Seminar Analytische Zahlentheorie Vortrag 1 Bruschek Clemens 1 1 Erinnerung Im Folgenden sei an einige einfache Tatsachen aus Schule und Einführungsvorlesungen, die im Weiteren wesentlich sind, erinnert: 1.1 Teilbarkeit Definition 1. Man sagt für d, n ∈ Z ”d teilt n” (Schreibweise: d|n) genau dann, wenn n = c · d für ein gewisses c ∈ Z. In diesem Fall sagt man auch, daß n ein Vielfaches von d, d ein Teiler von n oder auch d Faktor von n ist. Teilt d nicht n, so schreibt man kurz: d - n. Teilbarkeit stellt eine gewisse Beziehung zwischen zwei ganzen Zahlen her, welche etwa folgende Eigenschaften besitzt: Hilfssatz 1. Seien m, n, d, a, b, c ∈ Z; dann gilt: 1. n|n (Reflexivität) 2. d|n und n|m ⇒ d|m (Transitivität) 3. d|n und d|m ⇒ d|(an + bm) (Linearität) 4. d|n ⇒ ad|an (Multiplikative Eigenschaft) 5. ad|an und a 6= 0 ⇒ d|n (Kürzungsregel) 6. 1|n (1 teilt jede ganze Zahl) 7. m|0 (jede Zahl teilt 0) 1.2 Größter gemeinsamer Teiler Satz + Definition 1. Seien a, b ∈ Z. Dann gibt es genau eine Zahl d ∈ Z mit: 1. d > 0 2. d|a und d|b 3. e|a und e|b ⇒ e|d Diese Zahl d ∈ Z heißt ”größter gemeinsamer Teiler von a und b” und man schreibt: d = ggT (a, b) = (a, b). Bemerkung. Der ggT läßt sich etwa mithilfe des Euklidischen Algorithmus berechnen (vgl. einführende VO Algebra). Hilfssatz 2. (Eigenschaften des ggT ) Mit a, b, c ∈ Z gilt: 1. (a, b) = (b, a) 2. (a, (b, c)) = ((a, b), c) 3. (ac, bc) = |c|(a, b) 4. (a, 1) = (1, a) = 1 5. (a, 0) = (0, a) = |a| Lemma 1. (Lemma von Euklid) Für a, b, c ∈ Z gilt: a|bc und (a, b) = 1 ⇒ a|c. 2 1.3 Fundamentalsatz der Arithmetik Satz 1. Jede natürliche Zahl n > 1 läßt sich in bis auf Reihenfolge eineutiger Weise als Produkt von Primfaktoren schreiben. Seien also p1 , . . . , pk die Primfaktoren von n mit entsprechenden Vielfachheiten a1 , . . . , ak , so ist n als n = pa1 1 · · · pakk darstellbar. Für Beweise der Sätze des letzten Kapitels und weiteren daraus resultierenden Folgerungen sei auf die Literatur verwiesen. 2 Zwei Beispiele Arithmetischer Funktionen In der Zahlentheorie spielen Funktionen vom folgenden Typ eine besondere Rolle: Definition 2. Eine reell- oder komplexwertige Funktion definiert auf den natürlichen Zahlen heißt Arithmetische Funktion oder Zahlentheoretische Funktion. Dies sind also Funktionen der Form f : N −→ R bzw. g : N −→ C. Die Möbiusfunktion µ 2.1 Definition 3. Sei n = pa1 1 · · · pakk die bis auf Reihenfolge eindeutige Primfaktorzerlegung einer Zahl n ∈ N. Dann wird die Möbiusfunktion µ wie folgt definiert: (i) µ(1) := 1 (ii) für n > 1: µ= (−1)k 0 für a1 = a2 = . . . ak = 1 sonst Bemerkung. µ(n) = 0 ⇔ n hat Quadratfaktoren größer 1. Wertetabelle: n µ(n) 1 1 2 -1 3 -1 4 0 5 -1 6 1 7 -1 8 0 Satz 2. Sei n ≥ 1; dann gilt: X d|n µ(d) = 1 1 wenn n = 1, = 0 wenn n > 1. n 3 9 0 10 1 Beweis. Für n = 1 ist die Aussage klar, da µ(1) = 1 = 11 . Sei nun n > 1; n läßt sich wiederum schreiben als n = pa1 1 . . . pakk P mit p1 , . . . , pk Primfaktoren von n. In d|n µ(d) kommen jene Terme ungleich null von d = 1 und jenen Teilern von n, welche quadratfrei sind. Also: X µ(d) = µ(1) + X µ(pi ) + X i d|n µ(pi · pj ) + . . . + µ(p1 · · · pk ) = i,j k X µ j=0 (mit p0 := 1). Elementare Kombinatorik mit der Summe 1 ij Y pl l=i1 liefert Gleichheit des letzten Ausdruckes k X k k k k 2 k 1+ (−1) + (−1) + . . . + (−1) = (−1)j 1 2 k j j=0 welche sich nach dem Binomischen Lehrsatz zu k X k j j=0 (−1)j = (1 − 1)k = 0 berechnet. 2.2 Die Euler’sche ϕ - Funktion Definition 4. Für n ≥ 1 ist die Euler’sche ϕ-Funktion an der Stelle n definiert als die Anzahl von positiven ganzen Zahlen kleiner gleich n, welche relativ prim zu n sind, also: ϕ(n) = #{k; 0 < k ≤ n mit (k, n) = 1} Oft wird ϕ(n) = n X 0 1 k=1 geschrieben, wobei 0 andeuten soll, daß nur über jene Elemente aus {1, . . . , n} zu summieren ist, welche zu n relativ prim sind. Wertetabelle: n ϕ(n) 1 1 2 1 3 2 4 2 5 4 6 2 7 6 8 4 9 6 10 4 Bemerkung. Aus der Definition ergibt sich unmittelbar, daß ϕ(p) = p − 1 für p prim ist. Wie im Fall für die Möbiusfunktion (vgl. Satz 1) gibt es auch eine Formel für die Summe der ϕ -Funktion über die Teiler einer Zahl n: 1 Interpretiere hierzu n k als die Anzahl der Möglichkeiten k Elemente aus n Elementen auszuwählen! 4 Satz 3. Sei n ≥ 1; dann gilt: X ϕ(d) = n d|n Beweis. S := {1, 2, . . . , n}. Die Menge S läßt sich wie folgt disjunkt zerlegen. Für alle Teiler d von n sei A(d) := {k; (k, n) = d, 1 ≤ k ≤ n}. A(d) besteht aus all jenen Elementen von S, die mit n größten gemeinsamen Teiler gleich d haben. Die Mengen A(d) sind aufgrund der Eindeutigkeit des ggT disjunkt und ergeben trivialerweise nach Vereinigung ganz S. Sei nun f (d) := #A(d). Dann Ul Pl gilt (aus S = i=1 Ai ⇒ #S = i=1 #Ai (alle auftretenden Mengen sind endlich) ): X f (d) = n (∗) d|n und weiters ergeben sich aus den Rechenregeln für ggT und Ungleichungen die folgenden Äquivalenzen: (k, n) = d ⇔ ( kd , nd ) = 1 0<k≤n ⇔0< k d ≤ n d. Mit q := kd erkennt2 man leicht, daß es eine Bijektion zwischen Elementen von A(d) und jenen natürlichen Zahlen, die 0<q≤ n n und (q, ) = 1 d d erfüllen, gibt. Dabei bleibt insbesondere die Anzahl der Elemente erhalten. Die Anzahl jener q ist per definitionem gerade ϕ( nd ) und somit schreibt sich (∗) als X n ϕ( ) = n. d d|n Da nun aber jeder Ausdruck nd selbst ein Teiler von n ist, läßt sich in der Summe das ϕ( nd ) durch ϕ(d) ersetzen, woraus die Behauptung folgt. 2.3 Einige Zusammenhänge Zwischen Möbiusfunktion und Eulerscher ϕ-Funktion gibt es - wie im Folgenden gezeigt werden soll - einige sehr interessante Zusammenhänge. Satz 4. Sei n ≥ 1; dann gilt: ϕ(n) = X d|n 2 Beachte: k d ∈ Z, da d|k. 5 µ(d) n d Beweis. Die Definition von ϕ läßt sich auch schreiben als: n X 1 ϕ(n) = . (n, k) k=1 Mit Satz 1 und Eigenschaften des ggT folgt: ϕ(n) = n X X µ(d) = k=1 d|(n,k) n X X k=1 µ(d) () d|n d|k Sei nun d ein fixierter Teiler von n. Dann erstreckt sich die Summation über jene k (mit 1 ≤ k ≤ n), welche durch d teilbar sind, d.h. k = q · d für q ∈ N und 1 ≤ k ≤ n ⇔ 1 ≤ q ≤ nd . Somit: n () = n d XX µ(d) = d|n q=1 X µ(d) d X 1= q=1 d|n X µ(d) · d|n n . d Satz 5. Sei n ≥ 1; dann gilt mit p prim ϕ(n) = n · Y p|n 1 1− p Beweis. Für n = 1 ist das Produkt leer, also per definitionem gleich 1 und die Behauptung ist wahr. Für n > 1: p1 , . . . , pr seien die Primteiler von n, dann gilt: Y r Y X 1 X 1 1 1 (−1)r 1− = 1− =1− + + ... + . p pk pi pi pj p 1 · · · pr p|n k=1 (Dabei ist die Summation über alle möglichen Konfigurationen zu verstehen). Jeder Summand hat die Form ± d1 . Das Vorzeichen wird genau von µ(d) gesteuert. Somit: X µ(d) Y 1 = 1− . d p d|n p|n Daraus folgt mit Multiplikation von n die Behauptung. 3 3.1 Ergänzungen Alternative Definition der Möbiusfunktion Anstatt die Möbiusfunktion wie in Kapitel 2.1 zu definieren, kann man alternativ Satz 2 als Definition heranziehen und die ”alte” Definition herleiten: Sei also µ definiert als jene arithmetische Funktion, die X 1 1 wenn n = 1, µ(d) = = 0 wenn n > 1. n d|n erfüllt. Für n = 1 ist daraus µ(1) = 1 unmittelbar ablesbar. Um die Werte der Funktion für n > 1 herzuleiten gehe man wie folgt vor: 6 1. Ist n = pk eine Primzahlpotenz, so ist 1 für k = 0, −1 für k = 1 . µ(pk ) = 0 falls k > 1 Für k = 0 ist das klar. k=1: µ(1) + µ(p) = 0; daraus folgt Beh.. Für k > 1 folgt die Behauptung mit Induktion. 2. Seien n1 , n2 ∈ N teilerfremd und n = n1 ∗ n2 , dann ist die Abbildung {d1 ∈ N; d1 |n1 } × {d2 ∈ N; d2 |n2 } −→ {d ∈ N; d|n}; (d1 , d2 ) −→ d1 ∗ d2 bijektiv und es folgt mit Induktion nach n1 oder n2 : µ(n) = µ(n1 n2 ) = µ(n1 )µ(n2 ). 3. Damit folgt die Behauptung. Literatur: Tom Apostol. Introduction to Analytic Number Theory. Chpt. 3,4. Springer. 7