Menopause, Hitzewallungen und Herzfrequenzvariabilität

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Menopause, Hitzewallungen und Herzfrequenzvariabilität eine Übersicht
Capaldo G, Wilhelm M, Stute P
Journal für Gynäkologische Endokrinologie 2013; 7 (3)
(Ausgabe für Österreich), 6-9
Journal für Gynäkologische Endokrinologie 2013; 7 (3)
(Ausgabe für Schweiz), 15-18
Offizielles Organ der Österreichischen
IVF-Gesellschaft
Offizielles Organ der Österreichischen
Menopause-Gesellschaft
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J GYNÄKOL ENDOKRINOL 2007; 10 (1)
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Menopause, Hitzewallungen und Herzfrequenzvariabilität – eine Übersicht
G. Capaldo1, M. Wilhelm2, P. Stute1
Kurzfassung: Sowohl das Klimakterium als
auch eine Dysregulation des autonomen Nervensystems (ANS) sind mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden. Als Marker für das
kardiale ANS gilt die Herzfrequenzvariabilität
(HRV). Bereits während des Menstruationszyklus zeigen sich zyklusabhängige Veränderungen
der HRV und mit der Menopause ist ein Anstieg
des Sympathikotonus mit HRV-Reduktion zu beobachten. Das mit klimakterischen Hitzewallungen
verbundene, erhöhte kardiovaskuläre Erkrankungsrisiko ist möglicherweise ebenso auf eine Sympathikusaktivierung zurückzuführen. Eine Hormonersatztherapie vermag eventuell eine Wiederherstellung der autonomen Balance herbeizuführen,
ist allerdings abhängig von den angewendeten
Hormonen und Hormonkombinationen. Für die
Behandlung von Hitzewallungen stehen auch
nichthormonelle Behandlungsmethoden zur Ver-
fügung, die zu einer Verbesserung von Häufigkeit und Schweregrad der Hitzewallungen und zu
einem verbesserten autonomen Tonus führen.
Schlüsselwörter: autonomes Nervensystem,
Herzfrequenzvariabilität, Menopause, Hitzewallungen, Hormonersatztherapie
Abstract: Menopause, Hot Flashes, and Heart
Rate Variability – A Review. Both menopause
and the dysregulation of the autonomic nervous
system (ANS) are associated with a higher cardiovascular risk. The cardiac ANS can be assessed
by means of heart rate variability (HRV). Cycledependent HRV fluctuations have been found
during menstrual cycle, and an HRV reduction
occurs upon estrogen withdrawal after menopause. Postmenopausal HRV reduction is associated with a higher sympathetic tone and
accompanied by a higher cardiovascular risk.
■ Einleitung
Mit dem Wegfall der ovariellen Hormone im Rahmen der Menopause lassen auch die kardioprotektiven Einflüsse der Östrogene nach und das kardiovaskuläre Risiko der menopausalen
Frauen nimmt zu [1]. Unter den menopausalen Frauen scheinen diejenigen mit klimakterischen Beschwerden wie Hitzewallungen besonders vulnerabel zu sein, denn sie weisen ein
noch höheres kardiovaskuläres Risiko auf als asymptomatische
postmenopausale Frauen [2]. Hitzewallungen im Rahmen der
hormonellen Umstellungen kommen bei 74 % aller postmenopausalen Frauen vor [3]. Die genaue Pathogenese dieser Hitzewallungen ist noch unklar; es wird eine Verschmälerung der
thermoneutralen Zone im Hypothalamus vermutet [4], doch
der Zusammenhang mit dem kardiovaskulären System ist nicht
ersichtlich. Zugrunde liegende Gefäßveränderungen wurden
mit den Hitzewallungen assoziiert [5], doch nebst Gefäß-, Gerinnungs- und Entzündungsfaktoren hat auch das autonome
Nervensystem (ANS) einen Einfluss auf die kardiovaskuläre
Morbidität und Mortalität. Das ANS ist aufgeteilt in einen sympathischen und einen parasympathischen Ast. Diese regulieren
verschiedene Körperfunktionen und sind wichtig für das Aufrechterhalten der Homöostase. Eine mögliche Methode für das
Erfassen des ANS ist die Messung der Herzfrequenzvariabilität (HRV) [6].
Eingelangt am 25. März 2013; angenommen am 31. März 2013
Aus der 1Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin,
Frauenklinik, und der 2 Kardiovaskulären Prävention und Rehabilitation, Universitätsklinik für Kardiologie, Inselspital Bern, Schweiz
Korrespondenzadresse: Cand. med. Giuliana Capaldo, Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Frauenklinik, Inselspital, CH-3010
Bern, Effingerstrasse 102; E-Mail: [email protected]
6
Recent findings suggest a role of the sympathetic
drive in the genesis of menopausal hot flashes,
as an abrupt reduction of the parasympathetic
tone with a predominance of the sympathetic tone
during a hot flash. This would explain the higher
cardiovascular risk in women experiencing hot
flashes when compared to asymptomatic postmenopausal women. Hormone replacement
therapy may restore the autonomic balance.
However, type and combination of hormones
may be crucial. Non-hormonal methods of treatment may be effective in reducing severity and
frequency of hot flashes and improve autonomic
tone as well. J Gynäkol Endokrinol 2013; 23
(3): 6–9.
Key words: autonomic nervous system, heart rate
variability, menopause, hot flashes, hormone
replacement therapy
Das Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, die Veränderungen des
ANS, gemessen mittels HRV, vor und nach der Menopause unter
besonderer Berücksichtigung der autonomen Funktion bei
Hitzewallungen und der Therapiemöglichkeiten aufzuzeigen.
■ Herzfrequenzvariabilität als Marker für
den autonomen Tonus
Die Herzfrequenzvariabilität (HRV) bezeichnet die Fluktuationen der Abstände zwischen zwei Herzschlägen [7]. Diese resultiert hauptsächlich aus der Modulation des vom Sinusknoten
generierten automatischen Rhythmus durch das kardiale autonome Nervensystem (ANS) [7]. Die HRV agiert somit als
Marker für das ANS. Parasympathische Einflüsse auf das Herz
über den Vagusnerv fördern die Variabilität der Herzfrequenz,
während der Sympathikus die Automatizität des Sinusrhythmus fördert und somit eine verringerte HRV zur Folge hat [8].
Um sich inneren und äußeren Einflüssen anpassen zu können,
stehen Sympathikus und Parasympathikus in einem Gleichgewicht. Eine Verschiebung dieses Gleichgewichts zugunsten des
Sympathikus mit einer verminderten vagalen Aktivität führt
zu einer reduzierten HRV und kann mit einer kardialen elektrischen Instabilität assoziiert werden [7]. Ein solcher Zustand
wird mit einer erhöhten kardialen und nichtkardialen Morbidität und Mortalität in Verbindung gebracht.
Anhand einer Spektralanalyse können nebst zeitbezogenen
auch frequenzbezogene Parameter berechnet werden. So können hochfrequente (HF) Herzfrequenzfluktuationen zwischen
0,15 und 0,4 Hz dem Parasympathikus zugeordnet werden,
während tieffrequente (LF) Fluktuationen zwischen 0,04 und
0,15 Hz sowohl sympathischen als auch parasympathischen
Einflüssen zugeordnet werden [7, 9]. Nach einem Orthostasetest zeigen die LF-Power und die adrenerge Aktivität eine gute
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Menopause, Hitzewallungen und Herzfrequenzvariabilität – eine Übersicht
Korrelation. Dies gilt auch für den LF/HF-Quotienten, der
besonders nach einem Orthostasetest einen Marker der sympatho-vagalen Balance darstellt [10].
■ Herzfrequenzvariabilität und menopausaler Status
Im Leben einer Frau verändert sich die HRV, als Marker für den
autonomen Tonus, mit den endokrinen Phasen. Bereits während
des Menstruationszyklus zeigt sich je nach Hormonkonstellation ein unterschiedliches sympatho-vagales Gleichgewicht. So
ist in der Lutealphase, bei relativ höherem Progesteronlevel und
vermindertem Serum-Östrogen, der Sympathikotonus dominanter als in der Follikelphase, während der das ProgesteronÖstrogen-Verhältnis zugunsten des Östrogens verschoben und
die parasympathische Aktivität größer ist [11–14]. Auch zeigt
sich nach einem Orthostasetest ein deutlich gesteigerter LF/
HF-Quotient in der Menstrual-, Luteal- und Prämenstrualphase
[15].
Mit dem Wegfall der ovariellen Hormone im Rahmen der Menopause nimmt der parasympathische Einfluss auf das Herz ab
und der sympathische Tonus zu. Dies zeigen verschiedene Studien,
die nach der Menopause höhere Werte für LF und die LF/HFRatio fanden [16, 17], während sich tiefere Werte für HF zeigten [16–19].
Diese Verschiebung des sympatho-vagalen Gleichgewichts hin
zu einer Dominanz des Sympathikus nach der Menopause scheint
ebenfalls am erhöhten kardiovaskulären Risiko bei postmenopausalen Frauen beteiligt zu sein.
■ Herzfrequenzvariabilität und Hitzewallungen
Mit der Menopause setzen bei vielen Frauen klimakterische
Beschwerden ein, wobei Hitzewallungen zu den häufigsten
gehören. Noch ist die genaue Pathophysiologie von Hitzewallungen nicht bekannt, es wird aber davon ausgegangen, dass
sich die thermoneutrale Zone im Hypothalamus mit dem Wegfall der Östrogene im Rahmen der Menopause verschmälert
und die Frauen schon bei kleinen Änderungen der Körperkerntemperatur mit Hitzewallungen bzw. Frösteln gegenregulieren
[4].
Studien zeigen ein höheres kardiovaskuläres Risiko bei symptomatischen postmenopausalen Frauen verglichen mit Frauen
ohne menopausale Beschwerden [2]. Eine mögliche Erklärung
hierfür könnten vorliegende Gefäßveränderungen sein [5], doch
zeigen aktuelle Studien, dass bei symptomatischen postmenopausalen Frauen auch der autonome Tonus verändert sein könnte.
In Kurzzeitmessungen der HRV hatten Frauen mit klimakterischen Beschwerden höhere LF/HF-Quotienten als asymptomatische und bei Frauen mit Hitzewallungen nahm der LF/HFQuotient mit steigendem Schweregrad der Symptome zu [20].
Auch hatten symptomatische Frauen eine verminderte totale
Variabilität (TP) [21]. Andere Studien hingegen fanden keine
signifikanten Unterschiede in den Kurzzeitmessungen zwischen
Frauen mit und ohne menopausale Hitzewallungen [22].
Beim gleichzeitigen Monitoring von HRV und Hitzewallungen
fanden sich folgende Ergebnisse: In der Minute vor dem Einsetzen der Hitzewallung nahm die HF ab und blieb während
einiger Minuten vermindert [23]. Wegen des höheren Parasympathikotonus nachts nahm die HF in der Nacht noch stärker ab
als tagsüber [24]. Die LF nahm während der Hitzewallung zu,
verglichen mit vorhergehenden Sequenzen [25], und der LF/
HF-Quotient stieg ebenfalls an [24]. Dies spricht für eine akute Dysbalance des sympatho-vagalen Gleichgewichts während
einer Hitzewallung. Freedman et al. [26] hatten schon früher
beobachtet, dass es bei postmenopausalen Frauen mit Hitzewallungen mehrere Hinweise auf eine stärkere sympathische
Aktivierung gibt, wie beispielsweise die höheren Plasmakonzentrationen von Noradrenalin-Metaboliten bei diesen Frauen.
Ebenfalls konnten Hitzewallungen mit Sympathikus-aktivierenden Substanzen, wie Yohimbin, ausgelöst [27] oder mit
Sympathikus-inhibierenden Substanzen, wie Clonidin, verbessert werden [26, 28].
■ Therapie von Hitzewallungen und Auswirkung auf die Herzfrequenzvariabilität
Für postmenopausale Hitzewallungen gibt es verschiedene
Behandlungsmethoden, wobei sich keine gezielt auf das ANS
ausrichtet. Der Goldstandard für die Therapie ist nach wie vor
die Hormonersatztherapie [29], wobei vermutet wird, dass die
Östrogene die thermoneutrale Zone im Hypothalamus verbreitern [30]. Eine reine Östrogentherapie mit einer täglichen Einnahme von 0,625 mg konjugierten Östrogenen (CEE) hat auf
die HRV positive Auswirkungen und konnte bei hysterektomierten Frauen die HF erhöhen, die LF und den LF/HF-Quotienten senken und somit das sympatho-vagale Gleichgewicht
wiederherstellen [31]. Ebenso scheint dies bei einer transdermalen Östrogentherapie mit 50 µg Östradiol täglich der Fall zu
sein [19]. Ambivalent ist allerdings die Datenlage bei anderen
Östrogenen oder Kombinationstherapien. Eine leicht erhöhte
Variabilität, ohne jedoch das sympatho-vagale Gleichgewicht
signifikant zu beeinflussen, wird durch eine orale kontinuierlich-kombinierte Hormontherapie mit 0,625 mg CEE und
2,5 mg Medroxyprogesteronacetat (MPA) täglich erreicht [32].
Eine kontinuierlich-kombinierte Hormontherapie mit 2 mg
Östradiol (E2) und 2,5 mg MPA täglich vermag den parasympathischen Parameter HF besser zu erhöhen als eine Monotherapie mit 2 mg E2 täglich [33], wobei unter dieser Kombinationstherapie vermehrt supraventrikuläre Extrasystolen aufgetreten
sind [34]. Weiter hatte eine Kombinationstherapie mit einem
Nortestosteronderivat (2 mg/d E2 plus 1 mg/d Norethisteron
[NET]) keinen wesentlichen Einfluss auf die HRV [35].
Für die nichthormonelle pharmakologische Behandlung von
Hitzewallungen haben sich vor allem selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Analoga zur Gamma-Aminobuttersäure (GABA) als effizient erwiesen [36]. SSRIs können
die Häufigkeit und den Schweregrad von Hitzewallungen senken [4], möglicherweise aufgrund eines verminderten sympathischen Tonus [37]. Die Gabe von Pregabalin, einem Analogon der GABA, hat in einem anderen Zusammenhang gezeigt,
dass die HRV verbessert wird, mit tieferen Werten für LF und
höheren Werten für HF [38], und somit einen direkt Einfluss
auf das ANS besitzt.
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Menopause, Hitzewallungen und Herzfrequenzvariabilität – eine Übersicht
Auch langsames und tiefes diaphragmatisches Atmen (so genanntes „paced breathing“) führt zu einer Verminderung der
Aktivität des Sympathikus und fördert die Relaxation [39]. Eine
Studie untersuchte, ob ein Paced-breathing-Programm die Frequenz und den Schweregrad von Hitzewallungen senken könnte
[40]. Das „paced breathing“, täglich zweimal während 15 Minuten angewendet, führte bei 52 % der symptomatischen postmenopausalen Frauen zu einer Reduktion der Hitzewallungen
[40]. Dies könnte auch den positiven Effekt von Entspannungsmethoden auf postmenopausale Hitzewallungen, wie beispielsweise Yoga, erklären.
■ Schlussfolgerung
Die ovariellen Steroidhormone Östrogen und Progesteron
scheinen das autonome Gleichgewicht am Herzen zu beeinflussen. Während des Menstruationszyklus zeigen sich zyklusabhängige Veränderungen der sympathischen und parasympathischen Aktivität und das sympatho-vagale Gleichgewicht
verschiebt sich nach der Menopause zugunsten des Sympathikus. Zudem scheint das ANS eine Rolle bei der Pathogenese
von Hitzewallungen zu spielen, da ein akuter Abfall der parasympathischen Aktivität während einer Hitzewallung zu beobachten ist. Der autonome Tonus kann teils durch eine Hormonersatztherapie kompensiert werden, wobei die Datenlage zu
verschiedenen Hormontherapien kontrovers ist. Um den autonomen Tonus zu regulieren, stehen auch alternative Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Nichthormonelle Behandlungen
erleben bereits seit Jahren aufgrund der Angst vor mit einer
Hormontherapie assoziierten Risiken bzw. aufgrund von Kontraindikationen gegenüber einer Hormontherapie eine große
Nachfrage. Ein besseres Verständnis der Pathogenese der Hitzewallungen würde zu verbesserten Therapiemöglichkeiten beitragen.
■ Relevanz für die Praxis
– Nach der Menopause verändert sich die Aktivität des
autonomen Nervensystems.
– Das autonome Nervensystem scheint bei der Pathogenese von Hitzewallungen eine Rolle zu spielen.
– Die konventionelle Hormontherapie und alternative
nichthormonelle Therapiemöglichkeiten für Hitzewallungen können den autonomen Tonus und somit auch
die Häufigkeit und den Schweregrad von Hitzewallungen verbessern.
■ Interessenkonflikt
Es besteht kein Interessenkonflikt.
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Cand. med. Giuliana Capaldo
Geboren 1989. Seit 2008 Medizinstudium in
Freiburg (CH) und Bern und seit 2011 Doktorandin und wissenschaftliche Assistentin am
Menopausen-Zentrum der Frauenklinik des
Inselspitals Bern.
J GYNÄKOL ENDOKRINOL 2013; 23 (3)
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