Crashkurs Infektiologie: Diagnostik und Therapie Dr. med. J. Janne Vehreschild Gliederung Teil I: Infektionspathogenese – Rüstzeug für die Herleitung infektiologischer Differentialdiagnosen Teil II: Diagnostik und Therapie Teil III: Fälle aus der klinischen Praxis TEIL I Lernziele I. Infektionszeichen aus der körperlichen Untersuchung II. Stellenwert von Labordiagnostik und Mikrobiologie III. Bildgebende Verfahren IV. Bakterienklassen aus der Sicht des Antibiotikums V. Schritte zu einer kalkulierten Therapieentscheidung Wo geht‘s los? Anamnese Bildgebung Labor InfektionsAlarm! Therapie Mikrobiologie Körperliche Untersuchung I. Körperliche Untersuchung Verdachtsmomente Sichtbare Abszesse, Eiter Schmerzhafte Schwellung, mit Rötung und Funktionseinschränkung Halsschmerzen, Schnupfen, Heiserkeit, Brennen beim Wasserlassen, geröteter Rachenring, Rasselgeräusche Kopf- / Gliederschmerzen, Schüttelfrost Subfebrile Temperatur, Schwitzen, Fieber, Tachykardie Wichtige Untersuchungen nach Organsystem • Ganzkörperinspektion • Nägel und Haare berücksichtigen • Konjunktiven • Nebenhöhlen • Mundhöhle, Rachenring inspizieren • Gehör prüfen • Auskultation, Perkussion • Auskultation Haut Kopf / Hals Lunge Herz • • • • Abwehrspannung Peristaltik Resistenzen Schmerzen Abdomen • Inguinal • Axillär • Hals • Am Untersuchungsende nach weiteren Befunden fragen Lymphknoten Nach weiteren Symptomen fragen ALGORITHMUS INFEKTIONSVERDACHT Untersuchung Interpretation Anamnese Anamnese • Risikofaktoren • Unspezifische Symptome • Organspezifische Symptome • Infektion wahrscheinlich? • Endogen oder exogen? • Nosokomial oder ambulant erworben? • Opportunistisch? Körperliche Untersuchung Körperliche Untersuchung • Allgemeine Untersuchung • Symptomorientierte Untersuchung • Vitalzeichen • Stigmata einer Infektionserkrankung? • Schweregrad der Infektion? • Organstatus? IIa. Klinische Chemie und BGA Zwischenfrage Welcher Laborparameter kann mit 98% Zuverlässigkeit eine Infektion beweisen: Blutsenkung CRP Procalcitonin Interleukin-6 Keiner Klinische Chemie und BGA Blutgasanalyse (BGA) • Schnellste Methode zum Erhalt von Laborwerten (ca. 2-3 min) • Infektionsmarker: Leukozytenzahl (systemabhängig) • Respiratorische Insuffizienz: sO2, pO2, pCO2, HCO3-, BE • Sepsis: HCO3-, BE, Lactat, K+ Klinische Chemie: • Erlaubt gewisse Aussagen über Wahrscheinlichkeit und Ausmaß einer Infektion sowie die Infektionsursache • Allgemeine Infektionsmarker: Leukozytenzahl, CRP, Blutsenkung • Differentialdiagnose: Differentialblutbild, LDH, Transaminasen, Procalcitonin • Sepsis: Kreatinin, Lactat, Transaminasen, Differentialblutbild, Quick, K+ Typische Befunde Bakterielle Infektion Sepsis Virale Infektion Tumor AutoimmunErkrankung Temperatur / =/ =/ Puls =/ =/ Blutsenkung =/ =/ Leukozyten / = =/ =/ Lymphozyten = =/ Granulozyten / =/ = CRP Procalcitonin = =/ = Lactat = = = = K+ = = = = Transaminasen = =/ =/ =/ =/ Quick = = = = LDH = =/ = = Laborparameter Differentialdiagnose Verlaufskontrolle Blutsenkung • • Lymphozyten • • Bakterien Lactat, Quick • Atypische Erreger Viruserkrankungen Granulozyten, Procalcitonin • Endokarditis Autoimmunerkrankungen Sepsis LDH • • Sepsis Tumore Temperatur, Diff. BB • Schnelles Ansprechen • Skalieren schlecht CRP • Reaktion 24h verzögert • Viele Feinabstufungen Procalcitonin • Reaktion 12h verzögert IIb. Mikrobiologische Diagnostik Prinzipien Fragestellung definieren Entnahmeort festlegen Geeignete Medien recherchieren Entnahme & Versendung Geeignete Methoden der Probengewinnung • Hautbiopsien • Abszesspunktat • Abstriche • Blutkulturen • Sputum • Bronchoalveoläre Lavage Haut & Abszesse Nasooropharynx Pneumonie • Blutkulturen • Stuhlproben • Blutkultur • Urinkultur Herz Darminfektionen Urogenitaltrakt Zwischenfrage Wie schnell kann ich mit einem abschließenden kulturellen Befund aus meiner Mikrobiologie rechnen? 2h 24h 48h 1 Woche Erwartungshaltung 6h Erreger identifiziert Resistenzen gegen Standardpräparate Beginn der Bebrütung Schriftlicher Befund 48h Erstes Anwachsen Beginn der Identifikation 42h 0h 30h Ankunft im Labor 4h Entnahme Cave: Standortflora Bei positiver Kultur: • Wo wurde die Kultur entnommen? • Welche Erreger sind zu erwarten? • Ubiquitärer Erreger oder ist Nachweis spezifisch? • Welche Pathogenität hat der nachgewiesene Erreger? Positive Kulturen aus primär sterilem Material müssen nachkontrolliert werden, bis 2 Kulturen in Folge steril sind ALGORITHMUS INFEKTIONSVERDACHT Untersuchung Interpretation Anamnese Anamnese • Risikofaktoren • Unspezifische Symptome • Organspezifische Symptome • Infektion wahrscheinlich? • Endogen oder exogen? • Nosokomial oder ambulant erworben? • Opportunistisch? Körperliche Untersuchung Körperliche Untersuchung • Allgemeine Untersuchung • Symptomorientierte Untersuchung • Vitalzeichen • Stigmata einer Infektionserkrankung? • Schweregrad der Infektion? • Organstatus? Laboruntersuchungen Laboruntersuchungen • Klinische Chemie, Differentialblutbild, inflammatorische Parameter • Evtl. Blutgasanalyse • Mikrobiologische Diagnostik • Infektion wahrscheinlich? • Schweregrad der Infektion? • Art der Infektion? • Feststellung des Erregers III. Bildgebende Verfahren Bildgebungen Zwischenfrage Bei Verdacht auf eine ambulant erworbene Pneumonie: Gar keine Bildgebung Röntgen zur Diagnosesicherung Erst Röntgen, wenn auffällig, dann einmalig Computertomographie zur Beurteilung der Infiltrate Erst Röntgen, wenn auffällig, dann einmalig Computertomographie zur Beurteilung der Infiltrate; anschließend wöchentlich Röntgen bis Normalisierung Offene Frage? Andere Optionen? Passendes Werkzeug? Röntgen STRAHLEN Methode angemessen? Merke Bildgebung sollte eingesetzt werden: Vermieden werden sollte hingegen: • Zur Diagnosesicherung bei ungesichertem Anfangsverdacht • Wenn eine therapeutische Konsequenz zu erwarten ist • Der Verdacht auf eine auslösende Grunderkrankung besteht • „Infektionskino“ – Nachkontrollen sind bei klinischem Ansprechen nur in Ausnahmen notwendig • Strahlende Bildgebung bei zuvor auf andere Art eindeutig gestellten Diagnosen • Undifferenzierte Anwendung der Maximaldiagnostik ALGORITHMUS INFEKTIONSVERDACHT Untersuchung Interpretation Anamnese Anamnese • Risikofaktoren • Unspezifische Symptome • Organspezifische Symptome • Infektion wahrscheinlich? • Endogen oder exogen? Opportunistisch? • Nosokomial oder ambulant erworben? Körperliche Untersuchung Körperliche Untersuchung • Allgemeine Untersuchung • Symptomorientierte Untersuchung • Vitalzeichen • Stigmata einer Infektionserkrankung? • Schweregrad der Infektion? • Organstatus? Laboruntersuchungen Laboruntersuchungen • Klinische Chemie, Differentialblutbild, inflammatorische Parameter • Evtl. Blutgasanalyse • Mikrobiologische Diagnostik • • • • Bildgebung Bildgebung • Bei ungesichertem Anfangsverdacht • Schonendste Methode mit ausreichender Sensitivität auswählen • Ausmaß der Infektion? • Chirurgische Intervention notwendig? • Spezifische Veränderungen? Infektion wahrscheinlich? Schweregrad der Infektion? Art der Infektion? Feststellung des Erregers IV. Bakterienklassen aus der Sicht des Antibiotikums Gram-positiv I • Escherichia coli • Klebsiella pneumoniae • Citrobacter freundii I • Streptokokken Gruppe A • Vergründende Streptokokken II • Pseudomonas aeruginosa Wildtyp • Enterobacter cloacae II • Staphylococcus aureus • Streptococcus pneumoniae • Enterococcus faecalis III •Acinetobacter baumanii •Pseudomonas aeruginosa mit Resistenzen •ESBL III • MRSA • Enterococcus faecium IV •CarbapenemResistenz Nosokomial Gram-negativ Typische Erreger fulminanter Infektionen IV • VRE • VRSA Häufige verwendete empirische Antibiotika: β-Lactame Grampositiv IV III II Gramnegativ I I II Penicillin Amoxicillin Amoxicillin/Clavulanat Piperacillin/Tazobactam Ceftriaxon, Cefotaxim Ceftazidim Cefepim Meropenem, Imipenem Vereinfachte Darstellung ! III IV Häufige verwendete empirische Antibiotika: Weitere Antibiotika Grampositiv IV III Gremnegativ II I I II Ciprofloxacin Moxifloxacin Levofloxacin Makrolide Vancomycin Linezolid, Daptomycin Clindamycin Vereinfachte Darstellung ! III IV Spezielle Erregergruppen Intrazelluläre (atypische) Bakterien • Chlamydia pneumoniae, Legionella pneumophile, Mycoplasma pneumoniae • Behandlung: Fluorchinolone, Makrolide Anaerobier • Clostridium perfringens, Bacteroides spp. • Behandlung: Penicilline, Clindamycin, Vancomycin Viren • Respiratory-Syncytial Virus, Influenza A/B • Behandlung: Abhängig von Erkrankungsschwere V. Schritte zu einer kalkulierten Therapieentscheidung 1. Schritt: Wann? Untersuchung Interpretation Anamnese • Risikofaktoren • Unspezifische Symptome • Organspezifische Symptome • Infektion wahrscheinlich? • Endogen oder exogen? Opportunistisch? • Nosokomial oder ambulant erworben? Körperliche Untersuchung Körperliche Untersuchung • Allgemeine Untersuchung • Symptomorientierte Untersuchung • Vitalzeichen • Stigmata einer Infektionserkrankung? • Schweregrad der Infektion? • Organstatus? Laboruntersuchungen Laboruntersuchungen • Klinische Chemie, Differentialblutbild, inflammatorische Parameter • Evtl. Blutgasanalyse • Mikrobiologische Diagnostik • • • • Bildgebung Bildgebung • Bei ungesichertem Anfangsverdacht • Schonendste Methode mit ausreichender Sensitivität auswählen • Ausmaß der Infektion? • Chirurgische Intervention notwendig? • Spezifische Veränderungen? Infektion wahrscheinlich? Schweregrad der Infektion? Art der Infektion? Feststellung des Erregers Behandlung: • Beginn notwendig? • Welches Spektrum? Anamnese 2. Schritt: Wo? Entscheidung: Zu Hause • Immunsuppression • Auslösende Grunderkrankung • Vitalzeichen • Organfunktion • Geistige Klarheit In der Klinik Ein Bogen zu Teil I Endogen (Darm) I I A Endogen (Haut) I II Nosokomial II III A III V II I I II II III Grampositive Erreger III Gramnegative Erreger Endogen (OAW) I II I Exogen V IN A IN V Anaerobier Intrazelluläre Erreger Virale Erreger Zwischenfrage Ein 40jähriger Patient mit rheumatoider Arthritis unter Therapie mit Methotrexat und 10 mg Prednisolon stellt sich mit Halsschmerzen und belegten Mandeln in Ihrer Ambulanz vor. Sonst ist er fit und fühlt sich gut. Wie behandeln Sie? Penicillin V oral über 10 Tage und nach Hause Nach Spektrum der oberen Atemwege mit Amoxicillin und Clavulansäure Aufgrund der Immunsuppression Aufnahme und Ceftriaxon i.v. Aufgrund Immunsuppression und regelmäßiger Krankenhauskontakte Aufnahme und Behandlung mit Meropenem und Vancomycin i.v. 3. Schritt: Womit? „Antibiotisch abgedeckt“ Annahmen und Vereinfachungen Kein Spektrum kommt ohne grampositive Kokken aus Nur das Hautspektrum darf gramnegative Erreger ignorieren Einsparungen des Spektrums erwägen in Abhängigkeit von: • • • • • Selten fulminante Krankheitsverläufe bei: • • • • Klinischer Zustand Ausbreitung der Infektion Möglichkeit der Nachbeobachtung Compliance des Patienten Sicherheit der Diagnose Enterokokken Intrazellulären Bakterien Viren Anaerobiern Jedes Schema muss bei Nachweis von Erregern angepasst werden! ALGORITHMUS INFEKTIONSVERDACHT Untersuchung Interpretation Anamnese • Risikofaktoren • Unspezifische Symptome • Organspezifische Symptome • Infektion wahrscheinlich? • Endogen oder exogen? Opportunistisch? • Nosokomial oder ambulant erworben? Körperliche Untersuchung Körperliche Untersuchung • Allgemeine Untersuchung • Symptomorientierte Untersuchung • Vitalzeichen • Stigmata einer Infektionserkrankung? • Schweregrad der Infektion? • Organstatus? Laboruntersuchungen Laboruntersuchungen • Klinische Chemie, Differentialblutbild, inflammatorische Parameter • Evtl. Blutgasanalyse • Mikrobiologische Diagnostik • • • • Bildgebung Bildgebung • Bei ungesichertem Anfangsverdacht • Schonendste Methode mit ausreichender Sensitivität auswählen • Ausmaß der Infektion? • Chirurgische Intervention notwendig? • Spezifische Veränderungen? Infektion wahrscheinlich? Schweregrad der Infektion? Art der Infektion? Feststellung des Erregers Behandlung: • Beginn notwendig? • Welches Spektrum? Anamnese Bis Morgen!