DIE PROBLEMATIK DES PHÄNOMENALEN BEWUSSTSEINS Universität Linz Institut für Philosophie und Wissenschaftstheorie Univ.Prof. Dr. Volker Gadenne Seminararbeit: „Spezialthemen der Philosophie und Wissenschaftstheorie“ Johanna Eidenberger (9856764) Studienrichtung 121 (April 2002) -1- Beantwortung folgender Fragen: 1. Was versteht man unter Qualia bzw. unter dem phänomenalen Bewusstsein? 2. Wie lautet das Argument der vertauschten Qualia gegen den Funktionalismus? Wie versuchen die Funktionalisten, diesen Einwand abzuwehren? 3. In welches Dilemma führte die Diskussion über die Qualia? Welchen Ausweg aus dem Dilemma bevorzugen Sie? Begründen Sie Ihre Antwort. -2- 1. Was versteht man unter Qualia bzw. unter dem phänomenalen Bewusstsein? a) Qualia Der psychische Bereich des Menschen ist auf jene Art und Weise ausgeprägt, dass er bestimmte Funktionen für den Organismus übernimmt: er sieht vor, dass Dinge, die eine Gefahr bedeuten, gemieden, abgelehnt und angenehme Empfindungen bevorzugt werden. Wie kommt es nun zum subjektiven Erleben psychischer Zustände – eine Frage, welche die Philosophie sehr intensiv beschäftigt. Die Rede sei hier vom „Rätsel des Bewusstseins“, also jenes Teiles des Bewusstseins, welcher in Verbindung mit bestimmten visuellen Erscheinungen aktiv wird. Somit begleiten Empfindungen, Gefühle die Menschen. Die dabei gemachten Erfahrungen lassen ganz bestimmte subjektive Empfindungen entstehen, die im Bewusstsein ganz bestimmte Verbindungen hervorrufen: Schnittwunde und Schmerz; Urlaub, Sonne und blauer Himmel; ... Man könnte es mit einer ganz bestimmten Qualität eines Erlebens vergleichen, etwas, was in der Psyche passiert. Diese Erlebnisqualität bezeichnet man als Quale, plural Qualia. Der Begriff wurde 1929 von C.I. Lewis eingeführt und es hat sich seit der Einführung des Begriffes im Verständnis eben dieser Qualia einiges verändert. Qualia heben sich dadurch ab, dass man eben etwas weiß oder dass man an etwas glaubt, ohne dass damit eine Vorstellung verbunden sein muss. Im Vordergrund steht das „Wie“ eines Zustandes, ein Zustand, welcher nur durch das Subjekt selbst erlebt, nur von diesem Subjekt gefühlt werden kann. Daraus können sich natürlich sowohl kognitive Leistungen ableiten als auch die Erhöhung des Selbstbewusstseins. Qualia sind im Gegensatz zu kognitiven Leistungen nicht an eine Sprache gebunden. Bewusstsein ist die Fähigkeit zu Wahrnehmungen, Gefühlen, Gedanken. Vermutlich kann man auch nicht menschlichen Lebewesen diese Fähigkeiten (außer Gedanken) zuschreiben, denn auch Tiere haben Gefühle wie z. B. Schmerzen, sie können riechen und sehen. Es gibt also das Bewusstsein, mentale Zustände, Ereignisse, die mentale Kausalität - wie entstand dieses Bewusstsein, welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Gehirn und dem Geist, dem Körper und der Seele? -3- b) Phänomenales Bewusstsein An das Bewusstsein lassen sich viele Fragen stellen. Wie steht es mit dem Verhältnis der jeweils bewussten Wirklichkeit zu der scheinbar tatsächlichen Wirklichkeit? Wie verhält es sich mit der Wirklichkeit des eigenen Bewusstseins zur Wirklichkeit anderer Bewusstseinssubjekte? Kann Bewusstsein physikalisch beschrieben und erklärt werden? Woher kommt es, wie entsteht Bewusstsein? Was macht die Empfindungen aus? Qualia- Ereignisse entsprechen einem ganz bestimmten Bewusstsein, dem sogenannten phänomenalen Bewusstein. Darunter versteht man eben Gefühle, Empfindungen, Stimmungen wie z. B. Liebe, Schmerz, Trauer, .. Im Lexikon wird phänomenal als „zur Welt der Erscheinungen gehörig, fabelhaft, großartig“ erklärt. Das Eindringen der Wissenschaften in diese Bereiche des Bewusstseins fällt daher auch außerordentlich schwer. Verschiedene Arten des Bewusstseins: Selbstbewusstsein als eine unklare Sache, als unmittelbares Wissen um die Identität des eigenen Subjekts und der Persönlichkeit in den verschiedenen Bewusstseinsabläufen. Manche Vertreter verstehen auch darunter die Vorstellung von der eigenen Person. Kognitives Bewusstsein ist das jederzeit abrufbare Wissen, das Bilden von Schlüssen, die Rechenfertigkeit, alles das, was man eben gelernt hat, was man kann. Phänomenales Bewusstsein ist jenes Bewusstsein, dass sich eben durch die Subjektivität von den anderen abhebt. Wenn ich den Geschmack von Schokolade erlebe, ist nicht die nervliche Reizung der Zunge, die wiederum ihre Ströme an das Gehirn leitet, ausschlaggebend, obwohl das Erleben dieses Zustandes doch etwas davon abhängt. Aber mit all diesen Strömen könnte nicht der süße Geschmack in Verbindung gebracht werden. Durch die wissenschaftliche Betrachtung können wir uns der Empfindung an sich nicht nähern. Die elektrische Reizung eines Neurons mag zwar das Empfinden einer Farbe hervorrufen, aber es hat nicht die Eigenschaft des Quale einer Farbe. -4- Gibt es für die Qualia eine physikalische Erklärung? Funktionalisten und die Anhänger des Physikalismus suchen nach einer naturalistischen Erklärung für das Vorhandensein von Qualia. Sie stellen sich die etwas andere Frage: Wie steht es im Bereich der Qualia mit den Zusammenhängen der Zustände und Ereignisse der physikalischen Welt? Wenn die Qualia, also das phänomenale Bewusstsein sich auf organischen Bahnen bewegt, müssten sich dafür doch Gesetze aufstellen lassen. Aus der Neuropsychologie weiß man, dass Qualia mit den Ereignissen im Nervensystem gesetzmäßig verknüpft sind. So taucht nun die Frage auf, ob ein Bewusstseinszustand mit einem Gehirnzustand ident sei. Identität von Gehirn- und Bewusstseinszustand Man nimmt also an, dass das Ereignis P mit einem bestimmten Qualia Ereignis Q in Verbindung gesetzt werden kann, so dass das Gesetz gilt: Immer wenn P dann auch Q. Daraus lässt sich ableiten, dass immer dann, wenn P auftritt auch Q dabei ist. Es ergibt sich also die Frage, ob P mit Q ident sei und Q auf P reduzierbar ist. Für den reduktiven Physikalismus eine auf physikalisch/biologische Naturerscheinung zurückführbares Phänomen. Wie man aus der Physik weiß, entspricht dieser Eigenschaftsdualismus, durch verschiedene Experimente bewiesen, der Realität. Als Beispiel sei hier die Erklärung für die Temperatur genannt: Temperatur ist Molekularbewegung, die auch tatsächlich physikalisch nachvollzogen und bewiesen werden kann. Diese Beweise können aber für die Existenz von Qualia nicht in dieser Anschaulichkeit geliefert werden. Den Dualisten fiel es immer schwer zu erklären, wie ein immaterieller Geist mit einer Materie eine wechselseitige Kausalbeziehung eingehen kann, wie es offenbar bei Wahrnehmungen und Handlungen passiert. Schmerzempfindungen stehen zwar in Verbindung zu auslösenden Ursachen, zu mentalen Zuständen und zum Verhalten. Dazu ergänzen sich aber auch noch Erlebnisqualitäten, die sogenannten intrinsischen Eigenschaften. -5- So haben sich in den letzten 3 Jahrzehnten die gemäßigten Physikalisten zu jener Erklärung durchringen können, dass zwar alle Dinge und Substanzen physikalisch/biologischer Natur sind, aber dass bei weitem nicht alle Vorkommnisse und Ereignisse in der Welt physikalisch/biologischer Natur sein müssen. Darunter versteht man eben die Qualia und man spricht von einem nichtreduktiven Monismus. Supervenienz der Qualia Viele dieser Physiker sehen in der Supervenienz der Qualia einen physikalischen Zusammenhang. Zwischen dem Erleben eines Quale und bestimmten physikalischen, physiologischen und neurobiologischen Prozessen, die man mit P bezeichnet, gibt es einen Zusammenhang. Darunter versteht man folgende Annahme: Bei gleichen physikalischen Zuständen sind auch die Qualia gleich, ohne dass die Umkehrung behauptet wird. Veränderungen im Physischen können ohne Veränderungen im mentalen Bereich erfolgen – man spricht von der Supervenienz der Qualia. Erleben ändert sich nur, wenn bei P eine Veränderung geschieht. Unterschiedliche Beziehungen zwischen Erleben und P, wobei P immer erforderlich ist. Aus dieser Erkenntnis kann man folgendes Gesetz ableiten: Immer wenn P dann Q, wobei P ein komplexes Ereignis darstellt und Q nicht mehr weiter bestimmt werden kann. Q ist von Natur aus so gegeben, es gibt subjektive Erlebnisse eines Organismus, die nicht mehr weiter erklärbar sind. Nimmt man als Beispiel den Zahnschmerz, so weiß man, dass Tausende Neuronenleitungen in Bewegung gesetzt werden. Im Organismus spielt sich eine Verkettung von Verbindungen und Leitungen im Bereich der Neuronen ab, die nicht alleine durch ihre Struktur, sondern auch durch den zeitlichen Ablauf gekennzeichnet werden muss. Auf der Strecke bleibt bei all diesen Vernetzungen der Neuronen das subjektive Gefühl, es würde nicht einmal die Verbindung vom Zahn = P und dem entsprechenden Schmerz = Q zu erkennen sein. Wie wäre da eine Identität von P und Q überhaupt möglich? -6- Äußere Vorgänge erfahren eine Reihe von Umwandlungen, ehe sie zu unserem Bewusstsein gelangen. Im Gehirn spielen sich eine ganze Menge von Zwischenvorgängen ab, bis letztlich unser Bewusstsein diese Empfindungen vermittelt. Qualia und phänomenales Bewusstsein lassen sich daher nicht auf physikalische Ereignisse reduzieren, wie sich immer mehr Philosophen seit den 70igern darauf einigen. 2. Wie lautet das Argument der vertauschten Qualia gegen den Funktionalismus? Wie versuchen die Funktionalisten, diesen Einwand abzuwehren? Was bedeutet Funktionalismus? Funktionalismus ist jene Anschauung, bei der geistige Zustände funktionale Zustände sind, sie sind durch Eingabe und Ausgabe und durch andere funktonale Zustände definierbar. Es könnte beim Funktionalismus der Verdacht bestehen, dass auf die eigene innere Erfahrung eines persönlich geistigen Zustandes vergessen wurde, beziehungsweise die Qualia einfach weggelassen werden. Wenn wir uns auf die Qualia zurückbesinnen, handelt es sich dabei um die Erfahrungen, wie von verschiedenen Personen die Welt persönlich erlebt wird, wie sich Situationen „anfühlen“. Das bewusste Bewusstsein verbunden mit dem geistigen Zustand. So könnte man sich die Frage stellen: Wäre es daher möglich, dass beim Sehen einer bestimmten Farbe auch ein bestimmtes Quale auftritt? Dann könnten doch zwei Personen funktionell identisch sein und doch andere Qualia besitzen? Hier taucht das Phänomen des Problems der vertauschen Qualia auf. Geht man von der Annahme aus, dass die Person Karl die Erfahrung X macht, wenn er etwas Rotes sieht und die Erfahrung Y, wenn er etwas Grünes sieht. Peter hingegen macht die Erfahrung X, wenn er etwas Grünes sieht und Y beim Anblick von etwas Rotem. Sowohl Karl als auch Peter werden mit dem Wort „rot“ rote Dinge und mit dem Wort „grün“ grüne Dinge verbinden, obwohl sie andere Erfahrungen mit diesen Farben verbinden. Für beide sind die gemachten Empfindungen von Bedeutung, auch wenn dies bei Karl den Roteindruck und bei Peter den Grüneindruck hinterlässt. -7- Wie soll nun der Funktionalismus auf das Problem der umgekehrten Qualia reagieren? Er bestreitet die Möglichkeit Für den Funktionalisten ist es ziemlich belanglos, ob mit dem mentalen Zustand überhaupt persönliche Eindrücke verbunden sind. Wichtig ist der Zustand, der die richtige kausale Empfindung bzw. Rolle innehat. Tomaten, Feuerwehrautos sind rot, Gurken sind grün – dass damit auch Eindrücke verbunden sein können, spielt für den Funktionalisten nicht wirklich eine Rolle. Wo wären denn diese Empfindungen beheimatet, wie kann man sie beweisen? Es würde auch schwer fallen, herauszufinden ob sie unterschiedliche Qualia hätten. Es würde keinen Sinn haben, Karl und Peter ihre Qualia beschreiben zu lassen. Karl wird X eine RotErfahrung nennen und Peter wird Y eine Rot-Erfahrung nennen, wenn etwas Rotes gezeigt wird. Und auf die Frage nach den gemachten Erfahrungen, würden beide sagen, dass sie eine Rot-Erfahrung gemacht haben, wenn auch die Qualitäten unterschiedlich sind. Denn auch für die beiden Personen selbst wird es schwer sein, festzustellen wie der Zusammenhang mentaler Zustand und kausale Rolle tatsächlich ist, da sie ihre Empfindungen nicht miteinander vergleichen können. Nicht die kausalen Rollen können für den mentalen Zustand entscheidend sein, es sind die persönlichen Empfindungen die damit verbunden sind. Diese wichtige Erkenntnis ist für die Funktionalisten belanglos. Zum Beispiel der philosophischen Zombies! Shoemaker erklärte, „dass die Beobachtung von Verhalten allein nicht ausreicht, wenn es darum geht, herauszufinden, was jemand fühlt.“1 Als reelles Beispiel sieht Shoemaker den Schauspieler, der vor Schmerzen geplagt auf der Bühne zusammenbricht, obwohl er selbst gar keine Schmerzen hat. Die Antwort darauf lautet: Introspektion. Obwohl der Schauspieler weiß, dass er keine Schmerzen hat, vermittelt er ein Verhalten, dass jeden Zuschauer von den Schmerzen überzeugt – er versetzt sich eben in diese Lage. Shoemaker möchte auf ein weiteres Problem aufmerksam machen. Wenn sich zwei Wesen ganz gleich verhalten, weil auch ihre Introspektion darauf eingestellt ist, Schmerz zu empfinden, kann man dann noch erkennen, ob eine dieser Personen tatsächlich von Schmerzen geplagt ist? So schreibt Beckermann: „Wenn zwei Wesen nicht nur in ihrem Verhalten übereinstimmen, sondern auch in allen Überzeugungen, die ihre eigenen mentalen Zustände und insbesondere 1 Beckermann: Analytische Einführung in die Philosophie des Geistes, S. 173 -8- ihre eigenen Empfindungen betreffen, gibt es also – zumindest epistemisch gesehen – keine Möglichkeit mehr, zwischen ihnen im Hinblich auf den qualitativen Charakter ihrer mentalen Zustände zu unterscheiden.“2 Nur gibt es tatsächlich solche Wesen, die nur durch Introspektion ein Verhalten erzeugen, dass gar nicht ihren eigenen Empfindungen entspricht? Ist es für einen mental gesunden Menschen möglich, sich selbst in eine solche Rolle zu versetzen, ohne dass er es selber weiß? Zu Recht meint Beckermann, ob eine solche Person nicht selber dann ein Zombie sei. Er lehnt die Qualia einfach ab Der Funktionalismus braucht sich nicht länger mit Qualia beschäftigen, sie sind für psychologische Erklärungen unwichtig. So könnte das Wort „Schmerz“ einfach als ein Name für eine bestimmte Art von Quale gedacht werden. Da es verschiedene Arten von Schmerzen gibt, muss das Verbindende eher etwas sein wie ihre funktionale Rolle, als irgendeine wesentliche Ähnlichkeit in ihrem qualitativen Charakter. Auch wenn der Funktionalismus auf Qualia verzichtet, so verzichtet er nicht auf Empfindungen wie Schmerz, Trauer, da diese nicht wegen ihres qualitativen Charakters definiert sind, sondern hinsichtlich ihrer funktionalen Rolle. 3. In welches Dilemma führte die Diskussion über die Qualia? Im Beispiel des Zahnschmerzes konnte man sehen, dass der Zahnschmerz, also ein psychisches Empfinden, das Verhalten beeinflusst, also eine Wirkung auf das Verhalten hervorruft. Die Ursache dieser Wirkung liegt im physischen Ereignis. Qualia sind jedoch nicht in die physikalischen Ereignisse einzuordnen und somit können sie scheinbar ja auch keine Wirkung auf das Verhalten haben. So klar die These von der Nicht-Reduzierbarkeit und die These von der Wirksamkeit der Qualia-Ereignisse in den vorausgegangenen Erklärungen aussah, so problematisch scheint die Vereinbarkeit zu sein. 2 Beckermann: Analytische Einführung in die Philosophie des Geistes, S. 173 -9- 4 Thesen sollen durch genauere Betrachtung Aufschluss geben! Nicht-Reduzierbarkeit Q-Ereignisse sind keine P-Ereignisse Wie schon erwähnt, können P und Q-Ereignisse nicht ident sein, weil bei der Vernetzung der Neuronen nie von Empfindungen und Gefühlen die Rede ist. Man spricht von einem grundlegenden Unterschied zwischen der psychischen Gefühlswelt und den physiologischen Ereignissen. Wirksamkeit des Bewusstseins Einige P-Ereignisse sind durch Q-Ereignisse verursacht Hier taucht die Frage auf, ob nicht doch Empfindungen, unangenehme Erlebnisse dazu führen, dass eben diese ein bestimmtes Verhalten verursachen. In der evolutionstheoretischen Überlegung könnte man auch eine Bestätigung bzw. Verstärkung der Wirksamkeitsthese finden: Qualia haben sich auch dahingehend entwickelt, bei Empfindungen das Verhalten des Individuums zu steuern, sonst wären sie ja nur wirkungslose Epiphänomene. Nur P-Ereignisse können P-Ereignisse verursachen Darunter versteht man die kausale Abgeschlossenheit der physikalischen Welt: alles was in einer physikalischen Welt passiert, muss physikalisch erklärbar sein. Wäre es möglich, wenn man diese These 3 aufgibt, dass nichtphysische QualiaEreignisse eine Wirkung auf die physikalische Welt haben könnten? Das würde bedeuten, dass eben diese nichtphysischen psychischen Zustände einer Person einen kausalen Effekt auf irgendwelche Neuronen des Nervensystems haben. Es würde also eine vollkommene andere Steuerung im Organismus erfolgen. Neuronen des Nervensystems würden somit nicht auf die bekannte Weise aktiviert, sondern sie würden durch psychische Zustände der Person in Bewegung gesetzt. Diese Lösungsweise wird daher in keiner Weise angestrebt. Um diese Problematik etwas in den Griff zu bekommen, versuchen die meisten Philosophen die Qualia zu naturalisieren, also so hin zu modellieren, dass sie in das physikalische Weltbild passen. Läuft dabei nicht die Gefahr mit, dass etwas nur aus dem Grund angepasst wird, dass es für den Physikalismus und Funktionalismus brauchbar wird? Wäre es nicht günstiger eine - 10 - gewisse Form der Wirksamkeitsannahme aufzugeben, um zu zeigen, dass auch darin die Existenz der Qualia aufgezeigt werden kann. These 4 Es ist unmöglich, dass ein P zugleich ein anderes P und ein Q als Ursache hat P geht mit Q einher und P bewirkt P’. So kommt es zur Frage, ob nur P alleine die Ursache von P’ sein kann, oder ob nicht auch Q, da es ja mit P einhergeht, die Ursache sein könnte. Nachdem aber schon aufgezeigt wurde, dass P und Q nicht ident sind, kann Q zunächst nicht der Verursacher von P’ sein. Wie ist es aber, wenn P’ zwei verschiedene Ursachen haben könnte? Nach der Kausalitätsauffassung von David Hume folgt, dass es ein Gesetz gibt: Immer wenn A dann B. A und B sind Einzelvorkommnisse und beide ereignen sich zusammenhängend. So folgt aus dieser Erkenntnis, dass P die Ursache von P’ ist, P ist wiederum verbunden mit Q, wobei Q als Zustand gesehen wird, der auftritt, wenn P aktiviert wird. Wenn also P’ auf P folgt, muss natürlicher Weise auch P’ auf Q folgen. Was ist aber jetzt die wahre Ursache von P’ – kann Q das überhaupt sein, wenn es nur in Verbindung mit P auftritt? Außerdem wird Q erst in Verbindung mit P aktiv – wo befindet sich dieses Q ohne dem P? Q-Ereignisse werden als Begleitphänomene von P-Ereignissen angesehen, beide sind aber nicht ident. Gehirnereignisse verknüpfen sich mit Gefühlen wie eben Schmerzen, Freude, Trauer,... und können, da diese gleichzeitig mit dem P-Ereignis auftreten, als Ursache gesehen werden. Als Beispiel zu These 4: Frage: Ziehe ich meine Hand von einer heißen Herdplatte auch zurück, wenn ich keinen Schmerz empfinden würde? - 11 - Dadurch, dass P gemeinsam mit Q auftritt und diese in der Folge P’ bewirken, wäre dann beim Fehlen von Q auch P nicht die Ursache von P’? Das Fehlen der Gefühle, der subjektiven Empfindungen ist für uns gesunde Menschen unmöglich und unvorstellbar. Dieses persönliche Empfinden steuert unser Verhalten. Es besteht somit eine Verbindung von physischen - unseren gesamten Körper = Organismus betreffend und den psychischen Reaktionen. Für mich taucht hier die Frage auf, warum P und Q als getrennte Phänomene gesehen werden müssen, wenn sie ja sowieso immer gemeinsam auftreten. Denn wenn mit P auch immer das Q auftritt und beide P’ verursachen, kann doch P ohne Q gar nicht auftreten, außer es würden die Qualia negiert. Dennoch scheint mir diese These 4 realistischer als die 3 vorangegangenen. P das bestimmte Q hervorruft, je nach den persönlichen Empfindungen, bewirkt ein P’. Das Verhalten von Menschen würde meiner Meinung nach sicherlich anders sein, wenn Q wegfallen würde – niemand zieht die Hand von einer heißen Herdplatte weg, wenn er keinen Schmerz empfinden würde. Oft versuchen Menschen ihre Empfindungen bis aufs äußerste zu provozieren – ich meine hier die Extremabenteurer. Aber passiert hier nicht auch folgendes: Durch erlebte Erfolge werden Extremsituationen noch mehr herausgefordert. Spielen hier nicht auch die Qualia, die eben erlebte Situation, die erfolgreich beendet wurde, die entscheidende Rolle, dass „weitergemacht“ wird? Ich kann aber immer nur eine Verbindung von P und Q erkennen und beide bewirken gemeinsam ein P’. Somit glaube ich, dass das gemeinsame Auftreten von P und Q P’ bewirkt, dabei sind P und Q nicht ident und sie kommen auch nicht getrennt vor. Eigene Interpretation Die Rätselhaftigkeit unseres Bewusstseins hat schon sehr lange die Wissenschaft beschäftigt. Immer wieder wird versucht, in die Welt der Psyche, der Seele, des Geistes vorzudringen und deren Existenz einerseits zu beweisen und andererseits die geheimen Bahnen zu erforschen. Außerdem tauchten und tauchen immer wieder unterschiedliche Fragen auf: Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, das Rätsel des Bewusstseins zu lösen? Worin besteht dieses Rätsel überhaupt? Welche Rolle spielt das Bewusstsein in unserem Denken über uns selbst und die Welt? - 12 - Wie ich schon erwähnt habe, ist das Bewusstsein im Bereich der kognitiven Fähigkeiten leichter durchschaubar als der Bereich des phänomenalen Bewusstseins. Kognitives Bewusstsein, wie es sich im Wissen der Außenwelt zeigt, wie zum Beispiel Umweltbewusstsein, reflexives Wissen in Form von Erinnerungen, angemessenes Verhalten aus einem inneren Antrieb,... kann immer genauer und tiefer ergründet werden. Große Rätsel bereitet aber nach wie vor dieses phänomenale Bewusstsein. Dazu gehören die Sinnes- und Körperempfindungen, Emotionen, Stimmungen,... Als weiterer Faktor gilt die eigene Erfahrung, sich selbst als handelndes Subjekt zu erleben. Warum empfinden wird Schmerzen, wie schaut es mit dem Gefühl der Angst bei unterschiedlichen Personen aus – nicht alle Menschen empfinden gleich. Warum ist ein bestimmtes Erregungsmuster im visuellen Anblick für eine rote Farbe relevant? Alle Menschen sehen das Rot einer Tomate, aber die Empfindungen, das Anfühlen ist unterschiedlich, abhängig von den individuellen Erlebnissen. Durch das Messen von Gehirnströmungen können zwar viele Zusammenhänge erkannt werden, zum Beispiel Alpha-Wellen bedeuten entspannten Wachzustand, Beta-Wellen hingegen zeigen die geistigen Aktivitäten. Die Meinungen der Materialisten aber, dass sich das Bewusstsein auf Gehirnvorgänge reduzieren lässt, konnte und kann sich nicht halten. Viele aufgestellte Thesen können alleine sehr plausibel erscheinen, aber bei ihrer Vereinigung stoßen sie auf Widersprüche, wie ich im Verlauf meiner Erkundungen erfahren konnte. Ich finde es sehr wichtig und interessant, wie sich die Philosophie, die Funktionalisten und der Physikalismus mit diesem Thema auseinandersetzen. Nur wie wäre es, wenn dieses phänomenale Bewusstsein, die Qualia direkt beeinflusst werden könnten? Wenn menschliches Bewusstsein technisch verfügbar werden würde, subjektives Erleben beeinflusst und effektiv manipuliert werden könnte? Entsteht dann eine neue Bewusstseinskultur oder ist so etwas schon im Anmarsch? Immer wieder stellen sich weitere Fragen: Wie werden die neuen Techniken auf das Bewusstsein wirken, etwa der PC, wie wirkt sich das auf die Aufmerksamkeitsleistung aus? Wäre es tatsächlich von Vorteil, wenn die Wissenschaft herausfindet, auf welche Weise Gehirnvorgänge, Bewusstsein und unser subjektives Erleben passiert? Würde nicht die große Gefahr darin stecken, wenn künstliches Bewusstsein erzeugt werden könnte, dass es nur mehr autogene kognitive Roboter gäbe? - 13 - Wichtig wird für uns Menschen, die Übernahme der Verantwortung für das eigene Leben, um mit den Errungenschaften und Erkenntnissen der physischen Welt richtig umzugehen. Die Subjektivitätserlebnisse und –empfindungen in Einklang mit einer technisierten Welt zu bringen, sich davon nicht erdrücken zu lassen und eine Spur Individualität im Innersten unserer Seele zu behalten, ist meiner Meinung nach ein wichtiger Faktor. So glaube ich, dass das Geheimnis um die Qualia von vielen Seiten betrachtet werden sollte, und dabei sehr interessante Einsichten gewonnen werden können. Aber ist es nicht spannender, immer wieder neuer Erkenntnisse und Entdeckungen in unserer Psyche zu machen als künstliches Bewusstsein voranzutreiben? So möchte ich zum Schluss meine Arbeit mit Ciceros Gedanken beenden, er hat Philosophie als die „Pflege der Seele“ gesehen. - 14 - die Literaturliste Beckermann, Ansgar: Analytische Einführung in die Philosophie des Geistes, Berlin 1999, S. 168-174 http://www. http://www.iwp.uni-linz.ac.at/iwp/gadenne/dokss02/QualiaBegriff_.pdf, downloaded am 20.5.2002 http://www. http://www.iwp.uni-linz.ac.at/iwp/gadenne/dokss02/QualiaProblematik_.pdf, downloaded am 15.6.2002 http://www. http://www.math.tu-berlin.de/~sverdlov/g...ist/bewusst.htm, downloaded am 20.5.2002 - 15 -