Presse-Information Dezember 2013 Vitamin-B1-Vorstufe kann Alkoholkonsum bei abhängigen Frauen reduzieren Studie bestätigt Nutzen von Benfotiamin als adjuvantes Therapeutikum Ein Mangel an Vitamin B1 (Thiamin) ist bekanntermaßen ein häufiges Problem bei Alkoholkranken: Studien zufolge sind 30 bis 80 % der Alkoholabhängigen davon betroffen. Das Defizit an dem Nährstoff fördert aber nicht nur neurologische Folgeschäden wie Neuropathien und ein Wernicke-KorsakowSyndrom, sondern kann offensichtlich auch das unkontrollierte Trinkverhalten verstärken. US-Wissenschaftler um Ann M. Manzardo von der Universität Kansas wiesen jetzt in einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblind-Studie mit 120 aktiv trinkenden Alkoholabhängigen nach, dass eine orale Behandlung mit der hoch bioverfügbaren Thiamin-Vorstufe Benfotiamin den Alkoholkonsum bei Frauen deutlich reduzieren kann.1 Die alkoholabhängigen Studienteilnehmer im durchschnittlichen Alter von 47 Jahren erhielten über einen Zeitraum von 24 Wochen entweder 600 mg Benfotiamin pro Tag oder ein Placebo. Benfotiamin ist eine fettlösliche Vorstufe vom Thiamin, die über eine wesentlich höhere Bioverfügbarkeit verfügt als herkömmliches wasserlösliches Thiamin. „Diese pharmakologischen Eigenschaften erlauben einen schnellen Ausgleich eines Thiamin-Mangels“, erklären die Autoren. Die Forscher beobachteten unter Benfotiamin-Therapie eine signifikante Abnahme des Gesamt-Alkoholkonsums, allerdings nur bei den weiblichen Patienten. Bei den mit dem Provitamin behandelten Frauen nahm die durchschnittliche tägliche Alkoholaufnahme nach drei Monaten um 60 % ab, in der Placebogruppe hingegen nur um 13 %. Das heißt, die mit Benfotiamin substituierten Frauen konnten ihren täglichen Alkoholkonsum um 2 Standard-Drinks mehr reduzieren als die mit Placebo behandelten Teilnehmerinnen. Dabei wurden keine nennenswerten Nebenwirkungen beobachtet. Schon frühere tierexperimentelle Studien hatten gezeigt, dass ein subklinischer Thiamin-Mangel ein pathologisches Trinkverhalten fördert. Offensichtlich verursacht der Nährstoffmangel Schäden im zentralen Nervensystem, die wiederum die kognitiven Fähigkeiten und die Verhaltenskontrolle beeinträchtigen. Daher vermuteten die Wissenschaftler, dass eine Benfotiamin-Therapie helfen kann, die durch Alkohol und Thiamin-Mangel gestörten Funktionen des zentralen Nervensystems zu regenerieren und so die Kontrolle über das Trinkverhalten positiv zu beeinflussen. Auch geschlechtsspezifische Unterschiede wurden bereits in früheren Untersuchungen beobachtet: Alkoholkranke Frauen reagieren empfindlicher auf einen Thiamin-Mangel und entwickeln schneller neurokognitive und neuropsychiatrische Folgeerscheinungen wie z.B. ein Wernicke-Korsakow-Syndrom als Männer. Die Wissenschaftler schließen aus ihren Ergebnissen, dass Benfotiamin ein gut verträgliches, sinnvolles adjuvantes Therapeutikum ist, um bei aktiv trinkenden Alkoholabhängigen einen Thiamin-Mangel auszugleichen und seinen schwerwiegenden neurologischen Folgeschäden entgegen zu wirken. Bei Frauen könnte die Therapie auch zur Reduktion des Alkoholkonsums beitragen. In verschiedenen klinischen Studien wurde bereits nachgewiesen, dass Benfotiamin die Symptome der alkoholischen Neuropathie, aber auch der diabetischen Neuropathie deutlich reduzieren kann. „Vor dem Hintergrund, dass rund 21 % der Menschen in Deutschland einen problematischen Alkoholkonsum haben und 3 – 4 % alkoholabhängig sind, sind diese Zusammenhänge von nicht zu unterschätzender klinischer Relevanz“, kommentiert Prof. Joachim Schmidt von der Gesellschaft für Biofaktoren die Studienergebnisse. Die möglichen Folgen eines durch Alkohol induzierten Vitamin B1Mangels sollten nach Meinung des Dresdner Pharmakologen ernst genommen werden. Denn ein Thiamin-Defizit sei entscheidend an der Pathogenese neurologischer Folgeschäden wie der alkoholischen Neuropathie oder dem Wernicke-Korsakow-Syndrom (WKS) beteiligt. Entsprechend wichtig sei eine rechtzeitige Substitution des Vitamins für die Prognose der Patienten. Die Gründe für den bei Alkoholabusus so häufigen Thiamin-Mangel sind vielfältig: Ethanol hemmt dosisabhängig die Thiamin-Resorption im Darm. Gleichzeitig ist häufig die Metabolisierung des Vitamins gestört, die Speicherung in der Leber reduziert und die Zufuhr über die Nahrung unzureichend. Hintergrundinformationen2: Jährlich werden etwa 74.000 Todesfälle durch Alkoholkonsum allein (26%) oder durch den Konsum von Tabak und Alkohol (74 %) verursacht. Eine psychische oder verhaltensbezogene Störung durch Alkohol wurde im Jahr 2011 als zweithäufigste Einzeldiagnose in Krankenhäusern mit 338.400 Behandlungsfällen diagnostiziert. 26.349 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 10 und 20 Jahren wurden 2011 aufgrund eines akuten Alkoholmissbrauchs stationär behandelt. Literatur: 1 Manzardo AM, He J, Poje A, Penick PC, Campbell J, Butler MG (2013): Double-blind, randomized placebo-controlled clinical trial of benfotiamine for severe alcohol dependence. Drug Alkohol Depend. Dec 1;133(2):562-70. 2 Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen DHS: Jahrbuch Sucht 2013. Presse-Kontakt: Kerstin Imbery-Will Büro für Öffentlichkeitsarbeit Waldweg 42 a 21227 Bendestorf Tel/Fax.: 04183/774623 E-Mail: [email protected]