3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit 3.2.15 Seltenere zeckenübertragene Infektionen in Mitteleuropa: Q-Fieber, Rickettsiosen, Anaplasmose, Babesiosen Peter Kimmig, Kathrin Hartelt, Silvia Pluta, Rainer Oehme & Ute Mackenstedt Seltenere zeckenübertragene Infektionen in Mitteleuropa: Q-Fieber, Rickettsiosen, Anaplasmose, Babesiose: Zecken-übertragene Erkrankungen wie die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und die Lyme-Borreliose sind seit vielen Jahren in Deutschland allgemein bekannt. Neuere Untersuchungen haben jetzt aber Erkenntnisse über weitere Zecken-übertragene Erreger erbracht. Dazu gehören Coxiella burnetii, der Erreger des Q-Fiebers, einer mit Pneumonie und Hepatitis einhergehenden Infektion, verschiedene Rickettsienarten – die Verursacher von Zeckenstichfiebern – Anaplasma (früher Ehrlichia) phagocytophilum, Auslöser der granulocytären Anaplasmose sowie Babesien, einzellige Parasiten, die eine malariaähnliche Erkrankung verursachen können. Es ist zu erwarten, dass die globale Klimaveränderung auch das Auftreten und Wiederauftreten von Arthropoden assoziierten Erkrankungen beeinflussen wird. Die Kenntnis der Prävalenz von Infektionserregern in Zecken und Reservoirwirten ist daher eine wesentliche Voraussetzung zur Kontrolle humaner Erkrankungen. Uncommon tick- borne infections in middle Europe: Tick transmitted diseases like tick-borne encephalitis (TBE) and Lyme Borreliosis have been well known in Germany for decades. Ongoing research now gives new insights into further tick-borne microorganisms. Among these are Coxiella burnetii which can cause Q-fever, an infection with pneumonia and hepatitis, different rickettsiae, the causative agents of spotted fevers, Anaplasma (formerly Ehrlichia) phagocytophilum which can lead to the granulocytic anaplasmosis and species of Babesia, the causative agents of babesioses, malaria-like diseases. Global climate changes may influence the emergence and re-emergence of arthropod borne diseases. Therefore the knowledge about the prevalence of infectious agents in ticks and their reservoir hosts is an important prerequisite for risk assessment of human diseases. I n Mitteleuropa spielen die Borreliose und die FSME die mit Abstand bedeutendste Rolle unter den zecken­ übertragenen Infektionen. Indessen sind hier in den letzten Jahren noch weitere Infektionserreger in Zecken nachgewiesen worden, bei denen die Rolle der Zecken bzw. der Erreger als Krankheitsverursacher allerdings noch nicht ausreichend geklärt ist. An erster Stelle ist hier das Q-Fieber zu nennen, dazu kommen Rickettsio­ sen, die Anaplasmose und Babesiosen. Q-Fieber (Krimfieber, Balkangrippe) Erreger Bei dem Erreger des Q-Fiebers Coxiella burnetii (nach den Erstbeschreibern Cox, USA und Burnet, Aus­ tralien) handelt es sich um ein obligat intrazelluläres Bakterium. Als spezifische Wirtszellen fungieren beim Menschen Makrophagen, in denen sich die Coxiellen dank verschiedener Evasionsmechanismen weiter ver­ mehren können. C. burnetii weist Ähnlichkeiten zu den Rickettsien auf, denen es lange zugeordnet wurde. Wei­ tere Parallelen bestehen zu gramnegativen Bakterien, da Coxiellen ebenfalls eine äußere LipopolysacharidMembran (LPS) besitzen. Veränderungen der LPS sind die Grundlage eines für die serologische Diagnostik bedeutsamen Phasenwechsels. Aufgrund von molekularbiologischen Analysen werden Coxiellen heute jedoch in die Nähe der Legio­ nellen gestellt, C. burnetii stellt die einzige Spezies in der Familie der Coxiellaceae dar. Ungeachtet der sys­ tematischen Zuordnung weist C. burnetii jedoch eine artspezifische biologische Besonderheit auf – die Aus­ bildung von 2 verschiedenen Erscheinungsformen: Die vegetative intrazelluläre Form, auch als LCV (large cell variant) bezeichnet, entspricht weitgehend sonstigen gramnegativen Bakterien; sie weist nur eine geringe Widerstandsfähigkeit an der Außenwelt auf. Bei schlechter werdenden Verhältnissen, etwa beim Eintrocknen des Materials können die vegetativen Zellen am Polende jedoch sporenähnliche Körperchen (SCV, small cell variant) absprossen, die über Monate in der Umwelt überleben und bei heißem trockenem Klima über den Staub zu Infektionen führen können (Maurin & Raoult 1999, Bauerfeind et al. 2013) Krankheitsbild Nach aerogener oder alimentärer Aufnahme (s.u.) ge­ langen die Coxiellen über Lymph-und Blutbahnen in die Makrophagen des retikuloendothelialen Systems. Q-Fieber-Infektionen führen -in Abhängigkeit von der Infektionsdosis- zu subklinischen, akuten oder chronischen Verläufen. Ca. 60% der Infektionen ver­ laufen unbemerkt. In anderen Fällen kommt es nach einer Inkubationszeit von 1–4 Wochen zur Generalisa­ tionsphase mit Bakteriämie, die sich in einem Sommer­ grippen-artigen Krankheitsbild mit Fieber, Schüttel­ frost, Mattigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen sowie heftigen Retroorbitalschmerzen äußert, eine Sympto­ matik, auf die der Name Balkangrippe oder Krimfieber Bezug nimmt. Nur in ca 10% der akuten Erkrankungen kommt es anschließend zu einer Organmanifestion, die sich 3.2.15 Kimmig et al. am häufigsten in Form einer atypischen, interstitiellen Pneumonie und/oder einer granulomatösen Hepatitis äußert. Als lebensbedrohende Komplikationen können – allerdings sehr viel seltener – eine Meningoenzephali­ tis, Myokarditis und Perikarditis auftreten. Am gefürch­ tetsten ist jedoch die Entwicklung eines chronischen QFiebers, dies manifestiert sich klinisch in erster Linie als Endokarditis mit Befall v.a. der Mitral- und Aorten­ klappen und/oder als chronische granulomatöse Hepa­ titis. Dies kommt im Normalfall jedoch nur in 1–5% der Erkrankungen vor (Maurin & Raoult 1999). Ein großes Problem stellen Q-Fieber-Infektionen indessen für spezielle Risikogruppen dar – Herzklap­ pen Patienten und v. a. Schwangere. Bei Schwangeren kommt es durch das Q-Fieber zu Fehlgeburten und Frühgeburten, Missbildungen sind jedoch nicht bekannt. Schwangere sind aufgrund der physiologischerweise verminderten Immunantwort besonders infektionsge­ fährdet. Vor allem aber entwickelt sich bei einer Q-Fie­ ber-Infektion in der Schwangerschaft mit 30–50%iger Wahrscheinlichkeit ein chronisches Q-Fieber, das ohne Behandlung weitere Fehlgeburten zur Folge hat. Auch bei Herzklappenpatienten besteht eine erhöhte Gefahr der Chronifizierung (Raoult et al. 2002). Übertragung Die beiden morphologischen Erscheinungsformen von C. burnetii – LCV und SCV – sind die Grundlage der außerordentlich komplexen Infektionswege und des breiten Wirtsspektrums, das Zecken, Nager, Wild, Vö­ gel und – epidemiologisch besonders bedeutsam – die meisten Haustiere umfasst (Kimmig 2010). Weltweit kommen über 40 Zeckenarten als Über­ träger in Frage, in Deutschland ist es v.a. die Schafze­ cke, Dermacentor marginatus (Abb. 3.2.15-1). Für Mit­ teleuropa hat Liebisch (1977) ein Übertragungsmodell postuliert, das auf der Entwicklung von Naturherden fußt: Zwischen den Larven und Nymphen von D. marginatus und deren Wirtstieren, Nagern, Igeln, Hasen u.a. soll sich ein basaler Naturherd bilden, der Erreger, Reservoir, Überträger und Wirte umfasst. Zweimal im Jahr, im März/April sowie August/September kommt es zu einer Erweiterung des Wirtsspektrums. Zu dieser Zeit treten nämlich die adulten Zecken auf, die größere Wirtstiere benötigen; neben Rehen und Hirschen sind dies v.a. Haustiere wie Schafe und Ziegen. Die Zecken bleiben lebenslang infiziert, die Erreger können auch transovariell auf die Nachkommenschaft übertragen werden. Coxiellen können sich im Zeckendarm stark Abb. 3.2.15-1: Weibchen von Dermacentor spec. (li) und Ixodes spec.(re). Dermacentor-Zecken sind anhand von Größe und Aussehen deutlich von Ixodes zu unterscheiden. Dermacentor marginatus stellt in Mitteleuropa den wichtigsten Überträger des Q-Fiebers dar. Foto: Bechtel, Heidelberg. 3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit vermehren, Zeckenkot kann bis 100 Mio infektiöse Einheiten/Gramm enthalten. Im trockenen Kot, der bei Dermacentor in großen Mengen abgegeben wird, blei­ ben die Erreger in Form der sporenähnlichen Körper­ chen bei durchschnittlichen Temperaturen mindestens 1 Jahr infektionsfähig und können dann auf aerogenem Weg weiterverbreitet werden. Durch neuere Untersuchungen sind diese zentrale Stellung von Zecken und die Bedeutung von Natur­ herden für die Epidemiologie des Q-Fiebers relativiert worden (s.u.). Aerogene Infektion durch Tiere: Als primäre In­ fektionsquellen für Tier und Mensch sind infizierte Haustiere anzusehen, dies erklärt das Auftreten von QFieber-Epidemien auch in Dermacentor – freien Gebie­ ten (s.u.) Bei Haustieren – Schafe Ziegen, Rinder – die i.d.R. aerogen infiziert werden, verläuft die Infektion meist inapparent, die Erreger können jedoch mit Kot und Urin, alerdings in geringen Mengen. ausgeschieden werden. Kommt es durch die Coxiellen jedoch zu einer Infektion des trächtigen Uterus, kann es in der Folge zu Fehl- und Totgeburten kommen (Dedié et al. 1993). Fruchtwasser, Nachgeburten und Lochial­flüssigkeiten enthalten dann massenhaft Erreger und sind extrem kontagiös; sie können bei direktem Kontakt etwa bei Tierhaltern und Tierärzten zur Infektion führen. Aber auch indirekter Kontakt wie etwa kontaminierte Spreu ist durch die Bildung von sporenähnlichen Körperchen als hochgefährlich anzusehen. So kam es etwa auf einem Bauernmarkt in Soest über ein infiziertes Mut­ terschaf auf diesem indirekten Weg zur Infektion von über 300 Besuchern. Alimentärer Infektionsweg: Bei Rindern kommt es durch eine Coxiellen-Infektion zusätzlich auch zu ei­ ner nichteitrigen Mastitis, so dass die Milch über 100 Tausend Coxiellen/ml enthalten kann. In Nahrungsmit­ teln aus nicht pasteurisierter Milch, z.B. Käse, können Coxiellen für 1–2 Monate vermehrungsfähig bleiben. Nach einer Studie in Baden-Württemberg ist der In­ fektionsweg über rohe Milch zwar auch hier möglich, offenbar kommt es auf diese Weise aber nur selten zu Erkrankungen . Epidemiologie Das Q-Fieber kommt weltweit vor und ist v.a. in tro­ ckenen, heißen Klimazonen verbreitet. Deutschland war früher kein Q-Fieber Gebiet; nach dem 2. Welt­ krieg jedoch, vermutlich mit unkontrollierten Tiertrans­ porten, sind Coxiellen und wahrscheinlich auch die Dermacentor-Zecken nach Deutschland eingeschleppt worden und haben sich in der Folge im warmen Süd­ deutschland fest etabliert. Q-Fieber ist eine meldepflichtige Erkrankung, indessen werden meist nur Ausbrüche mit vielen Per­ sonen erfasst; Einzelerkrankungen, v.a. wenn sie »nur« als Sommergrippe verlaufen, werden i.d.R. nicht als Q-Fieber Erkrankungen registriert. Zur Erfassung der Verbreitung und Häufigkeit des Q-Fiebers sind daher seroepidemiologische Untersuchungen wertvoll. Dies zeigt eine Studie aus Südfrankreich; hier fand sich bei der Landbevölkerung – insgesamt 22.500 Personen eine Seroprävalenz von 30% (Maurin & Raoult 1999). Aus Deutschland lagen lange nur 2 kleinere Studien aus den Jahren 1983 in Seebronn /Baden-Württemberg (n = 715) sowie 1998 in Rollshausen/Hessen (n = 200) vor, die im Anschluss an eine lokale Epidemie durch­ geführt wurden und Prävalenzen von 19% bzw. 23% er­ gaben. Eine Ermittlung der allgemeinen Seroprävalenz wurde in Deutschland erstmals 2007 im Raum Leut­ kirch (Baden-Württemberg) durchgeführt. Obwohl es sich hier nicht um ein spezielles Q-Fieber Endemiege­ biet handelt, fand sich bei einer statistisch abgesicher­ ten Stichprobe von 2.500 Personen eine Seroprävalenz von 7,8% (Frangoulidis et al. 2007). In Q-Fieber Ende­ miegebieten liegen die Werte erheblich höher. So fan­ den sich bei einer Studie bei Soldaten in Stetten a.k.M. auf der Schwäbischen Alb, einem bekannten Q-FieberEndemiegebiet, nach einem 3 jährigem Aufenthalt in diesem Gebiet Seroprävalenzen von über 40%. Aus diesen Untersuchungen muss man den Schluss ziehen, dass das Q-Fieber in Mitteleuropa speziell in Süddeutschland weitaus häufiger ist, als es aus den offi­ ziellen Meldungen hervorgeht. Um eine wirkliche Vor­ stellung von der Häufigkeit des Q-Fiebers zu erhalten, müssen großflächigere Untersuchungen durchgeführt werden; von besonderer Bedeutung wären darüber hin­ aus seroepidemiologische Studien bei Schwangeren, um einen Zusammenhang von Q-Fieber zu Fehl- und Frühgeburten quantitativ erfassen zu können. Auch über die Häufigkeit und Lage von Naturher­ den, in denen Coxiellen-Infektionen zwischen Zecken und Nagern zirkulieren, gibt es kaum aktuelle Daten. Aus den Arbeiten von Liebisch (1977) ist bekannt, dass Dermacentor marginatus v.a in der Oberrheinischen Tiefebene verbreitet ist, eine Region, in der sich die Winterweiden von Wanderschafherden befinden, die über Flusstäler wie die Kinzig dann die Schwäbische Alb erreichen. Bei einer aktuellen Studie in BadenWürttemberg, bei der über 1.000 vollgesogene Dermacentor-Zecken von Schafen aus diesen Regionen mittels PCR auf Coxiellen untersucht wurden, ließ sich indessen nur im Bereich Lörrach in einer Zecke dieser Erreger nachweisen (Sting et al. 2004). Bei der Untersuchung von 1.060 ungesogenen Dermacentor-Freilandzecken in mutmaßlichen Naturherden im Rheintal und Kinzigtal fand sich mit der PCR nicht eine 3.2.15 Kimmig et al. Coxiellen-haltige Zecke (Pluta 2011). Auch bei insge­ samt 119 Nagern aus diesen Regionen waren mittels PCR und ELISA keine Coxiellen bzw. Anti-CoxiellenAntikörper nachweisbar. Man muss daher davon aus­ gehen, dass Naturherde auf dem Weg der Wander­ schafe der Herden nur sehr lokal auftreten und nicht ohne weiteres zu finden sind. Möglicherweise wird die Bedeutung der Zecken in Mitteleuropa als Vektoren aber auch überschätzt und dürfte mehr in einer Mul­ tiplikatorfunktion (Kahl, pers. Mitteilung) infolge der Coxiellen-Vermehrung im Zeckendarm zu suchen sein. So ist In Süddeutschland auch kein Zusammenhang zwischen Dermacentor-Verbreitungsgebieten und dem Auftreten von sporadischen humanen Q-Fieber-Fällen zu erkennen, wohingegen die Schafdichte eine deut­ liche Korrelation dazu zeigt. Schließlich sprechen auch die größten Ausbrüche der vergangenen Jahre in Soest und Jena gegen ein obligates Mitwirken von Zecken bei der Q-Fieber Epidemiologie. In beiden Gebieten handelte es sich um eine aerogene Verbreitung, die von infizierten Tieren ausging, da Dermacentor marginatus hier nicht vorkommt; Ixodes ricinus (Abb. 3.2.15-1) hingegen ist offenbar kein Vektor für C. burnetii, wie in mehrfachen Studien in der Schweiz, in Hessen und in Baden-Württemberg festgestellt wurde. So bleiben bezüglich der Epidemiologie des Q-Fiebers in Mittel­ europa noch viele Fragen offen. Rickettsiosen Erreger Bei den Rickettsien (benannt nach dem Erstbeschrei­ ber Ricketts, USA) handelt es sich um kleine, unbe­ wegliche, gramnegative Bakterien, die zu ihrer Repli­ kation auf lebende eukaryote Zellen von Wirbeltieren und Arthropoden angewiesen sind. Beim Menschen stellen Endothelzellen die bevorzugten Wirtszellen der Rickettsien dar, in denen sie sich dank spezieller Eva­ sionsmechanismen erfolgreich vermehren können und diese schließlich zerstören. Die verschiedenen Spezies der Gattung Rickettsia werden in 2 Gruppen eingeteilt: Die Fleckfieber­ gruppe (engl. typhus group) umfasst die Erreger des epidemischen Fleckfiebers (R. prowazekii) und des endemischen Fleckfiebers (R. typhi), als Überträger fungieren Kleiderläuse bzw. Rattenflöhe. Die Zecken­ bissfiebergruppe (engl. spotted fever group) enthält Rickettsien, die fast ausschließlich von Zecken bzw. Milben übertragen werden. Die Infektionen sind mit verschiedenen Arten und Vektoren weltweit verbrei­ tet, in Südeuropa am bedeutendsten ist R. conorii, der Erreger des Mittelmeerfiebers (fièvre boutonneuse) In Mitteleuropa sind seit dem Ende der Läuse-Fleckfie­ berepidemien Rickettsiosen zunächst kaum bekannt ge­ worden. Erst seit den 1970er Jahren wurden in Dermacentor spp. und Ixodes spp., später z.T. auch in Nagern verschiedene Rickettsienspezies entdeckt; sie wurden anfangs für apathogen gehalten, haben sich später aber doch als prinzipiell humanpathogen erwiesen. In Deutschland sind derzeit 5 Rickettsienspezies in Zecken nachgewiesen: R. slovaca, R. raoultii,. R. helvetica, R. massiliae und R. monacensis. Es handelt sich sämtlich um »neue« Rickettsienarten, die wie R. monacensis und R. raoultii erst 2002 bzw. 2008 einen Speziesstatus erhielten. Erkrankung Grundlage der durch Rickettsien verursachten Erkran­ kungen ist der Befall des Endothels der kleinen Gefäße. Als Folge kommt es zu einer Vaskulitis mit Verschluss der Kapillaren und zu Mikrozirkulationsstörungen. Be­ dingt durch die Gefäßschäden treten die roten Blutkör­ perchen aus und führen bei Befall der Haut zu dem na­ mensgebenden Bild des Fleckfiebers. Je nach Art und Virulenz der verschiedenen Rickettsien können aber auch innere Organe wie Lunge, Herz, Zentralnerven­ system, Pankreas, Leber u.a. befallen werden, so dass sich ein lebensbedrohendes Krankheitsbild entwickeln kann. Unter den Zeckenstichfiebern ist besonders das Zeckenstichfieber der Neuen Welt (Rocky MountainSpotted fever, R. rickettsii) durch schwere Verläufe mit letalem Ausgang charakterisiert, das Zeckenstichfieber der Alten Welt (Mittelmeerfieber, R. conorii) verläuft i.d.R. als gutartige, fieberhafte Erkrankung mit Exan­ them, schwere und letale Verläufe sind jedoch auch bei dieser Rickettsiose bekannt. In Mitteleuropa traten Erkrankungen durch Rickettsien bisher nur sporadisch auf. So kam es etwa in Rheinland-Pfalz bei einer Patien­ tin nach Stich durch D. marginatus zu einer fieberhaften Erkrankung mit Lymphknotenschwellung und lokalem Erythem (Tick borne Lymphadenopathie: TIBOLA) hervorgerufen durch R. slovaca (Pluta 2011). Übertragung und Epidemiologie Rickettsien kommen nur als intrazelluläre, vegeta­ tive Formen vor und können daher nur über Vektoren übertragen werden. In Europa fungieren Zecken der Gattung Rhipicephalus, Dermacentor und Ixodes als Überträger. Im mediterranen Gebiet stellt die »Braune Hundezecke« Rhipicephalus sanguineus den wich­ tigsten Überträger des Mittelmeerfiebers dar. Diese Zeckenart ist ein typischer Parasit des Hundes, der auch als Reservoirwirt für diese Erreger dient (Bauerfeind et al. 2013). Auch in Zecken der Gattung Dermacentor ist im Mittelmeerraum mehrfach Rickettsia conorii nachgewiesen worden. In Baden-Württemberg 3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit fanden sich bei Untersuchung von Ixodes ricinus (n = 1.187) auf Rickettsien Befallsraten bis zu 13% Durch Sequenzanalysen ließen sich diese Erreger als R. helvetica identifizieren (Hartelt et al. 2004). Moleku­ larbiologische Untersuchungen von Dermacentor spp. in Süddeutschland ergaben eine Gesamtprävalenz von 31,4%; dabei entfielen 30,6% auf R. raoultii und 0,8% auf R. slovaca, R. conorii konnte bisher ausgeschlossen werden (Pluta 2011). Bei den Dermacentor-Rickett­ sien ist eine gewisse Wirtsspezifität festzustellen. So fand sich in anderen Untersuchungen R. slovaca vor­ zugsweise in D. marginatus (Prävalenz bis zu 15%), R. raoultii in D. reticulatus (Prävalenz bis zu 39%).Bei Untersuchungen in Bayern fanden sich in Ixodes ricinus Prävalenzen von R. massiliae und R. monacensis von 1,7% und 0,6%. (zit. nach Bauerfeind et al. 2013) Während Ixodes ricinus ein sehr breites Wirtsspektrum einschließlich des Menschen hat, befällt Dermacentor spp. vorzugsweise Tiere (Schafe, Hunde). Die bei I. ricinus häufigste Rickettsie, R. helvetica, hat offenbar nur eine geringe pathogene Bedeutung. Nichtsdesto­ weniger sind Infektionen relativ häufig, wie Unter­ suchungen von Waldarbeitern im Elsass zeigten, bei denen Seroprävalenzraten gegen R. helvetica von mehr als 9% bestimmt wurden; soweit bisher bekannt sind Erkrankungen jedoch selten und äußern sich allenfalls in Form einer fieberhaften Allgemeininfektion, wie bei einer Studie in der Schweiz festgestellt wurde. Humane Infektionen durch R. monacensis und R. massiliae sind in Deutschland nicht bekannt geworden, aufgrund von Erkrankungen, die andernorts auftraten, wurde die prinzipielle Humanpathogenität dieser Ar­ ten indessen unter Beweis gestellt (Bauerfeind et al. 2013). Ehrlichiosen/Anaplasmosen Erreger Ehrlichien sind kleine, kokkoide, obligat intrazellulär lebende, gramnegative Bakterien, die den Rickettsien nahe stehen. Von der Gattung Ehrlichia sind nach neu­ er Taxonomie die Gattung Anaplasma und die Gattung Neorickettsia abgetrennt worden, alle drei gehören zu der neu geschaffenen Familie der Anaplasmataceae. Ehrlichien sind seit langem als veterinärmedizi­ nische Krankheitserreger bekannt, erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden unter ihnen auch humanpatho­ gene Arten identifiziert; in erster Linie sind dies Anaplasma phagocytophilum, der Erreger der Anaplasmose (früher: humane granulocytäre Ehrlichiose (HGE) und Ehrlichia chaffeensis, der Verursacher der humanen monocytären Ehrlichiose (HME) (Bauerfeind et al. 2013, Löscher & Burchard 2012). Krankheitsbild Bei den genannten humanpathogenen Ehrlichien/Ana­ plasmen fungieren Monozyten bzw. Granulozyten als Wirtszellen, in denen sich die Erreger innerhalb von Vakuolen vermehren und dann als sog. Morulae mi­ kroskopisch nachweisbar werden. Erkrankungen durch diese Erreger sind in erster Linie aus den USA bekannt, in Europa wurden nur vereinzelt Fälle von Anaplasmose beschrieben. Die Ehrlichiose und die Anaplasmose manifestieren sich übereinstimmend als grippeartiges Krankheitsbild mit Fieber, Kopf und Muskelschmerzen, als typisch gelten rezidivierende Fieberschübe. Bei schweren Verläufen kommen noch Leukopenien und Thrombopenien hinzu, als Zeichen einer Leberbeteilung finden sich Transami­ nasenerhöhungen. Die Letalität wird in den USA mit bis zu 5% angegeben, in Europa sind schwere Erkran­ kungen durch Anaplasmen offenbar unbekannt. Übertragung und Epidemiologie Bei den Ehrlichiosen/Anaplasmosen handelt es sich um Vektor-übertragene Zoonosen. Die Infektion er­ folgt über verschiedene Zeckenarten. Die in Europa ausschließlich vorkommende Art Anaplasma phago­ cytophilum wird durch Ixodes-Zecken übertragen. Während in Europa Erkrankungen durch A. phagocytophilum offenbar nur sporadisch vorkommen, müssen Infektionen relativ häufig sein. Darauf wei­ sen serologische Untersuchungen an Waldarbeitern (n = 4.332) in Baden Württemberg hin. Dabei fanden sich Seroprävalenzen zwischen 5% und 16%, durchschnitt­ lich 10,7%. Anaplasmenfreie Gebiete kommen offen­ bar kaum vor (Oehme et al. 2002). Auch serologische Untersuchungen aus der Schweiz, Dänemark und Skandinavien sowie Bulgarien mit Seroprävalenzen bis über 20% deuten darauf hin, dass Anaplasmen in ganz Europa verbreitet sind. Dies deckt sich mit den Zeckenbefallsraten: Bei der Untersuchung von Ixodes ricinus (n = 5.424) in verschiedenen Landkreisen Ba­ den-Württembergs wurden Befallsraten zwischen 0,2% und 1,5%, im Durchschnitt von 1,0% ermittelt (Hartelt et al. 2004). Bei weiteren Zeckenuntersuchungen in Deutschland und in anderen europäischen Ländern wurden regelmäßig Anaplasmen nachgewiesen, wobei die Befallsraten mit bis zu 24% z.T. erheblich höher lagen. Als Reservoirwirte fungieren in Süddeutschland fast ausschließlich wühlmausartige Nager (Arvicu­ lidae). In Baden-Württemberg waren mittels PCR in 13,4% der Rötelmäuse (n = 149) und 6,2% der Feld­ mäuse (n = 97) Anaplasmen nachzuweisen. Unter den echten Mäusen (Muridae) war unter 259 Nagern nur eine einzige Anaplasmen- positiv (Hartelt et al. 2008). Als weitere Reservoirwirte kommen Rehe und Schafe 3.2.15 Kimmig et al. in Frage, wie aus Untersuchungen aus der Schweiz und waren in ganz Südwestdeutschland verbreitet, über­ raschenderweise fanden sich keine erhöhten Befallsra­ England hervorgeht. ten mit B. divergens in Gebieten im Südschwarzwald in Babesiosen denen das »Weiderot«, eine durch Babesien verursachte Hämoglobinurie bei Rindern, noch verbreitet ist (HarErreger telt et al. 2004). Vergleichbare Werte fanden sich bei Babesien sind einzellige, taxonomisch den Plasmodien späteren Untersuchungen in Frankreich, der Schweiz nahestehende Parasiten (Apicomplexa) und befallen und Italien – deutlich höhere Werte bis 20% wurden in wie diese im Vertebratenwirt die Erythrozyten, in de­ Polen, in Österreich sogar bis 51% gemessen. Zur Er­ nen sie sich durch Sprossung vermehren. Sie werden fassung der Reservoirwirte wurden in Süddeutschland jedoch sämtlich durch Schildzecken übertragen. Mor­ 509 Nager auf Babesien untersucht. Dabei fand sich B. phologisch lassen sich sog. Große Babesien (>2,5 µm microti in 1,6% von Wühlmausartigen (Arviculidae, n = darunter die Rinderbabesie B. divergens und »Kleine 253) in echten Mäusen (n = 255) wurden keine Babe­ Babesien« (< 2,5 µm) darunter die Nagerbabesie B. sien nachgewiesen (Hartelt et al. 2008). In östlicheren microti unterscheiden. Molekularbiologisch werden Regionen Europas sind Babesien offenbar verbreiteter. die Babesien noch weiter differenziert, so dass heute Dies zeigt sich neben der Zeckenprävalenz auch bei der Verwandtschafts-Komplexe unterschieden werden. Nagerprävalenz von 10–20%, darüberhinaus kommen Unter den zahlreichen tierpathogenen Arten haben v.a. Babesien hier auch bei Muridae vor. B. divergens und B. venatorum sowie B. microti zoono­ tische Eigenschaften und können auch den Menschen Schlussbetrachtung: Einfluss der globalen Erwärmung infizieren. Es ist davon auszugehen, dass die globale Erwärmung Krankheitsbild auch Auswirkungen auf die oben dargestellten zecken­ Aufgrund der vergleichbaren Pathogenese –Zerstörung übertragenen Infektionen haben wird, die Gründe hier­ der Erythrozyten- entsteht bei der akuten Babesiose für sind jedoch unterschiedlich: ein malariaähnliches Krankheitsbild mit hämolytischer Q-Fieber: Bei dem Überträger des Q-Fiebers, DermaAnämie und Hämoglobinurie. In Abhängigkeit von der centor marginatus handelt es sich um eine thermo­ Babesienart und dem Immunstatus verlaufen Babesi­ phile Zecke. Bei weiterer Erwärmung ist daher mit eninfektionen häufiger jedoch asymptomatisch oder einer weiteren Verbreitung dieses Q-Fieber-Über­ oligosymptomatisch in Form einer »Sommergrippe«, trägers zu rechnen. Dieser Prozess hat bereits be­ auch latente Verläufe mit Rekrudeszenzen kommen gonnen, so wird diese Zeckenart bereits am Fuß der vor. Milde Verläufe finden sich v.a. bei Infektionen mit Schwäbischen Alb angetroffen, wo sie in früheren B. microti, die in den USA auch bei immunkom­ Jahren nie heimisch war. Bei Erreichen der Hochflä­ petenten Personen häufiger vorkommen. In Europa da­ che der Schwäbischen Alb, einer Region mit inten­ gegen werden Babesiosen fast ausschließlich durch B. siver Schafhaltung, ist mit erhöhten Problemen zu divergens verursacht, die bei splenektomierten oder an­ rechnen. derweitig immundefizienten Personen zu einem akuten, Nach den Klimaprognosen für Deutschland sind lebensbedrohenden (Letalität bis 40%) Krankheitsbild für die nächsten Jahre verstärkt heiße trockene Som­ mit septischen Fieber und Hämolyse führen können. mer zu erwarten (Werner & Gerstengarbe 2007). Bei immunokompetenten Personen werden Babesiosen Dies wird die aerogene Verbreitung des Q-Fiebers be­ dagegen sehr selten diagnostiziert, was angesichts einer günstigen, wie dies etwa bei dem Q-Fieber-Ausbruch Seroprävalenz von mehreren Prozent (3,6% in West­ 2005 in Jena der Fall war, bei dem 350 Personen über deutschland, Hildebrandt et al. 2013) auf weitgehend diesem Weg infiziert wurden und erkrankten. subklinische Verläufe schließen läßt. Ungeachtet dessen, welche Rolle Zecken in der Epidemiologie des Q-Fiebers spielen, muss man da­ Übertragung und Epidemiologie her in den nächsten Jahren mit eine Ausbreitung des In Europa können Babesien von verschiedenen Schild­ Q-Fiebers und einer zunehmenden Erkrankungshäu­ zecken übertragen werden, der weitaus wichtigste Vek­ figkeit rechnen. tor ist jedoch Ixodes ricinus. Die Befallsraten bei I. Rickettsiosen: Derzeit ist die Situation in Mitteleuropa ricinus sind i.d.R. niedrig. Bei einer Studie in Südwest­ bzgl. Rickettsiosen noch unbedenklich. Man muss deutschland fanden sich bei I. ricinus (n = 3113) Werte indessen im Auge behalten, dass mit der Etablierung von durchschnittlich 1%, wobei 0,9% auf B. divergens, des Mittelmeerfiebers jederzeit zu rechnen ist. Zwar 0,1% auf B. microti entfielen. Beide Babesienarten kann sich der Hauptvektor, die »Braune Hundeze­ 3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit cke« (Rhipicephalus sanguineus), die mit Hunden häufig eingeschleppt wird, bei den derzeitigen Tem­ peraturen noch nicht im Freien halten, bei weiterer Temperaturerhöhung kann sich dies aber rasch än­ dern. Schon jetzt kommt es in Deutschland immer wieder zu massiven Ansiedlungen der »Braunen Hundezecke« in Häusern, von der eine Infektionsge­ fahr ausgehen kann. Eine weitere Gefahr geht von den Hunden selbst aus, da sie Reservoirwirte für Rickettsien, speziell R. conorii darstellen (Bauerfeind et al. 2013). Angesichts eines unkontrollierten Imports von Hunden aus dem Mittelmeerraum muss man die Übertragung des Erregers auf die sich in Mitteleuropa seit ca 10 Jahren kontinuierlich aus­ breitenden Zecken der Gattung Dermacentor, deren prinzipielle Vektorkapazität für Rickettsien außer Frage steht, als durchaus realistisch für die Bildung von Naturherden ansehen. Eine direkte Übertragung von Rickettsien aus Dermacentor-Zecken auf den Menschen, wie im Falle der beschriebenen R. slovaca-Infektion dürfte allerdings auch weiterhin nur sporadisch vorkommen. Anaplasmose, Babesiosen: Anaplasma phagocytophilum und die humanpathogenen Babesien werden durch Ixodes ricinus übertragen. Bei dieser Zecken­ spezies wurde in den letzten 20 Jahren eine deutliche Arealerweiterung in den Norden Europas sowie in größere Höhenlagen Mitteleuropas festgestellt. Da Ixodes aber eine Luftfeuchtigkeit von wenigstens 80% benötigt, die bei den prognostizierten trockenen Sommern zurückgeht, ist zu erwarten, dass I. ricinus aus manchen Gebieten verschwinden wird. (Dautel 2010). Die Ausbreitung des Holzbocks ist darüber­ hinaus noch von anderen Faktoren, v.a. der Wirtsver­ breitung, abhängig. Die ursprüngliche Vorstellung, dass warme Winter die Vermehrung von Zecken und Nagern und damit den Infektionskreislauf zwischen diesen Tieren begünstigen würden, hat sich im Nach­ hinein als nicht haltbar erwiesen (Kimmig et al. 2014). Derzeit können die Daten aus Süddeutschland nur als status quo festgehalten werden. Eine Kontrolle einer eventuellen weiteren Ausbreitung des Holzbocks ist angesichts seiner großen Vektorkapazität unbedingt erforderlich. DAUTEL, H. (2010): Zecken und Temperatur. In: H. Aspöck (Hrsg.): Krank durch Arthropoden, Denisia 30, 149-169. DEDIÉ, K., BOCKEMÜHL, J., KÜHN, H., VOLKMER, K.-J. & T. WEINKE (Hrsg.) 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