Traberkrankheit in der Schweiz - Ergebnisse aus dem

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Gesundheit
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Hervé Brünisholz / Cathy Maret
Traberkrankheit in der Schweiz Ergebnisse aus dem Überwachungsprogamm
2004/2005
Mitte 2004 hat das Bundesamt
für Veterinärwesen (BVET) ein
einjähriges intensives Überwachungsprogramm gestartet, um
eine genauere Übersicht über
die Häufigkeit der Traberkrankheit bei Schafen und Ziegen
zu erhalten und festzustellen
ob BSE in der Schweizer
Kleinwiederkäuerpopulation
vorkommt.
Die Resultate des nun abgeschlossenen Programms zeigen,
dass die Traberkrankheit in der
Schweiz selten ist und dass BSE
bei unseren Schafen und Ziegen
nicht vorkommt.
Die Untersuchung der Hirnproben ist aufwändig. Hier sieht man eine Laborantin, die die
fixierten Gehirne mit Hilfe eines speziellen Gerätes (Mikrotom) in dünne Scheiben schneidet.
Diese Scheiben werden dann mit einem Mikroskop histologisch untersucht.
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mit grosser Wahrscheinlichkeit
La préparation des échantillons cérébraux est assez compliquée. Une laborantine coupe, à l'aide d'un
appareil spécial (microtome), des échantillons de cerveaux fixés, en de fines lamelles. Celles-ci seront
ensuite préparées et pourront être examinées au microscope.
(Photo: O. Gyger)
SE beim Rind und die Traberkrankheit (oder Scrapie) bei Schaf und Ziege
gehören zur Gruppe der Transmissiblen spongiformen Enzephalopathien
(TSE = «übertragbare schwammartige Gehirnerkrankungen»). Die lange
Zeitspanne zwischen der Ansteckung und dem Auftreten von ersten
Krankheitszeichen (Inkubationszeit) und der sich stetig verschlechternde Krankheitsverlauf, der immer tödlich endet, sind gemeinsame Merkmale dieser Krankheitsgruppe. Betroffene Tiere zeigen hauptsächlich neurologische Symptome wie
Bewegungsstörungen, Verhaltensänderungen oder Überreaktionen auf Reize. Bei
der mikroskopischen Untersuchung erscheint das Hirn durchsetzt von Löchern
(Vakuolen), die es schwammförmig (spongiform) aussehen lassen.
B
Traberkrankheit oder BSE?
Die Traberkrankheit ist schon seit 1732 bekannt, BSE beim Rind dagegen wurde
erstmals 1986 in Grossbritannien diagnostiziert. 1996 konnte gezeigt werden,
dass BSE experimentell durch Verfütterung von Hirnmaterial BSE-infizierter
Rinder auf Schaf und Ziege übertragen werden kann. Diese Resultate und die Tatsache, dass Tiermehl auch an Schafe und Ziegen verfüttert worden ist, machten es
wahrscheinlich, dass sich auch unter Feldbedingungen Kleinwiederkäuer mit BSE
angesteckt haben. Diese Vermutung wurde anfangs 2005 durch die Bestätigung
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forum
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von BSE bei einer französischen Ziege zur
Gewissheit.
In der Schweiz wurde die Traberkrankheit
erstmals 1981 bei einer Ziege diagnostiziert.
Seit 1990 ist die Traberkrankheit in der Tierseuchenverordnung auf der Liste der auszurottenden Krankheiten aufgeführt. Dies bedeutet,
dass der Verdacht auf Traberkrankheit einem
Tierarzt gemeldet werden muss. Verdacht auf
Traberkrankheit besteht, wenn bei Schafen und
Ziegen, die älter sind als zwölf Monate, chronischer Juckreiz, zentralnervöse Störungen oder
andere für die Traberkrankheit typische Krankheitsmerkmale auftreten (siehe Kasten). Diese
sogenannte passive Überwachung wurde seit
1998 mit der Untersuchung einer Stichprobe
von Gehirnen umgestandener Schafe und
Ziegen ergänzt (aktive Überwachung). Bis
Ende 2003 wurden so 1300 umgestandene
Tiere im Labor untersucht, wobei keine Fälle
von Traberkrankheit entdeckt wurden.
Im Rahmen dieser Überwachungstätigkeit
(aktive und passive Überwachung) wurden
innerhalb von 20 Jahren 8 Tiere mit Traberkrankheit gefunden. Darauf basierend war zwar
die Aussage möglich, dass die Traberkrankheit
in der Schweiz selten ist, eine Quantifizierung
war jedoch nicht möglich. Das Vorkommen von
BSE in unserer Kleinwiederkäuerpopulation
auszuschliessen, war mit dieser Untersuchungszahl ebenfalls nicht möglich.
Forum 04-04). Trotz grossem Aufwand für die kantonalen
Veterinärämter, die Schlachtbetriebe, die Tierkörpersammelstellen und die Schaf- und Ziegenhalter konnte die geplante
Untersuchung von allen während dieser Zeit verendeten,
getöteten oder geschlachteten Schafen und Ziegen, die älter
waren als 12 Monate, weitgehend realisiert werden. Aus logistischen Gründen musste einzig auf die Probenahme bei den in
kleineren Schlachtanlagen geschlachteten Tieren verzichtet
werden.
Im Rahmen dieses Programms wurden mehr als 32'000 Hirnproben von Schafen und Ziegen entnommen und zur Untersuchung in die beteiligten Laboratorien gesendet. Rund 29'000
Hirnproben stammen dabei von Schlachttieren und etwas mehr
als 3'000 von umgestandenen Schafen oder Ziegen.
Scrapie ist eine seltene Krankheit in der Schweiz
Bei sechs Schafen und zwei Ziegen wurde die Traberkrankheit
diagnostiziert (siehe Tabelle 1, Seite 8). Obwohl die epidemiologischen Auswertungen noch nicht abgeschlossen sind, lässt sich
bereits festhalten, dass Scrapie in der Schweiz sehr selten ist und
nicht wie in einigen anderen Ländern eine Herdenproblematik
darstellt. Bei den im Rahmen der tierseuchenpolizeilichen Massnahmen geschlachteten Tieren aus betroffenen Herden konnte
nämlich kein weiterer Fall von Traberkrankheit nachgewiesen
werden. Interessant ist die Tatsache, dass bei sieben der positiven Tiere die atypische Form der Traberkrankheit nachgewiesen
wurde. Nur ein Schaf war an der klassischen Form erkrankt.
Atypische Scrapie wurde erstmals 1998 in Norwegen entdeckt
und unterscheidet sich von den bisher bekannten ScrapieStämmen (klassische Form der Traberkrankheit) in einigen
Merkmalen. So sind vor allem ältere Tiere betroffen und anders
als bei der klassischen Scrapie, die vor allem durch Juckreiz,
traberartigem Gang, Ängstlichkeit oder Muskelzittern geprägt
ist, fallen bei den von atypischer Traberkrankheit befallenen
Intensiviertes Überwachungsprogramm
liefert Antworten
Um die offenen Fragen beantworten zu können, wurde die Durchführung eines intensiven
Überwachungsprogramms während eines
Jahres (Juli 04 bis Juni 05) beschlossen (siehe
Klinische Symptome der Traberkrankheit
• Juckreiz (Scrapie von Englisch
to scrape = kratzen)
• Störung der Bewegungskoordination,
Lahmheiten (Traberkrankheit)
• Muskelzittern (Tremblante von
Französisch trembler = zittern)
• Ängstlichkeit, Nervosität
• Rückgang der Milchleistung
• chronisch fortschreitende Abmagerung
unbekannter Ursache
• Sehstörungen
• Schluckstörungen
• Gnubbern (Knabbern und Lippen schlecken)
• Kollabieren (Zusammenbrechen)
Die verschiedenen Symptome können unterschiedlich ausgeprägt sein oder zum Teil ganz fehlen.
Ausgewachsene Schafe und Ziegen mit diesen
Symptomen müssen als Verdachtsfälle einem
Tierarzt gemeldet werden.
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Eine Mitarbeiterin des TSE-Referenzlabors bereitet die histologischen
Schnitte für die Untersuchung vor.
Une collaboratrice du Laboratoire de
référence-EST prépare les coupes prêtes
à être examinées.
(Photo: O. Gyger)
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Tieren vor allem Bewegungsstörungen auf. Diese unterschiedliche
Symptomatik lässt sich durch die Verteilung des infektiösen
Materials (Agens) im Gehirn erklären - im Gegensatz zur klassischen Scrapie, wo sich die Veränderungen vor allem im Hirnstamm finden, ist bei atypischer Scrapie vor allem das Kleinhirn
(Bewegungszentrum) betroffen. Oftmals fehlen allerdings bei
der atypischen Form der Traberkrankheit trotz mikroskopisch
sichtbaren Veränderungen auch deutliche Krankheitszeichen.
Die atypische Scrapie scheint im Gegensatz zu der klassischen
Form der Krankheit primär eine Einzeltiererkrankung zu sein.
Wie bei unseren Fällen festgestellt, sind auch im internationalen
Vergleich in den betroffenen Herden nur sehr selten mehrere
Tiere erkrankt.
wie sich die Tiere anstecken. Unklar ist auch,
welche Auswirkungen die in einigen Ländern
Europas angewendete Resistenzzüchtung bei
Schafen (über genetische Resistenzen bei Ziegen ist bisher nur wenig bekannt) hat. Die bei
der klassischen Traberkrankheit als resistent
geltenden Genotypen scheinen nämlich empfänglicher für die atypische Form der Krankheit
zu sein. Dies wird auch durch die Ergebnisse
des Untersuchungsprogramms gestützt: Nur
das an klassischer Scrapie erkrankte Schaf
hatte einen «hoch empfänglichen» Genotyp.
Die Genotypen der übrigen betroffenen Schafe
waren «resistent» (3 Schafe) und «semiresistent» (2 Schafe). Zur Untersuchung von
gewissen Fragestellungen werden die während
dem Untersuchungsprogramm gesammelten
umfangreichen Daten in den nächsten Monaten
im Detail analysiert.
BSE kommt bei Schafen und Ziegen in der Schweiz
höchstwahrscheinlich nicht vor
Bis vor kurzer Zeit war eine Unterscheidung zwischen der
Traberkrankheit und BSE bei Schafen und Ziegen nur durch ein
zwei Jahre dauerndes Mausexperiment möglich. Im letzten Jahr
hat es einige Entwicklungen im Testbereich gegeben, die es in
den meisten Fällen möglich machen, Scrapie und BSE durch
Labormethoden innerhalb kurzer Zeit zu unterscheiden. Dank
diesen neuen Methoden konnten sämtliche im Rahmen des
einjährigen Untersuchungsprogramms entdeckten TSE-Fälle
als Traberkrankheit diagnostiziert werden. BSE kommt also bei
unseren Kleinwiederkäuern - wenn überhaupt - nur extrem
selten vor.
Weitere Informationen
Kontaktperson:
Hervé Brünisholz
Bundesamt für Veterinärwesen
Schwarzenburgstrasse 155
CH-3003 Bern
[email protected]
…und wirft neue Fragen auf
Über die nun erstmals auch in der Schweiz gefundene atypische
Form der Traberkrankheit ist noch sehr wenig bekannt. So ist
zum Beispiel nicht klar, ob der Erreger ausgeschieden wird und
Tabelle 1
Zusammenstellung der positiven Fälle
8
Geschlecht
Rasse
Alter
Genetisch
Empfänglichkeit
für klassische Scrapie
Probe aus
Herdengrösse
(Stück)
Schaf 1
weiblich
Weisses Alpenschaf
> 1 Jahr
Hoch empfänglich
Schlachtung
42
Schaf 2
weiblich
Weisses Alpenschaf
> 1 Jahr
Resistent
Schlachtung
250
Schaf 3
weiblich
Weisses Alpenschaf
> 1 Jahr
Resistent
Schlachtung
1400
Schaf 4
weiblich
Schwarzbraunes
Bergschaf
10 Jahre
Semi-Resistent
Schlachtung
200
Schaf 5
weiblich
Weisses Alpenschaf
6 Jahre
Semi-Resistent
Sammelstelle
20
Schaf 6
weiblich
Weisses Alpenschaf
> 1 Jahr
Resistent
Sammelstelle
17
Ziege 1
männlich
unbekannt
12 Jahre
bei Ziegen
nicht bekannt
Sammelstelle
3
Ziege 2
weiblich
Gemsfarbige
Gebirgsziege
10 Jahre
bei Ziegen
nicht bekannt
Schlachtung
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Konsequente Bekämpfung ist notwendig
Diese offenen Fragen machen auch eine gezielte Bekämpfung
der Krankheit schwierig. Bevor neue Erkenntnisse vorliegen,
werden daher gemäss den internationalen Richtlinien radikale
Massnahmen ergriffen, um eine mögliche Ausbreitung der
Krankheit zu verhindern.
Die seuchenpolizeilichen Massnahmen, welche bei einem Fall
von atypischer Traberkrankheit getroffen werden, sind somit die
selben wie sie sich bei der Bekämpfung der klassischen Scrapie
bewährt haben. Im Vordergrund steht dabei die Ausmerzung der
betroffenen Herde und eine zweijährige Sperre des Bestandes.
In gewissen Fällen kann auf die Schlachtung des gesamten Bestandes verzichtet werden und stattdessen eine amtstierärztliche
Überwachung während der zweijährigen Sperre angeordnet
werden. Diese strengen Massnahmen rechtfertigen sich aufgrund der hohen Resistenz des Erregers (d.h. der Erreger bleibt
über lange Zeit im Boden und bildet Ansteckungsquelle) und
tragen dazu bei, den günstigen Gesundheitsstatus unserer
Kleinwiederkäuerpopulation aufrecht zu erhalten.
Hat sich der Aufwand gelohnt?
Das Untersuchungsprogramm erforderte von allen involvierten
Kreisen einen grossen Aufwand. Es hat sich aber im Verlaufe
des Jahres bestätigt, dass die Durchführung eines Programms in
diesem Umfang richtig war. Mit den Daten des umfangreichen
Schweizer Überwachungsprogramms, welches bei der Bestätigung der BSE-Ziege aus Frankreich bereits einige Monate lief,
können dagegen wichtige Angaben über das Vorkommen von
Traberkrankheit, beziehungsweise BSE, in unserer Kleinwiederkäuerpopulation gemacht werden.
Wachsam bleiben
Trotz der günstigen Ergebnisse des nun abgeschlossenen Untersuchungsprogramms ist es wichtig, wachsam zu bleiben. Wie
bisher vorgeschrieben, muss weiterhin jeder Verdachtsfall gemeldet werden. Einerseits ist es wichtig, die Krankheit konsequent
zu bekämpfen, um die gute Situation bei unseren Schafen und
Ziegen erhalten zu können. Andererseits sind aber noch viele
Fragen offen, für deren Beantwortung die detaillierte Abklärung
sämtlicher Verdachtsfälle notwendig ist. Tierseuchenverordnung Artikel 180b:
Massnahmen im Seuchenfall
1 Der Kantonstierarzt ordnet bei Feststellung von Traberkrankheit
im Bestand, in dem das verseuchte Tier gehalten wurde, oder in den
Beständen, die nach Absprache mit dem Bundesamt epidemiologisch
abgeklärt wurden und sich als verseucht herausstellen, an:
a.
die einfache Sperre 1. Grades und die Registrierung aller Tiere
des Bestandes;
b.
die direkte Verbrennung des verseuchten Tierkörpers;
c.
die Vernichtung von Eizellen oder Embryonen des verseuchten
Tieres;
d.
die Ermittlung und Tötung der Mutter des verseuchten Tieres;
e.
die Ermittlung und Tötung aller direkten Nachkommen von
verseuchten Muttertieren;
f.
die Schlachtung aller übrigen Schafe und Ziegen des Bestandes;
g.
die Beschlagnahme der Schlachttierkörper bis zum Vorliegen der
Testresultate;
h.
das Einsenden des Kopfs einschliesslich der Tonsillen aller
geschlachteten, getöteten oder umgestandenen Tiere in das
Referenzlaboratorium.
2
Die Sperre wird zwei Jahre nach der Schlachtung der Schafe und
Ziegen sowie der Reinigung und Desinfektion der Stallungen
aufgehoben.
3
Nach Absprache mit dem Bundesamt kann der Kantonstierarzt
ausnahmsweise auf die Schlachtung des Bestandes (Abs. 1 Bst. f)
verzichten. In diesem Fall ist der Bestand während der Dauer der
Sperre zweimal jährlich amtstierärztlich zu untersuchen. Die Sperre
wird aufgehoben, wenn nach zwei Jahren kein weiterer Fall von
Traberkrankheit aufgetreten ist. Werden während der Sperre Tiere
zur Schlachtung abgegeben, so sind deren Köpfe einschliesslich der
Tonsillen im Referenzlaboratorium zu untersuchen.
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