Aus der Klinik für Anaesthesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil - Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum Direktor: Prof. Dr. med. M. Zenz Qualitätssicherung in der postoperativen Schmerztherapie: Vergleich zweier Standardtherapieformen mit Paracetamol und Acetylsalicylsäure Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Martin Kleinen aus Bochum 2004 Dekan: Prof. Dr. med. G. Muhr Referent: Prof. Dr. med. M. Zenz Korreferent: Prof. Dr. phil. M. Hasenbring Tag der mündlichen Prüfung: 18.10.2005 Für meine Familie zum Dank für Ihre einzigartige Unterstützung, mein Leben so zu gestalten, wie es jetzt ist. Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG .............................................................................................................................. 1 1.1 ALLGEMEINE BEMERKUNGEN ................................................................................................. 1 1.2 BEHANDLUNGSKONZEPT ......................................................................................................... 2 1.2.1 Paracetamol ................................................................................................................... 2 1.2.2 Acetylsalicylsäure........................................................................................................... 3 1.2.3 Therapiemodell............................................................................................................... 4 1.2.4 Schmerzmessung............................................................................................................. 5 1.3 FRAGESTELLUNG .................................................................................................................... 6 2 PATIENTEN UND METHODIK ............................................................................................... 7 2.1 PATIENTEN .............................................................................................................................. 7 2.1.1 Einschlusskriterien ......................................................................................................... 7 2.1.2 Ausschlusskriterien......................................................................................................... 7 2.2 METHODIK .............................................................................................................................. 8 2.2.1 Medikation und postoperative Schmerzevaluation......................................................... 8 2.2.2 Endbeurteilung ............................................................................................................... 9 2.2.3 Methode der Datenverarbeitung .................................................................................... 9 2.2.4 Statistische Auswertung.................................................................................................. 9 3 ERGEBNISSE ............................................................................................................................ 11 3.1 PATIENTENKOLLEKTIV .......................................................................................................... 11 3.2 OPERATIONEN ....................................................................................................................... 11 3.3 WIRKUNGEN DER BASISMEDIKATIONEN ............................................................................... 12 3.3.1 Schmerzniveau.............................................................................................................. 12 3.3.2 Patientenzufriedenheit.................................................................................................. 14 3.3.3 Nebenwirkungen........................................................................................................... 14 3.3.4 Blutverlust .................................................................................................................... 15 3.3.5 Modellakzeptanz........................................................................................................... 18 3.3.6 Kosten........................................................................................................................... 18 4 DISKUSSION ............................................................................................................................. 20 4.1 ERGEBNISSE .......................................................................................................................... 20 4.1.1 Schmerzniveau.............................................................................................................. 20 4.1.2 Patientenzufriedenheit.................................................................................................. 20 4.1.3 Nebenwirkungen........................................................................................................... 21 4.1.4 Blutverlust .................................................................................................................... 21 4.1.5 Modellakzeptanz........................................................................................................... 22 4.1.6 Kosten........................................................................................................................... 23 4.2 LITERATURVERGLEICH.......................................................................................................... 23 4.2.1 Schmerzreduktion ......................................................................................................... 23 4.2.2 Sicherheit...................................................................................................................... 24 4.2.3 Juristische Aspekte ....................................................................................................... 26 4.3 SCHLUSSFOLGERUNGEN ........................................................................................................ 27 5 ZUSAMMENFASSUNG ........................................................................................................... 28 6 LITERATURVERZEICHNIS .................................................................................................. 30 Abkürzungsverzeichnis ASS Acetylsalicylsäure COX Cyclooxygenase LAS Lysinacetylsalicylat NSAIDs Nicht-steroidale Antirheumatika NSAR Nicht-steroidale Antirheumatika OP Operation OPS 301 Operationsschlüssel nach §301 SGB V PCM Paracetamol VAS Visuelle Analogskala VRS Verbal Rating Score 1 Einleitung 1.1 Allgemeine Bemerkungen Ein wesentlicher Teil der ärztlichen Behandlung besteht in der Vermeidung oder Behandlung von Schmerzen. Schmerzen können unter anderem durch Krankheiten oder Unfälle ausgelöst werden, aber auch durch ärztliches Handeln. Der Arzt hat nicht nur die rechtliche, sondern vor allem auch die ethische Verpflichtung, die Schmerzen seiner Patienten zu behandeln, insbesondere während und nach operativen Eingriffen [1]. Intra- oder wie im Fall der vorliegenden Arbeit postoperative Schmerzen sind zunehmend Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen [2, 3, 4], denn die Folgen des Schmerzes sind weitaus größer als „nur“ das unangenehme Empfinden des Patienten. Atmung, Kreislauf, Mobilisierung, und Verdauung können in ihrer Funktion erheblich gestört werden, mit der möglichen Folge von postoperativen Komplikationen. Schmerzen des Bewegungsapparates können der Grund für eine verzögerte Mobilisation mit der Gefahr von Thrombosen oder Bewegungseinschränkungen sein. Bei Thoraxschmerzen kann eine unzureichende „Schonatmung“ zu SauerstoffUnterversorgung, Atelektasen und Pneumonie führen. Im Extremfall resultieren kardiovaskuläre oder psychische Störungen [4, 5, 6]. In all diesen Fällen können die Komplikationen zu erhöhter Morbidität, Mortalität oder zumindest längeren Liegezeiten der Patienten führen. Der Schmerz ist eine subjektive Empfindung und unterliegt zeitlichen, persönlichen und situativen Einflüssen. Beispielhaft für situative Einflüsse sei hier das zeitlich verzögerte oder abgeschwächte Auftreten von Schmerzen nach Unfällen genannt. Dieser Mechanismus ist teleologisch sinnvoll, um sich nach erfolgter Schädigung des Körpers z.B. aus einer Gefahrenzone entfernen zu können. Der nachfolgende Schmerz dient der Ruhigstellung verletzter Körperareale, um die ersten Vorgänge der Heilung einzuleiten, beispielsweise Annäherung von Frakturenden bei der Konsolidierung von Frakturen. Diese ersten Vorgänge werden bei operativen Eingriffen unter anderem durch Osteosynthese von Frakturen und Wundverschluss schon vorweggenommen, so dass der postoperative Schmerz seinen protektiven Effekt verliert. Die Behandlung postoperativer Schmerzen erfolgt überwiegend durch systemische Applikation von Schmerzmedikamenten oder durch lokalanästhetische Maßnahmen. 1 Ein gängiges Konzept zur Schmerzprophylaxe und -behandlung ist die Verabreichung von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) als Basismedikation und anschließend die Bedarf orientierte Gabe von niedrig dosierten Opioiden zur Dämpfung auftretender Schmerzspitzen. Vorteil dieses Konzeptes ist eine Einsparung von Opioidanalgetika und damit verbunden die geringere Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen durch Opioide bei gleichzeitig guter analgetischer Wirkung [7]. Uns interessierte diese Behandlung postoperativer Schmerzen mit einer Basismedikation, weil sie die überwiegende Mehrheit aller Patienten betrifft. Als Basismedikation bieten sich unter anderem folgende zwei Medikamente an: 1. Paracetamol und 2. Acetylsalicylsäure Beide besitzen analgetische sowie antipyretische Eigenschaften. 1.2 Behandlungskonzept 1.2.1 Paracetamol Paracetamol (Acetaminophen) ist ein relativ schwach analgetisch wirkendes Medikament mit antipyretischen Eigenschaften [8]. Bekannt ist es schon seit Ende des 19. Jahrhunderts, als man es auf der Suche nach Fieber senkenden Substanzen entdeckte. Gegen Fieber und gegen leichte bis mittelstarke Schmerzen wird Paracetamol auch heute eingesetzt. Die Wirkung wird zumindest teilweise über eine Reduktion der zerebralen Prostaglandinsynthese durch Hemmung der Cyclooxygenase-3 erklärt [9, 10, 11, 12]. Weiterhin gibt es Hinweise darauf, dass zusätzlich bisher nicht näher geklärte zentrale Mechanismen für die analgetische Wirkung verantwortlich sind [13]. So scheint die analgetische Wirkung von Paracetamol unter anderem auf einer Verstärkung des absteigend inhibitorischen Systems zu beruhen [14]. Gut untersucht sind die pharmakokinetischen Eigenschaften von Paracetamol. Nach oraler Applikation wird es schnell und vollständig aus dem Dünndarm resorbiert [15]. Die analgetische Wirkung nach der Applikation hält etwa zwei bis vier Stunden an [8]. Die übliche orale Einzeldosis beträgt 0,5 bis 1g bei einer Tagesdosis von 2 2-6 g. Andere mögliche Applikationsformen sind Suppositorien und intravenöse Injektion. Abbildung 1 Paracetamol 1.2.2 Acetylsalicylsäure Seit über hundert Jahren wird Acetylsalicylsäure (ASS) in der Behandlung von Schmerzzuständen genutzt [16]. ASS ist ein Hemmstoff der COX-1 und COX-2, zweier Isoenzyme, die maßgeblich am Arachidonsäure-Stoffwechsel beteiligt sind. Die Interaktion von ASS mit den Enzymen geschieht durch nichtselektive Acetylierung, wobei die COX-1 stärker gehemmt wird als die COX-2 [17]. Die Isoenzyme sind auf verschiedenen Genen codiert. Ihre Verteilung im Gewebe und damit auch die physiologische Wirkung ist ebenfalls unterschiedlich. Die COX-1 findet sich hauptsächlich in Thrombozyten, in Nierengewebe und Magenmukosa. Sie synthetisiert dort Eicosanoide, die der Aufrechterhaltung der Blutgerinnungsfähigkeit, dem Schutz der Magenschleimhaut und der Regulation des renalen Blutflusses dienen. Die COX-2 ist außer in Makrophagen nicht permanent nachweisbar, jedoch tritt sie häufig in entzündlichem Gewebe auf. Die Hemmung der Prostaglandinsynthese durch Acetylsalicylsäure erklärt sowohl die antiphlogistische und antipyretische Wirkung, als auch die möglicherweise auftretenden gastrointestinalen, und gerinnungshemmenden Nebenwirkungen [8, 18]. Weiterhin können im Zusammenhang mit hypovolämischen Ereignissen bei vorgeschädigten Nieren auch nephrotoxische Effekte beobachtet werden [19, 20, 21]. Das bei der Acetylierung entstehende Abbauprodukt der ASS ist die Salicylsäure mit einer antipyretischen und analgetischen Wirkung. Diese kann bei postoperativen Schmerzzuständen sogar größer sein als die der Opioide [22]. Acetylsalicylsäure selbst besitzt eine Halbwertzeit von 15 Minuten, das Abbauprodukt Salicylsäure bei analgetisch wirksamen Dosierungen eine von zwei 3 bis vier Stunden, abhängig vom pH-Wert des Urins. Die Wirkungsdauer von ASS ist der von Paracetamol ähnlich und liegt ebenfalls bei zwei bis vier Stunden. Die intramuskulär oder intravenös injizierbare Form von Acetylsalicylsäure ist deren Lysinsalz Lysinacetylsalicylat (LAS). In der Wirkung ist Lysinacetylsalicylat der von Acetylsalicylsäure im Wesentlichen gleich. Lysinacetylsalicylat sollte nach Operationen intravenös verabreicht werden, da bei intramuskulärer Gabe aufgrund der schwankenden Gewebeperfusion eine gleichmäßige und interindividuell vergleichbare Verfügbarkeit nicht gesichert ist [23]. Abbildung 2 Acetylsalicylsäure 1.2.3 Therapiemodell Zur Behandlung postoperativer Schmerzen hat sich im klinischen Alltag das Modell der Basistherapie mit Bedarf orientierter Zusatzmedikation bewährt [2, 24]. Hierbei wird ein Basistherapeutikum aus der Gruppe der NSAR oder Paracetamol in einem zeitlich sinnvollen Schema bis zur üblichen Tageshöchstdosis verabreicht. Bei der Applikation von Paracetamol als Basistherapeutikum werden sechs Teilgaben zu 0,5 g bis 1,0 g notwendig, um gleichmäßige Wirkstoffspiegel und somit eine konstante Wirkung zu erzielen. Bei der Applikation von Acetylsalicylsäure verhält es sich analog. Gibt der Patient nach einer akzeptablen Wartezeit noch Schmerzen an, so bekommt er stärker wirksame Analgetika aus der Gruppe der Opioide. Vorteil dieses Behandlungskonzeptes ist die Möglichkeit, eine Schmerzstillung ohne Opioide oder in wesentlich niedrigeren Dosierungen als bei einer Monotherapie mit Opioidanalgetika durchführen zu können. Je niedriger die Dosierung der Opioide, desto geringer ist auch die damit verbundene Inzidenz und Intensität unangenehmer Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Obstipation oder Atemdepression. 4 1.2.4 Schmerzmessung Die Messung von Schmerz ist ein Problem, da große inter- und intraindividuelle Unterschiede in der Empfindung existieren. Mittlerweile haben sich mehrere Methoden der Schmerzmessung etabliert. Zwei verlässliche Instrumente zur Schmerzmessung sind die „Visuelle Analog Skala“ (VAS) und der „Verbal Rating Score” (VRS), die an dieser Stelle kurz vorgestellt werden sollen. Die Visuelle Analog Skala ist eine Skala von 10 cm Länge, auf der ein Schieber beweglich angebracht ist. Auf der dem Patienten zugewandten Seite befindet sich eine zunehmend stärker gefärbte Skala, an deren einem Ende „stärkster" und am anderen Ende „kein Schmerz" geschrieben steht. Der Patient kann den Schieber gemäß seiner empfundenen Schmerzen einstellen. Auf der Rückseite kann der Untersucher Zahlen von 0 bis 10 ablesen, mit deren Hilfe die Schmerzintensität abgebildet werden kann (0 = kein Schmerz, 10 = stärkster vorstellbarer Schmerz). Abbildung 3 Visuelle Analog Skala (VAS): Patientenansicht Abbildung 4 Visuelle Analog Skala (VAS): Untersucheransicht Eine noch einfachere Methode ist der „Verbal Rating Score" (VRS). Hierbei fragt man den Patienten, welcher der Begriffe „kein, leicht, mittel, stark, äußerst stark“ am ehesten auf seine Schmerzen zutrifft. Diese beiden Methoden der Schmerzmessung haben sich als einfache und reproduzierbare Methoden in der Beurteilung postoperativer Schmerzen etabliert [25]. 5 1.3 Fragestellung Paracetamol wird in manchen Kliniken als Basismedikament in der postoperativen Schmerztherapie verwendet. Die Wirkungen und Nebenwirkungen werden bis heute in der Literatur kontrovers diskutiert. Uneinigkeit herrscht auch über die richtige Dosierung des Medikaments. Acetylsalicylsäure wird als postoperative Schmerzprophylaxe bis heute kaum eingesetzt, da ihr der Ruf vorauseilt, nach Operationen Blutungskomplikationen zu induzieren [26, 27]. In der vorliegenden Arbeit soll geklärt werden, ob 1. Paracetamol eine ausreichende Wirkung als postoperatives Basis- Schmerzmedikament entfaltet und ob 2. Acetylsalicylsäure alternativ als postoperatives Basis-Schmerzmedikament wirksam ist und welche Nebenwirkungen hier auftreten. Besondere Beachtung wird hierbei möglicherweise auftretenden Blutungskomplikationen geschenkt. 6 2 Patienten und Methodik In einer kontrollierten Verlaufsuntersuchung mit prospektiver Datenerhebung sollten Wirkungen Nebenwirkungen, Kosten und Akzeptanz durch Patienten und medizinisches Personal von Paracetamol einerseits und Acetylsalicylsäure bzw. Lysinacetylsalicylat andererseits erfasst werden. Die Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum gab ihre Einwilligung zu dieser Untersuchung, die als Anwendungsbeobachtung durchgeführt wurde. 2.1 Patienten 2.1.1 Einschlusskriterien • Alter 18 Jahre und älter • 2.1.2 Durchführung von Allgemein- oder Knochenchirurgische Eingriffen Ausschlusskriterien • Bekannte Allergie gegen Paracetamol oder Lysinacetylsalicylat/ Acetylsalicylsäure • Asthma • Klinisch relevante Leber- oder Nierenerkrankungen • Ulkus oder Ulkusanamnese • Chronische Alkoholeinnahme • Drogenabhängigkeit • Medikamentenabusus • Gerinnungsstörungen • Eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit • Postoperativer Einsatz rückenmarksnaher Regionalanästhesien • Anlage eines Nervus femoralis Katheters zur Analgesie 7 • Intraoperativer Blutverlust von mehr als 1000 ml • Blutdruckabfall intraoperativ unter 80 mm Hg systolisch • Geplante Liegezeit von weniger als drei Tagen 2.2 Methodik Die Studie wurde in zwei zeitlich voneinander getrennten Blöcken durchgeführt, der erste Block mit (Lysin-) Acetylsalicylsäure und der zweite mit Paracetamol als Basisanalgetikum. Folgende Prüfpräparate wurden verwendet: • Aspisol® Injektionslösung, Bayer Vital GmbH & Co. KG, Leverkusen (Lysinacetylsalicylat) • Aspirin® plus C Brausetabletten, Bayer Vital GmbH & Co. KG, Leverkusen (Acetylsalicylsäure) • ben-u-ron® Tabletten, bene-Arzneimittel GmbH, München (Paracetamol) • ben-u-ron® Zäpfchen, bene-Arzneimittel GmbH, München (Paracetamol) 2.2.1 Medikation und postoperative Schmerzevaluation Kurz vor Ausleitung der Narkose wurde 1g LAS (Aspisol® Injektionslösung) gegeben, Paracetamol wurde als Suppositorium (2 g) nach Einleitung der Narkose verabreicht. Sobald der Patient ansprechbar war, wurde er nach seinem Schmerzniveau nach der Methode des "Verbal Rating Score" befragt. Bei unzureichender postoperativer Analgesie bekam der Patient im Aufwachraum entsprechend dem Therapiestandard zusätzlich 3 mg Piritramid (Dipidolor®) wiederholt, bis die Schmerzintensität nur noch gering war. Das Prüfpräparat sollte dann bis zum Ende des zweiten postoperativen Tages jeweils um 6, 10, 14, 18 und 22 Uhr gegeben werden. Die Dosierung betrug hierbei jeweils 0,8 g ASS-Brause-Tabletten bzw. 1 g Paracetamol Tabletten, so dass eine Tagesdosis von 4 g ASS bzw. 5 g Paracetamol nicht überschritten wurde. Bei nicht ausreichender Analgesie durch die Basismedikation wurde das auf den Stationen übliche Schema angewendet: Zusätzlich Metamizol 30 Tropfen (750 mg), Tramadol 30 Tropfen (75 mg). Diese Therapie wurde verlängert, 8 wenn die Schmerzintensität am dritten und vierten postoperativen Tag einen Wert > 3 auf der VAS-Skala (0 – 10 cm) hatte. Jeder Patient wurde vom Operationstag bis zum vierten postoperativen Tag mit Hilfe der "Visuellen Analog Skala" nach seinem Schmerzniveau gefragt. Dies erfolgte jeweils morgens um 8.00 Uhr und nachmittags um 17.00 Uhr. Bei kürzeren Liegezeiten, wurde die Befragung mindestens bis zum zweiten postoperativen Tag durchgeführt. Gleichzeitig wurden vom Prüfarzt die Komplikationen und Nebenwirkungen sowie die Beschwerden erfasst. Aus der Patientenakte wurden intra- und postoperative Blutverluste, Operationsdauer, Anästhesieverfahren, Operationsschlüssel nach §301 SGB V, Vormedikation, verabreichte Medikamente, Indikation zur Operation, Vorerkrankungen, Alter, Geschlecht, Größe und Gewicht übernommen. 2.2.2 Endbeurteilung Wir erbaten von den Patienten eine abschließende Bewertung der postoperativen Schmerztherapie am vierten postoperativen Tag (bei kürzeren Liegezeiten entsprechend am Entlassungstag). Diese Einstufung wurde mit der VAS vorgenommen (0 = exzellente Therapie, 10 =schlechteste Bewertung der Therapie). 2.2.3 Methode der Datenverarbeitung Zur Registrierung der Daten wurde ein Apple Newton® Handheld Computer mit eigens programmierter Datenbank verwendet und die Daten später über eine Docking-Station auf einen zentralen Computer überspielt. Insgesamt wurden knapp 400 Datenpunkte je Patient erfasst, die sich auf Angaben zu Anamnese, Medikation, Operation, Schmerzmessung und Schmerztherapie bezogen. 2.2.4 Statistische Auswertung Zur Untersuchung der Therapiegruppen auf Unterschiede beim Blutverlust, Zufriedenheit mit der Schmerztherapie (Durchschnittsscores) sowie sonstiger potentieller Einflussfaktoren auf den Blutverlust wurde die Permutationsversion des T - Tests von Hotelling eingesetzt. Bestimmt wurden der approximative p-Wert sowie simultane Konfidenzintervalle zum Niveau 0,95. Das Verfahren benötigt keine Verteilungsannahmen. 9 Den Operationsschlüsseln nach §301 SGB V (OPS301) wurden nach dem Verfahren der marginalen Normalisierung numerische Werte zugewiesen. Zur Zusammenhangsanalyse von Alter, Gewicht, Operationsdauer, Operationsschlüsseln (skaliert) und Blutverlust wurde der Rangkorrelationstest von Spearmann verwendet. Es wurden multiple Tests mit p-Wertanpassung nach dem schrittweisen Bonferroni-Verfahren durchgeführt. Zur Untersuchung der Therapiegruppen auf Unterschiede hinsichtlich der einzelnen Grade der Zufriedenheit mit der Schmerztherapie sowie auf Unterschiede hinsichtlich einzelner Schlüsselgruppen bei den Operationsschlüsseln wurde die Monte Carlo Version des exakten Tests von Fischer in k x m – Kontingenztafeln eingesetzt. Multiple Tests mit schrittweiser p-Wertanpassung auf der Basis der durchgeführten Simulationen wurden durchgeführt. Die p-Wertanpassungen und die Verwendung multivarianter Verfahren stellen sicher, dass die Fehlerwahrscheinlichkeit erster Art, das heißt die Wahrscheinlichkeit, Unterschiede zu konstatieren, obwohl faktisch keine vorliegen, nach oben kontrolliert wird und somit so genannte „falsch positive“ Entscheidungen vermieden werden. 10 3 Ergebnisse 3.1 Patientenkollektiv Die Anwendungsbeobachtung Berufsgenossenschaftlichen umfasste Kliniken 1069 Bergmannsheil in Patienten Bochum, der die sich knochenchirurgischen Eingriffen unterzogen. Postoperativ wurden 85 Patienten wieder ausgeschlossen, da sie entweder einen intraoperativen Blutverlust von mehr als 1000 ml aufwiesen oder die Therapie nicht wie vorgesehen durchgeführt werden konnte. Die Beobachtung wurde in zwei zeitlich aufeinander folgenden Blöcken durchgeführt, wobei jedem Block eine Therapieform mit einem der beiden Medikamente als Basisanalgetikum zugeordnet wurde. Die Gruppe mit Paracetamol als Basisanalgetikum (Paracetamol-Gruppe oder PCM-Gruppe) bestand aus 541 Patienten, die Gruppe mit Acetylsalicylsäure und Lysinacetylsalicylat (LAS/ASSGruppe) aus 443 Patienten. Die 984 Patienten waren im Durchschnitt 47 Jahre alt (Standardabweichung 17,0), der jüngste Patient war 18 Jahre, der älteste 93 Jahre alt. 62% der Patienten waren männlichen Geschlechts, 38% weiblich. Die Patienten der PCM-Gruppe waren mit durchschnittlich 48 ± 17 Jahren älter als die der LAS/ASS-Gruppe (45 ± 17 Jahre). Die Zahl der Patienten mit Vorerkrankungen war in der PCM-Gruppe mit 508 kumulativen Vorerkrankungen größer als in der LAS/ASS-Gruppe (338). In den übrigen Charakteristika wie Gewicht, und Größe unterschieden sich die Gruppen nicht signifikant. 3.2 Operationen Zur übersichtlichen Betrachtung der Unterschiede der Gruppen in den Operationsarten wurden die OP-Schlüssel nach §301 SGB V (OPS301) zu 10 Schlüsselgruppen zusammengefasst: 11 Tabelle 1 Vereinfachte Einteilung der Operationen in 10 Schlüsselgruppen Nr. Eingriffstyp 1 Weichteil-, Muskel-Operationen 2 Andere Knocheneingriffe 3 Repositionen 4 Operationen mit Gelenkeröffnung 5 Arthroskopische Eingriffe 6 Protheseneingriffe 7 Wirbelsäuleneingriffe 8 Handchirurgie 9 Faszien, Sehnen, Bursen, etc. 10 Cutis und Subcutis Insgesamt OPS 301 1-502 bis 5-741 5-78 5-79 5-80 5-81 5-82 5-83 5-84 5-85 5-89 bis 5-90 Paracetamol abs. % 25 5 117 22 162 30 69 13 9 2 87 16 24 4 8 1 34 6 6 1 541 100 LAS/Aspirin abs. % 16 4 132 30 105 24 52 12 23 5 29 6 19 4 6 1 43 10 18 4 443 100 In der PCM-Gruppe fanden sich 87 (16%) Protheseneingriffe, in der LAS/ASSGruppe 29 (6%), arthroskopische Eingriffe waren in der Paracetamol-Gruppe signifikant seltener als in der LAS/ASS-Gruppe. In den übrigen Schlüsselgruppen unterschieden sich die Gruppen nicht signifikant. Die OP-Dauer betrug in der PCMGruppe zwischen 4 und 288 Minuten (durchschnittlich 85 ± 49 Minuten), in der LAS/ASS-Gruppe zwischen 9 und 249 Minuten (durchschnittlich 70 ± 40 Minuten). Die Eingriffe in der PCM-Gruppe waren somit größer und dauerten länger als in der LAS/ASS-Gruppe. Die verwendeten Anästhesieverfahren waren vergleichbar. 3.3 Wirkungen der Basismedikationen 3.3.1 Schmerzniveau Das durchschnittliche Schmerzniveau der Paracetamol-Gruppe betrug am ersten postoperativen Tag 4,0, das der LAS/ASS-Gruppe 3,1. Diese Werte fielen bis zum vierten postoperativen Tag auf 2,1 in der Paracetamol-Gruppe und 1,8 in der LAS/ASS-Gruppe. Die Menge und Art der zusätzlich verabreichten Schmerzmedikamente und Medikamente anderer Indikationen in den beiden Gruppen waren vergleichbar. 12 VAS-Wert 5 4 3 2 1 0 17:00h 8:00h OP-Tag 17:00h 1.Tag 8:00h 17:00h 2.Tag 8:00h 17:00h 8:00h 3.Tag PCM-Gruppe 17:00h 4.Tag ASS-Gruppe Abbildung 5 VAS-Werte der beiden Gruppen an den Beobachtungstagen Zusätzliche Analgetika waren in beiden Gruppen in großem Maße erforderlich (s. Tabelle 5 Anhang). So erhielten fast alle Patienten im Beobachtungszeitraum zusätzlich Metamizol, ein NSAID oder ein Opioid. Am OP-Tag bekamen 94% der Patienten in der Paracetamol-Gruppe und 72 % in der LAS/ASS-Gruppe zusätzliche Analgetika. Am ersten postoperativen Tag entsprechend 78% und 94%, am zweiten postoperativen Tag 63% bzw. 66%. Dabei wurde Metamizol in beiden Gruppen am Bedarfsmedikation (%) häufigsten als Bedarfsmedikation eingesetzt (s. Tabelle 6 Anhang). 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1. 2. OP -Tag 3. 4. postoperativer Tag PCM-Gruppe ASS-GRuppe Abbildung 6 Prozentzahlen der Patienten mit Bedarfsmedikation (s. auch Tabelle 5) 13 3.3.2 Patientenzufriedenheit Die abschließende Bewertung der Schmerztherapie durch den Patienten am 4. postoperativen Tag (bei früherer Entlassung entsprechend am Entlassungstag) lag bei den Patienten der Paracetamol-Gruppe bei 5,9, bei denen der LAS/ASS-Gruppe bei 7,1. Der Unterschied war signifikant, die PCM-Gruppe war somit retrospektiv im Durchschnitt zufriedener mit der Schmerztherapie. 30 in Prozent 25 20 15 10 5 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 VAS-Wert PCM-Gruppe ASS-Gruppe Abbildung 7 Abschließende Zufriedenheit der Patienten mit der Schmerztherapie Die Häufigkeit eines niedrigen VAS-Wertes und damit einer besseren Bewertung der Schmerztherapie war in der PCM-Gruppe höher, insbesondere trat der Wert „0“ sehr viel häufiger in der PCM-Gruppe als in der ASS-Gruppe auf. 3.3.3 Nebenwirkungen Intraoperativ traten bei Patienten der PCM-Gruppe 4 hypotensive Zustände und je ein Fall von Hypertension, Angina pectoris, supraventrikulärer Ektopie, Dyspnoe, Erbrechen und allergischer Reaktion auf. In der LAS/ASS-Gruppe traten jeweils ein Fall von Hypotension, Hypertension, Angina pectoris und Erbrechen auf. Postoperativ kam es bei 159 Patienten (29%) der Paracetamol-Gruppe und bei 275 Patienten (62%) der LAS/ASS-Gruppe zu unerwünschten Ereignissen. Dieser Unterschied war signifikant (p < 0,05) und war im Wesentlichen auf die häufigeren Blutungsereignisse in der LAS/ASS-Gruppe zurückzuführen. In der ParacetamolGruppe traten 21 Nachblutungen mit drei operativen Revisionen auf, gegenüber 141 Nachblutungen und 10 operativen Revisionen in der LAS/ASS-Gruppe. In der 14 Gruppe der mit Paracetamol behandelten Patienten zeigte sich mit 66 Fällen eine höhere Rate an Übelkeit gegenüber 43 Fällen in der LAS/ASS-Gruppe. Auch waren in der PCM-Gruppe sechs Fälle von Hypotension zu verzeichnen, in der LAS/ASSGruppe keiner. Diese beiden Unterschiede waren jedoch nicht signifikant. Bei den übrigen unerwünschten Ereignissen zeigten die Gruppen keinen Unterschied. Tabelle 2 Unerwünschte Ereignisse postoperativ (* signifikant, p<0,05) Gerinnung Nasenbluten Hämatom Nachblutung Operative Revision Thrombose Kreislauf Hypotension Ventrikuläre Extrasystolen Gastro-Intestinaltrakt Übelkeit Erbrechen Ulkus Diarrhoe Atmung Dyspnoe Allergie / Unverträglichkeit Metamizol Paracetamol Tramadol Andere Sensibilitätsstörungen Kopfweh Schwindel „Verband drückt“ Sturz Insgesamt Paracetamol-Gruppe LAS-/ASS-Gruppe 0 2 21 * 3 1 3 9 141 * 10 0 6 1 0 0 66 36 0 8 43 33 2 1 0 2 2 2 4 0 0 0 1 1 2 3 0 159 (29 %) * 0 8 5 15 3 275 (62 %) * 3.3.4 Blutverlust Am ersten postoperativen Tag konnten die Blutverluste unter dem Einfluss der Prüfmedikamente gemessen werden, wobei es hier mit einer Ausnahme keinen signifikanten Unterschied gab. Lediglich bei Eingriffen mit Prothesenein- und ausbau (Schlüsselgruppe 6) war in der LAS/ASS-Gruppe mit 414±354* ml im Gegensatz zu 244±200 ml in der Paracetamol-Gruppe eine erheblich höhere Nachblutungsmenge zu verzeichnen (p<0,05). 15 Blutverlust in ml 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Schlüsselgruppe Nr. PCM-Gruppe ASS-Gruppe Abbildung 8 Nachblutungsmenge am ersten postoperativen Tag Am zweiten und dritten postoperativen Tag war hingegen kein klinisch relevanter Unterschied in der Nachblutungsmenge bei den Patienten der beiden Gruppen zu verzeichnen (in der LAS/ASS-Gruppe 52 ± 9 ml, in der PCM-Gruppe 80 ± 24 ml). 800 Blutvelust in ml 700 600 500 400 300 200 100 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Schlüsselgruppe Nr. PCM-Gruppe ASS-Gruppe Abbildung 9 Nachblutungsmenge am zweiten plus dritten postoperativen Tag Betrachtet man den intraoperativen Blutverlust, so zeigte sich eine signifikante Korrelation mit dem Alter der Patienten. Er stieg von durchschnittlich 31 ml in der Altersgruppe von 11-20 Jahren auf durchschnittlich 289 ml in der Altersgruppe von 81-90 Jahren. 16 300 250 200 150 100 50 0 11–20 21–30 31–40 41-50 51–60 61–70 71–80 81–90 91-100 Alter in Jahren Blutverlust in ml Abbildung 10 Intraoperativer Blutverlust in Abhängigkeit vom Alter Weiterhin gibt es eine signifikante Korrelation mit der mittleren intraoperative Blutungsmenge und der Operationsdauer. Die Blutungsmenge stieg von 15 ml bei bis zu 10 Minuten OP-Dauer auf 286 ml bei 231-270 Minuten. 250 200 150 100 231 - 270 201 – 230 176 – 200 151 – 175 141 – 150 131 – 140 121 – 130 111 – 120 101 – 110 91 - 100 81 – 90 71 – 80 61 – 70 51 – 60 41 - 50 31 – 40 21 – 30 0 11 – 20 50 0 - 10 Mittlerer Blutverlust (ml) 300 OP-Dauer in Minuten Mittlerer Blutverlust (ml) Abbildung 11 Intraoperativer Blutverlust in Abhängigkeit von der OP-Dauer (nicht-lineare Abbildung) Dies sind Unterschiede, die sich nicht auf die Prüfmedikamente zurückführen lassen, da sie zum Zeitpunkt der Operation noch nicht gegeben worden waren. 17 Ein signifikanter Zusammenhang zwischen weiteren Merkmalen bzw. präoperativen Daten der Patienten und Blutverlust war nicht feststellbar. 3.3.5 Modellakzeptanz Die weitere Einnahme von Paracetamol wurde in 17 Fällen von den Patienten abgelehnt und die Therapie damit vorzeitig beendet. Davon in 4 Fällen mit der Angabe von „Magenproblemen“, die restlichen Abbruchgründe waren nicht klassifiziert. Aus der LAS/ASS-Gruppe brachen 32 Patienten die Behandlung vorzeitig ab aufgrund von Diarrhöe (1), Erbrechen (4), schlechten Geschmacks (1), subjektiver Ineffektivität (5), Magenproblemen (5), Müdigkeit (2), Nasenbluten (3) und Übelkeit (6). Die übrigen fünf Gründe für einen Abbruch waren nicht näher bezeichnet (s.a. Tabelle 4). In der Mehrzahl der Fälle wurde die Schmerztherapie durch den zuständigen Chirurgen beendet. Folgende Tabelle gibt Aufschluss über die Abbruchgründe in den beiden Gruppen: Tabelle 3 Angegebene Gründe für das Absetzen der Therapie durch den Chirurgen Abgesetzt durch den Chirurgen wegen Allergie Blutung Colitis ulcerosa Diarrhöe Dyspnoe Erbrechen Ineffektivität Magenproblemen Sturz des Patienten Übelkeit Übergang auf Regionalanästhesie Nicht klassifiziert Summe PCM-Gruppe LAS-/ASS-Gruppe 3 0 0 2 0 5 3 1 0 7 14 6 41 0 21 1 0 2 2 0 2 3 2 2 3 38 3.3.6 Kosten Die Therapiekosten für die in der Studie verwendeten Medikamente setzen sich wie folgt zusammen: a) Einmalige Therapiekosten am OP-Tag: - PCM-Gruppe: ben-u-ron® Suppositorium 2x1000mg ca. €0,50 - LAS/ASS-Gruppe: Aspisol® Injektionslösung 1000mg ca. €4,00 18 b) Tagestherapiekosten an den vier postoperativen Tagen: - PCM-Gruppe: ben-u-ron® Tabletten 2x500mg ca. €1,00 - LAS/ASS-Gruppe: Aspirin® Brausetabletten 800mg ca. €1,50 Die Angaben verstehen sich als durchschnittliche und gerundete Listenpreise der Wirksubstanzen im Herbst 2003. 19 4 Diskussion 4.1 Ergebnisse 4.1.1 Schmerzniveau Das Schmerzniveau war an allen Tagen in der Paracetamol-Gruppe etwas höher als in der LAS/ASS-Gruppe (s. Abbildung 12). Möglicherweise spielten hier die größeren und längeren Operationen der Patienten aus der Paracetamol-Gruppe eine beeinflussende Rolle. Das von den Patienten beider Gruppen angegebene Schmerzniveau nahm in beiden Gruppen über die postoperativen Tage ab, was vermutlich mit der zunehmenden Heilung des Operationstraumas zusammen hing. Einen weiteren Hinweis darauf gaben die sinkenden Gaben der Bedarfsmedikation. VAS-Wert 5 4 3 2 1 0 17:00h OP-Tag 8:00h 17:00h 1.Tag 8:00h 17:00h 2.Tag PCM-Gruppe 8:00h 17:00h 3.Tag 8:00h 17:00h 4.Tag ASS-Gruppe Abbildung 12 VAS-Werte der beiden Gruppen an den Beobachtungstagen 4.1.2 Patientenzufriedenheit Bei der abschließenden Bewertung der Schmerztherapie durch die Patienten war die Häufigkeit von Bewertungen, die im Bereich von 3 („gut“) bis 7 („ausreichend“) liegen, in beiden Gruppen annähernd gleich (s. Abbildung 7). Vergleicht man jedoch die Häufigkeit der Bewertungen 0 („exzellent“) bis 2 („sehr gut“), so fällt auf, dass diese in der PCM-Gruppe mit 24% weitaus häufiger vorkamen als in der LAS/ASSGruppe mit 9% (p<0,05). Entsprechend umgekehrt waren die Verhältnisse bei den schlechteren Bewertungen mit den Werten 8 bis 10 („wenig zufrieden“ bis „überhaupt nicht zufrieden“). Diese kamen in der PCM-Gruppe mit 47% seltener vor 20 als in der LAS/ASS-Gruppe mit 60% (p<0,05). Danach waren fast ein Viertel aller abschließend befragten Patienten der PCM-Gruppe sehr zufrieden mit der Schmerztherapie. Hier besteht ein auffälliger Unterschied zu den Ergebnissen aus den Angaben über die Schmerzintensität. Zum einen lag bei Patienten, die mit Paracetamol behandelt wurden, die Schmerzintensität stets höher, als in der LAS/ASS-Gruppe. Zum anderen waren mehr Patienten mit der Schmerztherapie zufrieden. Ob das ein Effekt der möglicherweise zentralen Wirkung von Paracetamol war, bleibt zu untersuchen [28]. 4.1.3 Nebenwirkungen Die im Rahmen der Studie aufgetretenen unerwünschten Wirkungen sind nicht eindeutig auf die Prüfmedikamentengabe zurückzuführen. Für eine solche Analyse ist die Fallzahl bei derart vielen Einflussfaktoren zu gering. Die Studie beschränkt sich deshalb auf eine reine Deskription der Nebenwirkungen. Selbst wenn alle berichteten unerwünschten Wirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, orthostatische Probleme etc. allein auf die beiden Prüfpräparate zurückgeführt werden könnten, so ergäbe sich trotzdem eine sehr niedrige Nebenwirkungsrate. Ein Punkt lässt sich mit der Annahme vereinbaren, dass Acetylsalicylsäure die Blutgerinnung signifikant hemmt, denn es traten in der LAS/ASS -Gruppe 141 Nachblutungen auf, die größtenteils konservativ behandelt wurden, jedoch in 10 Fällen eine operative Revision nötig machte. In der PCM Gruppe traten lediglich 21 Nachblutungen mit drei operativen Revisionen auf. 4.1.4 Blutverlust Ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung der Sicherheit der beiden verwendeten Basisanalgetika war die Messung des postoperativen Blutverlusts. Der postoperative Blutverlust war in den beiden Gruppen klinisch nicht relevant unterschiedlich. Lediglich am ersten postoperativen Tag war bei Eingriffen mit Prothesenein- und -ausbau (Schlüsselgruppe 6) in der LAS/ASS-Gruppe mit 414±354* ml im Gegensatz zu 244±200 ml in der Paracetamol-Gruppe eine erheblich höhere Nachblutungsmenge zu verzeichnen (p<0,05). Dies könnte Ausdruck einer gehemmten Thrombozytenaggregation durch LAS/ASS sein, wobei dieser Effekt in klinisch relevanter Ausprägung möglicherweise nur bei größeren Eingriffen in Erscheinung tritt. 21 Nicht erfasst wurden die Blutverluste durch Operationstücher, im Gewebe und in postoperativ angelegten Verbänden. Bedeutung erlangt diese Tatsache durch die erhöhte Rate an Nachblutungen in der LAS/ASS-Gruppe, die auch in einigen Fällen zu einer operativen Revision geführt hat (s. 4.1.3 Nebenwirkungen). Bei diesen Revisionen wurde ebenfalls kein Blutverlust erfasst. Hier können sich nicht quantifizierbare Blutungsmengen verbergen. Da Aspirin mit seiner hemmenden Wirkung auf die Thrombozytenfunktion die Fähigkeit des Körpers zur Blutungsstillung verändert und zur Thromboseprophylaxe zusätzlich Heparin gegeben werden musste, können sich die unterschiedlichen Einflüsse auf die Blutgerinnung addieren. Diese Störung ist möglicherweise ausgeprägter, als die derartigen Wirkungen der einzelnen Präparate. 4.1.5 Modellakzeptanz In 17 Fällen brachen die Patienten die Gabe von Paracetamol ab, was angesichts 541 behandelter Patienten ein akzeptabler Wert ist. In der LAS/ASS-Gruppe ist dieser Wert mit 32 von 443 Patienten etwas höher. Auffällig häufig sind Abbrüche in der LAS/ASS-Gruppe wegen gastrointestinaler Beschwerden (16) im Gegensatz zu 4 Fällen in der PCM-Gruppe. Dies könnte im Zusammenhang mit einer geringeren unerwünschten Wirkung von Paracetamol auf die Cyclooxygenasen 1 und 2 stehen. Tabelle 4 Angegebene Gründe für das Absetzen der Therapie durch den Patienten Abgesetzt durch den Patienten wegen PCM-Gruppe LAS-/ASS-Gruppe 0 0 0 0 4 0 0 0 13 17 1 4 1 5 5 2 3 6 5 32 Diarrhöe Erbrechen Geschmack Ineffektivität Magenproblemen Müdigkeit Nasenbluten Übelkeit Nicht klassifiziert Summe Auch andere Gründe können die Compliance der Patienten beeinflussen. So ist die Halbwertzeit von Paracetamol und auch von Acetylsalicylsäure recht kurz, weshalb die Applikation der Medikamente in kurzen Abständen (bis zu sechs mal pro Tag) 22 erforderlich ist. Mit steigender Häufigkeit der Einnahme sinkt jedoch auch die Bereitschaft des Patienten, die Therapie fortzuführen [29]. Weiterhin müsste die Applikation eigentlich auch nachts erfolgen, um gleichmäßige Wirkspiegel zu erreichen. Durch die Applikation eines länger wirkenden Opioidanalgetikums am Abend kann auch nachts eine Schmerzfreiheit erreicht werden, ohne den Patienten für eine Applikation von Aspirin oder Paracetamol zu wecken. 4.1.6 Kosten Die Therapiekosten für eine fünftägige postoperative Schmerzbehandlung nach dem vorgestellten Modell liegen bei €4,50 für Paracetamol und €10,00 für Acetylsalicylsäure. Dieser Unterschied gründet sich zum einen auf die Verwendung von 1000mg Lysinacetylsalicylat i.v. mit einem sehr viel höheren Preis als 2000mg an Paracetamol Suppositorien. Zum anderen wurden in der LAS/ASS-Gruppe als Applikationsform an den postoperativen Tagen Acetylsalicylsäure-Brausetabletten verwendet, die mit ca. €0,30 pro Dosis über 50% teurer sind als AcetylsalicylsäureTabletten. Hier ergibt sich durch die Verwendung von ASS-Tabletten ein Einsparpotential, so dass der Unterschied der Kosten für die Therapie mit LAS/ASS insgesamt gering ist. Weiterhin geben die genannten Preise nur eine Größenordnung wieder, da die Krankenhäuser die Medikamente für günstigere Preise erhalten und der Unterschied damit weiter schrumpft. Die Kosten für eine postoperative Schmerztherapie mit LAS/ASS sind somit ähnlich wie die für PCM. 4.2 Literaturvergleich 4.2.1 Schmerzreduktion Als postoperatives Schmerzmedikament ist Paracetamol längst im klinischen Alltag etabliert. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen eine gleichwertige Reduktion von schwachen bis mittelstarken postoperativen Schmerzen verglichen mit Morphin [30]. Dabei scheint eine ausreichend hohe Dosierung Ausschlag gebend zu sein, denn es wurde gezeigt, dass eine einmalige Dosis von 1 g Paracetamol rektal nicht ausreichend war, um postoperative Schmerzen nach kleineren gynäkologischen Eingriffen zu beherrschen [31]. Weiterhin existieren Untersuchungen, die eine maximale Wirkung von Paracetamol in Abhängigkeit von der Spitzenkonzentration im Blutplasma aufzeigen [32]. Eine Ursache für eine nur geringfügig ausgeprägte oder gar fehlende analgetische 23 Wirkung von Paracetamol als postoperatives Schmerzmedikament ist häufig eine zu gering gewählte Dosis. Andere Studien legen den Schluss nahe, dass Paracetamol eine bisher wenig beachtete zentrale Wirkungskomponente hat. So konnte die Paracetamol-induzierte Schmerzreduktion bei Ratten durch Gabe des OpioidAntagonisten Naloxon rückgängig gemacht werden. Dies weist auf Bindungsaktivität von Paracetamol an Opioidrezeptoren hin [13]. Paracetamol scheint auch beim Menschen objektivierbare Wirkungen auf die zentrale Modulation des Schmerzempfindens zu haben [33]. Dies könnte ein Faktor für die höhere Patientenzufriedenheit in der PCM-Gruppe sein. Für Acetylsalicylsäure hingegen konnte bisher kein zentraler Effekt nachgewiesen werden. Trotzdem ist auch Aspirin in seiner Wirkung durchaus eine Alternative zu Opioiden bei postoperativen Schmerzzuständen: In entsprechender Dosierung wirkt Aspirin unter Umständen besser als 10 mg Morphin [22]. Die analgetisch wirksame Dosierung bei Acetylsalicylsäure liegt zwischen 600 mg und 1200 mg, bei niedrigerer Dosierung nähert sich die Schmerzreduktion der von Placebo [34, 35]. Die unterschiedlichen Aussagen zur analgetischen Potenz von Paracetamol und Aspirin kommen möglicherweise auch dadurch zu Stande, dass bei schwachen postoperativen Schmerzen leichte und starke Schmerzmittel gleichermaßen gut wirken. Hierdurch kann der Eindruck entstehen, dass beispielsweise Paracetamol so stark wirkt wie Morphin. Bei stärksten Schmerzen reicht hingegen die analgetische Potenz des schwachen Schmerzmittels nicht aus, um deutliche Effekte zu erzielen. Ein wichtiger Einflussfaktor auf den postoperativen Schmerz ist die Operationsart. Das Schmerzniveau kann hier besonders stark variieren. Möglicherweise kann schon zum Ende einer Operation eine grobe Aussage über die Art und die Menge der postoperativ benötigten Schmerzmittel getroffen werden, was die Versorgung der Patienten verbessern könnte (s. Abbildungen 14,15,16,17) [36]. 4.2.2 Sicherheit Generell besteht bei jeder Medikamentengabe ein gewisses Risiko des Auftretens von Komplikationen. Bei der Anwendung von Acetylsalicylsäure ist eine erhöhte Rate an Nachblutungen aufgetreten (LAS/ASS: 141 / PCM: 21). Dass Acetylsalicylsäure die Adhäsion und Aggregation von Thrombozyten hemmt, ist schon seit 36 Jahren bekannt [37]. Es existieren jedoch widersprüchliche Aussagen über eine Erhöhung der Blutungskomplikationen 24 bei der Gabe von Acetylsalicylsäure [26]. Als gesichert gilt die signifikante Reduktion von thrombembolischen Ereignissen [38]. Die erhöhte Rate an Nachblutungen könnte auch eine Folge der gleichzeitigen Gabe von Heparin sein, wobei sich die Gerinnung hemmenden Aktivitäten von Heparin und Acetylsalicylsäure addierten. Dabei kann Heparin als Thromboseprophylaxe nicht einfach weggelassen werden, da Acetylsalicylsäure in dieser Funktion klinisch nicht etabliert ist. Früher wurde diese Funktion sogar gänzlich in Abrede gestellt [39]. Es sind weitere Untersuchungen nötig, ob Acetylsalicylsäure als medikamentöse Thromboseprophylaxe verwendbar ist. Weg weisend sind hierbei die Untersuchungen bezüglich Thromboseraten nach Implantationen von Prothesen der unteren Extremität, wobei diese Operationen ohne Thromboseprophylaxe sehr häufig von Thrombosen der unteren Extremität gefolgt werden [40, 41]. Sharrock et al. verwendeten zur postoperativen Prophylaxe von Beinvenenthrombosen als alleinige Medikation 650 mg Acetylsalicylsäure [41]. In Verbindung mit weiteren Maßnahmen kann die Thromboserate noch weiter gesenkt werden. Dazu gehören zum Beispiel Heparine als medikamentöse Form und Kompressionsstrümpfe sowie pneumatische Fußkompression als mechanische Form [42]. Die Steuerung der Gerinnungshemmung ist durch die lange Wirkungsdauer von Acetylsalicylsäure schwierig zu gestalten. Deren antiaggregatorische Wirkung ist noch 4-7 Tage nach Gabe einer Einzeldosis nachweisbar, obgleich die Acetylsalicylsäure zu diesem Zeitpunkt schon aus dem Plasma eliminiert ist [26]. Dies liegt wahrscheinlich an der irreversiblen Hemmung der Cyclooxygenase in Thrombozyten. Andere schwerwiegende Nebenwirkungen konnten nicht beobachtet werden, auch andere Studien zeigen eine gute Verträglichkeit von Aspirin, selten treten gastrointestinale Beschwerden, Schwindel und Erbrechen auf. Als weitere Nebenwirkungen werden im allgemeinen Bronchospasmen bei Personen mit Neigung zu Asthma bronchiale genannt, diese Patienten wurden allerdings von der Studie ausgeschlossen [35, 44, 45]. Es konnten in der LAS/ASS-Gruppe keine allergischen Reaktionen beobachtet werden. Hinweise auf eine immer wieder diskutierte nephrotoxische Wirkung der Acetylsalicylsäure konnten in dieser Studie und auch in einigen anderen nicht gefunden werden [20, 21]. Ein häufig diskutierter Kritikpunkt an Paracetamol ist die Hepatotoxizität, die bei Dosierungen oberhalb der zugelassenen Maximaldosierung in Erscheinung treten 25 kann. Der Abbau von Paracetamol findet zum größten Teil in der Leber statt. Hohe Konzentrationen des Medikaments rufen eine Erschöpfung der Konjugationsreaktionen mit Glukuronsäure, Glutathion und Sulfat hervor, wodurch hepatotoxische Zwischenmetabolite kumulieren können [46]. Sie können mit zellulären Makromolekülen kovalente Bindungen eingehen und so an für das Überleben der Zelle wichtigen Stellen für Störungen sorgen [8]. Patienten mit Alkoholabhängigkeit haben dabei ein größeres Risiko, eine Leberschädigung zu erleiden [47]. Der limitierende Faktor bei der Entgiftungsreaktion ist die Anwesenheit von Glutathion, das mit den reaktiven Metaboliten zur Mercaptursäure reagiert. Die rechtzeitige Gabe von N-Acetylcystein als Schwefelgruppendonator kann die Schädigung der Leberzellen mit anschließendem Leberversagen verhindern [48]. Derselbe Schädigungsmechanismus tritt in Erythrozyten bei Glucose-6Phosphat-Dehydrogenase Mangel in Erscheinung [46, 49]. Eine derartige Reaktion konnte auch bei der im Vergleich mit anderen Studien relativ hohen Dosierung von 5g Paracetamol pro Tag nicht beobachtet werden. 4.2.3 Juristische Aspekte Dass der Arzt verpflichtet ist, postoperativ auftretende Schmerzen adäquat zu behandeln, steht außer Frage. Zuständig für diese Behandlung ist im Operationssaal und Aufwachraum der Anästhesist, auf der Intensivstation und Bettenstation der Operateur. Auch wenn der postoperative Schmerz im Wesentlichen durch den Operateur verursacht wird, bedürfen schmerztherapeutische Maßnahmen der Einwilligung des Patienten. Er muss ausreichend über die Risiken und Alternativen aufgeklärt werden. Maßgeblich für eine erfolgreiche Schmerztherapie ist das subjektive Schmerzempfinden des Patienten und nicht irgendein Messwert. Dabei ist der aktuelle Stand der medizinischen Möglichkeiten zu berücksichtigen. Das heißt, dass der Patient zu jeder Zeit und an jedem Ort Anspruch auf Schmerzbehandlung nach Facharztstandard hat, der durch den Krankenhausträger sichergestellt werden muss [1, 50, 51]. Dieser Standard wird von Ärzten vorgegeben und muss dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen [52]. Dabei ist nicht nur das Verursachen eines Schmerzzustandes eine strafbare Handlung, sondern auch die unterlassene Hilfe zur Beseitigung nicht selbst herbeigeführter Schmerzen. Die postoperative Schmerztherapie ist eine selbstverständliche Aufgabe der Ärzte, und diese sollten nicht erst dann handeln, wenn sie durch Gesetze dazu gezwungen werden. Zur Sicherstellung der peri- und postoperativen Schmerztherapie sind 26 Organisationsmodelle verfügbar, um die vorhandenen Mittel effizient und sicher einsetzen zu können [2]. 4.3 Schlussfolgerungen Die postoperative Schmerztherapie mit Paracetamol als Basismedikament und der Dämpfung von Schmerzspitzen durch eine Bedarfsmedikation (Metamizol oder Opioidanalgetika) ist eine wirkungsvolle Methode. Paracetamol zeigte sich als sicheres und wirksames Schmerzmedikament. (Lysin-)Acetylsalicylsäure steht in seiner Wirkung als Schmerzmedikament der von Paracetamol nicht nach. Das postoperative Schmerzniveau kann gleichermaßen gesenkt werden. Die Nebenwirkungsrate beider Medikamente war niedrig, schwere Zwischenfälle blieben aus. Beachtet man die Kontraindikationen der beiden Medikamente, können beide als sichere Basismedikation eingesetzt werden. Eine oft befürchtete Nebenwirkung von Acetylsalicylsäure ist die Erhöhung von postoperativen Blutungskomplikationen. Klinisch relevant war das aber nur in einer Untergruppe von Operationen, bei Prothesenein- und -ausbau. Hier sollte auf den Einsatz von (Lysin-) Acetylsalicylsäure als Basismedikation verzichtet werden, sofern Heparin weiterhin als Thromboseprophylaxe gegeben wird. Die Kosten für Acetylsalicylsäure liegen bei gleicher Dosierung um etwa 50% höher, wurden aber dadurch, dass im Vergleich zu Paracetamol für die Schmerzbehandlung eine geringere Einzeldosis benötigt wurde, auf nahezu die gleichen Kosten gesenkt. Damit ist Acetylsalicylsäure in der postoperativen Schmerztherapie durchaus eine Alternative zu Paracetamol. 27 5 Zusammenfassung Postoperative Schmerzen werden nach verschiedenen Methoden behandelt. Eine Methode, die sich klinisch bewährt hat, ist die Verabreichung eines Basismedikaments aus der Gruppe der Nicht-Opioid-Analgetika. Es wird in einem festen Zeitschema gegeben und auftretende Schmerzspitzen zusätzlich mit stärker wirksamen Analgetika aus der Gruppe der Opioide behandelt. Vorteil hierbei ist die Möglichkeit einer Schmerzstillung unter Einsparung von Opioiden. Damit können auch die oft unangenehmen Nebenwirkungen der Opioide verringert werden. Untersucht wurde, ob sich Acetylsalicylsäure ebenso wie Paracetamol als Basisanalgetikum zur postoperativen Schmerzprophylaxe eignet. Dabei wurden eventuell auftretende unerwünschte Wirkungen und die postoperativen Blutverluste in besonderem Maße beobachtet. Zwei Gruppen von Patienten wurden untersucht, wobei eine Gruppe von 541 Patienten Paracetamol und eine andere Gruppe von 443 Patienten (Lysin-) Acetylsalicylsäure als Basisanalgetikum erhielt. Die Patienten wurden am OP-Tag und den vier postoperativen Tagen zwei mal täglich mittels einer „Visuellen Analog Skala“ nach ihrem Schmerzniveau gefragt. Die ermittelten Werte wurden zusammen mit Daten aus der Krankenakte (unter anderem Blutverlust, unerwünschten Wirkungen, Operationsart und -dauer) erfasst und in einem zentralen Computer gespeichert. Das durchschnittliche Schmerzniveau der Paracetamol-Gruppe betrug am ersten postoperativen Tag 4,0, das der LAS/ASS-Gruppe 3,1. Diese Werte fielen bis zum vierten postoperativen Tag auf 2,1 in der Paracetamol-Gruppe und 1,8 in der LAS/ASS-Gruppe (0 = kein Schmerz, 10 = stärkster vorstellbarer Schmerz). Die Bedarfs- und Zusatzmedikationen in den beiden Gruppen waren vergleichbar. Am Entlassungstag oder spätestens am 5. postoperativen Tag wurden die Patienten nach ihrer abschließenden Beurteilung der Schmerztherapie gefragt. Die Patienten der PCM-Gruppe war mit durchschnittlich 5,9 zufriedener mit der Schmerztherapie als die der LAS/ASS-Gruppe (7,1), wobei „0“ einer exzellenten, „10“ der schlechtesten Bewertung entsprach. Postoperativ, also nach Einsatz der Prüfmedikation, gab es mit einer Ausnahme keine Unterschiede in der Höhe des Blutverlustes. Lediglich bei Patienten mit Prothesenein- und -ausbau war in der LAS/ASS-Gruppe mit 414±354 ml im 28 Gegensatz zu 244±200 ml in der Paracetamol-Gruppe ein erheblich höherer Blutverlust in den ersten 24 postoperativen Stunden zu verzeichnen (p<0,05). Am 2. und 3. postoperativen Tag waren klinisch keine relevanten Blutungsmengen zu verzeichnen. Ein signifikanter Unterschied zeigte sich jedoch in der Zahl der Nachblutungen. In der LAS/ASS-Gruppe waren 141, in der PCM-Gruppe lediglich 21 zu verzeichnen. Operative Revisionen waren deshalb in der LAS/ASS-Gruppe in 21 Fällen, in der PCM- Gruppe in 3 Fällen erforderlich. Die hier aufgetretenen Blutverluste wurden nicht erfasst. Die übrigen aufgetretenen unerwünschten Wirkungen konnten wegen der vielen Einflussfaktoren nicht eindeutig als Nebenwirkungen der Prüfpräparate bestimmt werden. Es waren jedoch keine schwerwiegenden Zwischenfälle zu verzeichnen. Die Medikation wurde in 38 Fällen in der LAS/ASS-Gruppe und in 41 Fällen in der PCM-Gruppe durch den Chirurgen auf der Station aus verschiedenen Gründen abgesetzt und die Studie damit für diese Patienten abgebrochen. Bei Beachtung der Gegenanzeigen und bei Vermeidung eines Einsatzes bei Operationen mit Prothesenein- und -ausbau, ist (Lysin-)Acetylsalicylsäure bezüglich der Sicherheit und hinsichtlich der analgetischen Wirkung zur Behandlung postoperativer Schmerzen durchaus eine Alternativsubstanz zu Paracetamol. 29 6 Literaturverzeichnis [1] Ulsenheimer, K. (1997). Ethisch-juristische Aspekte der perioperativen Patientenversorgung. 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Unimed-Verlag, 35 Anhang: Ergänzende Tabellen und Diagramme Tabelle 5 Prozentzahlen der Patienten mit Bedarfsmedikation OP -Tag 1. 2. 3. 4. postoperativer Tag Paracetamol - Gruppe Buprenorphin Ketamin Metamizol 1g Metamizol 2,5g Metamizol / Tramadol "30/30" andere NSAR Piritramid Tilidin Summe LAS / Aspirin - Gruppe Buprenorphin Ketamin Metamizol 1g Metamizol 2,5g Metamizol / Tramadol "30/30" andere NSAR Piritramid Tilidin Summe 1 17 27 14 0 0 19 0 26 1 0 16 0 24 1 0 15 0 22 1 0 7 0 14 6 28 1 94 29 4 0 78 19 2 1 63 20 0 1 59 11 0 0 33 2 2 1 0 4 0 60 0 0 4 0 41 0 0 2 0 31 0 0 1 0 22 29 0 0 94 21 0 0 66 20 0 0 53 12 0 0 35 5 46 5 12 72 36 Tabelle 6 Summe der gegebenen Bedarfsmedikation OP -Tag Paracetamol - Gruppe Buprenorphin Ketamin Metamizol 1g Metamizol 2,5g Metamizol / Tramadol "30/30" andere NSAR Piritramid Tilidin Summe LAS / Aspirin - Gruppe Buprenorphin Ketamin Metamizol 1g Metamizol 2,5g Metamizol / Tramadol "30/30" andere NSAR Piritramid Tilidin Summe 1. 2. postoperativer Tag 3. 4. Summe 8 90 146 76 32 2 101 4 89 3 80 4 39 142 156 129 102 118 108 75 57 154 3 1 19 2 0 12 3 1 2 6 1 2 0 9 10 3 1 2 1 19 16 11 4 20 202 267 182 137 99 27 23 0 157 128 0 114 95 0 108 90 0 65 51 0 37 21 399 146 540 455 187 16 3 1767 16 10 50 20 887 471 387 0 1841 Magen-Operationen 30 25 in % 20 15 10 5 0 0 1 2 3 4 5 6 >6 Anzahl der Injektionen Abbildung 13 Anzahl der Schmerzmittelinjektionen der ersten 48 Stunden nach MagenOperationen (modifiziert nach [53]) Gallenblasen-Operationen 30 25 in % 20 15 10 5 0 0 1 2 3 4 5 6 >6 Anzahl der Injektionen Abbildung 14 Anzahl der Schmerzmittelinjektionen der ersten 48 Stunden nach GallenblasenOperationen (modifiziert nach [53]) 38 in % Appendektomie 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 0 1 2 3 4 5 6 >6 Anzahl der Injektionen Abbildung 15 Anzahl der Schmerzmittelinjektionen der ersten 48 Stunden nach Appendektomie (modifiziert nach [53]) Hernien-Chirurgie 60 50 in % 40 30 20 10 0 0 1 2 3 4 5 6 >6 Anzahl der Injektionen Abbildung 16 Anzahl der Schmerzmittelinjektionen der ersten 48 Stunden nach HernienChirurgie (modifiziert nach [53]) 39 Danksagungen Vielen Dank an Herrn Prof. Dr. med. M. Zenz für die freundliche Überlassung des Themas und die Möglichkeit, die Studie in der Klinik für Anaesthesiologie, Intensivund Schmerztherapie des Universitätsklinikums Bergmannsheil/Bochum der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil in Bochum durchführen zu können Ich danke Herrn Dr. med. A. Wiebalck für die hervorragende Betreuung und die unermüdlichen Anstrengungen, die Arbeit so zu formen, wie sie jetzt ist. Großer Dank gilt meinen Eltern für die Möglichkeit, überhaupt studieren zu können. Meinem Vater und Götz danke ich herzlichst für Korrekturlesen, unermüdliche Hilfestellung und 1001 wertvolle Tipps. Meinen Eltern, Geschwistern und Freunden sei für die immer währende Sorge um das gute Gelingen und den Fortschritt der Arbeit ebenfalls innig gedankt. Insbesondere sei Sandra Grootoonk für ihre Hilfe bei grundsätzlichen und speziellen Fragen zur Dissertation gedankt. Lieben Dank an Sandra Weißmann für hilfreiche Tricks bei der Formatierung des Textes. Ich danke weiterhin dem Pflegepersonal und den Ärzten/-innen der Klinik für Anaesthesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie des Universitätsklinikums Bergmannsheil/Bochum für die Unterstützung bei der praktischen Ausführung der Studie. Ebenso danke ich dem Pflegepersonal und den Ärzten/-innen der Stationen C4, C5, C7 und C11. Lebenslauf Persönliche Daten: Name Adresse Geburtsdatum/ -ort Staatsangehörigkeit Familienstand Martin Kleinen Franzstraße 12 44787 Bochum 22.03.1975 in Bochum Deutsch ledig Schulausbildung: 1981 - 1986 1986 - 1995 Grundschule Vörstetten Albert-Schweitzer-Gymnasium Gundelfingen Studium Oktober1995 Mai 2002 Studium der Humanmedizin an der Ruhr-Universität Bochum Abschluss des Studiums Praktische Tätigkeiten Juli - September1996 Februar September 1998 Juli 1999 - Juni 2000 Krankenpflegedienst Chirurgische Station Evangelisches Krankenhaus Elisabethenstift Darmstadt Fluoreszenzmikroskopie zur Chlamydiendiagnostik in der gynäkologischen Gemeinschaftspraxis Dr. Dieterle/ Dr. Neuer, Dortmund Krankenpflege-Aushilfe Allgemeinchirurgische Station und Transplantationschirurgie Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer Arbeit als Arzt im Praktikum August 2003 – Januar 2004 Klinik für Allgemein-, Gefäß- und Thoraxchirurgie des Klinikums Rosenheim, Prof. Dr. med. P.K. Wagner Arbeit als Assistenzarzt Seit Mai 2004 Bochum, den 01.08.2004 Klinik für Orthopädie am St.-Anna-Hospital Herne, Prof. Dr. med G. Godolias