Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)

Werbung
Druckversion
Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)
Einleitung
Die Schilddrüse hat eine lebenswichtige Aufgabe: Sie produziert Hormone, die den Stoffwechsel des Körpers regeln und im Gleichgewicht halten. Die
Schilddrüsenhormone steuern sehr viele Vorgänge im Körper.
Wenn die Schilddrüse (Thyroidea) zu wenig Hormone herstellt, spricht man von einer Schilddrüsenunterfunktion. Der Fachbegriff hierfür lautet
Hypothyreose. Sie verlangsamt den Stoffwechsel, was zum Beispiel Müdigkeit, Antriebsschwäche oder Verstopfung auslösen kann. Solche
Beschwerden können aber auch viele andere Ursachen haben. Daher lässt sich eine Schilddrüsenunterfunktion nur feststellen, indem man die
Menge der Schilddrüsenhormone im Blut untersucht.
Bei den meisten Menschen wird eine Schilddrüsenunterfunktion durch eine chronische Entzündung der Schilddrüse verursacht. Die Unterfunktion
lässt sich leicht behandeln, indem man täglich eine Tablette mit Schilddrüsenhormon einnimmt. Durch den Hormonersatz verschwinden die
Beschwerden in der Regel.
Symptome
Wenn die Schilddrüse zu wenig Hormone produziert, verlangsamt das den Stoffwechsel. Eine Schilddrüsenunterfunktion kann viele Teile des
Körpers betreffen und daher ganz unterschiedliche Beschwerden auslösen. Dazu gehören insbesondere:
Erschöpfung, Schwäche und Müdigkeit
niedriger Puls
erhöhter Blutdruck
Kälteempfindlichkeit und verminderte Schweißproduktion
Atemnot bei Anstrengung
leichte bis mäßige Gewichtszunahme
Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, geistige oder sprachliche Verlangsamung
Verstopfung
trockene Haut und Haare, Haarausfall
gelbliche Hautverfärbungen
tiefe, heisere Stimme
vergrößerte Zunge
teigige Verdickungen und Schwellungen der Haut
vergrößerte Schilddrüse (auch Struma oder Kropf genannt)
Schwerhörigkeit
Muskel- oder Gelenkschmerzen
verlangsamte Reflexe
starke Regelblutungen oder Störungen des Menstruationszyklus, eingeschränkte Fruchtbarkeit
Erektionsstörungen
Teilnahmslosigkeit (Lethargie)
Depressionen oder andere psychische Auffälligkeiten
Viele dieser Symptome können auch andere Ursachen haben. Gerade bei älteren Menschen kann es passieren, dass eine Schilddrüsenunterfunktion
mit altersbedingten Veränderungen wie beispielsweise einer beginnenden Demenz verwechselt wird. Um die Erkrankung sicher festzustellen, ist
daher eine Blutuntersuchung erforderlich.
Ursachen
Erkrankungen der Schilddrüse und andere Faktoren können dazu führen, dass nicht mehr genug Schilddrüsenhormone gebildet werden. Dazu
gehören:
Hashimoto-Thyreoiditis: Sie ist die häufigste Ursache der Schilddrüsenunterfunktion. Dabei handelt es sich um eine „Autoimmunerkrankung“ der
Schilddrüse. Das bedeutet, dass das Abwehrsystem des Körpers die Zellen der Schilddrüse irrtümlich für fremd hält und angreift. Es entwickelt sich
eine Entzündung, die aber auf die Schilddrüse begrenzt bleibt.
Entfernung der Schilddrüse oder Strahlentherapie: Bei bestimmten Erkrankungen wie einer Schilddrüsenüberfunktion und Schilddrüsenkrebs
wird die Schilddrüse bestrahlt oder in einer Operation teilweise oder ganz entfernt. Auch bei einer vergrößerten Schilddrüse (Struma) werden Teile
entfernt. Dann werden nicht mehr genügend oder gar keine Schilddrüsenhormone mehr produziert. Wurde die Schilddrüse bestrahlt, kann sich
eine Unterfunktion sehr langsam entwickeln und erst nach einigen Jahren auftreten.
Ausgeprägter Jodmangel: Das Spurenelement Jod wird zur Bildung der Schilddrüsenhormone benötigt. Jod kann vom Körper nicht selbst
produziert werden. Wenn die Nahrung dauerhaft zu wenig Jod enthält, kann es daher zu einer Schilddrüsenunterfunktion kommen. Dies ist in den
Industrieländern heute aber sehr selten.
Medikamente: Bestimmte Medikamente können die Bildung von Schilddrüsenhormonen hemmen. Dazu gehören zum Beispiel eine Reihe von
Krebsmedikamenten sowie der Wirkstoff Lithium, der zur Behandlung bestimmter psychischer Erkrankungen eingesetzt wird. Auch Medikamente,
die bei einer Überfunktion der Schilddrüse eingesetzt werden, hemmen die Bildung von Schilddrüsenhormonen. Wenn sie zu hoch dosiert sind,
kann dies eine Unterfunktion auslösen.
Zentrale Schilddrüsenunterfunktion: Bei weniger als 1 % der Betroffenen wird eine Schilddrüsenunterfunktion von einer Erkrankung der
Hirnanhangsdrüse oder des Hypothalamus im Zwischenhirn verursacht. Beide Organe bilden Hormone, die wiederum die Hormonproduktion der
Schilddrüse steuern. Da sie zum zentralen Nervensystem gehören, spricht man in diesen Fällen von einer zentralen Schilddrüsenunterfunktion.
Verlauf
Wie eine Schilddrüsenunterfunktion verläuft, hängt von ihrer Ursache ab. Bei Erwachsenen entwickelt sie sich oft schleichend, da sie meist durch die
Hashimoto-Erkrankung verursacht wird. Diese führt normalerweise zu einer langsamen Zerstörung des Schilddrüsengewebes.
Das restliche Schilddrüsengewebe kann den Verlust lange ausgleichen, indem es mehr Hormone herstellt und den Körper ausreichend versorgt.
Wenn jedoch so viel Gewebe zerstört ist, dass die Hormonmenge nicht mehr ausreicht, kommt es zu den Beschwerden einer
Schilddrüsenunterfunktion.
Die fehlenden Schilddrüsenhormone können durch Tabletten leicht ersetzt werden. Dann normalisiert sich der Stoffwechsel und die Beschwerden
verschwinden. Unbehandelt kann eine Schilddrüsenunterfunktion jedoch verschiedene Probleme auslösen. Im seltenen Extremfall kann sie bis hin
zu einem lebensbedrohlichen Koma führen.
Diagnose
Die Ärztin oder der Arzt wird zunächst nach den Beschwerden fragen und die Schilddrüse abtasten. Wenn es Hinweise auf eine
Schilddrüsenunterfunktion gibt, wird ein Bluttest gemacht, um eine eindeutige Diagnose stellen zu können.
Zunächst wird gemessen, ob der TSH-Wert erhöht ist. TSH steht für Thyroidea-stimulierendes Hormon, was so viel bedeutet wie „Schilddrüsenanregendes Hormon“. Es wird in der Hirnanhangsdrüse produziert und regelt die Bildung der Schilddrüsenhormone.
Häufig gilt der TSH-Wert als erhöht, wenn er über 5 mU/l (Millieinheiten pro Liter) liegt. In manchen Ländern werden aber auch etwas höhere oder
niedrigere Grenzwerte angesetzt. Manchmal ist der TSH-Wert nur vorübergehend erhöht und normalisiert sich von selbst wieder. Daher wiederholt
man die Messung am besten. Ist der TSH-Wert dann immer noch erhöht, misst man die Menge des „freien“ Schilddrüsenhormons Thyroxin im Blut,
den sogenannten fT4-Wert.
Von einer Schilddrüsenunterfunktion spricht man, wenn
typische Beschwerden bestehen und
der Thyroxin-Wert (fT4-Wert) zu niedrig ist.
Der normale Bereich für den Thyroxin-Wert wird jeweils von dem Labor vorgegeben, in dem die Blutprobe untersucht wird. Der Grund dafür ist, dass
Labore aufgrund unterschiedlicher Messmethoden leicht abweichende Normbereiche haben können.
Früherkennung
Für Säuglinge und Kinder ist es besonders wichtig, dass ihre Schilddrüse normal funktioniert. Ein Mangel an Schilddrüsenhormonen kann die
körperliche und geistige Entwicklung eines Kindes stark beeinträchtigen. Daher werden die Schilddrüsenhormonwerte bei allen Neugeborenen
routinemäßig gemessen. Die Wahrscheinlichkeit für eine angeborene Schilddrüsenunterfunktion ist aber insgesamt sehr gering: Nur etwa eins von
4000 Neugeborenen kommt mit einem Schilddrüsenproblem zur Welt.
Bei Erwachsenen gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass eine Messung des Hormonspiegels zur Früherkennung einen Nutzen hat. Sie
hat aber unterschiedliche Risiken. Relativ viele Menschen haben leicht erhöhte TSH-Werte, Schätzungen zufolge sind das etwa 5 bis 10 % der
Bevölkerung. Wenn der TSH-Wert erhöht ist, aber ausreichend Schilddrüsenhormone produziert werden, spricht man von „latenter“
Schilddrüsenunterfunktion.
Erhöhte TSH-Werte bedeuten aber nicht zwangsläufig, dass eine Schilddrüsenunterfunktion mit Beschwerden bevorsteht. Pro Jahr entwickeln im
Durchschnitt 3 bis 4 von 100 Menschen mit erhöhten TSH-Werten eindeutige Beschwerden, die behandelt werden müssen. Das Risiko hierfür steigt,
wenn der TSH-Wert deutlich erhöht ist oder das Blut bestimmte Antikörper enthält. Frauen haben ein höheres Risiko als Männer.
Da TSH-Werte alleine wenig aussagen, könnte eine routinemäßige Untersuchung unnötige Behandlungen und Sorgen nach sich ziehen.
Noch andere Gründe sprechen gegen eine routinemäßige Messung des TSH-Werts ohne konkreten Verdacht: So gibt es bislang keine allgemein
anerkannte Grenze, ab wann ein TSH-Wert „zu niedrig“ ist. Zudem unterliegen die Hormonwerte natürlichen Schwankungen. Leicht erhöhte TSHWerte bilden sich sogar relativ oft zurück, manchmal auch nach längerer Zeit. Ein abweichender Wert bedeutet also noch keine Erkrankung. Auch in
anderen Ländern wie den USA oder England wird derzeit kein Früherkennungsprogramm empfohlen.
Zudem steigt der TSH-Spiegel mit dem Alter etwas an. Daher wird diskutiert, ob bei älteren Menschen andere Grenzwerte sinnvoll wären als bei
jüngeren. Auch im Kindes- und Jugendalter sind die TSH-Werte oft etwas höher, weil sich der Körper noch in der Entwicklung befindet.
Vorbeugung
Eine grundlegende Maßnahme zur Vorbeugung einer Schilddrüsenunterfunktion durch Jodmangel ist eine ausreichende Jodversorgung,
insbesondere durch die Verwendung von jodiertem Speisesalz. Auch manche Nahrungsergänzungsmittel enthalten Jod. In Deutschland ist
Jodmangel heute nur noch sehr selten eine Ursache einer Schilddrüsenunterfunktion.
Erwachsenen wird insgesamt eine tägliche Jodzufuhr von 200 Mikrogramm (µg) empfohlen – mehr als 500 µg sollten es aber nicht sein. Kinder
benötigen weniger als 200 µg Jod pro Tag, schwangere und stillende Frauen etwas mehr.
Die Jodversorgung von Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre wurde 2007 durch das Robert Koch-Institut untersucht. Dabei zeigte sich, dass etwa 85
% der unter 18-Jährigen ausreichend oder mehr als ausreichend mit Jod versorgt sind. Zur Jodversorgung von Erwachsenen gibt es allerdings keine
umfassenden Daten.
Dauerhaft zu viel Jod erhöht das Risiko für eine Schilddrüsenüberfunktion. Eine Überdosierung durch Lebensmittel ist aber kaum möglich. Eine
Ausnahme sind getrocknete Algen, insbesondere Seetang. Sie enthalten so viel Jod, dass ihr Verzehr zu einer Überschreitung des empfohlenen
Höchstwertes von 500 µg täglich führen kann. Auch die tägliche Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln kann problematisch sein, wenn sie mehr
als 100 µg Jod enthalten.
Behandlung
Das fehlende Schilddrüsenhormon Thyroxin wird durch ein Medikament ersetzt, das dem körpereigenen Hormon entspricht. Der Wirkstoff wird
auch als Levothyroxin oder L-Thyroxin bezeichnet. Das Medikament bringt die Hormonwerte in den normalen Bereich. Dadurch verschwinden die
Beschwerden in der Regel vollständig. Je nach Ursache wird eine Unterfunktion vorübergehend oder dauerhaft – also zeitlebens – behandelt.
Thyroxin wird einmal am Tag als Tablette eingenommen. Oft wird empfohlen, Thyroxin morgens mindestens eine halbe Stunde vor dem Frühstück
einzunehmen. Der Körper soll es dann besser aufnehmen können. Man kann es aber auch abends vor dem Schlafengehen einnehmen. Vielen
Menschen fällt dies leichter, weil sie vor dem Schlafengehen ohnehin längere Zeit nichts essen.
Nebenwirkungen treten bei richtiger Dosierung praktisch nicht auf. Die Dosis richtet sich nach dem Körpergewicht. Wenn nötig, wird sie anhand der
Beschwerden und der Schilddrüsenwerte nach zwei bis drei Monaten angepasst. Solange dauert es, bis sich der Hormonspiegel im Körper
eingependelt hat. Wenn die Werte über längere Zeit gut eingestellt sind, kann es ausreichen, sie einmal im Jahr zu kontrollieren.
Die Behandlung mit Thyroxin kann zu einer Gewichtsabnahme führen. Manche Menschen, die abnehmen möchten, geraten daher in Versuchung,
mehr Thyroxin zu nehmen als sie benötigen. Dies ist aber keine gute Idee, denn zu viel Thyroxin kann Nebenwirkungen wie Herzrasen, Zittern und
Erregbarkeit auslösen und birgt langfristig ernsthafte Risiken.
Bei einer latenten Schilddrüsenunterfunktion ist nur der TSH-Wert erhöht. Der Hormonspiegel ist noch normal. Fachleute sind unterschiedlicher
Meinung, wann man sie behandeln soll. In der Regel ist eine sofortige Behandlung aber nicht nötig.
Quellen
Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ). Screening and Treatment of Subclinical Hypothyroidism or Hyperthyroidism. Oktober 2011.
(Comparative Effectiveness Review; Band 27).
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Fragen und Antworten zur Jodversorgung und zur Jodmangelvorsorge. Februar 2012.
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Verwendung von Mineralstoffen in Lebensmitteln. Berlin: BfR; 2004.
Pearce SH, Brabant G, Duntas LH, Monzani F, Peeters RP, Razvi S, Wemeau JL. 2013 ETA Guideline: Management of Subclinical Hypothyroidism. Eur
Thyroid J 2013; 2(4): 215-228.
Thamm M, Ellert U, Thierfelder W, Liesenkötter KP, Völzke H. Jodversorgung in Deutschland. Ergebnisse des Jodmonitorings im Kinder- und
Jugendgesundheitssurvey (KiGGS). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2007; 50(5-6): 744-749.
UK National Screening Committee. The UK NSC policy on Thyroid disease screening in adults. Dezember 2013.
IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der
Gesundheitsversorgung zu verstehen.
Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt
werden. Wir bieten keine individuelle Beratung.
Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion
erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir
ausführlich in unseren Methoden.
BIG direkt gesund 2017 - 0800 54565456 Kostenloser 24h-Direktservice
Herunterladen