Suchtforschungsverbund Baden-Württemberg Projekt AQAH Ambulantes Qualitätsmanagement alkoholbezogener Störungen in der hausärztlichen Versorgung Diagnostik und Behandlungsempfehlungen Stand: 18. Februar 2004 M.M. Berner, G. Mundle, M. Härter unter Mitarbeit von S. Habbig, I. Bermejo, M. Bentele INHALT Abschnitt 1 Behandlungskorridor für alkoholbezogene Störungen (hausärztliche Versorgung) Abschnitt 2 Empfehlungen zu Diagnostik und Behandlung 1. Vorgehen in Akutsituationen und bei Kriseninterventionen 2. Screening 3. Diagnostik 4. Risikoarmer Alkoholkonsum 5. Riskanter Alkoholkonsum 6. Schädlicher Alkoholkonsum 7. Alkoholabhängigkeit 8. Kriterien zur Überweisung an Facharzt oder Psychiater 9. Der nicht motivierte Patient 10. Umgang mit Angehörigen 11. Kurzinterventionen 12. Behandlung alkoholbezogener Störungen entsprechend dem Verlaufsmodell Abschnitt 3 Materialiensammlung 1. Alkoholgehalt verschiedener Getränke 2. Risikoarmer Alkoholkonsum 3. Folgen übermäßigen Alkoholkonsums 4. Trinktagebuch 5. AUDIT-Fragebogen und Auswertungsschablone 6. Suchtberatungsstellen in der Modellregion 1. AKUTSITUATION 1 Bei Vorliegen folgender Symptome sollte eine sofortige Klinikeinweisung erfolgen: • schwerer Rauschzustand • Suizidalität • Somnolenz, Sopor, Koma • Alkoholentzugssyndrom • Delir • Wernicke-Enzephalopathie • Korsakow-Syndrom ► Definition Alkoholentzugssyndrom: • Alkoholreduktion oder Absetzen des Alkoholkonsums nach wiederholtem und lang anhaltendem Alkoholkonsum in hoher Dosierung • Zustand nicht durch eine vom Alkoholkonsum unabhängige körperliche Erkrankung bzw. Verletzung oder eine andere psychische Störung zu erklären • Nachweis von mind. 3 der folgenden Symptome: o Tremor der vorgehaltenen Hände, der Zunge oder der Augenlider o Schwitzen o Übelkeit, Würgen und Erbrechen o Tachykardie oder Hypertonie o psychomotorische Unruhe o Kopfschmerzen o Schlafstörungen o Krankheitsgefühl oder Schwäche o vorübergehende optische, taktile oder akustische Halluzinationen oder Illusionen o Krampfanfälle ► Definition Entzugssyndrom mit Delir: typische Prodromi sind Schlaflosigkeit, Zittern und Angst, eventuell auch Krämpfe die klassische Symptomentrias besteht in Bewusstseinstrübung und Verwirrtheit, lebhaften Halluzinationen oder Illusionen jeglicher Qualität und ausgeprägtem Tremor Notfallmedikation: Diazepam 10 mg p.o. und Haldol 10 mg p.o., nach Bedarf nochmalige Gabe bis zum Eintreffen des Notarztes ► Definition Wernicke-Enzephalopathie: Leitsymptome: Bewusstseinstrübung, Ataxie und Augenmuskelstörungen (Ophthalmoplegie, konjugierte Blicklähmungen, Pupillenstörungen), Nystagmen; häufig Magen-DarmStörungen und Fieber als Prodromi ► Definition Korsakow-Syndroms: beginnt häufig mit Wernicke-Enzephalopathie oder Verwirrtheitszustand anderer Genese; Leitsymptome: Störungen des Gedächtnisses (mit Konfabulationen), der Konzentrationsfähigkeit und der Orientierung, häufig Polyneuropathien Notfallmedikation: 50 mg Thiamin i.v. und 50 mg Thiamin i.m. 1. AKUTSITUATION 2 Einweisung: Stationäre Behandlung als Krisenintervention: • • in eine Innere Abteilung zur Entgiftung in ein Psychiatrisches Fachkrankenhaus zur Entgiftung und zur Motivation ► Dringliche Indikationen zur Einweisung sind: • • • • • akute schwere Intoxikation oder Mischintoxikation begleitende Traumen, vor allem Schädel-Hirn-Traumen Suizidgefährdung Fremdaggressives Verhalten unter Alkohol Fahren wollen unter Trunkenheit Bei vitaler Gefährdung immer die Einweisung in eine Innere Abteilung mit Intensivstation vornehmen. Eine Einweisung kann auch als eine Zwischenintervention in einem längeren Verlauf einer Behandlung sinnvoll sein, um die Gewöhnung an den hohen Blutalkoholspiegel zu unterbrechen, auch wenn mit absehbaren Rückfällen gerechnet werden muss. Das Eintreten des Rückfalls kann dann in erneuten motivierenden Gesprächen genutzt werden. Quellen: DEGAM 2. Screening 1 – Wer und wann ? • jeder Patient über 14 Jahren routinemäßig einmal jährlich • im Rahmen von Zusatzuntersuchungen: o bei Früherkennungsuntersuchungen o bei allen eingehenden Untersuchungen o Untersuchungen nach dem Jugend-Arbeits-Schutz-Gesetz o bei präoperativen Untersuchungen o bei Anträgen auf eine rehabilitative Maßnahme • bei Vorliegen von Aufgreifkriterien Aufgreifkriterien (oder „Red Flags“) sind Symptome bzw. Zeichen, die auf Alkoholgefährdung schließen lassen. ► direkte Zeichen: • • • • • Fremdanamnese Zeichen für einen Rauschzustand Foetor ex ore eindeutige Zeichen erheblichen Alkoholgebrauchs (z.B. leere Flaschen beim Hausbesuch ) deutlich erhöhte Laborwerte, insbesondere GGT über 150 U/l , MCV über 92 fl ► indirekte Zeichen: • • • • • • • • • • • • Zirrhosezeichen (Plethora, Spider Naevi, gerötete Handinnenflächen, vergrößerte, verhärtete Leber) Traumen Müdigkeit und gehäufte Arbeitsunfähigkeitszeiten Magenbeschwerden Rückenbeschwerden Unsicherheit Schlafstörungen Erektionsstörungen Schwitzen Gangunsicherheit Zittern der Hände psychische Alterationszustände wie erhöhte Reizbarkeit, fremdaggressives Verhalten, Depression, autoaggressives Verhalten (können bei Abhängigkeit als auch bei riskantem Konsum vorkommen) 2. Screening 2 – Wie ? Option 1: ZWEI FRAGEN „Trinkmenge und Trinkmuster“ An wie vielen Tagen pro Woche trinken Sie Alkohol? Wie viele Gläser Alkohol trinken Sie an einem normalen Tag, an dem Sie Alkohol trinken? ► Ein Risikoarmer Konsum liegt vor bei maximal täglich 2 (Frauen: 20 g) bzw. 3-4 (Männer: 40 g) Standardgetränken und maximal 5 Trinktagen pro Woche Option 2: AUDIT-Fragebogen Der Alcohol Use Disorders Identification Test (AUDIT) ist eine Entwicklung der Weltgesundheitsorganisation WHO durch eine internationale Expertengruppe. Der Fragebogen besteht aus 10 Fragen zu – Trinkmenge – Trinkmuster – gesundheitlichen und – sozialen Folgen des Alkoholkonsums Der Vorteil der Anwendung des AUDIT liegt darin, dass er gut (d.h. valide) riskanten Alkoholkonsum aufdecken kann und eine kriteriengeleitete Verdachtsdiagnose liefert. (Fragebogen siehe Materialien) Auswertung des Fragebogens durch einfache Aufsummierung der einzelnen Punkte (ggf. mit Hilfe der beigelegten Auswerteschablone) ► Ein Verdacht auf eine alkoholbezogene Störung liegt vor bei einem Scorewert ab 8 Mit höherem Scorewert steigt die Wahrscheinlichkeit einer Abhängigkeit. Als kritisch wird der Wertebereich zwischen 15 und 20 angesehen. Quellen: DEGAM, SIGN, WHO 3 .Diagnostik Die Diagnostik erfolgt anhand klinischer Kriterien Nach ICD-10 sind folgende Merkmale für eine Alkoholabhängigkeit kennzeichnend: • Craving • Verminderte Kontrollfähigkeit • Toleranzentwicklung • Entzugssymptome • Einengung auf Substanzgebrauch • Konsum trotz schädlicher Folgen Bezugszeitraum sind die letzten 12 Monate ICD-10 Fragen 1. Spüren Sie (häufig) einen starken Drang, eine Art unbezwingbares Verlangen, Alkohol zu trinken ? (Craving) 2. Kommt es vor, dass Sie nicht mehr aufhören können zu trinken, wenn Sie einmal begonnen haben ? (Verminderte Kontrollfähigkeit) 3. Trinken Sie manchmal morgens, um eine bestehende Übelkeit oder das Zittern (z.B. Ihrer Hände) zu lindern ? (Toleranzentwicklung) 4. Brauchen Sie zunehmend mehr Alkohol, bevor Sie eine bestimmte Wirkung erzielen ? (Entzugssymptome) 5. Ändern Sie Tagespläne, um Alkohol trinken zu können bzw. richten Sie den Tag so ein, dass Sie regelmäßig Alkohol konsumieren können ? (Einengung auf Substanzgebrauch) 6. Trinken Sie, obwohl Sie spüren, dass der Alkoholkonsum zu schädlichen körperlichen, psychischen oder sozialen Folgen führt ? (Konsum trotz schädlicher Folgen) ► mindestens 3 der genannten Kriterien erfüllt ► Abhängiger Konsum ► weniger als 3 der genannten Kriterien erfüllt ► Schädlicher Konsum ► bisher liegt bei erhöhtem Konsum keine Schädigung vor ► Riskanter Konsum Quelle: ICD 10 4. Risikoarmer Alkoholkonsum ► Definition: Risikoarmer Alkoholkonsum Durchschnittlich weniger als 20 g/Tag (Frauen), bzw. 30-40 g/Tag (Männer) Alkohol Für das Vorliegen eines Risikoarmen Konsummusters gelten folgende Richtwerte: Frauen: weniger als 20 g reiner Alkohol / Tag (entspricht 2 alkohol. Standardgetränken) Männer: weniger 30/40 g reiner Alkohol / Tag (entspricht 3-4 alkohol. Standardgetränken) 4.1 Sinnvolles Vorgehen: ► Alkoholedukation • Feedback über Ergebnis des Screenings geben • Patient über Grenzwerte und die Folgen bei Überschreiten dieser informieren (Material 1 und 2 zeigen und/oder aushändigen) • Anerkennung/Lob für niedrigen Alkoholkonsum äußern (validieren) 4.2 Follow-up: im Rahmen des Routinescreenings Quellen: BzgA, WHO 5. Riskanter Alkoholkonsum ► Definition: Risikanter Alkoholkonsum Durchschnittlich mehr als 20 g/Tag (Frauen), bzw. 30-40 g/Tag (Männer) ohne Vorliegen einer Gesundheitsschädigung 5.1 Vorgehen: ► Ziel der Therapie ist die Reduzierung der Alkoholmenge in den unschädlichen Bereich. Lediglich aus somatischer Indikation kann eine vollständige Abstinenz notwendig sein. Sinnvoll ist hier ein Vorgehen nach dem Schema eines einfachen Beratungsgesprächs. ► Einfache Beratung • • • • • • Feedback über Ergebnis des AUDIT-Fragebogen geben Patienten über Alkoholgehalt verschiedener Getränke informieren Patienten Grenzwerte verdeutlichen und die Notwendigkeit zur Reduktion des Alkoholkonsums besprechen Trinklimits mit motivierten Patienten vereinbaren Patienten zur Compliance ermutigen Material 1, 2 und 3 aushändigen ► Laborwerte zur Verlaufskontrolle: MCV, GGT, GOT, CDT Somatische Indikationen für das Therapieziel der vollständigen Abstinenz: • • • • • in Schwangerschaft oder während der Stillzeit bei Kinderwunsch bei Einnahme von Medikamenten, die mit Alkohol interagieren bei Krankheiten, die sich durch Alkohol verschlimmern bei Unfähigkeit, den Alkoholkonsum zu kontrollieren ► Option: Anbindung an Suchtberatungsstelle bzw. Selbsthilfegruppe 5.2 Follow-up ► Regelmäßige Therapiekontrolle bei nicht erfolgreicher Reduktion des Alkoholkonsums, weitere Unterstützung anbieten ► Folgeinterventionen monatlich für 3-6 Monate, dann mind. 4 Folgeinterventionen / Jahr Bei fehlendem Therapieerfolg Empfehlung zur Überweisung an Suchtspezialisten (8) Quellen: DEGAM, WHO 6. Schädlicher Alkoholkonsum ► Definition: Schädlicher Alkoholkonsum (Missbrauch) Konsummuster, das zu einer Gesundheitsschädigung geführt hat, ohne die Kriterien der Abhängigkeit zu erfüllen 6.1 Vorgehen: ► Ziel der Therapie ist die Reduzierung der Alkoholmenge ► ► entspricht dem Vorgehen bei riskantem Konsum (5) ► zusätzlich kann sinnvoll sein: • Motivationale Kurzintervention Je nach Motivationszustand (precontemplation, contemplation, action, maintenance, relapse): siehe Info Kurzinterventionen (11) • Mit Material 1,2,3 und 4 arbeiten • Bei Verdacht auf Entwickeln einer Abhängigkeit: Abstinenzversuch • Laborwerte zur Verlaufskontrolle: GGT, MCV, GOT, GPT, CDT ► Option: Anbindung an Suchtberatungsstelle bzw. Selbsthilfegruppe 6.2 Follow-up: ► Therapiekontrolle: bei Reduktion des Alkoholkonsums Motivation aufrechterhalten ► Folgeinterventionen: monatlich für 3-6 Monate, dann mind. 4 Folgeinterventionen / Jahr Bei fehlendem Therapieerfolg: Überweisung an Suchtspezialisten (8) Quellen: BZgA, DEGAM, NHC, SIGN, WHO 7. Alkoholabhängigkeit ► Definition: Alkoholabhängigkeit mind. 3 der folgenden Kriterien: Craving, Verminderte Kontrollfähigkeit, Toleranzentwicklung, Entzugssymptome, Einengung auf Substanzgebrauch, Konsum trotz schädlicher Folgen 7.1 Vorgehen: ► Ziel der Therapie ist das Erreichen dauerhafter Abstinenz ► Motivierende Gespräche (11) ► Entzugsversuch o STATIONÄRER ENTZUG: Grundsätzlich sollte der Entzug stationär erfolgen, insbesondere bei starker Intoxikation, Traumen oder schweren Begleiterkrankungen. Idealerweise schließt sich in der Klinik direkt eine stationäre Motivationsbehandlung an. o HÄUSLICHER ENTZUG: ein ambulanter Entzug ist möglich, wenn der Patient dies auch wünscht und wenn eine Überwachung durch die Umgebung gesichert ist, die die Verantwortung für die Gabe von Medikamenten übernimmt. der Arzt selbst den Patienten täglich sehen und erreichbar sein kann. o KONTRAINDIKATIONEN für den häuslichen Entzug sind: Multisubstanzmissbrauch schwere psychiatrische oder medizinische Begleiterkrankungen starke kognitive Defizite ungünstiges soziales Umfeld • Medikamentöse Behandlung: Bei Auftreten von Unruhe: Diazepam 4 x 10 mg, oder je nach Erfahrung des Arztes Carbamazepin 2-3 x 300 mg retardiert Bei Anzeichen eines Wernicke-Korsakoff-Syndroms: 50 mg Thiamin i.v. und 50 mg i.m. Zur Rückfallprophylaxe: Acamprosat als Anticravingsubstanz Disulfiram zur Aversionsauslösung 7.2 Follow-up: Regelmäßige Therapiekontrolle, Anbindung Suchtberatung, Selbsthilfegruppe Folgeinterventionen: 14 tägig für 6 Monate, dann mind. 8 / Jahr bei fehlendem Therapieerfolg: Überweisung an Suchtspezialisten Quellen: BZgA, DEGAM, NHC, SIGN, WHO 8. Überweisung an Facharzt Überweisung an Facharzt (mit Suchtmedizinausbildung) oder Psychiater In folgenden Fällen: bei misslungenem Behandlungsversuch beim Hausarzt (Therapiekontrolle nach 8 Wochen) bei Überbelastung des Arzt-Patienten-Verhältnis bei Vorliegen von Polytoxikomanie bei psychiatrischer Komorbidität bzw. bei Verdacht auf Komorbidität bei starker Abhängigkeit bei fehlendem sozialen Rückhalt bei starker Entzugssymptomatik In manchen Fällen kann auch zunächst die Anbindung an eine Suchtberatungsstelle sinnvoll sein. Quellen: BZgA, DEGAM, NHC, SIGN 9. Der nicht motivierte Patient Nicht entmutigen lassen, wenn der Patient nicht direkt in die Behandlung einsteigen will Der Entscheidungsprozess für eine Behandlung beinhaltet Motivationsschwankungen und ambivalente Gefühle Häufig führt ein kontinuierliches Ansprechen der Problematik zu einer Entscheidung des Patienten, eineTherapie zu beginnen Vorgehen bei Patienten, die noch nicht bereit sind, eine Therapie zu beginnen: 1. Wiederholt Besorgnis über den Gesundheitszustand des Patienten ansprechen 2. Bereitschaft zeigen, dem Patienten zu helfen, wenn er dazu bereit ist 3. Alkoholkonsum weiterhin beobachten und dokumentieren Bei Patienten mit Verdacht auf Alkoholabhängigkeit folgende zusätzliche Strategien anwenden: 4. Den Patienten ermutigen, zu einem Alkoholspezialisten (z.B. Suchtberatung) zu gehen 5. Den Patienten bitten, die Problematik mit seiner Familie oder Bekannten zu besprechen und ein Folgegespräch gemeinsam mit Angehörigen abmachen 6. Einen Abstinenzversuch vorschlagen, auf Entzugssymptome achten und regelmäßige Follow-up-Besuche absprechen Quellen: NIAAA 10. Umgang mit Angehörigen Umgang mit Patienten, die sich um Familienmitglieder oder Freunde sorgen machen Es ist nicht ungewöhnlich, dass Patienten das Thema Alkohol ansprechen, da sie sich um einen Freund oder Angehörigen sorgen. Beratung von Angehörigen oder Freunden eines Patienten mit einer alkoholbezogenen Störung ist aus 2 Gründen wichtig: 1. häufig sind Menschen im direkten sozialen Umfeld des Patienten stark belastet; Beratung und Unterstützung können ihnen helfen, besser mit der Situation zurechtzukommen 2. die Angehörigen spielen eine sehr wichtige Rolle bei dem Versuch, das (Trink-) Verhalten des Patienten zu verändern Vorgehen: Empathisch zuhören o den Freund / Angehörigen bitten, das Trinkverhalten des Patienten und die sich daraus ergebenden Probleme genau zu beschreiben o diese Information vertraulich behandeln und keinerlei wertende Aussagen machen Information anbieten o Eventuell Patientenmaterialien aushändigen o Über die Diagnose Alkoholmissbrauch bzw. -abhängigkeit informieren o Auf Fragen eingehen Die Kommunikation des Angehörigen mit dem Betroffenen fördern und einen gemeinsamen Gesprächstermin vereinbaren bzw. anbieten. Quellen: SIGN, DEGAM, WHO 11. Kurzintervention • Folge von strukturierten Gesprächen mit aufeinander aufbauender Zielsetzung • Dauer: 5-15 Minuten • Idealerweise in der Technik der motivierenden Gesprächsführung Diese motivierende Gesprächsführung folgt fünf Grundprinzipien: • Empathie zeigen: Kennzeichnend für die Umsetzung von Empathie ist Wertschätzung, aktives Zuhören und das Einlassen auf ein Tempo, das der Patient vorgibt • Diskrepanz erzeugen: Diskrepanz wird dadurch erzeugt, dass man mit dem Patienten über Lebensperspektiven und Zukunftswünsche spricht und hilft, die Vorund Nachteile des Alkoholkonsums dagegen abzuwägen. Idealerweise wird somit dem Patienten die Notwendigkeit einer Veränderung deutlich und eine „intrinsische“ Veränderungsbereitschaft erzeugt. • Beweisführung vermeiden: Konfrontationen vermeiden, stets Geduld und Empathie einsetzen. • Widerstand aufnehmen: Gehen Sie auf eventuelle Ambivalenzen ein und versuchen Sie, Widerstand positiv zu nutzen. Erkennen Sie die Eigenverantwortung des Patienten an und erarbeiten Sie gemeinsam eine realistische Perspektive. • Selbstwirksamkeitserwartung des Patienten fördern: Fördern Sie den Glauben des Patienten an seine eigenen Fähigkeiten und zeigen Sie stets Zuversicht und Vertrauen in die Fähigkeiten des Patienten. Vermeiden Sie skeptische und resignative Äußerungen. 12. Behandlung entsprechend Verlaufsmodell Davidson entwickelte folgendes Verlaufsmodell (in Anlehnung an Prochaska und DiClemente) des Alkoholmissbrauchs, das einen zirkulierenden Prozess beschreibt: • Vorahnungsphase („precontemplation“): Der Patient hat keine Problemeinsicht. • Überlegungsphase („contemplation“): Der Patient ist ambivalent bezüglich einer Veränderung seines Trinkverhaltens. • Handlungsphase („action“): Der Patient bemüht sich um die Einhaltung der Abstinenz. • Aufrechterhaltungsphase („maintenance“): Der Patient bemüht sich um die Einhaltung der Abstinenz. • Phase der Abstinenzbeendigung/Rückfall („relapse“): Erneutes Trinken nach längerer Abstinenz. Entsprechend der jeweiligen Phase sollten bestimmte Elemente besonders gefördert werden: • Vorahnung: über Diagnoseergebnisse aufklären, über Folgen schädlichen Alkoholkonsums informieren, nicht konfrontieren • Überlegung: Vorteile einer Veränderung verdeutlichen, über Alkoholproblematik informieren, Risiken aufzeigen und mit einer Zielsetzung beginnen • Handlung: Ratschäge geben und zur Compliance ermutigen • Aufrechterhaltung: Ermutigen, die Abstinenz weiter aufrecht zu erhalten, Anerkennung und Lob • Relapse: Unterstützen und Ermutigen, die Abstinenz wieder aufzunehmen, neue Ziele setzen MATERIALIEN Material 1: Alkoholgehalt verschiedener Getränke Material 2: Risikoarmer Alkoholkonsum Material 3: Folgen übermäßigen Alkoholkonsums Material 4: Trinktagebuch Material 5: AUDIT-Fragebogen, Auswertungsschema und -schablone Material 6: Suchtberatungsstellen in der Modellregion