Körperliche und psychische Langzeitfolgen schwerer Sepsis bei Patienten und deren Partnern J. Rosendahl1, D. Jaenichen1,2, F.M. Brunkhorst3,4 & B. Strauß1 Universitätsklinikum Jena 1 Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie 2 Klinik für Innere Medizin II 3 Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie 4 Paul-Martini-Forschergruppe für Klinische Sepsisforschung Methodik Methodik Hintergrund Hintergrund Stichprobe Stichprobe In In Deutschland Deutschland erkranken erkranken ca. ca. 150.000 150.000 Menschen Menschen pro pro Jahr Jahr an an einer einer Sepsis, Sepsis, im im Volksmund Volksmund auch auch Blutvergiftung Blutvergiftung genannt, genannt, davon davon sterben sterben ca. ca. 56.000 56.000 (37% (37% der der Erkrankten) Erkrankten) an an den den Folgen Folgen der der Erkrankung. Erkrankung. Eine Eine schwere schwere Sepsis Sepsis entsteht, entsteht, wenn wenn –– abseits abseits vom vom Ort Ort der der eigentlichen eigentlichen Infektion Infektion –– lebenswichtige lebenswichtige Organe, Organe, wie wie das das HerzHerz- und und Kreislaufsystem, Kreislaufsystem, die die Nieren, Nieren, die die Lunge Lunge oder oder die die Leber Leber versagen. versagen. In In diesen diesen Fällen Fällen ist ist eine eine intensivmedizinische intensivmedizinische (ITS) (ITS) Versorgung Versorgung des des Patienten Patienten unabdingbar. unabdingbar. Die Erkrankung geht allerdings zeitlich weit über die intensivmedizinische Behandlung hinaus (vgl. Abb. 1). Selbst lange Zeit nach der Erkrankung weisen Patienten noch erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen und psychischen Gesundheit sowie der Lebensqualität auf (Davydow et al., 2008, 2009; Jackson et al., 2007; Griffith et al., 2007; Desai, Law & Needham, 2011). Als typische Spätfolgen werden neben einer erhöhten Abb.1: Der Verlauf kritischer Erkrankungen: Die ErkranMortalität häufig Beeinträchtigungen der Lungen- kung ist nicht nur auf die Zeit des ITS-Aufenthaltes funktion, neuromuskuläre Defizite, aber auch beschränkt, sondern beginnt mit einer akuten psychische Störungen wie Depression und post- Verschlechterung des Zustandes des Patienten und endet traumatische Belastungsstörung beschrieben (Desai et mit Spätfolgen (aus Angus & Carlet, 2003). al., 2011). Daneben durchleben auch die Angehörigen in der Zeit der schweren Erkrankung des Patienten eine existentielle Krise, die häufig längerfristige negative Auswirkungen v.a. auf die psychische Gesundheit hat (Jones et al., 2004, Azoulay et al., 2005). Wenngleich die Langzeitfolgen lebensbedrohlicher Erkrankungen gut untersucht sind, fehlen Studien zu den Folgen von schwerer Sepsis sowohl bei Patienten als auch bei Angehörigen. Ergebnisse Ergebnisse Deskriptive Analyse Es wurden 564 Personen kontaktiert. Von den 90 Dyaden, die antworteten, wurden 60 Patient-Partner-Dyaden analysiert (Tab. 1). Ausgeschlossen wurden 14 andere Dyaden (z.B. Patient-Sohn/ Tochter) und 16 Dyaden ohne ITS-Behandlung des Patienten. Gender Age Female Male M SD Range Partners 40 (66.7%) 20 (33.3%) 60.5 11.9 37-79 Messinstrumente Messinstrumente Patienten Patienten und und Angehörige Angehörige wurden wurden gebeten, gebeten, einen einen Fragebogen Fragebogen zu zu ihren ihren aktuellen aktuellen körperlichen körperlichen Beschwerden Beschwerden (GBB-24), psychopathologischen Symptomen (HADS, PTSS(GBB-24), psychopathologischen Symptomen (HADS, PTSS10), 10), sowie sowie zu zu ihren ihren Erfahrungen Erfahrungen während während des des ITSITSAufenthaltes Aufenthaltes zu zu beantworten beantworten (Brähler, (Brähler, Hinz Hinz && Scheer, Scheer, 2008; 2008; Bullinger Bullinger && Kirchberger, Kirchberger, 1998; 1998; Zigmond Zigmond && Snaith, Snaith, 1983; 1983; Maercker, Maercker, 2004; 2004; Stoll Stoll et et al., al., 1999). 1999). Statistische Statistische Analyse Analyse Zusammenhänge Zusammenhänge zwischen zwischen Variablen Variablen wurden wurden mittels mittels linearer linearer Regressionsanalysen, Regressionsanalysen, Unterschiede Unterschiede zwischen zwischen Gruppen Gruppen mittels mittels ANOVA ANOVA geprüft. geprüft. Das Das Signifikanzniveau Signifikanzniveau wurde wurde auf auf αα == 0.05 0.05 festgelegt. festgelegt. Es Es wurden wurden standardisierte standardisierte MittelwertsMittelwertsdifferenzen differenzen (SMD, (SMD, Cohen´s Cohen´s d) d) zwischen zwischen Normstichproben Normstichproben und und der der Studienpopulation Studienpopulation mit mit 95% 95% Konfidenzintervall Konfidenzintervall beberechnet. rechnet. Die körperliche und psychische Gesundheit von Patienten und Partnern erwies sich als unabhängig von Alter, Geschlecht, der Zeit seit der Sepsiserkrankung sowie der Dauer des ITS-Aufenthaltes. % klinisch auffällige Symptome (> cutoff) 100% Weibliche Patienten Weibliche Partner Tab. 1: Demographische Merkmale der Stichprobe Patients 20 (33.3%) 40 (66.7%) 60.2 13.0 33-85 Patienten Patienten und und Angehörige, Angehörige, die die sich sich an an die die Selbsthilfegruppe Selbsthilfegruppe „Deutsche „Deutsche Sepsis Sepsis Hilfe Hilfe e.V.“ e.V.“ gewendet gewendet hatten, hatten, wurden wurden im im Juni Juni 2011 2011 postalisch postalisch kontaktiert. kontaktiert. Eingeschlossen Eingeschlossen wurden wurden Dyaden Dyaden (Patient/Partner), (Patient/Partner), bei bei denen denen der der Patient Patient eine eine schwere schwere Sepsis Sepsis überlebt überlebt hatte, hatte, die die mit mit einer einer Intensivbehandlung Intensivbehandlung (ITS-Aufenthalt) (ITS-Aufenthalt) verbunden verbunden war. war. 80% Männliche Patienten Männliche Partner 60% 40% Die Sepsiserkrankung der Patienten lag im Mittel (Md) 50 Monate zurück (Spannweite 2-356) und war mit einem ITS-Aufenthalt von Md = 30 Tagen verbunden (Spannweite 1-260). 20% Körperliche und psychische Gesundheit 0% 3,0 SMD Patienten Depressivität Partner Angst PTBS Abb. 2: Anteil an Patienten und Partnern mit klinisch auffälligen Symptomen (HADS Angst und Depressivität Subskala ≥ 11, PTSS-10 ≥ 13); PTBS = Post-traumatische Belastungsstörung 2,5 2,0 Dyadische Perspektive 1,5 Es zeigten sich signifikant positive Zusammenhänge körperlicher und psychischer Gesundheitsparameter zwischen Patienten und deren Partnern (Tab. 2). 1,0 Tab. 2: Zusammenhang körperlicher und psychischer Gesundheit zwischen Patienten und deren Partnern 0,5 Psychische Lebensqualität Körperliche Lebensqualität Angst Depressivität Herzbeschwerden Gliederschmerzen Magenbeschwerden Erschöpfung 0,0 Abb. 1: Körperliche und psychische Gesundheit von Patienten und deren Partnern im Vergleich zu Normstichproben (Brähler, Hinz & Scheer, 2008; Bullinger & Kirchberger, 1998; Hinz & Brähler, 2011), dargestellt als Standardisierte Mittelwertsdifferenz (SMD, Cohen´s d) mit 95% Konfidenzintervall Dr. Jenny Rosendahl Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie Universitätsklinikum Jena Stoystr. 3 | 07743 Jena [email protected] Std. beta p ΔR2# Erschöpfung .331 .037 .104 Magebeschwerden .516 .001 .252 Gliederschmerzen .251 .110 .058 Herzbeschwerden .131 .431 .017 Depressivität .528 <.001 .244 Angst .469 .002 .196 Körperliche Lebensqualität .356 .004 .121 Psychische Lebensqualität .559 .001 .272 Lineare Regressionsanalyse. Schritt 1: Geschlecht, Alter der Patienten und Partner in das Modell aufgenommen, Schritt 2: Körperliche und psychische Parameter eingeschlossen; #Änderung in korrigiertem R2 BASIS Diskussion Diskussion Auch Auch Jahre Jahre nach nach einer einer Sepsiserkrankung Sepsiserkrankung sind sind Patienten Patienten und und deren deren Partner Partner deutlich deutlich in in ihrer ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit sowie körperlichen und psychischen Gesundheit sowie in in ihrer ihrer Lebensqualität Lebensqualität eingeschränkt, eingeschränkt, ähnlich ähnlich wie wie auch auch Patienten Patienten mit mit anderen anderen lebenslebensbedrohlichen bedrohlichen Erkrankungen Erkrankungen (Davydow (Davydow et et al., al., 2008, 2008, 2009; 2009; Desai Desai et et al., al., 2011; 2011; Skinner, Skinner, Warrillow Warrillow && Denehy, Denehy, 2011). 2011). Neben Neben den den Patienten Patienten weisen weisen auch auch die die Lebenspartner Lebenspartner eine eine wesentlich wesentlich schlechtere schlechtere körperliche körperliche und und psychische psychische Gesundheit Gesundheit auf auf als als die die NormalNormalbevölkerung bevölkerung (z.B. (z.B. Jones Jones et et al., al., 2004). 2004). Ein Ein großer großer Anteil Anteil an an Patienten Patienten und und Partnern Partnern berichtet klinisch auffällige Angst-, berichtet klinisch auffällige Angst-, DepressivitätsDepressivitäts- und und PTBS-Werte, PTBS-Werte, die die eine eine Behandlung verlangen. Desweiteren konnten Behandlung verlangen. Desweiteren konnten wir starke dyadische Zusammenhänge wir starke dyadische Zusammenhänge bei bei körperlichen körperlichen und und psychischen psychischen GesundheitsGesundheitsparametern zeigen, wie sie bereits aus der parametern zeigen, wie sie bereits aus der Krebsforschung Krebsforschung bekannt bekannt sind sind (Hagedoorn (Hagedoorn et et al., al., 2008). 2008). Solche Solche Beziehungen Beziehungen können können als als systemische Reaktion im Sinne einer systemische Reaktion im Sinne einer emotionalen emotionalen Übertragung Übertragung bzw. bzw. Interdependenz Interdependenz emotionaler emotionaler Reaktionen Reaktionen auf auf die die lebenslebensbedrohliche bedrohliche Erkrankung Erkrankung verstanden verstanden werden. werden. Einschränkend Einschränkend ist ist anzumerken, anzumerken, dass dass zum zum einen einen die die querschnittlichen querschnittlichen Ergebnisse Ergebnisse zur zur dyadischen dyadischen Beziehung nur mit Vorsicht als Prozess Beziehung nur mit Vorsicht als Prozess emotionaler emotionaler Übertragung Übertragung interpretiert interpretiert werden werden sollten. sollten. Allerdings Allerdings konnte konnte eine eine LängsschnittLängsschnittstudie studie diese diese Annahme Annahme bereits bereits bestätigen bestätigen (Segrin (Segrin et et al., al., 2005). 2005). Zum Zum anderen anderen ist ist eine eine Einschränkung Einschränkung der der externen externen Validität Validität durch durch eine eine Selektionsverzerrung Selektionsverzerrung denkbar: denkbar: Personen, Personen, die die die die DSH DSH kontaktiert kontaktiert haben, haben, stellen stellen vermutlich vermutlich eine eine besonders besonders belastete belastete Population Population dar, dar, zusätzlich zusätzlich sollte sollte ein ein Selbstselektionseffekt Selbstselektionseffekt im im Antwortverhalten Antwortverhalten berücksichtigt berücksichtigt werden. werden. Fazit Fazit In In der der vorliegende vorliegende Studie Studie wurden wurden erstmals erstmals körperliche körperliche und und psychische psychische Langzeitfolgen Langzeitfolgen einer einer schweren schweren Sepsiserkrankung Sepsiserkrankung unter unter BerückBerücksichtigung sichtigung dyadischer dyadischer Beziehungen Beziehungen untersucht. untersucht. Über Über diese diese querschnittliche querschnittliche Betrachtung Betrachtung hinaus hinaus sollten sollten künftige künftige Studien Studien auf auf die die längsschnittlängsschnittliche liche Untersuchung Untersuchung dyadischer dyadischer Zusammenhänge Zusammenhänge körperlicher körperlicher und und psychischer psychischer Gesundheit Gesundheit nach nach schwerer schwerer Sepsis Sepsis fokussieren. fokussieren.