GESUNDHEIT BHV1-Sanierung: Die Gangart wird schärfer Die BHV1-Sanierung wird verschärft. Jetzt kommen Impfpflicht für Reagenten, Keulung und Handelsbeschränkungen. S eit 1997 ist BHV1 eine anzeigepflichtige, staatlich zu bekämpfende Tierseuche. Aus der anfänglichen „Handelsverordnung“ wurde im Jahr 2001 eine „Bekämpfungsverordnung“, die eine flächendeckende Sanierung vorschreibt. In diesem Jahr wurde das Bekämpfungsprogramm nach Artikel 9 der EU-Richtlinie 64/432/EWG anerkannt und somit können zusätzliche Garantien beim Import von Rindern aus nicht BHV1-freien Regionen verlangt werden. BHV1-frei sind bereits die Schweiz, Österreich, Dänemark, Schweden, Finnland und die autonome Republik Bozen. Exportorientierte Länder wie Holland und Frankreich hinken in der Sanierung weit hinterher. Übersicht 1: Stand der BHV1-Bekämpfung in den Milch- und Mutterkuhbeständen untersuchte Bestände BHV1-freie Bestände 69,4 % untersuchte Rinder in BHV1-freien Beständen 56,4 % 20,5 % 10,4 % Bestände in Sanierung sonstige Bestände 5,9 % in sonstigen Beständen Quelle: J. Teuffert, FLI Wusterhausen Bundesweit waren Ende 2003 fast 70 % der Bestände BHV1-frei. R 24 top agrar 12/2004 37,7 % in Sanierungsbeständen Stand: 31.12.2003 Grafiken: Breithaupt Die neue BHV1-Verordnung könnte zu erhebliche Einschränkungen im innerdeutschen Viehhandel führen. Auch innerhalb von Deutschland sind die Fortschritte unterschiedlich. Das liegt daran, dass die Ausgangssituationen beim Einstieg in die Sanierung unterschiedlich waren und die Bundesländer bei der Umsetzung der Verordnung einen großen Spielraum haben. Fast 70 % der Bestände sind BHV1-frei Die Bundesländer müssen halbjährlich über die Entwicklung bei der BHV1Bekämpfung eine Meldung machen. Danach waren bis Ende 2003 fast 70% der Bestände und mindestens 56 % der Rinder BHV1-frei. Das sind 18 % mehr BHV1-freie Bestände als noch Mitte des R I N D Übersicht 2: Stand der BHV1-Bekämpfung in den einzelnen Bundesländern 40,4 50,6 9,0 56,8 39,5 SchleswigHolstein 3,7 Mecklenburg-Vorpommern 58,3 Niedersachsen 32,1 80,9 52,9 41,5 9,1 48,6 29,1 NordrheinWestfalen 22,3 74,6 SachsenAnhalt 56,8 25,7 27,1 29,6 7,4 45,7 Brandenburg 0 43,3 RheinlandPfalz 5,6 19,0 70,9 Sachsen 17,5 17,9 15,3 13,7 Thüringen Passende Impfkonzepte wählen Hessen 27,2 27,0 Saarland BHV1-Bekämpfung in % 91,0 63,0 BHV1-freie Bestände Bestände in Sanierung sonstige Bestände 15,3 21,5 8,6 BadenWürttemberg Bayern 0 Anmerkung: Differenzen zu 100 % sind Bestände mit Neuerkrankungen Stand: 31.12.2003 Quelle: J. Teuffert, FLI Wusterhausen Besonders in den westlichen und nördlichen Bundesländern hinkt die BHV1-Sanierung hinterher. Bayern und Sachsen-Anhalt nehmen die Spitzenplätze ein. Jahres 2002 gemeldet wurden. Weitere 20 % der Bestände befinden sich in der Sanierung. Sie führen ein Impfprogramm sowie die vorgeschriebenen Kontrolluntersuchungen und/oder Selektionsmaßmahmen durch. Die restlichen 10 % der Bestände sind sonstige nicht BHV1-freie Bestände. Dies bedeutet, dass in diesen Herden bisher keine zielgerichteten Bekämpfungsmaßnahmen gegen BHV1 durchgeführt wurden. Ein Blick auf die Karte macht deutlich, dass es große regionale Unterschiede gibt. Vor allem in Bayern ist die Sanierung weit fortgeschritten. Das liegt daran, dass dort schon seit längerem unter großem finanziellem Aufwand mit dem Ziel der BHV1-Freiheit saniert wird. Alle Rinderhalter, mit Ausnahme der Mastbestände, sind zur Teilnahme verpflichtet. Die Kosten werden vom Land und der Tierseuchenkasse getragen. Für die Merzung von Sanierung eingestiegen. Der Anteil BHV1-freier Betriebe lag zum 31.12.2003 im Landesdurchschnitt nur bei 40,4 %, in den westlichen Landkreisen sogar bei unter 20 %. Der relativ große Anteil von Betrieben in der Kategorie sonstige nicht BHV1freie Bestände weist darauf hin, dass die BHV1-Bekämpfung besonders in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland intensiviert werden muss, so Jürgen Teuffert, der am Friedrich-LoefflerInstitut in Wusterhausen die bundesweite BHV1-Erhebung begleitet. Die drei Bundesländer galten lange als Gegner einer obligatorischen BHV1-Bekämpfung und haben auf freiwillige Teilnahme am Verfahren gesetzt. Es haben aber nur sehr wenige Betriebe an der freiwilligen Sanierung teilgenommen, zumal der größte Teil der Kosten von den Landwirten übernommen werden muss. Diese Bundesländer müssen, besonders nach der Zuerkennung des Artikel-9-Status, erhöhte Anstrengungen unternehmen. Reagenten wird derzeit eine Entschädigung von 200 E/Tier gewährt, wenn der Betrieb dadurch BHV1-frei wird. In Sachsen und Sachsen-Anhalt ist die Situation ähnlich. Im Gegensatz zu Bayern werden aber hier auch die BHV1freien Herden unter Impfschutz gestellt. Dies geschieht, um die großen Bestände vor Reinfektionen zu schützen. Wegen der großen Bestände in den ostdeutschen Bundesländern ist dort besonders der Anteil der Rinder, die in Sanierungbeständen stehen, sehr hoch. So waren zum Erhebungszeitpunkt 2003 in Mecklenburg-Vorpommern 56,8 % der Bestände und 84,3 % der Tiere in Sanierung. In Schleswig-Holstein ist der hohe Anteil der Sanierungsbetriebe auf die Weidehaltung, besonders im Westteil des Landes, zurückzuführen. Die Schleswig-Holsteiner sind erst nach 2002 ernsthaft in die Für den Einstieg in die BHV1-Sanierung sollte zu Beginn gemeinsam mit dem Betreuungstierarzt und der zuständigen Veterinärbehörde ein Konzept festgelegt werden. Ist der Infektionsdruck in einer Region hoch (z. B. im Westen SchleswigHolsteins oder dem viehstarken Landkreis Bitburg/Prüm in Rheinland-Pfalz) oder sind die Herden sehr groß (z. B. in Ostdeutschland), sollte der gesamte Bestand geimpft werden. In Regionen mit geringerer Viehdichte (z. B. in vielen Landkreisen Nordrhein-Westfalens und Baden-Württembergs) kann es ausreichend sein, die Reagenten unter Impfschutz zu stellen. Die Grundimmunisierung erfolgt in der Regel durch Marker-Lebendimpfstoffe nach Angaben des Impfstoffherstellers. Lebendimpfstoffe sollten bevorzugt auch für die weiteren Impfungen von BHV1-negativen Tieren gewählt werden, da dies die Tiere ausreichend schützt. Marker-Totimpfstoffe eignen sich bevorzugt zur Boosterimpfung von Reagenten, da sie diese vor einer Virusausscheidung besser schützen. Wenn eine differenzierte Impfung von Reagenten und freien Tieren im Bestand nicht praktikabel ist, kann auch, wie in Sachsen-Anhalt, die gesamte Herde mit Lebendimpfstoff geimpft werden. Generell sollte bei der Impfung mit Einmalbesteck gearbeitet werden oder ein eigenes Impfbesteck nur für BHV1 angelegt werden. Sinnvoll und hilfreich für die weitere Impfung und Probenahme ist es, die Reagenten in einer Herde durch top agrar 12/2004 R 25 GESUNDHEIT Große Unsicherheit in Schleswig-Holstein D er Westen Schleswig-Holsteins mit seinen traditionellen Weidemastgebieten tut sich besonders schwer mit der BHV1-Bekämpfung. Dort beträgt der Anteil BHV1-freie Betriebe weniger als 12 %. Mit diesem Problem kämpft auch Karsten Lindemann aus Nordhastedt. Seit vier Jahren impft er seine 85 Milchkühe und seine weibliche Nachzucht gegen BHV1. Die Bullenmast wurde vor einem Jahr aufgegeben. Er ist ein reiner BHV1Impfbetrieb. Wie viele Reagenten er in seiner Herde hat, weiß Lindemann nicht. Das Impfkonzept wurde gemeinsam mit seinem Tierarzt Dr. Klaus Gouverneur erstellt. Alle Tiere werden mit einem Lebendimpfstoff einmal grundimmunisiert. Dr. Gouverneur hat zwar mit der zweimaligen Grundimmunisierung im Abstand von vier Wochen bessere Erfahrungen gemacht. Aus Kostengründen führt er diese Impfung aber nur noch einmal durch. Die Nachimpfungen erfolgen alle sechs Monate mit einem Totimpfstoff. spezielle Ohrmarken zu kennzeichnen. Ziel der Impfung ist es, den Anteil von Tieren mit BHV1-Feldvirus zu reduzieren und die Ausbreitung zwischen Tieren und Beständen einzudämmen. Durch regelmäßige Untersuchungen muss festgestellt werden, welche Tiere Reagenten sind. Der BHV1-Experte Dr. Martin Beer R 26 top agrar 12/2004 Landwirt Lindemann verkauft bisher nur weibliche Tiere an andere Impfbetriebe. Damit er dies auch zukünftig kann, muss er den BHV1-Status seiner Tiere kennen. Denn Reagenten dürfen nicht in andere Betriebe verbracht werden. Hier sieht Lindemann finanzielle Einbußen auf sich zukommen. Landwirt Lindemann und sein Tierarzt Klaus Gouverneur (l.) wissen nicht, wie viele Reagenten in der Herde sind. Fotos: agrarfoto, Wattendorf-Moser vom Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems empfiehlt, wenn weniger als 5 bis 10 % Feldvirusträger in der Herde sind, diese möglichst schnell auszuselektieren. „Generell muss gelten, dass die Merzung von Reagenten, insbesondere wenn nur noch wenige solcher Tiere im Bestand stehen, allen anderen Maßnah- men vorzuziehen ist“, so Dr. Beer. Der Schutz BHV1-freier Betriebe, aber auch von Sanierungsbetrieben, stellt hohe Anforderungen an das Hygienemanagement. Hier ist in vielen rinderhaltenden Betrieben ein Umdenken dringend erforderlich. Eine Reinfektion bedeutet erhebliche finanzielle Aufwendungen durch Untersuchungen und gegebenfalls Impfungen. Auch die Handelsvorteile können dann eventuell über Jahre nicht mehr genutzt werden. Der Zutritt zum Stall sollte für Fremdpersonen nur in betriebseigener Schutzkleidung erfolgen. Auch im Betriebsablauf gilt es Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Abkalbeboxen sollten zwar Sichtkontakt zu den Kühen gewährleisten, zu Rindern darf aber kein direkter Kontakt bestehen. Die Boxen müssen nach jeder Abkalbung gereinigt und desinfiziert werden. In Sanierungsbetrieben sollten BHV1positive Tiere während des Abkalbens streng von negativen Tieren getrennt werden, da in dieser Phase die Infektionsgefahr besonders hoch ist. Ein Austausch von Futterresten zwischen Rindern und Kühen sollte unterbleiben. Verordnung wird verschärft Im November 2004 wurde die BHV1Verordnung verschärft. Sie bietet Betrieben beim Viehzukauf bessere Schutzmöglichkeiten. So wird es zukünftig möglich sein, bei BHV1-freien Zukaufstieren zu unterscheiden, ob sie aus einem Impfbestand kommen, oder aus einem freien Bestand, der nicht unter Impfschutz steht. In der neuen Verordnung wird klargestellt, dass sich die Aufrechterhaltung der R I N D BHV1-Freiheit durch die Untersuchung von Tankmilchproben nur auf Milchviehhaltende Betriebe bezieht. Für Bestände mit einem Anteil von weniger als 30 % Kühen am Gesamtrinderbestand greift die Untersuchungspflicht für alle über neun Monate alten Zucht- und Nutzrinder. Es wird also in Zukunft für Mastbetriebe nicht mehr möglich sein, mit einer „Alibikuh“ den freien Status zu erreichen. Für Mäster empfielt sich, die Grundimmunisierung ihrer Tiere im frühen Masttieralter, also bei der Einstallung vorzunehmen. Eine Nachimpfung sechs Monate nach der Grundimmunisierung bietet Rindern, die ausschließlich in Stallhaltung gemästet und anschließend zur Schlachtung abgegeben werden, einen ausreichenden Schutz. Die serologische Untersuchung solcher Tiere und weitere Nachimpfungen können aus Arbeitsschutzgründen unterbleiben. Merzung der Reagenten wird angeordnet Die Bundesrepublik Deutschland hat in der BHV1-Sanierung den Status eines „Sanierungsgebietes“ innerhalb der EU zuerkannt bekommen. Erklärtes Ziel ist aber die vollständige BHV1-Freiheit, um die damit verbundenen Handelsvorteile nutzen zu können. Besonders energisch gehen die Bayern voran. Im Regierungsbezirk Oberpfalz sind 97 % der Betriebe bereits BHV1-frei. Um diese zu schützen und die vollständige BHV1-Freiheit der Region zu erreichen, wird die Merzung der restlichen Reagenten von den zuständigen Behörden angeordnet. Die Tierseuchenkasse zahlt dafür eine Entschädigung. Nach Angaben des Bayerischen Staatsministeriums wird derzeit begonnen, alle Reagenten in der HI-Tier Datenbank zu kennzeichnen. Der Druck auf Betriebe, die mit der Sanierung zögern, wächst aber auch in anderen Regionen. In Sachsen-Anhalt steht der Ausstieg aus der flächende- ckenden Impfung unmittelbar bevor. Die Zuschüsse für Impfstoffe werden ab 2005 gestrichen. Diesem Ausstieg kommt für die ostdeutschen Bundesländer mit hohem Impfstoffeinsatz Pilotcharakter zu. Um die Betriebe vor einer Reinfektion zu schützen, sind begleitende Maßnahmen geplant. Besonders die Betriebshygiene und die Laboruntersuchungen sollen verbessert werden. In Niedersachsen wird über die Staffelung des Beitrags zur Tierseuchenkasse finanzieller Druck auf die Betriebe ausgeübt. So werden BHV1-freie Betriebe, Impfbetriebe ohne Reagenten und geimpfte Mastbetriebe den günstigeren Beitrag erhalten. Die Beitragsdifferenz liegt bei 30 %, maximal aber bei 3 E/Tier. In den Bundesländern Saarland, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist grundsätzlich keine Änderung der Sanierungskonzepte geplant. Hier besteht in der Sanierung aber der größte Nachholbedarf. Den Landwirten kommt dort bei der Durchführung der BHV1-Bekämpfung eine große Eigenverantwortung zu. Im Gegensatz zu Bayern oder Sachsen-Anhalt, wo das Land die Sanierung wesentlich stärker steuert und vorantreibt, müssen in diesen Regionen die Landwirte selbst entscheiden, mit welcher Intensität sie sanieren. Dass geimpft werden muss, ergibt sich aus der Bundesverordnung. Die Kosten für Impfungen und die möglichen Handelsbeschränkungen für nicht BHV1-freie Betrieb zwingen die Betriebe aber zum Handeln. Innerdeutsche HandelsBeschränkungen drohen Laut Dr. Beer ist in naher Zukunft mit erheblichen innerdeutschen Handelseinschränkungen zu rechnen, wenn die derzeit noch stark durchseuchten Bundesländer nicht „aufholen“. In einigen Regionen Bayerns können Rinder aus nicht anerkannt BHV1-freien Gebieten schon jetzt nur unter strengen Auflagen eingeführt werden. F. Wattendorf-Moser Übers. 3: Marktübersicht Impfstoffe gegen BHV1 Handelsname Bovilis IBR Marker Ibraxion Rhinobovin Marker inaktiviert Rhinobovin Marker lebend Riemser IBR/IPV-Vakzine Rispoval IBR-Marker vivum Rispoval IBR-Marker inactivatum Firma Intervet Merial Intervet Intervet Riemser Arzneimittel Pfizer Pfizer Art des Impfstoffs Marker-Lebendimpfstoff Marker-Totimpfstoff Marker-Totimpfstoff Marker-Lebendimpfstoff Lebendimpfstoff Marker-Lebendimpfstoff Marker-Totimpfstoff Stand: 31.10.2004 top agrar 12/2004 R 27