Die Eigenschaft der Matrizen finden wir mit Hilfe des Ansatzes: i ψ = ψ0 e− h̄ (Et−p·r) (9.3) 9.1. PRINZIP DER MINIMALEN KOPPLUNG 159 mit p im Exponenten als C–Zahl. Daraus folgt: h i E ψ0 = c~ α · p~ + βmc2 ψ0 (9.4) E 2 = c2 (~ α · p~)2 + c3 m [(~ α · p~)β + β(~ α · p~)] + m2 c4 β 2 (9.5) (9.5) ist nur dann identisch mit E 2 = m2 c4 + c2 p2 , wenn für jedes p gilt: β 2 = 1, αk β + βαk = 0, αk αl + αl αk = 2δ kl (9.6) Die Forderung, daß (9.5) mit E 2 = m2 c4 + c2 p2 identisch sein soll, ist gleichbedeutend damit, daß ψ auch Lösung der Klein–Gordon–Gleichung ist: h i E 2 = m2 c4 + c2 p2 ψ = 0 Die 4 Matrizen α, β antikommutieren gemäß (9.6), (9.4) bezeichnet man dann als Dirac–Gleichung. Wie schon erwähnt, müssen α ~ und β hermitesche Matrizen sein, damit HD ebenfalls hermitesch ist. Hermitezität und (αk )2 = β 2 = 1 bedeutet reelle Eigenwerte für alle 4 Matrizen: ±1. Ferner: ·³ Sp β = Sp α k ´2 ¸ h i h i β = Sp αk βαk = −Sp αk αk β = −Sp β Analog: Sp αk = −Sp αk ⇒ Sp β = Sp αk = 0 (9.7) Daraus folgt, daß die Zahl der Eigenwerte mit Wert +1 gleich der Anzahl der Eigenwerte mit Wert -1 ist. Die Dimension der αk und β Matrizen muß somit gerade sein. Wir probieren einfach aus: (a) Dimension = 2: Dies reicht offensichtlich nicht aus, da es hier nur drei miteinander antikommutierende (2 × 2)-Matrizen gibt: ~σ = (σx , σy , σz ) wobei à σx = 0 1 1 0 ! à , σy = 0 −i i 0 (9.8) ! à , σz = 1 0 0 −1 ! 160 KAPITEL 9. DIRAC-GLEICHUNG (b) Dimension = 4: In einer speziellen Darstellung können β und αk sofort angegeben werden: à ! à ! 1 0 0 σk k β= , α = (9.9) 0 −1 σk 0 Das Prinzip der minimalen Ersetzung bei Anwesenheit von elektromagnetischen Feldern: e E → E − eϕ , p → p − A c führt dann zu der Dirac–Gleichung: · 9.2 µ ¶ ¸ ∂ e~ + eϕ + mc2 β ψ(r, t) = ih̄ ψ(r, t) c~ α p~ − A c ∂t (9.10) Der Spin des freien Dirac-Teilchens Wir lösen wie oben · ¸ h̄ ∂ cα ~ ∇ + βmc2 ψ = ih̄ ψ i ∂t mittels i ψ(r, t) = ψ(p) e− h̄ (Et−p·r) Daraus folgt: h i E ψ(p) = c α ~ · p~ + βmc2 ψ(p) (9.11) ψ(p) heißt 4-komponentiger Spinor. Zur Berechnung der Eigenwerte benutzen wir (9.9): h i E − cα ~ · p~ − βmc2 ψ(p) = 0 Daraus folgt: h det E − c α ~ · p~ − βmc2 " = det h i (E − mc2 ) · 1 −c ~σ · p~ −c ~σ · p~ −1 · (E − mc2 ) i = det 1(E 2 − m2 c4 − c2 p2 ) = (E − m2 c4 − c2 p2 )2 = 0 # 9.2. DER SPIN DES FREIEN DIRAC-TEILCHENS 161 Daraus folgt: q E = ± m2 c4 + c2 p2 (9.12) Dabei wird benutzt: 1 (~σ · p~)2 = σi pi σj pj = pi pj (σi σj + σj σi ) = pi pj = p2 | {z } 2 =2δij Im Unterschied zur Klein–Gordon–Gleichung p ist noch jeder der beiden Eigenwerte (9.12) 2-fach entartet. Zu jedem p mit E = m2 c4 + c2 p2 gibt es zwei Spinoren und wir vermuten schon, daß dieser innere Freiheitsgrad mit dem Spin zusammenhängt. Um mehr Einsicht zu gewinnen, berechnen wor einige Kommutatoren von Spinoperatoren mit dem Dirac-Operator: µ · h̄ ∂ ∂ h̄ c~ α∇ + βmc2 , x −y [HD , Lz ] = i i ∂y ∂x µ ¶ ∂ ∂ 2 = −h̄ c αx − αy ∂y ∂x ch̄ = (~ α × p~)z 6= 0 i ¶¸ Der Bahndrehimpulsoperator vertauscht also nicht mit HD : [HD , L] = ch̄ α ~ × p~ i (9.13) Wir versuchen jetzt einmal einen Gesamtdrehimpuls zu konstruieren. Ansatz: J=L+S , h̄ X S= 2 − " , X − " = ~σ 0 0 ~σ # h̄ h̄ X [HD , Sz ] = c~ α∇ + βmc2 , , i 2 z wegen # (9.14) 162 KAPITEL 9. DIRAC-GLEICHUNG β X = z à X = αβ αx X à = z 0 σx σx 0 " αx , X # z !à ! σz 0 0 −σz σz 0 0 σz , , " # αz , # X = 0, z ! = " 2 = αy i " αy , αy i X , αx = − z X z # αy , i 2 = − αx i folgt: ( [HD , Sz ] = = " # " X X X ch̄ px αx , + py αy , + pz αz , 2 z z z ch̄ ch̄ (px αy − py αx ) = − (~ α × p~)z 2 2 #) Daraus folgt: [HD , S] = − ch̄ α ~ × p~, i [HD , J] = 0 (9.15) Der Gesamtdrehimpuls kommutiert – wie es auch sein sollte – mit seinen drei Komponenten mit HD . Dies gilt auch noch, wenn ein kugelsymmetrisches Potential eϕ vorhanden ist. Die Dirac–Theorie enthält also zwangsläufig einen inneren Drehimpuls, der so konstruiert ist, daß J mit den rotationsinvarianten HD kommutiert. Diesen inneren Drehimpuls bezeichnet man als den Spin des Teilchens (Elektrons): Sz = h̄ X h̄ = 2 2 z à σz 0 0 σz ! = h̄ 2 1 0 0 0 0 −1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 −1 (9.16) 9.2. DER SPIN DES FREIEN DIRAC-TEILCHENS 163 Die vier orthogonalen Eigenspinoren sind: ψ1 (p) = 1 Ã0 ! 1 A 0 à , ψ2 (p) = ! 0 Ã1 ! 0 A 1 à ! 1 0 A 1 A 0 ψ3 (p) = , ψ4 (p) = 1 0 1 0 i c · ~σ · p~ mit A= , ψ(r, t) = ψ(p) e− h̄ (Et−pr) 2 E + mc (9.17) p Dabei gehören ψ1,2 (p) zu positiven Energien E1,2 = + m2 c4 + c2 p2 und ψ3,4 (p) zu p 2 4 negativen Energien E3,4 = − m c + c2 p2 . Hier liegen – wie bei der Klein-GordonGleichung – auch negative Energiezustände vor. Mathematisch folgt dies durch Anwendung des Korrespondenz-Prinzip (indem man verlangt, daß ψ auch Lösung der Klein-Gordon-Gleichung ist). Aber im Gegensatz zur Klein-Gordon-Gleichung besitzt das Dirac-Teilchen einen inneren Freiheitsgrad, den Spin. ψ1,2,3,4 sind keine Eigenvektoren zu Sz , da [HD , Sz ] 6= 0. Nur für ein ruhendes freies Teilchen gilt mit p~ = 0 → A = 0 → Sz ψ1,3 = h̄2 ψ1,3 und Sz ψ2,4 = − h̄2 ψ2,4 . Man kann aber einen anderen Kommutator konstruieren, der verschwindet: [HD , S · p] = 0 (9.18) D. h., der auf die Impulsrichtung projezierte Eigendrehimpuls kommutiert mit dem P ( in Impulsrichtung) Dirac-Operator. Man definiert diese Komponente von S = h̄2 als Helizität: P ·p h(p) = − (9.19) |p| mit [HD , h(p)] = 0 (9.20) Linearkombinationen von ψ1 und ψ2 , bzw. von ψ3 und ψ4 sind dann auch Eigenspinoren von h(p). 164 9.3 KAPITEL 9. DIRAC-GLEICHUNG Kovariante γ-Matrizen Die kovariante Form der Dirac-Gleichung erhält man mit Hilfe kovarianter (4 × 4)Matrizen: ³ µ à ´ 0 γ = γ , ~γ 0 , γ =β , ~γ = β · α ~= 0 ~σ −~σ 0 ! (9.21) Multiplikation der Dirac-Gleichung mit γ 0 : · µ γ ¶ ¶ µ ¸ ∂ e~ ih̄ − e · ϕ − c~γ p~ − A − mc2 ψ(r, t) = 0 ∂t c 0 und Division durch c führt zu · ¶ µ ih̄γ µ ∂µ + ¸ ie Aµ − mc ψ(r, t) = 0 h̄ c (9.22) Die γ-Matrizen genügen den Vertauschungsrelationen: γ µ γ ν + γ ν γ µ = 2g µν (9.23) γ 0 ist hermitesch: γ 0 = (γ 0 )+ , γ k ist antihermitesch: (γ k )+ = −γ k oder allgemeiner formuliert: (γ µ )+ = γ 0 γ µ γ 0 , γµ = gµν γ ν ⇒ γ0 = γ 0 , γk = −γ k , γ µ = (γµ )+ = (γµ )−1 (9.24) Kovariante Form der Kontinuitätsgleichung: Da die Zeitableitung 1.Ordnung ist, muß die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte positiv definit sein. Im Spinorformalismus schreiben wir die Dichte als ψ+ψ = ³ ψ1+ ψ2+ ψ3+ ψ4+ ´ ψ1 ψ2 ψ3 ψ4 = ρ(x) ≥ 0 (9.25) 9.3. KOVARIANTE γ-MATRIZEN ψ genügt: 165 · ¸ ∂ ch̄ ih̄ ψ = α ~ ∇ + βmc2 ψ ∂t i ψ + genügt: · (9.26) ¸ ∂ ch̄ −ih̄ ψ + = − ∇ψ + α ~ + mc2 ψ + β ψ ∂t i (9.27) Multipliziere (9.26) von links mit ψ + und (9.27) von rechts mit ψ und subtrahiere sie voneinander: ∂ h̄c ih̄ ψ + ψ = ∇(ψ + α ~ ψ) (9.28) ∂t i Definieren wir den Stromoperator durch so folgt: j(x) = ψ + αψ (9.29) ∂ρ +∇·j =0 ∂t (9.30) Kovariante Form: αk = γ 0 γ k = βγ k ⇒ j k = ψ k γ 0 γ k ψ ≡ ψγ k ψ mit ³ ´ ψ = ψ + γ 0 = ψ1+ ψ2+ ψ3+ ψ4+ 1 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 −1 0 0 0 −1 ³ ´ = ψ1+ ψ2+ − ψ3+ − ψ4+ (9.31) Wegen ψγ 0 ψ = ψ + (γ 0 )2 ψ = ψ + ψ folgt: ∂µ j µ = 0 , j µ = ψγ µ ψ (9.32) ∗ Wir müssen jetzt nur noch die Kovarianz von () und () nachweisen. Forminvarianz gegenüber einer Lorentz-Transformation x0 = Λx , x0µ = Λµ νxν 166 KAPITEL 9. DIRAC-GLEICHUNG bedeutet: h [ih̄γ µ ∂µ − mc] ψ(x) = 0 −→ i ih̄γ µ ∂µ0 − mc ψ 0 (x) = 0 (9.33) Geht man davon aus, daß sich die γ-Matrizen in den beiden Bezugssystemen nur durch eine Ähnlichkeitstransformation unterscheiden, so wird man bei dem Übergang in () die γ µ nicht transformieren. Sei nun S(Λ) die (4×4)–Spinormatrix, die die 4-komponentige Spinorwellenfunktion transformiert ψ 0 (x0 ) = S(Λ)ψ(x) → ψ(x) = S −1 (Λ)ψ 0 (x) (9.34) so erhält man mit ∂µ = ∂ν0 Λνµ : h i 0 = [ih̄γ µ ∂µ − mc] ψ(x) = ih̄γ µ ∂ν0 Λνµ − mc S −1 ψ 0 (x0 ) Wir fordern nun das Transformationsgesetz für die γ-Matrizen: Λνµ γ µ = S −1 (Λ)γ ν S(Λ) (9.35) Man kann (9.35) mit Hilfe einer infinitesimalen Transformation µ Λµν −→ gµν + ωµν i S(Λ) = exp − ω µν σµν 4 , beweisen. σµν ≡ ¶ i ≈ 1 − ω µν σµν 4 i [γmu , γν ] , S(Λ) 2 ³ ´ ist dann eine unitäre Transformation UΛ = exp − 4i ω µν Jµν , wobei man den Kommutator zwischen Drehimpulsen durch σµν ersetzt hat. Wir verzichten auf dieses Detail. Mit (9.35) erhalten wir γ µ Λνµ = Λνµ γ µ = S −1 γ ν S und £ ¤ 0 S −1 (Λ) ih̄γ ν ∂nu − mc ψ 0 (x0 ) = 0 Dies zeigt die Lorentz-Invarianz der Dirac-Gleichung. S genügt noch: S −1 = γ 0 S + γ 0 (9.36) 9.4. GESCHWINDIGKEIT UND PARITÄT DES DIRAC-TEILCHENS 167 Die Kovarianz der Kontinuitätsgleichung weisen wir nach, indem wir zeigen, daß j µ ein Vierervektor ist: 0 j µ (x0 ) = ψ 0 γ µ ψ 0 = ψ 0+ γ 0 γ µ ψ 0 = (Sψ)+ γ 0 γ µ Sψ = ψ + S + γ 0 γ µ Sψ = ψ + γ 0 (γ 0 S + γ 0 )γ µ Sψ = ψ + γ 0 (S −1 γ µ S)ψ = ψΛµν γ ν ψ = Λµν j ν (x) 9.4 Geschwindigkeit und Parität des Dirac-Teilchens Die folgenden dynamischen Größen legen die Eigenschaften des Dirac-Teilchens fest: Hamiltonian Ort r, Impuls p, Spin S = ψ + αψ. e HD = cα(p − A) + eϕ + βmc2 , c h̄ P , 2 Gesamtdrehimpuls J = r × p + S, Strom j = ψ γ ψ = Wir betrachten zunächst den Geschwindigkeitsoperator. Im nichtrelativistischen Fall p ∂H gilt dr dt = ∂p = m für ein freies Teilchen. Für das Dirac-Teilchen finden wir: v= dr ∂HD = = cα dt ∂p (9.37) Somit kommutieren die Komponenten von v nicht miteinander und wegen (αk )2 = 1 sind die Eigenwerte von v k gleich ±c. Dieses ungewöhnliche Verhalten für ein freies Teilchen hängt mit der Zitterbewegung zusammen. Die Benutzung der Hamiltonschen Bewegungsgleichung besagt: Korrespondenzmäßig dürfen wir α als den Geschwindigkeitsoperator ansehen, denn eigentlich müßten wir ins Heisenberg-Bild gehen und v mit Hilfe von [r, HD ] berechnen. (9.37) ist zweckmäßiger und kürzer! Integriert man (9.37) so enthält r(t) den oszillierenden Term e−2iHD t/h̄ . Dies führt zu einer oszillierenden Bewegung von hr(t)i und wird als Zitterbewegung des Dirac-Teilchens bezeichnet. Sie ist eine Folge des Interferenzeffektes zwischen den Zuständen mit positiver Energie und den Zuständen mit negativer Energie. Benutzt man nur Zustände positiver Energie, so verschwindet die Zitterbewegung. 168 KAPITEL 9. DIRAC-GLEICHUNG Wir wollen nun den Erwartungswert von v für die Bewegung des Teilchens in z-Richtung berechnen. Mit p = p · ez und 1 0 cp E+mc2 ψ 1 (p) = 0 aus (9.16) erhalten wir: ³ hvz i = c ψ+ α3 ψ 1 1 ψ ψ+ 1 c·p E+mc2 1 0 0 ´ à 0 σ3 σ3 0 = ³ 1 0 c·p E+mc2 ! 1 0 cp E+mc2 0 1 ´ 0 0 cp E+mc2 0 = c 1 2·c·p 2 · c · p (E + mc2 )2 = c ³ ´ 2 c·p E + mc2 1 + E + mc2 2E(E + mc2 ) E+mc2 = c2 p E = P M (9.38) mit E = M c2 . hvz i kann demnach als Schwerpunktsbewegung eines Willenpaketes in z-Richtung interpretiert werden (mit Spin ↑). Achtung: Für die Schwerpunktsbewegung eines WelP lenpaketes mit Zuständen negativer Energie ist hvz i = − M , also entgegengesetzt zur Impulsrichtung. Dies zeigt schon, daß alle Zustände gleichberechtigt sind und die Mittelwertbildung mit allen Zuständen gebildet werden sollte. Das Integral über den Ortsraum kürzt sich in (9.38) heraus. Der Nenner ψ + ψ war notwendig, weil wir (9.17) nicht 1 auf δ-Funktionen normiert hatten. Wir betrachten nun den Paritätsoperator: Der Paritätsoperator P0 angewendet auf eine ortsabhängige Funktion f (r) bewirkt: P0 f (r) = f (−r) und P0 p f (r) = −p f (−r) = −p P0 f (r) ⇒ P0 p = −p P0 9.4. GESCHWINDIGKEIT UND PARITÄT DES DIRAC-TEILCHENS 169 Da hier aber HD linear in p ist, kommutiert P0 fnicht mit HD . Wegen βα = −αβ ¯ vertauscht jedoch der folgende Operator mit HD : P = βP0 ⇒ [HD , P ] = 0 (9.39) P0 können wir als Parität der Bahn des Teilchens interpretieren, hinzu kommt noch eine innere Parität des Dirac-Teilchens, die durch β charakterisiert wird. Offensichtlich gilt: P 2 = 1 ⇒ ±1 als Eigenwerte. Für ein ruhendes Elektron kann man aus (9.17) ablesen: βψ 1,2 (p = 0) = ψ 1,2 (0) , βψ 3,4 (0) = −ψ 1,2 (0) Daraus folgt, daß ein ruhendes Elektron mit positiver Energie die Parität +1 besitzt. Ein ruhendes Dirac-Teilchen mit negativer Energie (Positron) besitzt die Parität -1. Man sollte hier vielleicht hinzufügen, daß alle Elementarteilchen eine innere Parität besitzen. Dies ist eine simple Folge der mehrdimensionalen Formulierung für Teilchen mit Spin. Wichtig: der Erhaltungssatz für die Parität gilt nicht für die schwache Wechselwirkung (β-Zerfall: n → p + e− + νe ). 170 KAPITEL 9. DIRAC-GLEICHUNG Kapitel 10 Das relativistische H-Atom 10.1 Lamb-Shift und Hyperfeinaufspaltung Gemäßp(9.12) ist das Energiespektrum für das freie Dirac-Teilchen durch E = ± m2 c4 + c2 p2 gegeben: E E = -mc 2 0 E = mc 2 keine Zustände mit jeweils einem Kontinuum von Zuständen ober- bzw. unterhalb der Energien E = mc2 und E = −mc2 . Mit kleiner werdender Masse schrumpft die Energielücke und verschwindet für m = 0 (Neutrino = Spin 12 -Teilchen). Wie sieht nun das Energiespektrum für das relativistische H-Atom aus? Für ein Klein-Gordon-Teilchen haben wir das Energiespektrum durch Vergleich mit dem nichtrelativistischen H-Atom gewonnen. Gebundene Zustände gab es dort in dem effektiven Potential à Vef f = 2EZα 1 l(l + 1) − (Zα)2 − + h̄c r r2 ! h̄2 , 2m das dem Potential im NR H-Atom sehr ähnlich ist. Da die Wellenfunktion für das DiracTeilchen auch Lösung der Klein-Gordon-Gleichung ist, versuchen wir wieder durch Vergleich die Energien zu erraten. 171 172 KAPITEL 10. DAS RELATIVISTISCHE H-ATOM Zunächst machen wir aus der Dirac-Gleichung ¸ · · ¸ ∂ ∂ ih̄ − HD ψ = 0 = β ih̄ − HD ψ = 0 ∂t ∂t mit µ (10.1) ¶ h̄ e HD = c · α ∇ − A + eϕ + mc2 β i c eine Gleichung 2. Ordnung, indem wir (10.1) mit µ · ¸ β ih̄ ∂ − HD + 2mc2 ∂t ¶ (10.2) von links multiplizieren. Wir erhalten dann mit β 2 = 1, βα = γ, ³ ´ ³ h̄ i∇ ´ − ec A = p − ec A = Π: · ¸· ¸ ∂ ∂ 0 = ih̄ β − cγΠ − eϕβ + mc2 ih̄ β − cγΠ − eϕβ − mc2 ψ ∂t ∂t ¶2 ·µ ∂ ∂ ∂ = ih̄ − eϕ + c2 (γΠ)2 − m2 c4 − c(γΠ)ih̄ β − ih̄ βc(γΠ) ∂t ∂t ∂t ¸ +eϕβc(γΠ) + c(γΠ)eϕβ ψ (10.3) (γΠ)2 = (αΠ)2 , (α · a) (α · b) = αx2 ax bx + αy2 ay by + αz2 az bz + αy αx ay bx + αx αy ax by + αz αx az bx + αx αz ax bz + αz αy az by + αy αz ay az = a · b + αy αz (a × b)x + αz αx (a × b)y + αx αy (a × b)z |P {z } |P {z } |P {z } x y z i (α · a) (α · b) a · b + i i X i (a × b) (10.4) Daraus folgt: X (γΠ)2 = −Π2 − i (Π × Π) = −Π2 + eh̄ X ·H c (10.5) 10.1. LAMB-SHIFT UND HYPERFEINAUFSPALTUNG 173 · e e (Π × Π)z = Πx Πy − Πy Πx = px − Ax , py − Ay c c µ ¶ eh̄ ∂Ay ∂Ax eh̄ = − − = − Hz ci ∂x ∂y ci · µ ¶ µ ¶ ∂ ∂ −c (γΠ)β ih̄ − eϕ − ih̄ − eϕ β(γΠ) ∂t ∂t | {z } | {z } · −α Π ¸ ¸ αΠ ¸ ∂ − eϕ ∂t · ¸ h̄ e ∂ = cα ∇ − A, ih̄ − eϕ i c ∂t µ ¶ 1∂ h̄ A = ih̄ecαE = cα e −∇ϕ − i c ∂t = cα Π, ih̄ · ¸ ∂ Π, ih̄ − eϕ = −ih̄eE ∂t (10.6) Aus (10.4) wird also "µ ¶2 ∂ ih̄ − eϕ ∂t µ 2 −c ¶2 e h̄ ∇− A i c 2 4 − m c + eh̄c µX ¶# H − iαE ψ=0 (10.7) die Dirac-Gleichung 2. Ordnung. Im Unterschied zu der Spin0-Klein-GordonGleichung (5.186) "µ ¶2 ∂ ih̄ − eϕ ∂t µ − ¶2 h̄ e ∇− A i c # 2 4 −m c ψ=0 koppelt die Dirac-Gleichung 2. Ordnung für ein Spin 12 -Teilchen magnetisches und elektrisches Moment des Teilchens explizit an die elektromagnetischen Felder H und E. 174 KAPITEL 10. DAS RELATIVISTISCHE H-ATOM Noch etwas zum Operator (10.2): · ∂ P = β ih̄ − cα · Π − e · ϕ + mc2 β ∂t ¸ (10.8) Während jede Lösung der Dirac-Gleichung 1. Ordnung (10.1) auch Lösung der DiracGleichung 2. Ordnung ist, gilt die umgekehrte Aussage nicht immer ! Falls jedoch ψ (10.6) löst, dann löst Φ = P ψ die herkömmliche Dirac-Gleichung (10.1): · ¸ · ¸ ∂ ∂ P β ih̄ − HD ψ = β ih̄ − HD P ψ = 0 ∂t ∂t Daraus folgt, daß die Dirac-Gleichung 2. Ordnung äquivalent ist zu ih̄ ∂ (P ψ) = HD (P ψ) ∂t (10.9) P wirkt als Projektionsoperator, der die Lösungen der Gleichung 2. Ordnung auf Lösungen der Gleichung 1. Ordnung reduziert. Doch zurück zum relativistischen H-Atom. Für stationäre Zustände im CoulombPotential (A = 0). Ze2 (10.10) eϕ = − r erhalten wir: à ! µ ¶ 2 2 E·t ∂ Ze Ze ih̄ ϕe−i h̄−p·r = 0 + + (h̄c∇)2 − m2 c4 − ieh̄cα ∇ ∂t r "à r Ze2 E+ r !2 # r Ze + (h̄c∇) − m c + ieh̄ α · ϕ=0 2 r | {z } r 2 2 4 ≡αr ∇2 = 1 r ³ d2 dr2 ´ r− L2 h̄2 r2 und Division durch h̄2 c2 führt zu 10.1. LAMB-SHIFT UND HYPERFEINAUFSPALTUNG 1 r à d2 ³ ´2 L ! dr2 h̄ r− 175 − Z 2 α2 − iαr (Zα) r2 + 2E(Zα) 1 + h̄c r E2 m2 c4 − h̄2 c2 ϕ=0 (10.11) 2 e α ist wieder die Feinstrukturkonstante h̄c . Abgesehen von dem Operator iαr Zα/r2 hat (10.11) dieselbe Struktur wie die Klein-Gordon-Gleichung. (10.11) ist noch eine (4 × 4)Matrixgleichung, daher können wir den Lösungsansatz dort nicht sofort übernehmen – wir müssen erst wissen, was der Operator iαr Zα/r2 bewirkt. Hierzu führen wir den folgenden Operator ein: µ ¶ K =β 1+ X · L/h̄ (10.12) K hat die Eigenschaften: h [K , α · p] = [K , α · r] = K , r 2 i ¸ · h̄ X =0 = K , J=L+ 2 (10.13) Daher vertauscht K mit dem Hamiltonian des relativistischen Wasserstoffatoms: H = cαp + βmc2 − Ze2 r Da K auch mit J vertauscht, können wir die Eigenwerte des Wasserstoffatoms durch die Eigenwerte von K, J 2 und Jz angeben. K ist so etwas wie ein Maß für die Ausrichtung von Spin- und Bahndrehimpuls. Wir wollen jetzt die Eigenwerte k von K berechnen. Zunächst haben wir: ÃP K 2 = 1+ ·L h̄ !2 P = P +2 ·L L2 =1+ 2 +2 h̄ h̄ P ·L h̄ 2 J2 J2 1 − + 1 = + 4 h̄2 h̄2 h̄2 Daraus folgt: µ k 2 = j(j + 1) + 1 1 = j+ 4 2 ¶2 (10.14) 176 KAPITEL 10. DAS RELATIVISTISCHE H-ATOM Ferner antikommutiert K mit der Matrix γ5 = γ0 γ1 γ2 γ3 = −i 0 0 1 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 1 0 0 (10.15) γ5 antikommutiert auch mit allen γ µ . [K , γ5 ]+ = 0 , K|ki = k|ki → Kγ5 |ki = −γ5 K|ki = kγ5 |ki Daraus folgt, daß auch −k Eigenwert von K ist. Wegen j= 1 3 , , ... 2 2 → k = ±1, ±2, ±3, . . . (10.16) Null ist kein Eigenwert von K. Umgekehrt ist jeder Eigenzustand von k auch Eigenzustand von j 2 mit dem Eigenwert j = |k| − 1 1 =`± 2 2 (10.17) Wir wollen K benutzen, um (10.11) zu lösen, zweckmäßigerweise führt man einen neuen Operator ein: Λ = −βK − iαr (Zα) (10.18) Offensichtlich gilt: [Λ , K] = [Λ , J] = 0 (10.19) Λ2 = K 2 − (Zα)2 (10.20) und Λ(Λ + 1) = K 2 − (Zα)2 − βK − iαr (Zα) = (10.11) läßt sich deshalb schreiben als: L2 2 2 − (Zα) − iαr (Zα) h̄ (10.21) 10.1. LAMB-SHIFT UND HYPERFEINAUFSPALTUNG " 1 d2 Λ(Λ + 1) 2E(Zα) 1 E 2 − m2 c4 r − + + r dr2 r2 h̄c r (h̄c)2 177 # ϕ=0 (10.22) Gleichung (10.22) entspricht der Klein-Gordon-Gleichung, denn sei ψ Eigenfunktion von Λ, dann entspricht der Operator Λ(Λ+1) einer Zahl, die wir mit `0 (`0 +1) identifizieren. Die Energieeigenwerte sehen also wie die Spin 0 - Energieeigenwerte aus: mc2 E=r ³ 1+ Zα n0 mit n0 − `0 = n − ` = 1, 2, 3, . . . , n. ´2 (10.23) Worin unterscheidet sich nun das Elektron im Coulomb-Feld vom Pion im CoulombFeld? Der Unterschied besteht in den Quantenzahlen n0 und `0 . Sei Φ Eigenfunktion von Λ und K: h i h "µ i Λ2 Φ = K 2 − (Zα)2 Φ = k 2 − (Zα)2 Φ = 1 j+ 2 ¶2 # − (Zα)2 Φ Daraus folgt für die Eigenwerte von Λ2 : sµ ±λ ≡ ± 1 j+ 2 ¶2 − (Zα)2 (10.24) Wir müssen noch festlegen, welches Vorzeichen zu j± = ` ± 1 2 (10.25) gehört. Wegen (10.22) sollte für (Zα) → 0 der Eigenwert von −Λ für j+ positiv sein: (Λ)j± = ∓λ (10.26) `0± (`0± + 1) = [Λ(Λ + 1)]j± = ∓λ(∓λ + 1) = λ(λ ∓ 1) (10.27) Aus folgt: `0± 1 =− ± 2 r µ 1 1 1 λ(λ ∓ 1) + = − ± λ ∓ 4 2 2 ¶ (10.28) 178 KAPITEL 10. DAS RELATIVISTISCHE H-ATOM 0 Wegen des Verhaltens der Wellenfunktion r`t schließen wir die negativen `0± -Werte aus ( `0± = λ−1 λ ) (10.29) Daher folgt für die Quantenzahlen (10.24): µ n0 = n − ` + `0± = n − j± ∓ 1 2 ¶ r³ ´2 j± + 12 − (Zα)2 − 1 r³ + ´2 j± + 1 − (Zα)2 2 Daraus folgt: µ 1 n =n− j+ 2 sµ ¶ 0 + j+ 1 2 ¶2 − (Zα)2 für j = ` ± 1 2 (10.30) L und L2 sind keine Konstanten der Bewegung, bei der soeben durchgeführten Analyse habe wir aber so getan, als könnten wir die Energieniveaus mit den `-Werten des NRLimes klassifizieren. Daß dies richtig war, kann man leicht mit Hilfe der Hilfsquantenzahl k beweisen: n0 kann nur die Werte n0 = `0 + ν , ν = 1, 2, 3, . . . µ 1 = n − |k| + λ = n − j + 2 sµ ¶ + 1 j+ 2 ¶2 − (Zα)2 annehmen mit n = |k| , |k| + 1 , . . . für n = |k| + 1 , |k| + 2 , . . . (Λ)j+ = −λ für (Λ)j− = −λ 10.1. LAMB-SHIFT UND HYPERFEINAUFSPALTUNG Für jeden Wert von j = |k| − Niveaus: 1 2 179 gibt es wegen der k = ±1. . . . 2 Folgen von Energie- E k +2 k +2 k +1 k +1 k (Λ)j- = Λ (Λ)j+ = − λ Für reelle Eigenwerte muß j + 12 > (Zα) sein. Wir müssen noch die beiden Energiesequenzen verstehen. Die Eigenfunktion Φ von Λ ist keine Eigenfunktion von H, sondern nur P Φ. Wir müssen also P Φ mit Hilfe der k klassifizieren. Dies kann man im Hinblick auf den NR-Limes tun: Λ → −βK und für einen Zustand positiver Energie ist β = +1 ⇒ Λ = −K. Wir erwarten daher, daß die Lösungen der Gleichung 2. Ordnung mit einem bestimmten Vorzeichen von Λ den Lösungen der Gleichung 1.Ordnung entsprechen aber mit umgekehrtem Vorzeichen von Λ. Daraus folgt, daß die Folge (Λ)j+ = −λ k > 0 Werte besitzt, während die andere Folge k < 0 Werte besitzt. Wir wollen noch explizit den Zusammenhang zwischen k und ` herstellen. Es gilt K(K − β) = L2 h̄2 Im NR-Limes ist β ≈ 1 und wir können ein nicht negatives ` definieren: k(k − 1) = `(` + 1) Daraus folgt: ¯ ¯ 1 ¯ 1¯ 1 ` = − + ¯¯k − ¯¯ = k − 1 = j − 2 2 2 1 für k < 0 ` = |k| = j + 2 P für k > 0 (10.31) K mißt die Ausrichtung von und L. Für k > 0 sind sie im wesentlichen parallel 1 (j = ` + 2 ), für k < 0 sind sie im wesentlichen antiparallel (j = ` − 21 ). Dies rechtfertigt die einfachere Analyse auf den vorherigen Seiten zur Berechnung von n0 . Bei einer 180 KAPITEL 10. DAS RELATIVISTISCHE H-ATOM zweikomponentigen statt vierkomponentigen Analyse darf man tatsächlich so vorgehen, da man dann Bahndrehimpulseigenfunktionen hat. Das vollständige Niveau-Schema für H (Klassifikation mit n lj ) ist dann: k=3 k=2 n=3 k=1 k = -1 3s 1/2 k=2 n=2 n=1 k=1 k=1 k = -1 2s 1/2 k = -2 3p 3/2 3d 5/2 3d 3/2 3p 1/2 2p 3/2 2p 1/2 noch entartet 1s 1/2 n = 1, 2, . . . , ∞ ; j = 12 , 32 , . . . , n− 21 . j = `± 21 -Entartung wird aufgehoben, `-Entartung bleibt. Ein Teil der Entartung des NR-Falles ist aufgehoben. Aber z. B. sind die 2s 1 2 und 2p 1 -Zustände noch entartet. 2 Für (Zα) ¿ 1 kann man entwickeln: mc2 (Zα)2 E = mc2 − 2n2 à " (Zα)2 n 1+ 2 n j+ 1 2 3 − 4 #! (10.32) Demnach beträgt die (np 3 − np 1 )-Feinstrukturaufspaltung: 2 2 Enp 3 − Enp 1 = 2 2 (Zα)2 mc2 (Zα)2 4n3 (10.33) Die Aufspaltung ist demnach proportional zu α4 . Lamb-Shift: Die zweifache Entartung (z. B. zwischen 2s 1 und 2p 1 ) wird durch die Wechselwirkung 2 2 des Elektrons mit den Vakuumfluktuationen des elektromagnetischen Strahlungsfeldes aufgehoben. Hyperfein-Aufspaltung: Jedes Niveau spaltet in 2 Niveaus auf aufgrund der Wechselwirkung des Elektrons mit me dem magnetischen Moment des Protons ( ∝ m mc2 α4 ¿ Feinstruktur). p 10.2. NICHTRELATIVISTISCHER GRENZFALL 181 Resumée: E n=2 2p 3/2 2s 1/2 2s 1/2 , 2p 1/2 2p 1/2 Struktur: mc 2 α 2 Lamb-Shift: mc 2 α 5 Feinstruktur: mc 2 α 4 10.2 Nichtrelativistischer Grenzfall (10.7) wäre geeignet um den NR-Limes zu diskutieren. Häufig benutzt man aber zweikomponentige Spinoren: à ! ψ= Daraus folgt: à ! HD ϕ χ à ! ϕ =E χ à ϕ χ , ³ = à , 2 à à c·π à = χ= ψ3 ψ4 ! (10.34) à ! ´ ϕ χ ! 0 σ σ 0 à 2 + mc [mc2 + V ]ϕ + c(σ · π)χ [−mc2 + V ]χ + c[σ · π)ϕ £ ¤ ! c · α · π + βmc + V = £ ϕ= ψ1 ψ2 1 0 0 −1 ! ! !à ! +V ϕ χ ¤ E − mc2 − V ϕ = c(σ · π)χ , E + mc2 − V χ = c(σ · π)ϕ oder ϕ= c(σ · π) χ E − mc2 − V , χ= c(σ · π) ϕ. E + mc2 − V (10.35) Im NR-Limes ist mc2 die größte Energie und |E − mc2 | ¿ mc2 , |V | ¿ mc2 . Daraus folgt, daß χ in (10.35) klein sein wird, während ϕ als relativistische Erweiterung der NR-Schrödinger-Gleichung angesehen werden kann. Mit E 0 = E − mc2 (10.36) 182 KAPITEL 10. DAS RELATIVISTISCHE H-ATOM wird · ¸ c(σ · π) 1 E0 − V χ= ϕ ≈ 1 − c(σ · π) ϕ + O 2mc2 + E 0 − V 2mc2 2mc2 ÷ 1 2mc2 ¸3 ! (10.37) E 0 ϕ = V ϕ + c(σ · π) χ 1 1 = V ϕ+ (σ · π)(V − E 0 )(σ · π) ϕ (σ · π)2 ϕ + 2m 4m2 c2 Daraus folgt: " E 0 (σ · π)2 1+ 4m2 c2 # ϕ=V ϕ+ (σ · π)2 (σ · π) V (σ · π) ϕ+ ϕ 2m 4m2 c2 (10.38) (10.38) hat aber noch nicht die gewnschte Gestalt E 0 ϕ = H ϕ. Offensichtlich stört der Term bei E 0 : (σ · π)2 1+ ≡1+A (10.39) 4m2 c2 Wir definieren probehalber eine neue Wellenfunktion: ¶ µ A Φ ϕ= 1− 2 µ A E (1 + A) ϕ = E (1 + A) 1 − 2 0 à ¶ 0 Φ=E 0 A A2 1+ − 2 4 (10.40) ! µ Φ ≈ E0 1 + Daraus folgt: µ E 0 A 1+ 2 ¶ " (σ · π)2 (σ · π) V (σ · π) Φ= V + + 2m 4m2 c2 ³ und nach Multiplikation mit 1 − A 2 ´ #µ 1− A 2 ¶ Φ A 2 ¶ Φ 10.2. NICHTRELATIVISTISCHER GRENZFALL µ A E Φ= 1− 2 ¶" 0 183 (σ · π)2 (σ · π) V (σ · π) V + + 2m 4m2 c2 !µ A 1− 2 ¶ Φ (10.41) erhalten wir eine Gleichung der Gestalt E 0 Φ = H Φ, wobei H≈V+ ´ (σ · π)2 (σ · π)2 (σ · π)2 1 ³ − V (σ · π)2 + (σ · π)2 V − 2(σ · π) V (σ · π) − 2 2 2m 8m c 2m 4m2 c2 4 Der letzte Term ∝ 8mπ3 c2 ist offensichtlich eine relativistische Korrektur zur kinetischen Energie. Wir zerlegen H in H = H1 + H2 . H1 = (σ · π)2 +V 2m Mit (10.3) erhält man: µ ¶2 π2 π×π 1 e H1 = + V + iσ = p− A 2m 2m 2m c Mit s = h̄ 2 eh̄ σ·H 2mc +V − (10.42) σ folgt: − e e eh̄ σ·H=− s ·H = −ms · H = − 2s · H 2mc mc 2mc | {z } | {z } e s ms = mc µB |e| Hierbei ist ms das magnetische Moment des Elektrons, µB = 2mc das Bohrsche Magneton und g = 2 der £gyromagnetische Faktor. Die Quantenelektrodynamik liefert die ¤ α Korrkturglieder g = 2 1 + 2π + . . . . µ ¶2 1 e H1 = p− A 2m c µ ¶2 1 e + V + µB h̄σ · H = p− A 2m c + V + 2 µB s · H (10.43) Wegen der negatiben Ladung des Elektrons koppeln Spin und Magnetfeld antiferromagnetisch, magnetisches Moment und Magnetfeld aber ferromagnetisch! 184 KAPITEL 10. DAS RELATIVISTISCHE H-ATOM Elektron-Spin-Hamiltonian: HSpin = 2 µB s · H = −ms · H (10.44) (10.44) hat die Energieeigenwerte ± 12 g · µB · H (Zeeman-Aufspaltung; ursprünglich bezeichnete das Wort Zeeman-Aufspaltung nur die Aufhebung der `-Entartung in einem Magnetfeld). H2 = − 1 [σ · π , [σ · π , V ]] : 8m2 c2 Es folgt: [σ · π , V ] = σ [p , V ] = h̄ σ (∇V ) = i · e · h̄ σ · E , i e · E = −∇V V bezeichnet das elektrostatische Potential. Des weiteren gilt: [∇ , V ] ψ = ∇(V ψ) − V ∇ ψ = (∇ V )ψ Damit folgt: i · e · h̄ (10.45) [σ · π , σ · E] 8m2 c2 i · e · h̄ = − [(σ · p) (σ · E) − (σ · E) (σ · p)] ec A vernachlässigt 8m2 c2 i · e · h̄ [p · E − E · p + iσ (p × E − E × p)] = − 8m2 c2 i · e · h̄ i · e · h̄ eh̄ = − ∇E − σ · (∇ × E) − σ (E × p) . 2 2 2 2 2 2 c } |8m c {z 4m c } |8m {z Darwin-Term Spin-Bahn-Kopplung H2 = − Bei Kugelsymmetrie: V = V (r) ⇒ ∇×E=0 , e·E=− dV r dr r Daraus folgt: h̄ 1 d V 1 1 dV σ · (r × p) = s·` HSpin-Bahn = 2 2 4m c r dr 4m2 c2 r dr 10.3. DIRACS LÖCHERTHEORIE 185 Der Darwin-Term ist ein relativistisches Überbleibsel der Zitterbewegung. Wir erhalten also insgesamt: µ H= ¶2 1 e p− A 2m c + V − ms · H + 1 1 dV eh̄ ∇E s·`− 2 2 4m c r dr 8m2 c2 (10.46) Das magnetische Moment des Elektrons und die Spin-Bahn-Kopplung der Pauli-Theorie folgen somit zwangsläufig aus der Dirac-Gleichung. 10.3 Diracs Löchertheorie Wir hatten schon auf die Schwierigkeiten bei der Interpretation von Lösungen mit negativen Energien hingewiesen. p HD ist nicht nach unten beschränkt. Daraus folgt, daß das Energiespektrum E = ± m2 c4 + c2 p2 zwei Kontinua von Zuständen besitzt. Die Elektronen würden dann durch Strahlungsübergänge nach unten verschwinden. So wäre z. B. der Grundzustand des H-Atoms nicht stabil. Dirac fand folgenden Ausweg. Alle Zustände mit negativer Energie sind mit Elektronen besetzt. Das Pauli-Prinzip verhindert den Einbau weiterer Elektronen in diese Zustände mit negativer Energie. Außerdem sollen diese besetzten Zustände nicht beobachtbar sein. Für die beobachtbaren Elektronen verbleiben somit nur die Zustände mit positiven Energien. Offensichtlich rettet also nur das Pauli-Prinzip die Dirac-Gleichung. Hieraus folgt der Zusammenhang zwischen Spin und Statistik. Dirac-Teilchen können nur Spin 12 -Teilchen sein. Den Vakuumzustand definieren wir als: | Vakuumi =| 0i =| besetzte neg. Energiezuständei Einelektronenzustand: | p , si = c+ p,s + | 0i (10.47) cp,s erzeugt ein Elektron mit Impuls p und Spin s in einem positiven Energiezustand. Paarerzeugung und Konzept des Positrons: Durch Absorption eines Lichtquants kann ein Elektron negativer E Energie in einen Zustand positiver Energie übergehen. Im Dirac-See verbleibt dann ein Loch. Relativ zum Dirac-See entspricht diesem Loch ein Teilchen mit positiver Energie −E und und der Ladung +|e|. Diese Teilchen sind beobachtbar, man nennt sie Positronen. Durch 186 KAPITEL 10. DAS RELATIVISTISCHE H-ATOM die Absorption hat man also ein Teilchenpaar (Elektron und Positron) erzeugt. Die Schwierigkeiten bei der Dirac-Theorie bestehen genau darin, daß man –um ein einziges Dirac-Teilchen mit positiver Dichte beschreiben zu können– unendlich viele Zustände mit nicht wechselwirkenden Elektronen besetzen muß. Diese Inkonsistenzen werden in der Quantenelektrodynamik widerspruchsfrei behoben. Hier sind Elektronen, Positronen und Photonen eine Folge der Quantisierung von Feldern. Ladungskonjugation: Die Herleitung der Dirac-Gleichung war unabhängig vom Vorzeichen von e. Daher sollte die Gleichung beim Übergang e −→ −e Symmetrie zeigen. Dieser Übergang heißt Ladungskonjugation. · ¶ µ ih̄γ µ ∂µ + · Elektron (10.48) i·e ∂µ − Aµ − mc ψ p = 0 Positron h̄c (10.49) µ ih̄γ µ ¸ i·e Aµ − mc ψ e = 0 h̄c ¶ ¸ Ladungskonjugation: (i) Konjugiert komplexe Gleichung für ψ e : i → −i , ψ1∗ ψ → ψ ∗ = ... ψ4∗ (ii) Setze ψ p = iγ 2 ψ ∗e à 2 γ = Also: · −ih̄γ µ∗ µ 0 σ2 −σ 2 0 (10.50) ! à , ¶ ¸ 0 −i2 i2 0 i·e ∂µ − Aµ − mc ψ ∗e = 0, h̄c ! 10.3. DIRACS LÖCHERTHEORIE · ∗ γ 2 −ih̄γ µ µ 187 ¶ ∂µ − ¸ i·e Aµ − mc (γ 2 )−1 i · γ 2 ψ ∗e = 0, h̄c | {z } ψ p ∗ Mit γ 2 γ µ (γ 2 )−1 = −γ µ folgt: · µ ih̄γ µ ¶ ¸ i·e ∂µ − Aµ − mc ψ p = 0 h̄c als ladungskonjugierte Gleichung. Betrachten wir als Beispiel ein ruhendes Elektron mit ↓: ψe = 0 0 0 1 ψ Ladungskonjugiert = ψ p = iγ 2 ψ ∗e = i = 0 0 0 −i 0 0 i 0 0 −i 0 i 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 −1 0 0 −1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 1 = 1 0 0 0 Es entsteht ein Positron mit ↑ und E = mc2 > 0. Abschließend noch eine Bemerkung zur Dirac-Theorie: Definiert man den Feynman-Propagator für ein Dirac-Teilchen mittels [ih̄∂2 − mc] SF (x2 , x1 ) = δ 4 (x2 − x1 ) (10.51) 188 KAPITEL 10. DAS RELATIVISTISCHE H-ATOM so erhält man für die Fouriertransformierte (ohne Rechnung): SF (p) = p2 6 p + mc 1 = 2 2 − m c + i² 6 p − mc + i² mit 6 p = γµ pµ (10.52) Die Fouriertransformierte lautet Z SF (x) = µ ¶ d4 p i 6 p + mc exp − px 2 4 (2π) h̄ p − m2 c2 + i² (10.53) wobei i² den Integrationsweg vorschreibt. Dabei wird die p0 -Integration zuerst durchgeführt: Im p0 retardierter Weg Re p0 Feynman - Weg Im Unterschied zum retardierten Propagator beschreibt der Feynman-Propagator die Bewegung eines Dirac-Teilchens mit positiver Energie (Elektronen) vorwärts in der zeit – und die Bewegung eines Elektrons mit negativer Energie rückwärts in der Zeit, bzw. eines Positrons mit positiver Energie vorwärts in der Zeit. In Anwesenheit eines äußeren Feldes · ¸ e ih̄ 6 ∂2 − 6 A(x2 ) − mc SA (x2 , x1 ) = δ 4 (x2 − x1 ) (10.54) c läßt sich eine Integralgleichung für SA herleiten: e SA (x3 , x1 ) = SF (x3 , x1 ) + c Z d4 x2 6 A(x2 ) SA (x2 , x1 ), (10.55) die sich für kleines ec 6 A störungstheoretisch entwickeln läßt. Die entsprechenden Feynman-Graphen demonstrieren noch einmal ganz deutlich, daß die Dirac-Theorie streng genommen keine Theorie für ein einziges Teilchen ist.