Prof. Dr. F. Koch Dr. HE Porteanu porteanu@ph

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Prof. Dr. F. Koch
Dr. H. E. Porteanu
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SS 2004
HÖHERE PHYSIK – SKRIPTUM
VORLESUNGBLATT IX -XI– 25.06., 2.07., 9.07., 2004
Kernphysik I - III
Die moderne Atom- und Kernphysik hat ihren Beginn am Ende des 19. Jahrhunderts, als die Röntgenstrahlung, Radioaktivität und das Elektron entdeckt wurden. Die Kernphysik ist heute die naturwissenschaftliche Grundlage für die Nutzung der Kernenergie und viele Anwendungen in der
Technik und Medizin.
1. Kernradius und Kernaufbau
Die Streueigenschaften von α-Teilchen (Heliumkerne) an einer Goldfolie veranlassten Rutherford
1911 ein Atommodell zu formulieren, indem die gesamte positive Ladung und Masse der Atome auf
ein sehr kleines Volumen in deren Zentrum beschränkt ist.
Aus den Streuexperimenten kann man auch den Radius des Kerns abschätzen zu etwa 10-15 m.
Nach der Entdeckung des Neutrons im Jahre 1932 wurde postuliert, dass der Kern aus Protonen und
Neutronen aufgebaut ist. Für die Ladung des Kerns gilt: Q=Z⋅e, mit Z: Protonenzahl. Alle Kerne
lassen sich also durch zwei Zahlen charakterisieren: Z (Protonenzahl) und N (Neutronenzahl),
A=N+Z (Massenzahl)
Alle bekannten Kerne kann man somit in ein N-Z-Diagrarnm (Nuklidkarte) eintragen.
Man sieht, dass die stabilen Kerne sich auf einer Linie befinden die nahe dem Ursprung, die
Steigung 1 hat Lind dann abflacht. Schwere Kerne sind somit neutronenreich (N>Z).
1
Kerne werden dargestellt durch das Symbol des chemischen Elements versehen mit der Massenzahl
links oben und der Ladungszahl links unten, z.B. schreibt man für ein Isotop des Sauerstoffs mit
Massenzahl 16 und Ladungszahl 8: 16
8 O
Für jedes Element (Z=const.) gibt es Kerne, deren Neutronenzahl variiert. Diese nennt man Isotope.
Aston baute 1919 den ersten Massenspektrographen und konnte feststellen, dass die meisten Elemente Gemische aus mehreren Isotopen sind. Im Elektronenspektrum machen sich Isotope durch
die unterschiedliche reduzierte Masse bemerkbar. In einem Massenspektrographen werden geladene
Teilchen in einem Magnetfeld abgelenkt und der sich dabei ergebene Bahnradius aufgezeichnet.
Teilchen verschiedener Masse werden unterschiedlich stark abgelenkt. Isotone werden Kerne mit
gleicher Neutronenzahl genannt, Isobare heißen Kerne mit gleicher Massenzahl.
Streuexperimente stellen die wichtigste Untersuchungsmethode zur Messung von Kernkräften, der
Struktur der Kerne und Elementarteilchen dar. Bei Coulombstreuung (ein geladenes Projektil, z.B.
ein Heliumkern wird auf einen Targetkern geschossen) ergeben sich bei Messung des Ablenkwinkels der Teilchen Abweichungen vom erwarteten Verhalten, wenn die beiden Teilchen so nahe aufeinandertreffen, dass sie sich berühren. Dies kann - zur Bestimmun der Kernradien verwendet werden.
1 Z1 Z 2 e 2
⋅
4πε 0 R1 + R2
wobei Z1, Z2 die Ladungen und R1, R2 die Radien der Stosspartner sind.
Für Coulomb-Streuung gilt bei Berührung der Teilchen: VSchwelle =
Weitere Information kann man über die Messung von Spektren an Mesonenatomen (Elektronen sind
durch ein Meson ersetzt) erhalten.
Die Messungen führen zu dem Ergebnis, dass die Radien aller Kerne gut durch den Wert:
1
3
r = r0 ⋅ A , r0 = 1.2 ⋅10 −15 m
beschrieben werden können. Das heißt, das Volumen der Kerne ist proportional zu der im Kern
enthaltenen Nukleonenzahl (Protonen und Neutronen).
Interessant ist es eine Abschätzung der Kerndichte anzuführen. Sie beträgt 1011 kg/cm3. Neutronensterne, die bei Supernovaexplosionen entstehen haben eine so hohe Dichte.
2. Massendefekt und Bindungsenergie der Kerne
Ein aus mehreren Teilchen zusammengesetztes System ist dann stabil, wenn seine Gesamtenergie
geringer als die der freien Teilchen ist. Bei der Fusion von Nukleonen wird also Energie frei und
diese wird als Bindungsenergie B bezeichnet. Nach Einstein gilt die Äquivalenz der Energie mit der
Masse und daher ist die Masse des zusammengesetzten Kerns MA um den Massendefekt kleiner.
Es gilt: B = ∆Mc 2 = M A − (N ⋅ mn + Z ⋅ m p )
Die Massendefekte können sehr genau gemessen werden. Es ergibt sich, dass die Bindungsenergie
pro Nukleon über den gesamten Massenbereich etwa 8 MeV pro Nukleon beträgt (Ausnahme: sehr
leichte Kerne)
Der genaue Verlauf der Bindungsenergie pro Nukleon ist in nachfolgendem Graphen dargestellt:
2
Hierbei sind die Elemente entlang der Stabilitätslinie der Nuklidkarte zur Bestimmung der Bindungsenergien herangezogen worden.
Man stellt fest, dass die Kurve im Bereich um A=60 ein breites Maximum hat. Bei den leichten
Nukliden hat das Helium eine hohe Bindungsenergie pro Nukleon.
Als Masseneinheit wählt man praktischerweise 1/12 der Masse des Kohlenstoffisotops 12C (die atomare Masseneinheit u). Der Massendefekt kann somit in MeV/c2 oder in u ausgedruckt werden.
Eine Erklärung des Verlaufes der Bindungsenergien pro Nukleon wurde von v. Weizsäcker 1935 mit
einer halbempirischen Formel gegeben (Tröpfchenmodell). Man lernt aus der Untersuchung, von
Spiegelkernen (Kerne, bei denen Protonen- und Neutronenzahl vertauscht sind), dass erstens die
Kernkräfte nicht von der Ladung abhängen. Zweitens kommt in der Tatsache, dass die Bindungsenergie pro Nukleon über den gesamten Massenverlauf etwa denselben Wert annimmt zum Ausdruck, dass die Kernkräfte kurzreichweitig sind, d.h. jedes Nukleon wechselwirkt nur mit seinen
nächsten Nachbarn.
Die v. Weizsäckersche Formel für die Bindungsenergie der Kerne lautet:
2
2
(
1
N − Z ) 3 Z (Z − 1)e 2
3
−
+ δB
B = bVol . ⋅ A − bOb. ⋅ A − ⋅ bSym.
2
A
5 4πε 0 ⋅ RC
bVol. = 16 MeV, bOb. = 17 MeV, bSym. = 50 MeV, δB = 0 (ug), 25 A-1 (gg), -25 A-1 (uu)
Die auftretenden Terme sind:
• der Volumenterm: folgt direkt aus der Kurzreichweitigkeit der Kernkräfte
• der Oberflächenterm: für die an der Oberfläche des Kern-Tröpfchens sitzenden Nukleonen
wirken Kernkräfte nur nach innen gerichtet, deshalb subtrahiert sich dieser Term von der
Bindungsenergie.
3
• der Asymmetrieterm: Für die stabilen Isobaren ist die Bindungsenergie auf einem Schnitt
durch das Isotopental etwa parabelförmig, und wird minimal bei N=Z, für N≠Z wandeln sich
die instabilen Nuklide meist durch Betazerfall in stabile Isobare um.
• der Coulombterm: Dieser Term lockert die Bindungsenergie aufgrund der Abstoßung der Protonen untereinander.
• der Paarungsterm gibt die Energie bei Paarung, von gleichen Nukleonen wieder. Paarung bedeutet ein Nukleonenpaar mit Eigenspin in entgegengesetzten Richtungen.
3. Magnetische und elektrische Momente der Atomkerne
Viele Kerne (alle mit ungeradem A) besitzen einen Eigendrehimpuls (Spin) und damit verbunden
ein magnetisches Moment µ. Protonen und Neutronen haben Spin ½. Damit sollten beide ein magnetisches Moment von einem Kernmagneton haben.
e}
2m p
Das magnetische Moment eines Kerns ist etwa 1000 mal kleiner als das des Elektrons (Verhältnis
me / mK). In einem äußeren Magnetfeld richten sich die Kernmagnetmomente aus und durch Einstrahlung elektromagnetischer Wellen können sie umgeklappt werden (Kernspinresonanz).
Es gilt (in Analogie zum Bohrschen Magneton):
µK =
Messungen des magnetischen Momentes für Protonen und Neutronen liefern:
µK = 2.79 (Proton), µn = -1.91 (Neutron)
Offensichtlich sind die Nukleonen also zusammengesetzt aus weiteren Teilchen mit Ladung.
Andernfalls können die Werte des magnetischen Momentes und das magnetische Moment des ungeladenen Neutrons nicht erklärt werden. Man beachte, dass für Neutronen das magnetische Moment
negativ und seinem Spin entgegengesetzt ist.
Atomkerne haben zusätzlich zu den magnetischen auch elektrische Momente. Abweichungen der
Kernform von einer Kugel liefern Multipolmomente, wobei das niedrigste Moment für Kerne im
Grundzustand das Quadrupolmoment ist. Der Grund hierfür ist die Invarianz der physikalischen
Gesetze gegenüber einer Spiegelung des Koordinatensystems am Ursprung (Parität). Daraus folgt
ein verschwindendes Dipolmoment des Kerns.
4. Mesonentheorie der Kernkräfte
In der Quantentheorie des elektromagnetischen Feldes (Quantenelektrodynamik) kann die
Bindung, zwischen geladenen Teilchen durch den Austausch von Photonen zwischen ihnen
beschrieben werden. In Analogie dazu versuchte Yukawa 1935 die Kernkräfte durch den
Austausch von Feldquanten zu erklären. Die Unschärferelation ∆E ⋅ ∆t ≈ erlaubt eine Verletzung des Energiesatzes ∆E für bestimmtes Zeitintervall ∆t. Für ∆E setzen wir mc2. Das
Zeitintervall wird festgelegt durch ∆t=r0/c, wobei r0 die Reichweite der Kernkraft ist. Für
die Masse des auszutauschenden Teilchens erhalten wir also m = / r0c . Mit r0=1.5 fm ergibt
sich m=260me. Diese Teilchen wurden 1947 tatsächlich gefunden. Das sich aus der Yukawa Theorie ergebende Potential für die Kernkraft ist:
V (r ) ∝
e − λr
r
4
Die Mesonentheorie ist die allgemein anerkannte Grundlage der Theorie der Kernwechselwirkung.
5. Kernumwandlungen
Kerne können Reaktionen mit anderen Teilchen, Kernen und Strahlung eingehen. Für alle
Reaktionen gelten der Energie-, der Impuls- sowie der Drehimpulserhaltungssatz, wobei im
Sinne der relativistischen Mechanik die Ruheenergie zu berücksichtigen ist.
Für geringe kinetische Energien der Teilchen gilt: TA + TB = TC + TD + − Q
Wobei Q die Wärmetönung der Reaktion ist und die Ti die kinetischen Energien der beteiligten Teilchen darstellen. Q wird positiv gerechnet für exogene, negativ für endogene Reaktionen.
Bei einer Kernreaktion wird meist ein Teilchenstrom auf ein Target, eine dünne Schicht einer Substanz geschossen. Dabei können Wechselwirkungen verschiedener Art auftreten:
elastische Streuung, inelastische Streuung Teilcheneinfang, Teilchenaustausch etc. Die
Wahrscheinlichkeit, mit der ein Wechselwirkungsprozess stattfindet wird durch den Wirkungsquerschnitt beschrieben. Er kann als das Produkt der geometrischen Fläche des Targetteilchens multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit für den Eintritt der Wechselwirkung
aufgefasst werden. Die Gesamtzahl der Wechselwirkungsprozesse pro Quadratzentimeter
Strahlquerschnitt und Sekunde ist gegeben durch:
N tot . [cm −2 ⋅ s −1 ] = N i [cm −2 ⋅ s −1 ]⋅ N t [cm −2 ]⋅ σ tot [cm −2 ]
Hierbei sind Ni die Zahl der einfallenden Teilchen, Nt die Zahl der Targetteilchen je cm2 und
σtot. der totale Wirkungsquerschnitt. Der totale Wirkungsquerschnitt fasst alle zwischen Einfallendem- und Targetteilchen möglichen Reaktionen in Betracht und setzt sich additiv aus den Wirkungsquerschnitten der verschiedenen möglichen Prozesse zusammen.
Der Wirkungsquerschnitt besitzt die Dimension einer Fläche (1 barn, "Scheunentor").
Inelastische Streuung und Anregungen im Kern:
In einem inelastischen Streuprozess ist das gestreute Teilchen identisch mit dem einfallenden.
Durch die Wechselwirkung mit dem Kern hat es allerdings Energie verloren mit welcher der Targetkern in einen angeregten Zustand versetzt wurde. Diese Zustände sind diskret und man kann sie im
Spektrum der gestreuten Teilchen als Linien identifizieren. Aus den Anregungsspektren lassen sich
detaliierte Informationen über den Aufbau der Kerne (die Kernstruktur) gewinnen. Als Projektil
können Neutronen, Elektronen, Pionen u.a. dienen. Prinzipiell kann die Anregung direkt oder über
den im nachfolgenden erklärten Compoundkern verlaufen. Ein Beispiel für die Streuung von Protonen an 238U wird in folgender Abbildung gegeben:
5
Compoundkernmodell:
Diesem Modell liegt die Vorstellung von einem Atomkern als "Tropfen" zugrunde. Man nimmt ein
in den Kern hineinfallendes Teilchen an. Die Energie des Kerns ist dann die Summe aus Einschussund Bindungsenergie. Durch Stöße innerhalb des Kerns wird die Energie statistisch auf die Nukleonen verteilt, der Kern befindet sich im angeregten Zustand. Durch Energieübertrag auf ein einzelnes
Teilchen im Kern infolge der thermischen Bewegung der Nukleonen kann dieses den Kern verlassen. In der Regel bleibt hierbei ein angeregter Restkern zurück. Die Anregungsenergie wird in
Form von γ-Quanten abgegeben. Die Winkelverteilungen der emittierten Teilchen sind isotrop, da
ein Compoundkern "vergisst", wie er entstanden ist. Die Entstehung, eines Compoundkerns wird in
nachfolgender Abbildung gezeigt (c-e):
6
Direkte Kernreaktionen unterscheiden sich von den Compoundkernreaktionen dadurch, dass die
Bewegung, eines großen Teils der Nukleonen nicht gestört wird. Die Reaktionen spielen sich hauptsächlich an der Oberfläche von Kernen ab. Ein Beispiel hierfür ist eine Stripping-Reaktion. Ein
Deuteron (np) trifft auf ein Target und das Neutron wird im Kernfeld von dem Deuteron abgestreift.
Das Proton fliegt mit erhöhter Energie (es wurde Bindungsenergie für das Neutron frei) weiter (siehe Abbildung):
6. Mössbauereffekt (rückstossfreie Resonanzabsorption)
Die von einer Kernsorte emittierte γ-Strahlung kann von gleichen Kernen unter Umständen wieder
absorbiert werden. Allerdings muss dafür die natürliche Linienbreite der γ-Strahlung größer sein,
als die Änderung der Energie des γ-Quants, die sich aus dem Energieübertrag an das aussendende
Nuklid und der Dopplerverbreiterung der Linie aufgrund der Bewegung der Kerne ergibt. Aus Abschätzungen ergibt sich, dass die Dopplerverbreiterung und die Verbreiterung aufgrund des Energietransfers an den aussendenden Kern viel zu groß ist, um in die natürliche Linienbreite zu fallen.
Experimentell beobachtet man, dass trotzdem eine Resonanzabsorption stattfinden kann. Der vom
γ-Quant erzwungene Impuls wird dabei auf das gesamte Kristallgitter und nicht auf einen einzelnen
Kern übertragen.
7. Häufigkeit der Elemente
In nachfolgender Tabelle ist die Häufigkeitsverteilung, der Elemente in der Erdkruste angeführt.
7
Bezieht man die Häufigkeitsverteilung, auf den Kosmos, so stehen an erster Stelle Wasserstoff und
Helium. Ab Z=20 scheint die Verteilung der Elemente im Kosmos der auf der Erde zu entsprechen.
Aus der Häufigkeitsverteilung, kann man zusammen mit den Lebensdauern für Zerfälle und Wirkungsqerschnitten für Neutroneneinfang, Rückschlüsse auf die Entstehung der Elemente ziehen.
8. Radioaktiver Zerfall
Im Jahr 1896 wurde festgestellt, dass die von Uransalzen ausgehenden Strahlen nach Durchdringen
von Papier oder Aluminiumfolien Photoplatten schwärzen konnten. Bald darauf wurden die radioaktiven Elemente Polonium und Radium gefunden. Man fand heraus, dass die radioaktive Strahlung
aus drei Komponenten besteht, die Materie in unterschiedlichem Maße durchdringen kann. Durch
Ablenkexperimente im Magnetfeld wurde gefunden, dass die erste Komponente aus schweren, positiv geladenen Teilchen (α-Teilchen, Heliumkerne) besteht. Die Energien dieser Teilchen besitzen je
nach Strahler Werte bis zu 9 MeV. Bei der zweiten Komponente handelt es sich um Elektronen, die
Geschwindigkeiten im Bereich der Lichtgeschwindigkeit besitzen (Energie etwa 100 keV bis einige
MeV, ß-Strahlung). Die dritte Komponente hat Eigenschaften ähnlich der Röntgenstrahlung, ist
aber noch durchdringender (γ-Strahlung). Untersuchungen zeigten, dass alle Elemente über dem
Blei instabil sind und sich stufenweise durch Zerfall in stabile Bleiisotope umwandeln. Die künstliche Radioaktivität wurde 1934 bei der Bestrahlung von Aluminium mit α-Teilchen entdeckt.
Der radioaktive Zerfall ist eine Eigenschaft von Kernen, die von außen nicht beeinflusst werden
kann. Die Wahrscheinlichkeit λ für den Zerfall eines Kerns ist unabhängig von der Zeit. Daraus
folgt das Zerfallsgesetz:
−
0.693
⋅t
T1 / 2
N (t ) = N 0 ⋅ e = N 0 ⋅ e
N0 stellt die zum Zeitpunkt t=0 vorhandenen Kerne dar. Die Zeit, in der die Menge der ursprünglich
vorhandenen Kerne auf die Hälfte abgeklungen ist, heißt Halbwertszeit T1/2.
−λt
Als Masseeinheit für die Radioaktivität gilt heute das Bequerel: l Bq = 1 Zerfall/sec. Ein Gramm
Radium besitzt eine gefährlich hohe Aktivität von 3.7 1010 Bq.
α-Zerfall:
Von instabilen Kernen werden Heliumkerne emittiert. Beim Zerfall erhält der Kern einen Rückstoss. α-Zerfälle sind energetisch erlaubt, wenn die Bindungsenergie eines Heliumkerns und des
Tochterkerns zusammen größer als die des Vaterkerns ist. Experimentell wurde festgestellt, dass
zwischen der Zerfallskonstante λ und der Zerfallsenergie Ea gilt (kl und k2 sind Konstanten):
log(λ ) = k1 + k2 ⋅ log(Ea ) (Geiger-Nuttal-Regel)
Es stellt sich die Frage, weshalb der α-Zerfall nicht sofort erfolgt, wenn er doch energetisch günstig
ist. Man nimmt an, dass das α-Teilchen beim Zerfall die Coulombbarriere durchtunneln muss (siehe
8
Abbildung). Der Transmissionskoeffizient beim Tunneln ist stark von der Barrierenhöhe und Barrierenbreite abhängig und dies erklärt den riesigen Bereich der beobachteten Zerfallszeiten für die
verschiedenen Nuklide ( 10-7 s bis 1017 a).
ß-Zerfall:
Beim ß-Zerfall wird ein Elektron (ß--Zerfall) bzw. ein Positron (ß+-Zerfall) emittiert und der Kern
wandelt sich um, wobei die Ladungszahl um eins variiert. Die Massenzahl bleibt konstant. Durch
Umwandlung eines Protons in ein Neutron oder umgekehrt kann der Kern eine stabilere Konfiguration nahe dem Stabilitätstal der Nuklidkarte einnehmen. Freie Neutronen zerfallen mit einer Halbwertszeit von etwa 12 Minuten in ein Proton. Der umgekehrte Prozess ist für freie Protonen nicht
möglich, kann jedoch in Kernen ablaufen. Die Halbwertszeiten von ß-Strahlern liegen im Bereich
von µs bis 1015 a. Beim ß-Zerfall findet man überraschenderweise eine kontinuierliche Verteilung
der Elektronenenergien. Nur die obere Grenze der Energien entspricht der Zerfallsenergie des
Kerns. Zur Erklärung wird angenommen, dass zusätzlich zum Elektron noch ein zweites Teilchen
emittiert wird, dass Energie forttragen kann. Dieses Teilchen heißt Neutrino, es unterliegt der
schwachen Wechselwirkung. Die volle Reaktionsgleichung für ß- und ß+ Zerfall lautet also:
n → p + e − + ν e , (ß- - Zerfall), p → n + e + + ν e , (ß+ - Zerfall)
γ-Zerfall:
Beim γ-Zerfall geht ein Kern von einem angeregten in einen tiefer liegenden Zustand über. Es ändert sich weder die Massenzahl noch die Ladung des Kerns. Die Anregungsenergie wird in Form
von elektromagnetischer Strahlung abgegeben. Die Energien reichen bis zu einigen MeV. Die
Halbwertszeiten liegen zwischen 10-16 s und 108 a. Die Anregung des Kerns kann durch eine Kernreaktion oder im Verlauf eines radioaktiven Zerfalls zustande kommen.
9
Zerfallsreihen:
Die Kerne 232Th, 235U und 238U bilden mit Halbwertszeiten im Bereich von 109 a einen
Bereich hoher Stabilität gegen Zerfall. Sie stellen die Ausgangspunkte für die drei natürlichen Zerfallsreihen dar. Diese sind in folgender Abbildung, dargestellt:
9. Kernspaltung und Kernreaktoren
Im Jahre 1938 entdeckte Otto Hahn mit seinen Mitarbeitern die Kernspaltung von Uran. Bei
Bestrahlung mit Neutronen entstanden Elemente mit einer Masse, die etwa halb so groß wie die von
Uran war. Die Verteilung der Spaltprodukte bei der neutroneninduzierten Spaltung von 235U ist in
folgender Abbildung gezeigt:
10
Bei Betrachtung der Kurve der Bindungsenergie pro Nukleon wird klar, dass dabei Energie frei
werden muss. Für 238Uran erhält man 217 MeV pro Spaltung. Im wesentlichen kommt diese Energie durch den Coulombterm in der Weizsäckerformel zustande. Dazu betrachtet man die Coulombenergie der zwei erzeugten Kerne in einem Abstand der Größenordnung 1 fm. Im Tröpfchenmodell wir die Spaltung so dargestellt: Der Einfang eines Neutrons regt den Kern an zu Vibrationsschwingungen zwischen einem zigarrenförmigen Ellipsoid und einer Kugel (siehe Abbildung). Die
"Oberflächenspannung" möchte den Kern wieder in Kugelform bringen, dem wirkt die CoulombAbstoßung entgegen. Nimmt die Abstoßung überhand, so spaltet der Kern. Entscheidend ist, dass
der Kern so stark angeregt werden muss, um sich einschnüren zu können. Es ist die sog. Spaltbarriere zu überwinden.
Für die Spaltbarkeit sind also von Bedeutung: die Bindungsenergie für ein eingefangenes Neutron
sowie die Höhe der Spaltbarriere. Dies unterscheidet die Isotope 235U und 238U hinsichtlich ihrer
Spaltbarkeit grundlegend. Die Bindungsenergie ist für 235U 6.5 MeV, da 238U sich ein gg-Kern bildet. Beim Einfang in 238U werden nur 6 MeV frei, da sich ein gu-Kern bildet. Die Spaltbarriere für
236
U beträgt 6 MeV, für 239U aber 7.0 MeV. Somit reicht zur Spaltung von 235U bereits ein thermisches Neutron aus, für 238U braucht man schnelle Neutronen mit einer kinetischen Energie von mindestens 1 MeV.
Ein weiterer Aspekt bei der Kernspaltung ist die Möglichkeit der Realisierung einer Kettenreaktion.
Schwere Kerne sind neutronenreich und bilden bei der Spaltung instabile Nuklide. Es ist sehr wahrscheinlich, dass bei der Spaltung, Neutronen frei werden. Die mittlere Zahl der pro Spaltprozess
freigesetzten Neutronen beträgt etwa 2.3. Im Prinzip kann jedes dieser Neutronen eine weitere Spaltung, auslösen, es kommt zur Kettenreaktion.
Ein kleiner Teil der Spaltneutronen (0.64%) wird erst nach einer gewissen Zeit nach der Spaltunvon den Spaltprodukten abgegeben (verzögerte Neutronen). Die Emissionszeiten betragen zwischen
0.2 und 55.7 Sekunden. Die verzögerten Neutronen ermöglichen die Kontrolle der Neutronenvervielfachung und damit der Kettenreaktion.
Für die Aufrechterhaltung der Kettenreaktion mit konstanter Intensität muss der Neutronenverbrauch gleich der Neutronenproduktion sein. Neutronen sehen durch Absorption oder Entweichen aus dem Reaktorkern verloren. Zur Regelung der Neutronenabsorption werden Stäbe aus Cadmium oder Bor (sehr hoher Neutronenabsorptionsquerschnitt) mehr oder weniger tief in die Spaltzone eingetaucht.
Die Neutronenproduktion wird durch die spaltbaren Kerne 235U, 238U und 231Pu, ihren Spaltquerschnitt in Abhängigkeit der Neutronenenergie und der mittleren Anzahl der emittierten Spaltneutronen festgelegt.
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Bei thermischen Neutronen ist der Spaltquerschnitt gemäß dem 1/v Gesetz am größten. Deshalb ist
es günstig einen Reaktor mit thermischen Neutronen zu bauen. Die Energie der Spaltneutronen wird
durch inelastische Stöße mit einem Moderator abgebaut. Am effektivsten nimmt man dazu relativ
leichte Elemente.
Um Natururan (Anteil an 211U 0.7%) zu spalten ist aufgrund der hohen Einfangverluste von leichtern
Wasser schweres Wasser als Moderator oder eine Anreicherung von 235U auf etwa 5% nötig. Auch
Graphit eignet sich als Moderator (moderiert die Neutronen allerdings auch bei einer Kernschmelze). Die Leistung von einem modernen Kernkraftwerk beträgt etwa 2 GW.
Schnelle Brüter basieren auf dem Prinzip, möglichst viel spaltbares 239Pu durch Neutroneneinfang
aus 238U zu erbrüten, und zwar mehr als 235U verbraucht wird. Diese Reaktoren arbeiten mit schnellen Neutronen im Bereich von 100 keV und ohne Moderator aus leichten Substanzen. Sie werden
mit flüssigem Natrium gekühlt. Nur durch Erbrütung ist es möglich, das gesamte vorkommende
Uran und nicht nur das Isotop 235U energiewirtschaftlich zu nutzen.
10. Die vier fundamentalen Wechselwirkungen
Die starke Wechselwirkung, bewirkt die Bindung der Neutronen und Protonen im Kern. Die Wirkung dieser anziehenden Kraft erstreckt sich nur über Distanzen von 10-15 m.
Die elektromagnetische Wechselwirkung liegt allen elektrischen und magnetischen Vorgängen
zugrunde. Ihre Reichweite ist unendlich und sie kann sowohl anziehend als auch abstoßend sein.
Sie führt zum Aufbau der Atome und Moleküle.
Die schwache Wechselwirkung ist eine zerstörende Kraft. Sie verursacht beispielsweise den radioaktiven ß-Zerfall. Ihre Reichweite beträgt etwa 10-17 m und ihre Stärke wächst mit der Energie der
Tei1chen.
Der Gravitationswechselwirkung unterliegen wegen ihrer Masse und Energie alle Teilchen. Sie
besitzt unendliche Reichweite und sie ist wegen der sehr kleinen Massen der Elementarteilchen im
atomaren und subatomaren Bereich vernachlässigbar.
11. Teilchenbeschleuniger
Teilchenstrahlen werden heutzutage meist mit Beschleunigern erzeugt. Grundlage dieser Anlagen
ist die Bewegung von geladenen Teilchen in elektromagnetischen Feldern. Auch zur Analyse der
Energien und Impulse von Teilchen werden elektrische und magnetische Felder benutzt.
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Der elektrostatische van-de-Graaf Generator sammelt Ladung, über ein Ladungstransportband auf
einer Hochspannungselektrode. Ionen aus einer Ionenquelle werden in einer evakuierten Röhre
durch das elektrische Feld beschleunigt. Die Spannung wird in gleich große Potentialstufen unterteilt, um Spannungsfestigkeit zu erreichen. Das ganze System ist in einem mit Isoliergas gefällten
Drucktank untergebracht, der gegen elektrischen Durchschlag schützt. Einstufige van-de Graaf Generatoren wurden bis 7 MV Spannung gebaut.
Ein Tandem-Beschleuniger nutzt die vorhandene Spannung zweimal aus. Dazu erzeugt man zuerst
negativ geladene Ionen. Diese werden von der Maschine beschleunigt und in der Mitte der Beschleunigungsröhre werden den Ionen beim Durchgang durch eine dünne Folie Elektronen abgestreift. Die Ionen sind dann positiv geladen und können nochmals beschleunigt werden. Anlagen
dieser Art sind mit Spannungen bis zu 20 MV gebaut worden.
Das Betatron beruht auf der elektromagnetischen Induktion. Teilchen durchlaufen im konstanten
Magnetfeld eine Kreisbahn. Wird das Magnetfeld erhöht, so werden die Teilchen auf ihrer Kreisbahn mit Radius r aufgrund des induzierten elektrischen Feldes (Faraday Gesetz) beschleunigt und
auf ihr gehalten, falls das Führungsfeld für die Teilchen halb so groß wie ihr mittleres Beschleunigungsfeld ist.
In einem Linearbeschleuniger werden an eine Reihe von Driftröhren abwechselnd positive und negative Spannung angelegt. Ein Teilchen wird so im Bereich zwischen den Driftröhren beschleunigt,
danach durchläuft es den feldfreien Raum zwischen den Driftröhren. Das elektrische Feld wird nun
umgepolt, damit das Teilchen im nächsten Zwischenraum wieder beschleunigt werden kann usw.
Mit Linearbeschleunigern werden sowohl Elektronen, als auch schwerere Teilchen (Protonen) beschleunigt. Der Elektronen-Linearbeschleuniger in Stanford erreicht Energien von bis zu 50 GeV.
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Auch in Zyklotronbeschleunigern wird eine Hochfrequente Spannung zur Beschleunigung der Teilchen verwendet. Ein magnetisches Feld zwingt die zu beschleunigenden Teilchen auf eine Kreisbahn. Immer wenn die Teilchen den Schlitz (Zwischen den D-förmigen Hälften (Duanten) der Anordnung) erreichen, werden sie beschleunigt. Nach der Hälfte der Kreisbahn wird das Feld umgepolt
und die Teilchen wiederum beschleunigt.
Um höhere Energien der Teilchen zu erreichen sind entweder stärkere Magnetfelder nötig, oder eine
größere Kreisbahn der Teilchen. Im Synchrotron durchlaufen die Teilchen eine Kreisbahn mit großem Durchmesser (bis zu mehreren km). Die Teilchen werden nun von Ablenkmagneten, die an der
Teilchenbahn angebracht sind gehalten. Protonen erreichen hier Energien von mehreren Hundert
GeV.
Verbunden mit der Beschleunigung von geladenen Teilchen ist die Energieabstrahlung (Strahlungsverluste). Bei Linearbeschleunigern kann die Energieabstrahlung aber vernachlässigt werden. Deshalb werden zum Erreichen von extrem hohen Energien (TeV) Linearbeschleuniger geplant.
12. Teilchendetektoren
In einer Nebelkammer wird ein wasserdampfgesättigtes Gas adiabatisch expandiert. Das Gas ist
dann mit Wasserdampf übersättigt, es scheiden sich aber erst Nebeltröpfchen ab, wenn Kondensationskeime vorhanden sind. Treten in das Kammerinnere schnelle Teilchen ein, so werden auf ihrer
Bahn vorhandene Gasmoleküle ionisiert und die Nebeltröpfchen können an den Ionen kondensieren.
Die Spur des Teilchens kann durch Lichtstreuung an den Nebeltröpfchen sichtbar gemacht werden.
In einer Blasenkammer wird eine Flüssigkeit (z.B. flüssiger Wasserstoff) durch plötzliche Druckabsenkung, zum Sieden gebracht. Bei 5 bis 6 bar ist der Wasserstoff unterkühlt und blasenfrei. Innerhalb weniger ms wird nun der Druck reduziert und die vom Druck abhängige Siedetemperatur sinkt.
Die Temperatur der Flüssigkeit ist jetzt höher, als die neue Siedetemperatur und für wenige ms ist
die Kammer nun empfindlich für ionisierende einfliegende Teilchen.
In Szintillatoren geben einfliegende Teilchen ihre kinetische Energie nahezu vollständig an das
Szintillatormaterial (z.B. Zinksulfid) ab. Dieses wiederum gibt die Energie in Form von sichtbarem
Licht ab. Die Lichtblitze können mit einem Mikroskop oder mit einem Photomultiplier beobachtet
werden. Aus der Stärke des Signals lässt sich die Energie der einfliegenden Teilchen bestimmen.
Ein Halbleiterdetektor besteht aus einem p-n-Übergang, in dem sich eine ladungsträgerfreie Zone
ausbildet. Durch Anlegen einer Spannung in Sperrrichtung wird diese Zone noch vergrößert.
Dringt ein ionisierendes Teilchen in diese Zone ein, so erzeugt es dort Elektronen und Löcher. Diese
werden durch das Raumladungsfeld getrennt und es kann ein Strompuls registriert werden, der proportional zur in der ladungsträgerfreien Zone abgegebenen Energie ist.
Ein Cerenkovdetektor besteht aus einem Material mit hohen Brechungsindex, in dem Teilchen nüt
einer Geschwindigkeit, die größer als die durch das Material bestimmte Lichtgeschwindigkeit ist
einen Lichtkegel erzeugen. Geladene Teilchen erzeugen elektromagnetische Wellen mit einer kegelförmigen Front (ähnlich Überschallknall), falls sie sich schneller als mit der materialspezifischen
Lichtgeschwindigkeit bewegen. Mithilfe dieses Detektors können Teilchenarten und Energien bestimmt werden.
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