Das Verhalten der alkalischen und sauren Phosphatase im Muskel

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Das Verhalten der alkalischen und sauren Phosphatase im Muskel
der mit Coxsackie-Viren infizierten ausgewachsenen M a u s
Von
WOLFGANG
ALBRECHT
Aus der Univ.-Kinderklinik Freiburg i. Br.
(Z. Naturforschg. I I b .
633—635 [1956]; eingegangen am 4. April 1956)
Nach Infektion mit Coxsackie-Virus A } und A., ist bei der ausgewachsenen Maus nach 48 bis
68 Stdn. als Zeichen einer inapparenten Infektion eine Steigerung der Aktivität der alkalischen
Phosphatase und in geringerem Maße der sauren Phosphatase im Skelettmuskel zu beobachten. Nach Infektion mit dem Coxsackie-A3-Stamm bleibt die Aktivität der alkalischen Phosphatase unverändert, die saure Phosphatase ist signifikant erhöht.
Der Gehalt der Muskulatur an anorganischem Phosphat, gesamtsäurelöslichem Phosphat,
Ribonucleinsäure und Desoxyribonucleinsäure verändert sich nach Infektion mit diesen Virusstämmen nicht.
N
ach Infektion mit dem Coxsackie-Virus A.2 ist die
Aktivität der alkalischen Phosphatase (AP) und
der sauren Phosphatase (SP) im Muskel gelähmter
Säuglingsmäuse erhöht 2 ' 3 , während nach Infektion
mit dem A r S t a m m und dem A 3 -Stamm 4 diese Aktivitäts-Steigerung nicht beobachtet werden konnte.
Dieses Ergebnis war nach dem serologischen Verhalten der Virusstämme und nach der Gleichartigkeit
der gesetzten Muskelveränderungen überraschend.
Ein deutlicher Unterschied besteht dagegen im zeitlichen Ablauf der Infektion, die Überlebenszeit ist
beim A 3 -Stamm am längsten, nach A r Infektion am
kürzesten. Eine Phosphatase-Vermehrung war beim
Ao-Stamm stets nur bei gelähmten Tieren nachweisbar, nichtgelähmte Mäuse in einem früheren Stadium
der Erkrankung wiesen die Aktivitäts-Steigerung
nicht auf. Diese Tatsache legte die Vermutung nahe,
daß bei den At- und A :J -infizierten Tieren der Zeitpunkt der Phosphatase-Steigerung möglicherweise
nicht erfaßt wurde. Da bei der Säuglingsmaus der
zeitliche Ablauf der Infektion nicht willkürlich zu
verändern war, wurden die Versuche mit ausgewachsenen Mäusen wiederholt und in verschiedenen Zeitabständen AP und SP im Skelettmuskel untersucht.
Ausgewachsene Tiere erkranken nach Infektion mit
Coxsackie-Viren nicht, auch sind keine histologischen
Veränderungen der Skelettmuskulatur festzustellen 5 .
Dennoch war die Annahme berechtigt, daß Veränderungen der Phosphatase-Aktivität auftreten, da histiochemisch bei Säuglingsmäusen nach Infektion mit
1 G. A. K a u s c h e . Ch. L a n d s c h ü t z , R. S a u t h o f f , Z. Naturforschg. 6 b , 445 [1951].
2 W. A l b r e c h t u. R. S a u t h o f f , Z. Naturforschg. 9 b, 340 [1954],
3 W. A l b r e c h t , Z. Naturforschg. 9 b, 583 [1954],
Lansing-Virus eine Phosphatase-Vermehrung im Nerven auftrat, obwohl ebenfalls keine Krankheitszeichen
zu beobachten waren b
Im Anschluß an Untersuchungen über Phosphatfraktionen im Muskel infizierter Säuglingsmäuse 6
wurde außerdem das Verhalten des anorganischen
Phosphats, des gesamtsäurelöslichen Phosphors, der
Ribonucleinsäure (RNS) und der Desoxyribonucleinsäure (DNS) quantitativ untersucht.
Ergebnisse
Die Phosphatase-Aktivität wurde im Muskelhomogenat bei pu 9,4 und pu 4,6 bestimmt, Inkubationsdauer eine Stde. bei 37 und die Menge freigesetzten Phosphors auf den Gesamt-Stickstoff bezogen.
Die Spaltung wurde als Quotient mg freigesetzter
P : mg Gesamt-N ausgedrückt. Der Zeitraum zwischen Virusinokulation und Tötung der Tiere betrug
24, 48 und 60—64 Stunden. Entsprechend den Befunden bei Säuglingsmäusen war nach 24 Stdn. keine
Aktivitäts-Steigerung von AP und SP gegenüber den
Kontrollmäusen festzustellen. 48 Stdn. nach Infektion mit dem A r und A 2 -Stamm war bei 8 5 — 9 0 %
der Tiere ein signifikanter Anstieg der AP im Muskel
zu beobachten, nach 6 0 — 6 4 Stdn. war die AP bei
etwa 1 0 — 1 5 % der Tiere erhöht. Diese individuellen
zeitlichen Schwankungen lassen sich nicht erklären,
die Virussuspension und die Applikationsart waren
bei allen Tieren gleich. Uber das Ausmaß der APSteigerung s. Tab. 1.
W. A l b r e c h t , unveröff. Mitteilung.
R. G ä d e k e , persönliche Mitteilung.
« W. A 1 b r e c h t u. R. G ä d e k e , Z. Naturforschg.
11 b, 248 [1956],
4
5
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Download Date | 5/11/16 4:46 PM
mg freigesetzter P
mg Gesamt - N
Kontrolle
A,-Infektion
A<>-Infektion
A3-Infektion
Tab. 1.
0,012
0,017
0,018
0,012
+
+
+
+
0,002 *
0,004 *
0,003 *
0,003*
Stde.
Zahl der
Versuche
25
22
24
24
Spaltung von Dinatriumphenylphosphat
Pn 9,4. Inkubation bei 37° über 1 Stunde.
bei
Auch die SP wies nach 48 Stdn. eine AktivitätsSteigerung auf, doch war sie nicht so ausgesprochen
wie die der AP. Dagegen war nach 6 0 — 6 4 Stdn. ihre
Aktivität weiter angestiegen, der Anstieg war, zumindest nach Aj-Infektion, signifikant (s. Tab. 2).
Nach Infektion mit dem A 3 -Stamm ergab sich ein
etwas abweichendes Verhalten der Phosphatasen. Die
AP war zu keinem Zeitpunkt gesteigert (Tab. 1), die
SP war nach 48 und 6 0 — 6 4 Stdn. ohne Unterschied
signifikant erhöht.
Um auszuschließen, daß durch einen Zerfall labiler organischer Phosphor-Verbindungen eine erhöhte
Phosphatase-Aktivität vorgetäuscht würde, wurden
Leerwerte mit Homogenat und Pufferzusatz bei Kontrollen und infizierten Tieren durchgeführt. Dabei ergab sich bei pn 4,6 keine Spontanspaltung, der Wert
für anorganischen Phosphor blieb nach 1-stdg. Inkubation bei 37" unverändert. Bei pn 9,4 war dagegen
eine mäßige Vermehrung des anorganischen Phosphats festzustellen, doch lag diese Spontanspaltung
bei Kontrollen und infizierten Tieren in derselben
Größenordnung von etwa 1 0 — 2 0 % der Spaltung mit
Substrat. Die tatsächliche Aktivität der AP dürfte
demnach etwas geringer sein, doch sind die erhaltenen Werte als Vergleichswerte bei genau gleicher
Methodik voll brauchbar. Auch nach Dialyse der Homogenate ergaben Zentrifugate dieselben Unterschiede der AP-Aktivität zwischen gesunden und infizierten Tieren wie bei Verwendung des Gesamthomogenats.
Wie Untersuchungen an der Säuglingsmaus ergaben, war im Skelettmuskel nach Infektion mit Coxsackieviren eine Vermehrung des anorganischen Phosphors auf Kosten des organisch gebundenen säurelöslichen Phosphats f estzustellen 6 . Bei der ausgewachsenen Maus fehlt diese Vermehrung des anorganischen Phosphats, die Werte für anorganischen Phosphor, gesamtsäurelösliches Phosphat, RNS und DNS
7 J. R. G. B r a d f i e l d , Nature [London] 157, 876
[1946],
* R. J e e n e r , Nature [London] 159, 578 [1947],
entsprechen etwa den Normalwerten gleichaltriger
Kontrollen, bei Beziehung auf Frischgewicht und Gesamt-N (Tab. 3). Das Verhältnis Frischgewicht : Gesamt-N wies zwischen Kontrollen und infizierten Tieren keinen signifikanten Unterschied auf, der Quotient lag bei infizierten Mäusen etwas niedriger, doch
lassen sich bei der Größe der Schwankungsbreite
keine sicheren Aussagen machen.
Diskussion
Die Viren der Coxsackie-Gruppe sind für Säuglingsmäuse pathogen, während ausgewachsene, gesunde Tiere nicht manifest erkranken. Auch histologisch entspricht das Verhalten der Muskulatur infizierter, ausgewachsener Tiere völlig der Norm. Dagegen weist das Verhalten der Muskel-Phosphatasen
darauf hin, daß auch ausgewachsene Mäuse den Infektionsprozeß durchmachen. Leider ist über die spezifische Wirkung der AP und SP relativ wenig bekannt, es scheint jedoch ein Zusammenhang zwischen
der Aktivität der AP und der Eiweißbildung, der sogenannten fibrous proteins, wie Myosin und Keratin,
zu bestehen 7> 8 . In dieselbe Richtung weist das Verhalten der einzelnen Phosphatfraktionen, welches keinen signifikanten Unterschied zwischen Kontrollen
und infizierten Tieren erkennen läßt. Allerdings waren mit unserer Methodik evtl. auftretende geringfügige Änderungen des Eiweißgehalts nicht zu erfassen, der beim infizierten Tier gegenüber Kontrollen
gering erniedrigte Quotient Frischgewicht : GesamtN ist nicht als beweisend anzusehen.
Gegen ein direktes Eingreifen der Phosphatasen in
den Phosphorsäure-Stoffwechsel nach Virusinfektion
spricht auch die Tatsache, daß ihre Aktivitäts-Steigerung relativ spät nach Virusinokulation zu beobachten ist. Im zeitlichen Ablauf der Infektion erscheint
nach Aj- und Ao-Infektion zuerst die Aktivität der
AP gesteigert, die Steigerung der SP erreicht erst zu
einem späteren Zeitpunkt ihr Maximum. Bei der ausgesprochen torpide verlaufenden Infektion mit dem
Ag-Stamm ist eine AP-Vermehrung nicht festzustellen, dagegen ist die SP nach 48 und 6 0 — 6 4 Stdn.
gesteigert. Ob hier eine vikariierende Leistung zwischen AP und SP vorliegt, läßt sich aus unseren Beobachtungen nicht schließen.
Untersuchungen über das Verhalten neurotroper
Viren, wie Poliomyelitis und louping i l l w e i s e n
ebenfalls auf Störungen im Eiweiß-Stoffwechsel hin,
9 H. H v d e n , Cold Spring Harbor Sympos. quantitat. Biol. 12, 104 [1947], zit. nach J. N. D a v i d s o n ,
The Biochemistry of the nucleic acids. London, New
York, 1953. II. Auflage. S. 189 ft. (Lit.!).
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Download Date | 5/11/16 4:46 PM
mg freiges. P ,
Stde.
mg Gesamt-N /
48 Stdn.
0,029
0,034
0,033
0,042
Kontrollen
Ai-Infektion
Ao-Infektion
A3-Infektion
±
+
+
±
0,005 *
0,005 *
0,006 *
0,004 *
mg freiges. P
Stde.
mg Gesamt-N
60—64 Stdn.
0,040 ± 0,007 1
0,036 ± 0,007 1
0,042 + 0,004'
Tab. 2. Spaltung von Dinatriumphenylphosphat bei
pH 4,6. Inkubation bei 37° über 1 Stunde. Versuebszahl
zwischen 22 und 25.
Anorgan. P
Gesamt-N
[mg]
Kontrollen
Ai-Infektion
Ao-Infektion
A3-Infektion
0,027
0,023
0,022
0,026
+
+
+
+
0,007 *
0,004 *
0,005 *
0,003*
Ges. säurelösl. P
Gesamt-N
0,073
0,065
0,060
0,070
+
+
+
+
0,008*
0,011*
0,008 *
0,008*
RNS
Gesamt-N
0,10
0,10
0,10
0,10
+
+
+
+
0,01*
0,01*
0,02*
0,01*
DNS
Gesamt-N
0,06
0,06
0,05
0,06
+
+
+
+
0,01 *
0,01 *
0,01 *
0,01 *
Tab. 3. Verhalten von anorganischem und gesamtsäurelöslichem P, RNS und DNS im Verhältnis zum Gesamt-N im Muskel gesunder und infizierter Tiere. Zahl der Versuche für
jeden Wert 12—14.
welche schon in sehr frühen Stadien der Proteinsynthese einsetzen. Für die Gruppe der Coxsackieviren liegen derartige Untersuchungen noch nicht
vor, doch ist sehr wahrscheinlich, daß hier ähnliche
Verhältnisse auftreten. Es ist zur Diskussion zu stellen, ob die Phosphatase-Steigerung als Reparationsleistung nach Virusinfektion aufzufassen ist.
Methodik
Die Untersuchungen wurden an ausgewachsenen weißen Mäusen (keine reinen Stämme) im Gewicht von 22 bis
25 g durchgeführt. Nach Dekapitation und Entbluten
wurde zur Bestimmung der Phosphatasen die Muskulatur
der hinteren Extremität in dest. Wasser bei 0—4° in
einem Waring blendor homogenisiert und 1 ml des Homogenats mit 1,0 ml der Substratlösung (0,004-m. Dinatriumphenylphosphat „Merck" in 0,1-m. Soda-Bicarbo-
natpuffer von pjj 9,4 bzw. in 0,2-m. Essigsäure-Acetatpuffer von p H 4,6) eine Stde. lang bei 37° inkubiert. Die
Reaktion wurde durch Zusatz von 1,0 ml 20-proz. Trichloressigsäure abgestoppt und nach Zentrifugieren im
Überstand nach einer Molybdänblaumethode mit SnCl,
als Reduktionsmittel der anorganische P bestimmt. Die
Leerwerte wurden entsprechend angesetzt. Stickstoff
wurde nach einer Mikrokjeldahl-Methode bestimmt.
Die Methodik der Bestimmung von anorganisdiem P,
gesamtsäurelöslichem P, RNS und DNS entspricht einer
früheren Arbeit 6.
Die Inokulation der Virussuspension erfolgte subcutan,
Viruspassagen, Herstellung der Virussuspension 1 : 50 sind
in einer früheren Arbeit beschrieben -.
* Für die Berechnung des Mittelwerts wurde nach K o l l e r
(Graphische Tafeln zur Beurteilung statistischer Zahlen, Verlag
Th. Steinkopff, Dresden u. Leipzig, 1943) das t-fache des mittleren
Fehlers gewählt, so daß mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,73%
der Mittelwert innerhalb der angegebenen Grenzen liegt.
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