Verletzter Muskel Ein Muskelkater verlangt nach besonderen „Schmuseeinheiten“ Jede Bewegung tut weh, man fühlt sich steif und schwach. Der Muskelkater hat zugeschlagen. Dabei handelt es sich um eine Mikroverletzung in der Muskulatur. Und diese entsteht, wenn man einen bestimmten Muskel respektive eine bestimmte Muskelgruppe zu sehr belastet. Zum Glück ist dieser Kater nach einigen Tagen wieder weg – ob von alleine oder mit unserem Zutun. Dr. Rudolf Rüscher ist Arzt für Allgemeinmedizin und betreibt eine Praxis in Andelsbuch. Hausarzt zu sein bedeutet für ihn „lebenslange Begleitung in Gesundheits- und Krankheitsfragen für alle Familienmitglieder – für jung und alt“. Die Praxis bietet auch Notfallmedizin, Traumatologie mit Röntgendiagnostik, Kinderuntersuchungen sowie Palliative Medizin. Der Bregenzerwälder ist zudem Sportmediziner, Fliegerarzt und der leitende Notarzt des Notarztdienstes Bregenzerwald. Im Interview erklärt Rüscher, warum auch trainierte Personen einen Muskelkater haben können, was man dennoch unternehmen kann, damit man gar nicht erst einen solchen bekommt und warum sanfte Bewegung den Muskeln, nicht aber dem Kater gut tut. Herr Dr. Rüscher, was genau ist eigentlich ein Muskelkater? Im Grunde ist es eine Überbelastung der Muskulatur beziehungsweise einer bestimmten Muskelgruppe. Dabei kommt es zu Mikroverletzungen. Das sind Verletzungen der Muskelfibrillen, der kleinsten Einheit in der Muskulatur. Es hat also nichts mit Übersäuerung zu tun? Nein, das hat man früher gedacht. Es ist ganz klar eine Verletzung und muss daher auch als solche behandelt werden. Was sind denn die Ursachen? Die Ursachen sind hohe respektive eben zu hohe Belastungen – häufiger bei exzentrischen Belastungen. Das heißt, ein Muskelkater entsteht dadurch, dass die Muskulatur etwa beim Bergabwärtsgehen Belastungen abfängt. Und dieser Arbeitsaufwand kann für die Muskulatur einfach zu hoch sein. Ein Muskelkater kann aber auch bei normaler Muskelarbeit auftreten, wenn es entsprechend hohe Intensitäten sind und die Muskulatur dafür nicht trainiert ist. Heißt das, dass auch „trainierte“ Menschen können einen Muskelkater bekommen? Ja. Angenommen jemand geht oft in die Berge und ist daher eigentlich gut trainiert. Wenn diese Person dann aber auf einmal 1000 Höhenmeter abwärts geht und teilweise auch läuft, obwohl er das sonst nie tut, dann kann es auch diesen an und für sich trainierten Wanderer treffen. Die Kraftmomente sind beim Abwärtsgehen einfach wesentlich höher, als beim Aufwärtsgehen. Und die Muskulatur muss in einer kurzen Zeit die Belastung abfedern. Das Ergebnis ist dann eben meist ein Muskelkater. Freilich leiden eher Personen, die nicht trainiert sind, darunter. Aber, wie gesagt, eigentlich kann jeder, also ob untrainiert oder trainiert, einen Muskelkater bekommen. Der Körper „rächt“ sich also nicht, weil man falsch trainiert oder sich nicht aufgewärmt hat? Nein. Es ist eine Überbelastung. Könnte man auch sagen, dass ein Muskelkater „ganz normal“ ist? Ein Muskelkater ist normal, wenn „Neues“ mit zu hohen Intensitäten ausprobiert wird. Wenn ein Muskel auf eine gewisse Bewegung nicht trainiert ist, dann bekommt man einen Muskelkater. Jede Muskulatur, die belastungsmäßig zu hoch angegangen wird, reagiert mit Muskelkater. Darum kann man auch nicht vorbeugen, wenn man sich dehnt oder aufwärmt. Man kann also gar nichts unternehmen, damit man gar nicht erst einen Muskelkater bekommt? Zumindest nicht durch dehnen oder aufwärmen. Vorbeugen heißt trainieren. Die beste Strategie, um keinen Muskelkater zu bekommen, besteht darin, durch dosiertes Training die Belastungstoleranz der Muskulatur stetig zu erhöhen. Dadurch werden mit der Zeit auch hoch intensive Reize, wie sie etwa beim Bergabrennen auftreten, toleriert. Das Problem ist allerdings, dass ein Muskel solche Fähigkeiten rasch wieder abbaut, wenn man eine Zeit lang pausiert beziehungsweise nicht trainiert. Ist es möglich, dass man schon während des Trainings oder der (sportlichen) Betätigung spürt, dass man einen Muskelkater bekommt? Manchmal können Anzeichen vorhanden sein. Das muss aber nicht sein. Eventuell spürt man leichte Belastungsschmerzen, wenn es lange Belastungen sind. Falls man derartige Schmerzen spürt, dann sollte man, wenn möglich, sofort die Intensität reduzieren und Ruhe geben. Kann ein Muskelkater auch „gefährliche Folgen“ haben? An und für sich klingt der Muskelkater, oder besser gesagt, die lokal in der Muskulatur entstandene Entzündungsreaktion, innerhalb einiger Tage ab. Ein Problem für den Organismus entsteht nur, wenn sehr viel Muskelgewebe verletzt wird, bei sehr langen körperlichen intensiven Belastungen, z.B. Ultramarathonbelastungen. Dabei können vor allem die Nieren in Mitleidenschaft gezogen werden, insbesondere wenn gleichzeitig schmerzstillende Medikamente eingenommen werden, die die Beschwerden des Bewegungsapparates beseitigen sollen. Diese sogenannten nichtsteroidalen Antirheumatika, zum Beispiel Diclofenac, Ibuprufen werden im Sport teilweise zu großzügig angewendet! Und wie wird man den Muskelkater wieder los? Wie gesagt: Eigentlich geht ein Muskelkater nach wenigen Tagen wieder weg. Es kommt aber freilich immer auf das subjektive Beschwerdebild an und darauf, was man selbst dagegen unternehmen möchte. Der Organismus kann die Stoffwechselvorgänge, die für die Genesung des Muskelkaters nötig sind, auch ohne unser Zutun bewerkstelligen. Dann dauert es halt ein wenig länger. Will man den Organismus aber unterstützen, nicht zuletzt, da ein Muskelkater wirklich eine Verletzung ist und, wie eingangs erwähnt, auch als solche behandelt werden sollte, so kann man schon einiges dafür tun. Beispielsweise sollte man unmittelbar nach der (sportlichen) Betätigung die Muskulatur lockern. Außerdem helfen warme Bäder, durchblutungssteigernde Salben, Lymphdrainagen. Ist es denn gut, wenn man den schmerzenden Muskel massiert? Eher nicht. Oder sagen wir so: Solange eine Massage nicht weh tut, ist es ok. Sobald es aber schmerzt, wird der Genesungsvorgang eher verlangsamt. Das wäre also kontraproduktiv. Bei der Lymphdrainage wird nur über die Haut gestrichen und das tut nicht weh. Übrigens: In den Tagen danach beziehungsweise während man den Muskelkater spürt, sollte man die betroffene Muskulatur leicht belasten. Es ist also empfehlenswert, dass man die schmerzenden Körperteile beziehungsweise Muskeln am nächsten Tag gleich wieder „in Bewegung setzt“? Unbedingt. Allerdings sollte diese Bewegung nur sehr sanft sein. Sei das, dass man in den folgenden Tagen spazieren geht, sich dehnt oder Gymnastik macht. In jedem Fall aber sollte man die Muskulatur bewegen, weil dadurch auch die Durchblutung gesteigert wird. Je mehr der Muskel durchblutet wird, desto schneller klingt auch die Verletzung ab und desto schneller geht der Muskelkater wieder weg.