Akute Alkoholintoxikation

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Fortbildung | „Artikel des Monats“
Akute Alkoholintoxikation:
Bei wem ist welche Anschluss­
intervention ­indiziert?
Meinolf Noeker, Dejan Vlajnic, Joachim Wölfle, Ingo Franke | Zentrum für Kinderheilkunde der Universität Bonn
Einleitung
Exzessiver, riskanter Alkoholkonsum stellt
eine zunehmende Herausforderung für
den Kinder- und vor allem den Jugendarzt dar. Die Erstversorgung bei Intoxikation erfolgt in der Regel nicht kinder- und
jugendpsychiatrisch, sondern pädiatrisch
[1, 13]. Nach der Entgiftung stellt sich regelmäßig die Frage nach der Notwendigkeit
und Indikation einer psychiatrisch-psychotherapeutischen bzw. suchttherapeutischen Anschlussintervention [7]. Das Vorgehen dazu wird in der Praxis noch sehr
uneinheitlich gehandhabt. Differenzierte
und zielgerechte Empfehlungen sind notwendig, denn das Spektrum reicht von
prognostisch günstigen „einmaligen Alkoholunfällen“ bis hin zu Risikopatienten
mit drohender bzw. schon manifester Abhängigkeitserkrankung oder sonstiger psychischer Störung. Der vorliegende Beitrag
stellt verschiedene diagnostische Instrumente vor, die eine differenzielle Indikationsstellung ermöglichen. Insbesondere
wird eine neu entwickelte Checkliste zu
prognostischen Indikatoren bei riskantem
Alkoholkonsum (AlkoAdol) vorgestellt,
die zurzeit an der Universitätskinderklinik
Bonn klinisch erprobt wird. Diese bietet
eine Grundlage für die Entscheidungsfindung zur Weiterbehandlung.
Prognosespektrum
Akute Alkoholintoxikationen bei Jugendlichen werden international unter dem Terminus „Binge drinking“ erforscht [6, 15].
Diese „neue Trinkform“ (populär syno-
150
nym: „Rauschtrinken“, „Komatrinken“)
beschreibt einen Alkoholkonsum jenseits
einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,8 ‰.
Die Schwere der Intoxikation eignet
sich jedoch nicht als zuverlässiges prognostisches Kriterium für den weiteren Verlauf
und die Indikation einer Anschlussintervention. Psychosoziale Indikatoren beim
Jugendlichen und der Familie liefern verlässlichere Prädiktoren. Auf der Basis einer
Dokumentation der Universitätskinderklinik Graz können 80 % aller Kinder und
Jugendlichen nach Krankenhausaufnahme wegen Alkoholintoxikation als nicht
gefährdet gelten, 15 – 20 % bedürfen einer
ambulanten Nachbetreuung und 5 % wurden an eine suchtspezifische Einrichtung
weitergeleitet [1].
Individualisierte
Indikationsstellung
Eine individualisierte Indikationsstellung
ist Voraussetzung für eine bedarfsgerechte
Behandlungsplanung zwischen den Risiken von Über- und Unterversorgung. Sie
stellt sicher, dass die knappen kinder- und
jugendpsychiatrischen und suchttherapeutischen Versorgungskapazitäten vorrangig
den Patienten mit dem höchsten Gefährdungsrisiko vorbehalten bleiben. Falschpositive Behandlungszuweisungen von
resilienten Patienten, die langfristig auch
ohne Intervention störungsfrei verlaufen,
blockieren knappe Behandlungsressourcen [9]. Andererseits bietet eine zeitnah
eingeleitete Anschlussintervention im An-
schluss an die Entgiftung eine einmalige
sekundärpräventive Chance, wirkliche Risikopatienten in einem sensitiven Zeitfenster motivational zu erreichen und durch
Zuweisung an die richtige Stelle eine drohende Suchtentwicklung bzw. chronischpsychische Störung abzuwenden. Für eine entsprechend sensitive und spezifische
Indikationsstellung werden diagnostische
Instrumente benötigt, die im Einzelfall eine Aussage zum Verlaufsrisiko erlauben.
Diese werden im Folgenden dargestellt.
Welches Stadium
des Alkoholkonsums liegt vor?
Eine erste orientierende Einschätzung bei
einem akut intoxizierten Jugendlichen
richtet sich auf die Bestimmung des Stadiums des praktizierten Konsummusters.
Die Suchtforschung unterscheidet folgende Stadien auf dem Weg zu einer Abhängigkeit [3, 4, 16]:
◾◾ Primäre Abstinenz vor Erstkonsum
◾◾ Experimentelles, ausprobierendes Trinken
◾◾ Nichtproblematischer, gelegentlicher Alkoholkonsum
◾◾ Riskanter Alkoholkonsum
◾◾ Schädlicher Konsum
◾◾ Abhängigkeit
◾◾ Sekundäre, erneute Abstinenz als Zustand nach schädlichem Konsum und
Abhängigkeit
Ein akut intoxizierter Jugendlicher auf der
Intensivstation kann sich grundsätzlich in
jedem Stadium zwischen primärer und sekundärer Abstinenz befinden. Je fortge-
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schrittener und verfestigter das Stadium
ist, desto dringlicher wird die Behandlungsindikation.
Welcher Verlaufstypus liegt vor?
Bei riskantem bzw. schädlichem Alkoholkonsum können sich 2 prototypische
Entwicklungspfade mit unterschiedlicher
Prog­nose ergeben [12]:
Der Pfad eines „Adolescence-limited“Konsums bleibt auf die Adoleszenzphase
begrenzt. Er stellt in der Regel einen zwar
dysfunktionalen, letztlich aber passageren
Versuch zur Bewältigung von typischen
Entwicklungsaufgaben des Jugendalters
dar (u. a. Loslösung von den Eltern, Identitätsfindung, Bindung an die Peergroup,
psychosexuelle Entwicklung). Nach einer
mehr oder weniger gelingenden Bewältigung dieser Anforderungen und Einbindung in die Rollen des jungen Erwachsenenlebens (Beruf, Partnerschaft) verliert
der Alkoholkonsum wieder seine regulative Funktion und bildet sich zurück.
Der Pfad eines „Life-course persistent“Konsums mündet dagegen durch die Einwirkung weiterer Risikofaktoren bzw. abwesender Protektionsfaktoren in ein chronisches, schädliches Trinkverhalten bis in
das Erwachsenenalter über.
Die klinische Diagnostik bei einem
akut intoxizierten Patienten zielt entsprechend darauf, möglichst valide Frühindikatoren für das Vorliegen eines limitierten
versus chronisch-persitierenden Konsumverhaltens zu identifizieren. Chronischpersistierender Alkoholkonsum ist einer
der wichtigsten vermeidbaren Risikofaktoren für Morbidität und Mortalität im Erwachsenenalter. 4 % aller Todesfälle gehen
zulasten des Alkoholkonsums.
Aufnahmebefund
Eine Grazer Arbeitsgruppe hat einen Kurzfragebogen zur Erhebung des Aufnahmebefundes vorgelegt [1]. Dieser enthält Angaben zur derzeitigen Tätigkeit des Patienten,
zur beruflichen Tätigkeit der Eltern, zur
Art der konsumierten Getränke, zum Umfeld und Anlass des Alkoholkonsums, zum
Trinkverhalten des Patienten im Allgemeinen, zur Häufigkeit von Alkoholräuschen
und zum Konsumverhalten von Freunden
und der Familie. Als Alternative zum Einsatz des Fragebogens können diese Eckdaten auch exploriert werden.
nie empfiehlt sich vorrangig bei Patienten
mit schädlichem Konsummuster, psychopathologischer Komorbidität bzw. polytoxikomanem Substanzmittelgebrauch.
AWMF-Leitlinie der DGKJPP
Erfassung riskanten Trinkverhaltens
Sehr differenzierte Empfehlungen zur
Anamneseerhebung der Symptomatik,
störungsspezifischen Entwicklungsgeschichte, psychiatrischen Komorbidität
sowie störungsrelevanter Rahmenbedingungen finden sich in der AWMF-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderund Jugendpsychiatrie und -psychotherapie „Psychische und Verhaltensstörungen
durch psychotrope Substanzen (F1)“.
AWMF-Leitlinie der DGKJPP
http://www.awmf.org/uploads/
tx_szleitlinien/028-002_S1_Psychische_und_Verhaltensstoerungen_
durch_psychotrope_Substanzen__
F1__11-2006_11-2011.pdf).
Diese Leitlinie zielt nicht allein auf die
Alkoholintoxikation, sondern schließt
auch Störungen infolge der Einnahme
von Drogen ein (Cannabioide, Sedativa
und Hypnotika, Kokain und andere Stimulanzien und Halluzinogene). Sie kann
für Patienten mit erkennbar nur experimentellem Trinkverhalten zu extensiv angelegt sein. Der Rückgriff auf diese LeitliTab. 1: Items des CRAFFT-d [17]
1. Bist du schon einmal unter Alkoholeinfluss Auto gefahren oder bei jemandem
mitgefahren, der Alkohol getrunken hat?
2. Trinkst du, um zu entspannen, dich besser zu fühlen oder damit du dich unter
Freunden oder Bekannten wohler fühlst?
3. Trinkst du Alkohol, wenn du alleine bist?
4. Haben dir Familienangehörige oder
Freunde schon mal geraten, weniger zu
trinken?
5. Hast du schon mal etwas vergessen, was
du gemacht hast, als du Alkohol getrunken hast?
6. Hast du schon einmal Ärger mit anderen
bekommen als du Alkohol getrunken
hast?
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Zur Klassifizierung problematischen Alkoholkonsums sind verschiedene, vorrangig angloamerikanische Instrumente mit
vorrangigem Bezug auf Patienten des Erwachsenenalters entwickelt worden. Für
den deutschsprachigen Raum und jugendliche Patienten ist der CRAFFT-d Methode
der Wahl zur zeitökonomischen Erfassung
des problematischen Alkoholkonsums [17,
amerikanische Ursprungsfassung vgl. 4].
Tabelle 1 zeigt die Items der deutschsprachigen Fassung. Die Fragen werden mit einer einfachen Ja / Nein-Antwort bearbeitet.
Alternativ zur Vorlage als Fragebogen können die Fragen auch in die diagnostische
Exploration integriert werden.
Verhaltensanalyse
der Alkoholepisode
Die Exploration des Ablaufs der Alkohol­
episode, die zur Aufnahme geführt hat,
erbringt sehr konkrete Hinweise auf situativ wirksame Risiko- und Schutzfaktoren. Die Exploration erfolgt am besten
in Form einer verhaltenstherapeutisch basierten funktionalen Bedingungsanalyse
(synonym: Verhaltensanalyse) [11]. Tabelle 2 führt detailliert die Bedingungsfaktoren auf. Auch bei nur geringer Kenntnis
dieser Methodik empfiehlt sich grundsätzlich eine Rekonstruktion des äußeren wie
inneren Geschehensablaufs entlang der
Zeitachse [7]. Die verhaltensanalytische
Exploration der zur Aufnahme führenden Alkoholepisode erfasst:
◾◾ Äußere und innere Bedingungsfaktoren,
die das Risikoverhalten getriggert und
begünstigt haben
◾◾ Kognitionen, mit denen der Jugendliche
sein Trinkverhalten begleitet hat. Besonders relevant sind alkoholkonsonante
Kognitionen, mit denen der Jugendliche
sich sein Trinkverhalten rationalisiert
und legitimiert (Erlaubnis gebende Kognitionen) versus alkoholdissonante Kognitionen, mit denen der Jugendliche sein
151
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Trinkverhalten innerlich kritisch kommentiert; Letztere bieten therapeutisch
wertvolle Anknüpfungspunkte
◾◾ Verhaltensreaktionen und besonders
Verhaltensdefizite, die sich in der fehlenden Verfügbarkeit von adäquaten
Verhaltenalternativen zeigen (z. B. Ablehnung von Alkohol auch gegen Gruppendruck, weil ein Statusverlust in der
Clique befürchtet wird)
◾◾ Dispositionelle Motive zum Alkoholkonsum, die in dieser konkreten Episode motivational gewirkt haben (vgl. im
Detail Tab. 3)
◾◾ Konsequenzbedingungen, die auf das
Trinkverhalten folgen. Diese können
kurzfristig als positiv erlebt werden (z. B.
initial euphorisierende, entspannende
Wirkung des Alkohols, Vermeidung vermeintlicher sozialer Ausgrenzung). Langfristig umfassen diese neben den objektiv
darstellbaren gesundheitlichen und psychosozialen Folgeschäden auch in der
persönlichen Bewertung des Jugendlichen spürbare Folgebeeinträchtigungen
(Verlust an Respekt vor sich selbst sowie
bei Eltern und Gleichaltrigen)
Hypothesenbildung
zur Trinkmotivation
Die verhaltensanalytische Rekonstruktion
des Ablaufs der Alkoholepisode lässt implizit schon Motive erkennen, die das Trinkverhalten wesentlich ausgelöst und gesteuert
haben. Die Abgrenzung des leitenden Trinkmotivs ist bedeutsam für die Prognose- und
damit Indikationsstellung. Manche Trinkmotive können als prognostisch günstig im
Sinne eines eher limitierten Konsummusters gewertet werden, andere Motive stellen
Frühindikatoren einer chronisch-persistierenden Abhängigkeitsentwicklung dar bzw.
zeigen das Vorliegen von psychischen Störungen außerhalb des Spektrums der Abhängigkeitserkrankungen an.
Tabelle 3 zeigt eine Typologie 6 prototypischer Motive an, die einer Binge-drinking-Episode zugrunde liegen können. Diese 6 Motive schließen sich nicht wechselseitig aus, sondern können sich aufaddieren.
Die Typologie umfasst zunächst 2 Motive,
bei denen die Erfahrung der Alkoholwir-
152
Tab. 2: Funktionale Bedingungsanalyse einer Alkoholepisode
Bedingungsfaktor
Relevante Aspekte und illustrative Beispiele
Situation
◾◾ Äußere Bedingungen: Gruppe, Party
◾◾ Innere Bedingungen: Langeweile, Reizhunger, soziale ­Unsicherheit
Motive und dispo­
sitionelle Faktoren
(Organismus­
variable)
◾◾ Motive zum Alkoholkonsum
◾◾ Bisheriges Konsumverhalten und alkoholbezogene Lerngeschichte
◾◾ (Genetische) Vulnerabilität für Suchtentwicklung bzw.
­Psychopathologie
Exemplarische
situationsgebunde­
ne Kognitionen und
Emotionen
◾◾ „Heute geht die Party ab“ (lust-/spassorientiert)
◾◾ „Heute schieße ich mich ab“ (autoaggressiv)
◾◾ „Das habe ich mir verdient“ (Selbstbelohnung nach Arbeit, Examen)
◾◾ „Ich betäube mich“ (Regulation „negativer“ Affekte: ­Kränkung, Traurigkeit, soziale Angst)
◾◾ „Nicht mittrinken heißt: uncool sein“ (in der Peergroup sichtbares
Einknicken vor elterlichen Regeln)
Verhaltensreaktion
◾◾ Exzessives Trinkverhalten
◾◾ Verhaltensdefizite: Unzureichende Abgrenzung gegen ­sozialen
Gruppendruck, niedrige Impulskontrolle, unzu­reichende Kompetenz
zur Regulation belastender ­Emotionen
Kurzfristige und
langfristige Konse­
quenzen
◾◾ Psychophysisches Wohlbefinden und Gesundheit
◾◾ Status und Integration in die Peergroup
◾◾ Qualität der Beziehung zu den Eltern
Tab. 3: Typologie von Motiven beim Alkoholabusus
1. Experimentelle Motive: Alkoholkonsum als Explorationsverhalten (vor allem bei Erstkonsum) zur Präzisierung von:
a. Alkoholbezogenen Ergebniserwartungen (Was bewirkt der Alkohol bei mir? Wie fühlt es
sich an, betrunken zu sein?)
b. Alkoholbezogenen Selbstwirksamkeitserwartungen (Wie viel vertrage ich?
Wo ist mein Limit? Wann verliere ich Kontrolle?)
2. Rausch- und abhängigkeitsbezogene Motive
a. Subklinischer bzw. präklinischer Modus: Konsum zielt auf Rauscherleben und entspre­
chende Befindlichkeits- und Bewusstseinsveränderung (Ich wollte mich einfach betrinken!). Es liegt noch keine manifeste Abhängigkeitserkrankung vor.
b. Klinischer Modus: Episode findet statt im Kontext einer klinisch manifesten Abhängig­
keitsstörung mit vorausgehendem intensivem, suchthaftem Verlangen nach der Alkohol­
wirkung (Craving)
3. Intrapsychische, emotionsregulative Motive
a. Sensation seeking: Erwartung positiver, erregender Stimulation und Euphorisierung
b. Regulation „negativer“, belastender Gefühle (Traurigkeit, Kränkung, ungelöste Sorgen)
4. Interaktionelle Motive bezogen auf die Peer-group
a. Erwartung positiven, gelösten Gruppengefühls in der Peergroup
b. Status- und Selbstwertregulation
c. Alkoholkonsum als Vermeidung einer ansonsten befürchteten Ausgrenzung und Stigma­
tisierung in der Peergroup
5. Interaktionelle Motive bezogen auf die Eltern
a. Inszenierung eigener Automomie und Erwachsenseins („Ich bin jetzt erwachsen und entscheide selbst, wie viel ich trinke!“)
b. Inszenierung einer aggressiven Provokation der Eltern („Meine Eltern wollen mir ständig Vorschriften machen. Das lasse ich mir nicht mehr bieten!“)
6. Regulation der Symptomatik komorbider psychischer Störungen
a. Dysfunktionale Selbstmedikation z. B.:
I. Angst bei störungswertiger sozialer Phobie
II. Niedergeschlagenheit, Hilflosigkeit und Traurigkeit bei Depression
III.Unruhe, Impulsivität und Agitiertheit bei ADHD
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kung und weniger dessen Funktion zur Regulation von Entwicklungsaufgaben bzw.
Stressanforderungen motivational im Mittelpunkt steht; bei den 4 darauf folgenden
Motiven dominiert eine Funktionalität des
Trinkens für andere Ziele:
◾◾ Die erste Kategorie des experimentellen Alkoholkonsums ist die Motivation
mit der günstigsten Prognose. Es handelt
sich um das alterstypische Ausprobieren
der Wirkung des Alkohols. Dieses Motiv
kann in der Regel langfristig sogar eine
protektive Wirkung entfalten, auch wenn
in der konkreten Episode das „Experiment fehlgeschlagen ist“. Kompetenzen
im Umgang mit Alkohol zu erwerben
stellt eine kulturell eingebundene Entwicklungsaufgabe in der Adoleszenz bzw.
im jungen Erwachsenalter dar. Experimentelles, ausprobierendes Trinken präzisiert die Erwartungen und Einschätzungen, welche psychophysischen Wirkungen Alkohol erzeugt und wie diese
empfunden und vertragen werden (vgl.
die BZgA-Kampagne „Kenn dein Limit“).
In vielen Fällen führt experimentell motivierter Alkoholkonsum zur Intoxikation und Notfallaufnahme, wenn der Jugendliche schnell eine hohe Dosis Alkohol zu sich nimmt („auf Ex“), ohne
die einsetzende Wirkung abzuwarten.
◾◾ Auch bei der zweiten Kategorie der
rausch- und abhängigkeitsbezogenen
Motivation stehen unmittelbar alkoholwirkungsbezogene Gründe im Vordergrund. Hier liegt jedoch schon eine längere Alkoholanamnese vor, deren Spektrum von einer sub-/präklinischen bis zu
einer klinisch manifesten Alkoholabhängigkeit reicht.
◾◾ Die Kategorien 3 (intrapsychische, emotionsregulative Motive), 4 (interaktionelle Motive bezogen auf die Peergroup) sowie 5 (interaktionelle Motive
bezogen auf die Eltern) teilen das Merkmal, dass der Alkoholkonsum weniger
intrinsisch auf das Rauscherleben selbst
zielt, sondern vielmehr motivational extrinsisch andere Funktionen erfüllt. Diese Funktionen können sich auf die Veränderung der eigenen Stimmung sowie
die Positionierung der eigenen Person
Der kausale Status vieler empirisch belegter Korrelate riskanten Alkoholkonsums ist
noch nicht hinreichend geklärt. Vielfach sind keine linearen, sondern vielfach rekursive Wirkungsketten anzunehmen, die sich wechselseitig über den Entwicklungs- und
Störungsverlauf potenzieren. Dies gilt besonders für den Zusammenhang zwischen
allgemeinen Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Störungen auf der einen Seite
und einer Abhängigkeitsentwicklung auf der anderen Seite:
–– Primäre, dem riskanten Trinkverhalten vorausgehende Verhaltensstörungen begünstigen die Entwicklung eines sekundären Alkoholmissbrauchs z. B. über den Weg
einer Selbstmedikation mit Alkohol zur Reduktion von Symptomen der psychischen
Störung (z. B. Linderung sozialer Angst, Traurigkeit).
–– Ein primärer Alkoholabusus kann über den Weg sozialer Ausgrenzung und verschärfter innerfamiliärer Konflikte die Entwicklung sekundärer psychischer Störungen
begünstigen.
–– Geteilte Risikofaktoren (genetische Vulnerabilität, Broken-Home-Konstellationen,
ungünstige Bindungserfahrungen, dysfunktionale Erziehungsstile) können gleichermaßen zur Entwicklung von psychischen Störungen wie auch von Abhängigkeitserkrankungen disponieren (shared vulnerability).
Abb. 1: Suchtentwicklung und Verhaltensstörung: Was ist primär?
innerhalb der Gleichaltrigengruppe sowie gegenüber den Eltern beziehen. In
der überwiegenden Anzahl der Fälle
werden diese Motive als (suboptimale)
Lösungsversuche für alterstypische Entwicklungsaufgaben ohne psychopathologische Störungswertigkeit zu werten
sein [12]. Dennoch kann bei fehlenden
psychosozialen Kompetenzen eine Habitualisierung des Rückgriffs auf Alkohol
als vermeintlicher Problemlöser erfolgen
und so ein Übergang in eine sekundäre psychische Störung gebahnt werden.
◾◾ Die Kategorie 6 liegt bei Komorbidität
mit einer psychischen bzw. funktionel-
len Störung vor [10]. Hier ist ggf. anhand
einer entwicklungsorientierten Anamnese diagnostisch zu prüfen, welche Störung
zeitlich und kausal primär ist (vgl. Abb.
1) und welche Funktion der Alkoholkonsum für die Regulation einer belastenden
psychopathologischen Symptomatik im
Sinne einer Selbstmedikation aufweist.
Therapieziel:
Abstinenz versus Risikokompetenz
im Umgang mit Alkohol
Die Identifikation des Trinkmotivs ist
auch für die Schlussfolgerungen zum zukünftigen Umgang mit Alkohol relevant,
–– Informiertes Problembewusstsein über Drogenwirkungen und Suchtgefahren
–– Kritische Einstellung gegenüber legalen und illegalen Drogen
–– Verzicht auf bestimmte Substanzen (harte Drogen, Selbstmedikation)
–– Bereitschaft und Fähigkeit zum konsequenten Konsumverzicht (Punktnüchternheit)
in bestimmten Situationen, Lebensräumen und Entwicklungsphasen
–– Vermögen, sich zwischen Abstinenz und mäßigem Konsum in tolerierten Situationen
ohne negative Konsequenzen bewusst und verantwortlich entscheiden zu können;
–– Ritualisierte Formen des nicht schädlichen Umgangs mit Rausch- und Suchtmitteln
z.B. in Form von „Regeln für Räusche“
–– Entwicklung von Regeln für einen genussorientierten und maßvollen Konsum
–– Beherrschung von Sicherheitsregeln, die sowohl das persönliche Risiko als auch
schädliche Folgen für die Lebensumwelt und die Gesellschaft mindern (z. B. kein
täglicher Alkoholkonsum)
Abb. 2: Aspekte einer Risikokompetenz im Umgang mit Alkohol [2]
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Tab. 4: Checkliste zu riskantem Alkoholkonsum in der Adoleszenz (AlkoAdol)
Risikofaktor ist im Vergleich zu Jugendlichen gleichen Alters bzw. anderen Familien:
Nicht
erhöht
Anamnese zum Alkoholkonsum und Substanzmittelgebrauch
1
Menge und Häufigkeit des aktuellen Alkoholkonsums
2
Früher Beginn des Konsums
3
Begleitender Nikotinkonsum
4
Begleitender Drogenkonsum
5
Positive Erwartung einer angenehmen (entspannenden,
euphorisierenden) Wirkung des Alkohols
6
Wiederkehrende Gedanken an Alkohol (Craving)
Psychische Anamnese des Patienten
7
Irritables Temperament in der frühen Kindheit, geringe
Fähigkeit, sich bei Spannung selbst zu beruhigen
8
Probleme bei der Impulskontrolle und Selbststeuerung
9
Neigung zu stimulierendem, riskantem Verhalten
(sensation seeking)
10
Alkoholkonsum wird als funktional erlebt für die eigene
Popularität in der peergroup
11
Früher Beginn sexueller Aktivität
12
Symptome internalisierender Störung
13
Symptome externalisierender Störung
14
Dissoziale Tendenzen
15
Symptome einer Entwicklungsstörung bzw. Entwicklungsretardierung
16
Lern- oder Leistungsprobleme in der Schule bzw. Ausbildung oder Schulprobleme
Familienanamnese (FA)
17
Inadäquater Erziehungsstil (z. B. Inkonsistenz, Vernachlässigung, unzureichende Beaufsichtigung, unangemessene Bestrafung)
18
Konflikthafte Beziehung zwischen Patient und Eltern
19
Disharmonie zwischen Elternteilen
20
FA (Eltern, Großeltern) Störung durch psychotrope Substanzen (F10-F19)
21
FA (Eltern, Großeltern) Schizophrene, wahnhafte Störung
(F20-F29)
22
FA (Eltern, Großeltern) Affektive Störung (F30-F39)
23
FA (Eltern, Großeltern) Neurotische, Belastungs- und
somato­forme Störung (F40-F49)
24
FA (Eltern, Großeltern) Verhaltensauffälligkeiten mit
körper­lichen Faktoren (F50-F59)
25
FA (Eltern, Großeltern) Persönlichkeitsstörung (F60-F69)
© PD Dr. M. Noeker, Universität Bonn: Anwendung frei gegeben für den klinischen Gebrauch
156
Leicht
erhöht
Stark
erhöht
der mit Patient und Eltern vereinbart wird.
Zwei prototypische Empfehlungen können
sich ergeben:
Vereinbarung von Abstinenz: Diese Regelsetzung folgt grundsätzlich den Vorgaben des Jugendschutzgesetzes. Sie gilt also insbesondere bei sehr jungen und bei
besonders alkoholgefährdeten Patienten.
Vereinbarung zur Risikokompetenz: Eine Vereinbarung klärt die Randbedingungen und Mengen des Alkoholkonsums.
Wird eine entsprechende, ernst gemeinte und vertrauensvolle Vereinbarung zwischen Eltern und Patient erreicht, kann sie
nachhaltig stabiler und kompetenzstärkender wirken als ein rigides Abstinenzgebot.
Als Orientierung können die Merkmale der
Risikokompetenz in Abbildung 2 gelten [2].
Checkliste AlkoAdol
Tabelle 4 zeigt die Checkliste zu riskantem Alkoholkonsum in der Adoleszenz
(­AlkoAdol). Die Items dieser Checkliste
enthalten empirisch belegte Korrelate und
Prädiktoren eines prognostisch ungünstigen Verlaufs bei riskantem Alkoholkonsum bei Jugendlichen [3, 5, 6, 8, 12, 14, 16].
Die Checkliste wird aktuell im Rahmen
einer psychologischen Erstintervention
in der Routineversorgung des Zentrums
für Kinderheilkunde der Universität Bonn
bei allen stationären Patienten nach Alkoholintoxikation eingesetzt und erprobt [7].
Sie enthält insgesamt 25 Items zu 3 Anamnesekomplexen:
◾◾ Spezifische Anamnese zum Alkoholkonsum und Substanzmittelgebrauch
◾◾ Psychologische bzw. psychopathologische Eigenanamnese
◾◾ Psychologische bzw. psychopathologische Familienanamnese
Die Checkliste AlkoAdol in
Tab. 4 steht auf der Homepage
der „Kinderärztlichen Praxis“
für den Download im Rahmen
des klinischen Gebrauchs frei
zur Verfügung. Bei Interesse
an wissenschaftlicher Verwendung wird um Kontaktaufnahme mit dem Erstautor gebeten.
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Tab. 5: Indikationen und Kriterien zur Weiterbehandlung
1.Keine Anschlussintervention
a. Leere Anamnese zum riskanten Alkoholkonsum außerhalb der zur Aufnahme führenden
Episode
b. Experimentelle Trinkmotivation
c. Abwesenheit von allgemeinpsychiatrischen Symptomatiken und Risikofaktoren
d. Authentische Grundentscheidung für einen abstinenten bzw. risikokompetenten Umgang mit Alkohol
e. Vertrauensvolle, stützende Eltern-Kind-Beziehung
f. Glaubwürdige Bereitschaft der Eltern, bei einem Rückfall professionelle Hilfe aufzusuchen
2. Wiedervorstellung in der Kinderklinik zur psychologischen Verlaufskontrolle
a. Authentische Grundentscheidung für einen abstinenten bzw. risikokompetenten Umgang mit Alkohol, aber
b. Gefahr des Rückfalls bei erneuter Exposition an Risikosituationen (Gruppendruck, Affektlabiliät) ist nicht auszuschließen
c. Geringgradige Ausprägung alkoholbezogener und / oder allgemeiner kinder- und jugendpsychiatrischer Risikofaktoren
3.Suchttherapeutische Beratung bzw. Therapie
a. Längere Anamnese riskanten Alkoholkonsums im Vorfeld der Klinikaufnahme
b. Auch nach der Erstintervention verbleibende insuffiziente Risikokompetenz im Umgang
mit Alkohol
c. Vorhandensein weiterer suchtassoziierte Risikofaktoren
4.Kinder- und jugendpsychiatrische bzw. kinderpsychotherapeutische Intervention
a. Vorliegen einer Kombination hoher allgemeiner psychopathologischer Risikofaktoren
im Verbund mit relativ niedrigen spezifisch-suchtbezogenen Risikofaktoren. Die Alkoholepisode stellt sich weniger dar als Manifestation einer (drohenden, beginnenden)
Abhängigkeitserkrankung, sondern als Symptom bzw. dysfunktionaler Bewältigungsversuch einer primären allgemeinpsychiatrischen Problematik.
b. Je nach vorliegender Grundstörung reicht das Spektrum der Interventionen von Erziehungsberatung, über ambulante Psychotherapie bis hin zur ambulanten bzw. stationären kinder- und jugendpsychiatrischen Intervention.
Das Instrument ist nicht als Fragebogen zur Vorlage an die Patienten bzw. Eltern konstruiert worden, sondern wird als
Checkliste zur Durchführung bzw. Komplettierung der Anamnese verwendet. Sie
wird erst im Nachgang zu den anderen,
oben dargestellten psychodiagnostischen
Instrumenten eingesetzt (u. a. Exploration,
Verhaltensanalyse), wenn ein Rapport und
Vertrauensverhältnis etabliert und somit
das Risiko für sozial erwünschte und verfälschende Antworttendenzen minimiert
ist. Ihr Einsatz vermeidet, dass wesentliche
Frühindikatoren für einen prognostisch
ungünstigen Verlauf übersehen werden.
Es wird in der Regel mit Eltern und Patient gemeinsam erarbeitet, kann aber auch
isoliert im Elterngespräch bzw. Patientengespräch zum Einsatz gebracht werden.
Dabei wird als Referenz die Ausprägung
der Merkmale in der Population genommen. Es erfolgt keine numerische Auswertung im Sinne der Ableitung eines Risikoscores, sondern eine klinische Beurtei-
158
lung als Grundlage für die anschließende
Indikationsstellung. Zusätzlich kann das
Instrument zur Psychoedukation genutzt
werden. Dazu wird einleitend formuliert,
dass der Interviewer jetzt mit Eltern und
Patient Entwicklungsaspekte anspricht,
die allesamt einen ungünstigen Verlauf
begünstigen können und daher besondere Beachtung verdienen.
Therapieindikation
Die diagnostischen Befunde, die zusammenfassend Informationen umfassen können aus
1. aktuellem Aufnahmebefund [1]
2. Bestimmung des Stadiums des Alkoholkonsums (experimentell, nichtproblematisch, riskant, schädlich, abhängig),
3. Hypothesenbildung zum Verlaufstypus
(eher limitiert oder persistierend),
4. Erfassung riskanten Trinkverhaltens
(z. B. mit Hilfe des CRAFFT-d),
5. Verhaltensanalyse der Alkoholepisode
und Befunden aus der psychologischen
Erstintervention [7],
6. einer Hypothesenbildung zur zentralen
Trinkmotivation (vgl. Tabelle 3)
7. den Ergebnissen der Checkliste AlkoAdol (vgl. Tab. 4)
werden integriert in eine klinische Beurteilung zu
◾◾ dem Schweregrad der Störung bzw. der
Gefährdung der Entwicklungsprognose
bei Verzicht auf eine Intervention,
◾◾ der Abwägung zwischen einer Indikation, die beim Vorliegen von primär alkoholkonsumbezogenen Risikofaktoren
vorrangig im Bereich der suchttherapeutischen Beratung/Therapie liegt, versus
einer Indikation, die beim Vorliegen von
allgemeinen, eher alkoholunabhängigen,
psychischen Risikofaktoren primär im
Bereich einer allgemeinen erziehungsberaterischen, jugendhilfebezogenen,
psychotherapeutischen bzw. kinder- und
jugendpsychiatrischen Beratung/Therapie liegt.
Danach ergeben sich 4 übergeordnete Optionen für eine potenzielle Anschlussintervention. Die Kriterien für diese 4 Optionen
führt Tabelle 5 detailliert auf. Sie umfassen
◾◾ einen Verzicht auf eine Anschlussintervention, die über die psychologische
Erstberatung [7] im Rahmen der Entgiftungsbehandlung hinausreicht,
◾◾ einen Wiedervorstellungstermin bei
dem Therapeuten in der Kinderklinik,
der schon die Erstintervention durchgeführt hat. Dies bietet die Chance, eine
in der Erstintervention erwirkte Grund­
entscheidung für einen zukünftig adäquaten Umgang mit Alkohol etwa über
einen Zeitraum von 6 bis 8 Wochen im
Alltag zu erproben,
◾◾ eine suchttherapeutische Beratung bzw.
(ambulante, stationäre) Therapie bei einer Dominanz von direkt suchtmittelbezogenen Risikofaktoren und einem fortgeschrittenen Stadium riskanten, schädlichen oder abhängigen Konsummusters,
◾◾ eine allgemeine psych. Beratung/Therapie bei Patienten/Familien mit einer
starken Ausprägung allgemeiner psychosozialer und entwicklungsbezogener Risikofaktoren. Bei diesen Patienten
Kinderärztliche Praxis 82, 150 – 159 (2011) Nr. 3 www.kinderaerztliche-praxis.de
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Wesentliches für die Praxis . . .
Bei einer akuten Alkoholintoxikation eines Jugendlichen im Rahmen einer Bingedrinking-Episode stehen klinisch 3 Aufgaben im Vordergrund:
◾◾ (Intensiv)medizinische Überwachung und Erstversorgung der Intoxikation
◾◾ Durchführung einer psychologischen Erstintervention und Beratung [7]
◾◾ Klärung der Indikation zu einer psychotherapeutischen/psychiatrischen bzw.
suchttherapeutischen Anschlussintervention
Für eine differenzielle Indikationsstellung sind Frühindikatoren für einen günstigen (limitierten, resilienten) versus gefährdeten Verlauf herauszuarbeiten. Geeignete diagnostische Strategien dazu umfassen: ◾◾ Daten aus dem Aufnahmebefund
der konkurrenten Validität des CRAFFT-d . Ein Screeninginstrument für problematischen Alkoholkonsum bei Jugendlichen. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und
Psychotherapie 37: 451–45
Korrespondenzadresse
Priv.-Doz. Dr. Meinolf Noeker, Dipl. Psych.
Psychologischer Psychotherapeut für Kinder,
Jugendliche und Erwachsene
Zentrum für Kinderheilkunde der Universität Bonn
Adenauerallee 119
53113 Bonn
Tel.: 02 28/287-33 265
Fax: 02 28/287-33 314
E-Mail: [email protected]
◾◾ Fragebögen zum Trinkverhalten
◾◾ Verhaltensanalytische Rekonstruktion des äußeren und inneren Geschehensablaufs der Alkoholepisode (Situation, Kognition, Verhaltensdefizite,
Konsequenzen)
◾◾ Exploration des psychosozialen und entwicklungsbezogenen Hintergrundes
◾◾ Hypothesenbildung zum zentralen Trinkmotiv (experimentell, dysfunktionale
Bewältigung von Entwicklungsaufgaben, Selbstmedikation assoziierter psychopathologischer Symptome)
◾◾ Response auf die psychologische Erstintervention
◾◾ Profil von Frühindikatoren einer ungünstigen Prognose mit Hilfe einer Checkliste (AlkoAdol)
Auf Basis dieser diagnostischen Informationen beurteilt die Indikationsstellung  
1) die Schwere des prognostischen Risikos und damit die notwendige Intensität der
Anschlussbehandlung (Kurzberatung bis stationäre Therapie) und 2) den primären
Risikoschwerpunkt und damit das Primat einer eher suchttherapeutisch ausgerichteten versus allgemein psychotherapeutisch ausgerichteten Intervention.
hat die Alkoholepisode zwar den Anlass
zur Indikationsstellung geboten, steht
aber nicht im Mittelpunkt des Problems
und damit des therapeutischen Behandlungsauftrags.
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