Die infizierte Knieendoprothese : Evaluation eines diagnostischen

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Zusammenfassung
Die Infektion ist nach der aseptischen Lockerung die zweithäufigste Komplikation
nach Implantation einer Kniegelenksendoprothese. Den betroffenen Patienten steht
nicht nur oft ein langer Krankenhausaufenthalt mit mehrfachen Operationen bevor,
sondern in einem erheblichen Teil der Fälle kann die Knieendoprothese nicht erhalten werden. Es muss mit schlechten funktionellen Ergebnissen gerechnet werden,
nicht selten ist nach der Behandlung die allgemeine Lebensqualität der Patienten
stark eingeschränkt. In dieser Studie sind Faktoren, welche die Infektion einer Knieendoprothese auslösen, sie begünstigen oder sie über einen langen Zeitraum unterhalten können,
sowie bereits bestehende Therapiekonzepte, beleuchtet worden.
Anhand dieser Ergebnisse und anhand eines Literaturvergleiches sollte das bestehende Therapiekonzept überprüft werden.
Zunächst wurden verschiedene Risikofaktoren untersucht. Bei bestehender Adipositas treten Protheseninfektionen häufiger auf, das klinische Outcome der Patienten
nach Infektsanierung ist aber vergleichbar. Das Gleiche gilt für den Diabetes mellitus,
darüber hinaus konnte bei den Diabetikern postoperativ eine reduzierte allgemeine
Lebensqualität ermittelt werden. Besteht als Vorerkrankung eine chronische Polyarthritis, so muss nicht nur mit einem häufigeren Auftreten von Infekten, sondern auch
mit einem schlechteren klinischen Ergebnis gerechnet werden. Als weitere Risikofaktoren stellten sich operative Maßnahmen oder Punktionen dar, die im Vorfeld der
Prothesenimplantation am betreffenden Kniegelenk vorgenommen wurden. Im Vergleich resultierten auch hier schlechtere klinische Ergebnisse. Das perioperative Infektionsrisiko lässt sich durch präoperative Optimierung einiger dieser Faktoren reduzieren. Dazu zählt sowohl eine gezielte Gewichtsreduktion der Patienten, als auch
eine optimale Einstellung der Blutzucker-Langzeitwerte bei bekanntem Diabetes mellitus. Patienten mit chronischer Polyarthritis sollten schon zu Beginn der Behandlung
über möglicherweise schlechtere Endergebnisse aufgeklärt werden. Die hier dargestellten Auswirkungen von Begleiterkrankungen des Patienten auf das Resultat einer
Knieprothesenimplantation und somit wiederum auf die Gesundheit des Patienten
verdeutlichen, dass man ihnen zu jedem Zeitpunkt der Behandlung größte Aufmerksamkeit schenken sollte. Diese Aufmerksamkeit beginnt schon mit der Berücksichti111
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gung dieser Risikofaktoren bei der Indikationsstellung und sollte sich zum Beispiel in
einer Optimierung der Blutzucker-Einstellung oder in einer Gewichtsreduktion des
Patienten fortsetzen. Auf diese Weise kann man das peri- und postoperative Risiko
einer Protheseninfektion deutlich minimieren.
Auch die der primären Prothesenimplantation zugrunde liegende Indikation beeinflusst die Resultate, so konnten bei sekundärer Arthrose schlechtere Resultate
nachgewiesen werden.
Die bakteriologischen Daten zeigen übereinstimmend mit der Literatur, dass Staphylokokkus aureus und Staphylokokkus epidermidis den Großteil der Infektionen verursachen. Jeder dritte Staphylokokkus aureus war gegen Antibiotika multiresistent, weiterhin fanden wir in etwa einem Viertel der Fälle Mischinfektionen mit mehreren Keimen. An dieser Stelle wird deutlich, dass eine ungezielte Behandlung mit Breitspektrum-Antibiotika dieser Situation nicht gerecht werden kann. Darüber hinaus fördert
sie die Ausbildung von Antibiotika-Resistenzen. Es sollte so früh wie möglich die resistenzgerechte Antibiose nach Antibiogramm durchgeführt werden.
Eine CRP-Bestimmung ist sowohl bei Aufnahme zur Diagnosesicherung, als auch
zur Verlaufskontrolle im Rahmen der klinischen Überwachung sinnvoll. Die Höhe des
CRP-Wertes im Behandlungsverlauf korrelierte hier nicht mit dem klinischen Outcome.
Die vergleichende Auswertung von Patienten mit Früh- oder Spätinfekt zeigte hinsichtlich des klinischen Endergebnisses innerhalb des untersuchten Patientenkollektives keine Unterschiede. Eine Einteilung in diese beiden Gruppen scheint dann
sinnvoll, wenn sich daraus auch klare therapeutische Konsequenzen ableiten.
Es besteht zur Zeit kein Konsens hinsichtlich der primären Behandlungsmethode bei
Protheseninfekt. Das hier untersuchte Therapieschema besteht aus den drei Säulen
konservative Behandlung, Débridement/Synovektomie/Spülung und Prothesenwechsel. Beim zweizeitigen Prothesenwechsel und zur Vorbereitung einer Arthrodese
wurde häufig die Spacer-Technik eingesetzt. Den Ergebnissen nach ist bei Einsatz
eines statischen Spacers von geeigneter Größe und Dicke und mit intramedullärer
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Verankerung der geringste Knochenverlust zu erwarten. Unter diesen Voraussetzungen ist die Spacer-Technik am Kniegelenk eine gute Methode zur Infektsanierung mit
hohen Erfolgsquoten im Rahmen eines zweizeitigen Prothesenwechsels oder zur
Vorbereitung einer Arthrodese. Dabei zeigt sich ein Trend weg vom großen massiven
Spacer hin zu Alternativen.
Bei etwa jedem vierten Patienten ist es möglich, die primäre Prothese zu erhalten.
Unter folgenden Voraussetzungen stellt der Prothesenerhalt eine gute Alternative zur
Revisionsprothetik mit guten Erfolgsaussichten dar: Es handelt sich um einen Frühinfekt, bisher ist es nicht zu einer Fistelbildung gekommen, es ist klinisch und radiologisch keine Prothesenlockerung nachweisbar. Jedoch sollte eine alleinige Antibiotika-Therapie nur nicht-operationsfähigen Patienten vorbehalten bleiben. Hier zeigten
sich nur geringe Erfolgsraten.
Bei chronischen Infekten bleibt der zweizeitige Prothesenwechsel Mittel der Wahl. Mit
dieser Methode konnten sowohl eine hohe Infekt-Sanierungsrate, als auch gute funktionelle Ergebnisse erzielt werden. Andererseits ist dieses Verfahren für den Patienten belastender, denn es sind mindestens zwei operative Eingriffe nötig. Infolgedessen ist der zweizeitige Wechsel auch zeitintensiver und somit teurer als der einzeitige. Gegen einen einzeitigen Wechsel sprechen die höheren Reinfektionsraten. Er ist
seit einiger Zeit nur Mittel der zweiten Wahl und kann bevorzugt bei alten oder multimorbiden Patienten eingesetzt werden oder im Frühstadium eines oberflächlichen
und somit noch nicht den Knochen erfassenden Infektes.
Bei schlechten Weichteil- und Knochenverhältnissen und irreparablem Kniestreckapparat ist die Arthrodese ein geeignetes Verfahren mit hohen Erfolgsraten. Bei komplikationslosem Verlauf kann ein stabiles und vollbelastbares Kniegelenk erreicht werden, welches den Patienten eine befriedigende allgemeine Lebensqualität ermöglicht. Unsere Ergebnisse zeigen, dass mit dieser Methode auch Mischinfekte oder
Infekte mit hochvirulenten Keimen beherrscht werden können. Ebenfalls einsetzbar
ist sie bei Patienten mit multiplen Risikofaktoren für eine Prothesenreinfektion und
gleichzeitig geringeren funktionellen Ansprüchen. Allerdings braucht ein großer Teil
der Arthrodesen-Patienten dauerhaft Gehhilfen. Eine Rekonversion einer Arthrodese
in eine Knieprothese erscheint bei dem hier vorgestellten Patientenkollektiv nicht
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sinnvoll. Unter den verschiedenen bei uns angewandten Arthrodesen-Methoden
zeigten sich beim intramedullären modularen Arthrodesen-Stab aus Titan die besten
funktionellen Ergebnisse und die höchste Sanierungsrate.
Bei therapieresistenten Infektionen mit meist hochvirulenten Erregern und drohenden
septischen Komplikationen ist die Amputation das letzte Mittel der Wahl. In über 70%
der Fälle konnte damit eine Gehfähigkeit erreicht werden. Der entscheidende Punkt
bei dieser Therapieoption ist der Zeitpunkt der Indikationsstellung: Sie sollte, obwohl
es für Patient und Arzt eine folgenschwere Entscheidung ist, rechtzeitig gestellt werden, ansonsten erhöht sich die Letalitätsrate auf bis zu 25%.
Der letzte Status / das klinische Ergebnis nach Infektsanierung gibt zum einen Aufschluss über die bevorzugten Therapieoptionen der verschiedenen Kliniken, zum
anderen aber auch über die damit erreichten Erfolgsraten. Um diese wichtigen Ergebnisse untereinander besser vergleichbar zu machen, sollten die klinischen Endzustände nach Infektsanierung immer zusammen mit funktionellen Ergebnissen und
aufgetretenen Komplikationen dargestellt werden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich im Prinzip um eine „Momentaufnahme“ handelt
Wird mikrobiologisch ein MRSA nachgewiesen, hat dies erhebliche Auswirkungen
auf das Resultat: Diese Patientengruppe hatte ein deutlich schlechteres klinisches
Outcome als die Vergleichsgruppe. Es konnten weniger Prothesen erhalten werden,
es mussten mehr Arthrodesen und Amputationen durchgeführt werden, dabei gab es
mehr Todesfälle. Es sollte also für diese Patientengruppe bei Infekt- beziehungsweise Erregerpersistenz trotz adäquatem Therapieregime frühzeitig über eine Amputation diskutiert werden, um die Patienten nicht vital zu gefährden.
Es zeigte sich, dass die allgemeine Lebensqualität nach septischer Prothesenrevision schlechter ist als nach aseptischer Revision. Erstaunlicherweise werden aber
nach Arthrodese bessere Werte erreicht als nach einer Revisionsprothese.
Aus der Darstellung der Ergebnisse geht hervor, dass die Behandlung einer infizierten Knieprothese komplex und zeitaufwendig ist. Sie stellt hohe Ansprüche an die
betroffenen Patienten und den behandelnden Arzt. Um das Risiko einer Prothesenin114
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fektion bereits präoperativ zu minimieren, sollte man die bekannten Risikofaktoren
beachten und versuchen sie zu optimieren. Bei bereits bestehender Infektion sollte
unmittelbar nach Einleitung der Erregerdiagnostik mit der Therapie begonnen werden. Dabei sollte das Therapieschema dem Einzelfall angepasst werden, es ist von
folgenden Faktoren abhängig: Vorliegen von Risikofaktoren, Gesundheitszustand
des Patienten, Dauer des Infektes, Erregerspektrum, klinische und radiologische
Stabilität des Implantates, Voroperationen, zur Zeit implantierter Prothesentyp,
Weichteilsituation, Knochensubstanz, Funktion des Kniestreckapparates, Fistelbildung und der funktionelle Anspruch des Patienten an das Kniegelenk. Die Infektsanierung kann nur erfolgreich sein, wenn der behandelnde Arzt das Versagen einer
Therapieoption frühzeitig erkennt und sofort eine andere Therapiemöglichkeit beginnt. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass nicht mehr nur die Frage der Beweglichkeit im Vordergrund steht, sondern ein weitgehend schmerzfreies, stabiles und
voll belastbares Kniegelenk. Bei Patienten mit einem chronischen Infekt und bereits
länger andauernden Sanierungsversuchen kann dieses Ziel oftmals auch mit einer
Arthrodese erreicht werden. In keinem Fall sollte eine vitale Gefährdung des Patienten in Kauf genommen werden, um eine funktionsfähige Prothese zu erhalten.
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