SFH, Münster Geburtshilflich-neonatologischer Schwerpunkt Gefäß-, Bauch- und Endoprothethikzentrum 16 Fachabteilungen, 570 Planbetten Keine geriatrische Fachabteilung! Ältere Patienten nach Bagatelltrauma als Langzeit- Intensivpatienten wegen Delir „das gibt‘s ganz oft bei alten Patienten nach einer Operation“ Dr. med. Simone Gurlit, Münster delirare – „aus der Spur geraten“ Durchgangssyndrom Hirnorganisches Psychosyndrom (HOPS) Akuter exogener Reaktionstyp Akute Verwirrtheit Akute organische Psychose Toxische Psychose Acute brain failure Postoperative cognitive dysfunction (POCD) … Dr. med. Simone Gurlit, Münster Delir - Symptome 1. Störung Bewusstsein u. Aufmerksamkeit Konzentrationsfähigkeit sinkt, leichte Bewußtseinsminderung bis hin zum Koma 2. Störung der Kognition Veränderte Wahrnehmung der Wirklichkeit, Halluzinationen (meist optisch, auch akustisch), Beeinträchtigung des Denkens, Desorientiertheit, Gedächtnisstörungen 3. Psychomotorische Störungen Hypoaktivität / Hyperaktivität Dr. med. Simone Gurlit, Münster Delir – Symptome 4. Affektive Störungen Depression, Angst, Reizbarkeit, Euphorie, Apathie 5. Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus Nächtliche Exazerbation, „sundowning“/“sunrising“Phänomene (delirante Dekompensation in den frühen Abendbzw. Morgenstunden) Dr. med. Simone Gurlit, Münster Delir – Symptome Wichtig: Akuter Beginn Fluktuierende Symptomatik (Tagesschwankungen) Dauer bis zu 6 Monaten (typisch: Tage bis Wochen) Klare Diagnose gem. ICD 10, DSM IV oder CAM (Confusion Assessment Method) bzw. CAM-ICU Dr. med. Simone Gurlit, Münster Delir – Häufigkeit Prävalenz: 10 – 20% der über 65-jährigen bei Aufnahme (Bucht 1999) Inzidenz bei über 70-jährigen während des stationären Aufenthaltes: 30-50% (Lipowski 1987) Postoperativ: 60% (abhängig vom Eingriff; Förstl 2004) Nach „hüftgelenksnaher Fraktur“ bei über 65jährigen: 44 – 61% 30-60% der Delirien bleiben unerkannt (Inouye 1994) Dr. med. Simone Gurlit, Münster Delir – Risikofaktoren Hohe Prädisposition Hohes Lebensalter Demenz Somatische Komorbidität Hör-/Sehbehinderung Dehydratation Anämie Malnutrition Niedriges Serumalbumin Depression, Ängstlichkeit Alkoholismus Benzodiazepinabusus Schmerz Leichte kognitive Störung Einsamkeit Niedrige Intelligenz Geringe Prädisposition Dr. med. Simone Gurlit, Münster Förstl, 2004 Geringe Noxe Fremde Umgebung Körperliche Beschränkung Immobilisation Störung d. Biorhythmus Psychoaktive Medikamente Entzug Elektrolytentgleisung Akute Infektion Arterielle Hypotonie Hypo- u. Hyperglykämie Organversagen Re-Operation, Blutverlust Intensivpflichtigkeit Anticholinergika Chirurgischer Eingriff Hohe Noxe Risikofaktoren vs Krankenhausalltag Wiederholte Raumwechsel Laute und unruhige Situationen Diagnostische Maßnahmen zu Ruhe- und Essenszeiten Katheteranlage Invasiv-endoskopische Diagnostik u. Therapie Medikamentenumstellung Unkritische Sedativa-Gabe zur Nacht Dr. med. Simone Gurlit, Münster Medikamente mit delirogenem Potenzial Antipsychotika Benzodiazepine Parkinson-Medikamente Antidepressiva Antikonvulsiva Bronchodilatantien Analgetika: Opioide, NSAR, ASS Kortikosteroide Herzglykoside Antiarrthythmika Antiinfektiva Antihypertensiva: ACE-Hemmer, Diuretika Dr. med. Simone Gurlit, Münster Delir – und dann? Verlängerung des stationären Aufenthaltes (Intensiv- u. Peripherstation) sowie poststationär eine höhere Institutionalisierungsrate nach Delir: nach 12 Monaten Bestehen von Symptomen in 41% der Fälle Deutliche Verschlechterung in den ADL Nach 12 Monaten vermehrte Heimeinweisung bei betroffenen Patienten Siddiqui et al. 2006 Dr. med. Simone Gurlit, Münster Delir – und dann? Ein Delir verschlechtert die Prognose der Demenz! Trotz erfolgreicher Behandlung der akuten internistischen / chirurgischen Erkrankung unwiederbringlicher Ressourcenverlust Fick et al. 2002 Dr. med. Simone Gurlit, Münster Was tun? Dez. 2001 Modellprojekt des BMG (170.000 €): Maßnahmen zur Verhinderung eines perioperativen Altersdelirs 2 Vollzeit-Pflege-Stellen (Altenpflegerinnen / Sozialarbeiterin) Prinzip: eine vertraute, besonders geschulte Bezugsperson begleitet den Patienten perioperativ Dr. med. Simone Gurlit, Münster Wer wird betreut? 1. Notfallpatienten 2. größere Elektiveingriffe Dr. med. Simone Gurlit, Münster „hüftgelenksnahe Fraktur“ Ambulanz Präop. Untersuchungen (Rö, EKG, etc.) Ggf. Station / AWR Wartezeit (Schmerztherapie, Angehörigenkontakt) Schleuse / zentrale Einleitung / Lagerung / Anästhesie (bevorzugt Regionalverfahren, cave Sedierung) Dr. med. Simone Gurlit, Münster „hüftgelenksnahe Fraktur“ OP: ständige Präsenz Weitgehender Verzicht auf Begleitmedikation AWR / ICU: Hilfsmittel prompt, Telefonkontakte Kognitives Fördern und Fordern (Zeitung, Gedächtnistraining, etc.) Kontakte Sozialdienst Dr. med. Simone Gurlit, Münster Ergebnisse Gurlit S, Möllmann M. Z Gerontol Geriat 2008; 41: 447-452 Patients Age Delirium Delirium (n) (mean, yrs) (n) (%) Emergency surgery 444 81.57 34 7.66 Femoral neck # 389 82.33 27 6.94 Humeral # 55 80.81 7 12.7 Planned orthopaedic surgery 556 78.28 28 5.04 Hip arthroplasty 388 78.10 21 5.41 Knee arthroplasty 168 78.45 7 4.17 Vascular surgery Aortic aneurysm 603 79 77.86 74.34 40 6 6.63 7.60 Carotid artery Others 163 361 78.35 80.88 4 30 2.45 8.31 Major abdominal surgery 305 79.88 22 7.21 Others 561 ∑ 2469 79.02 142 5.75 Diagnosis Dr. med. Simone Gurlit, Münster Ergebnisse Erhöhte Patienten- u. Angehörigenzufriedenheit Verbesserte Zusammenarbeit mit sozialem Dienst Konsequenz: Nach Ablauf der Förderung führt das SFH die Arbeit weiter, die Pflegekräfte sind seit vielen Jahren feste Mitarbeiter des SFH Dr. med. Simone Gurlit, Münster Im OP… Dr. med. Simone Gurlit, Münster … und danach Dr. med. Simone Gurlit, Münster Dr. med. Simone Gurlit, Münster Dr. med. Simone Gurlit, Münster Versorgungsqualität entscheidend: Grad kognitiver Einschränkungen und demenz-/depressionsbedingter Verhaltensauffälligkeiten vor dem KH-Aufenthalt (wird z.Zt. nicht untersucht!) Fremde Umgebung und erzwungene Untätigkeit führen zum Verlust von alltagspraktischen Fähigkeiten Dr. med. Simone Gurlit, Münster Risiko: Notfallaufnahme Leuchtturm Demenz: Risiko „Operation“ bei vorbestehender kognitiver Einschränkung (20082010) Einschlußkriterien: Notfall, Unfallchirurgischer Patient, OP-pflichtige Fraktur, Alter 65+ kognitiver Test (in der Ambulanz, TFDD) Bei Auffälligkeiten: Betreuung (etabliertes Konzept) Dr. med. Simone Gurlit, Münster Risiko: Notfallaufnahme Vor Entlassung erneut TFDD postop.: angestrebte Entlassung frühestmöglich (Altenheim, stationäre Reha) „heim statt Heim“: Physio- und Schmerztherapie, haushaltsnahe Dienstleistungen zu Hause Dr. med. Simone Gurlit, Münster In einer Vergleichsklinik Kognitiver Test (in der Ambulanz, TFDD) Procedere wie immer, keine besondere Intervention Vor Entlassung kognitiver Test (TFDD) Nach 6 Monaten Follow-up für alle Patienten aus beiden Kliniken Dr. med. Simone Gurlit, Münster Ergebnisse Leuchtturm n=348 Aufnahme-TFDD auffällig: 74,43% Deutlich kognitiv eingeschränkt: 50,94% / 55,42% (über alle Frakturen) altersunabhängig; „fitte Alte und schlechte Junge“ Dr. med. Simone Gurlit, Münster Leuchtturm, hüftgelenksnahe Fraktur betreut nicht betreut Verstorben im KH 3.25% 12.12 % (p=0.04 bzw. 0.06) Verweildauer Kognitive Verbesserung zur Entlassung 15.6 d 78.15% 20.3 d (p=0.013) 58.62% (p=0.03) Weitere kognitive Verbesserung nach 6 Monaten 40.4% 20% (p=0.058) Dr. med. Simone Gurlit, Münster Was tun? Kognitiv eingeschränkte oder demente Patienten präoperativ systematisch identifizieren Perioperative Versorgung auf diese vulnerable Patientengruppe abstimmen (berufsgruppenübergreifend!) Frühzeitig in das heimische Umfeld zurückführen – unter geordneten Bedingungen! Dr. med. Simone Gurlit, Münster ... denn DAS wollen wir vermeiden! Dr. med. Simone Gurlit, Münster