28.11.2014 rationale Bildgebung Fokus HWS und obere Extremität Schultergürtel ein Potburri von Fällen SAMM Kongress 2014 Interlaken Zentrum für muskuloskelettale Medizin am Bahnhof Bern H.-R. Ziswiler Bern Grundlagen rationaler Bildgebung Welche Methoden – Anamnese – Klinische Untersuchung Arbeitshypothese, je klarer Fragestellung an die Bildgebung, desto einfacher Auswahl der Verfahren • • CT (Computertomographie) ossär, ligamentär indirekt (Fraktur, Dislokation, Instabilität) Bei fehlender Fragstellung ist möglicherweise gar keine Bildgebung indiziert/gerechtfertigt! • • MRT (Magnet Resonanz Tomographie) Weichteile (Bandscheiben, Nerven, Knochen, Bänder, Ligamente, Gelenkkapseln, Muskeln) Szintigrafie, PET-CT • Ultraschall • Konventionelle HWS-RX (ap/seitl./Dens) ossär, ligamentär indirekt (Fraktur, Dislokation, Instabilität) Funktionsaufnahmen (ap/seitl./atlanto-dental) ossär, ligamentär indirekt (Dislokation, Instabilität) 1 28.11.2014 Konventionelles Röntgen • günstig und schnell verfügbar • auch bei erschwerten Bedingungen fast immer möglich • deutliche weniger Strahlenbelastung als CT Nachteil: • für viele Läsionen zu wenig sensitiv • viele unspezfische Veränderungen bei Gesunden unspezifische Nackenschmerzen Wann konventionelles Rx machen? • Trauma • red Flags – Alter < 20 oder > 55 – konstitutionelle/B-Symptome – Tumor in der Vorgeschichte – Immunosupression – Drogenkonsum • Chronische Beschwerden ohne Besserung auf Therapie • Vor Manipulation (mit Impuls) weiterführende Bildgebung? • Keine Trauma • Keine Redflags • bei Verdacht auf Tumor • Neurologische Symptome (radikulär…) Konventionelles Rx ist praktisch nie hilfreich für eine Diagnose! Falls ein CT oder MRI geplant ist, kann auf konventionelles Rx in der Regel verzichtet werden (Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses zusätzliche diagnostische Information liefert, welche den Behandlungsplan beeinflusst, ist verschwindend klein.) Dafner RH 2000 2 28.11.2014 AP/seitlich • • • • • Intervertebralräume Fazettengelenkspathologie Malalignement/Spondylolysthesis Fraktur Kongenitale Knochenanomalien 3 28.11.2014 Funktionsaufnahmen • bei Frage nach Instabilität, insbesondere bei Spondylolithesis auf seitlicher Aufnahme • signifikant/pathologisch > 3.5 mm Verschiebung oder > 20° anguläre Bewegung 4 28.11.2014 Funktionsaufnahmen • • • • nach Fusionsoperationen Rheumatoide Arthritis Down Syndrom andere bekannte HWS-Pathologien Bei fehlenden klinischen Symptomen haben Funktionsaufnahmen keinerlei Relevanz Ausnahme: RA Patient präoperativ! 5 28.11.2014 B.S., 30 jährig, ♂ JL Schmerzen in linker Axilla, Auslösung durch Kopfdrehung nach links und Kopfflexion. Vorübergehend Parästhesien linker OA, Ellenbogen ventrale Seite Unterarm, Dig III und IV. PA im Alter von 8-9 Jahren entzündliche?, starke Rheumaschübe vor 1 Jahr Herpes zoster Th4 B.S., 30 jährig, ♂ Befunde Guter AZ. HWS-Rotation li 50º, re 40º. Provokation der Schmerzen in Axilla bei Lateralflexion und Rotation des Kopfes nach links. Ausgeprägter Flachrücken, KSA 0/17, Ott 30/33, Schober 10/13, FBA 35. Übriger BWA und NST normal. 6 28.11.2014 Klippel-Feil-Syndrom kongenitale Hals-Wirbelsynostose oft weitere Fehlbildungen • Synostosen LWS • ein- oder beidseitiger Hochstand Schulterblatt (Sprengeldeformität) • angeborene Herzfehler • Schallleitungsschwerhörigkeit B.S., 30jährig, ♂ Ankylose C2-C4: – Ursache? – Relevanz für aktuelle Symptomatik – Relevanz für folow up? B.S., 30 jährig ♂ ergänzende Angabe Anamnese: – leichte, nächtliche hochzervikale und okzipitale Schmerzen Labor? – BSR 10, CRP < 3mg/l, Hb, Lz, Tbz normal – HLA B-27 pos, ANA, RF und anti-CCP neg 7 28.11.2014 B.S., 30 jährig ♂ schräg • Neuroforamina • Diagnose – seronegative Spondarthritis, axiale Form, – HLA-B-27 positiv – Beginn juvenil – sekundäre Ankylose C2-C4 Dens transbuccal • C1 • Dens • Korpus und obere Fazetten von C2 und atlantoaxial Gelenk • Alignment der Massa lateralis und Distanz der Massa Lateralis von C1 zum Dens beachten! • stark abhängig von Patientenlagerung • bei Neurologie besser gleich MRI oder CT, da viel zuverlässiger stumpfes HWS Trauma • wann Röntgen; wann nicht • welche Aufnahmen • Röntgen, CT oder MRI? 8 28.11.2014 Trauma- Nexus Niedrig-Risiko-Kriterien Canadian C-Spine Rules NEXUS Ann Emerg Med 1998 Stiel IG et al, JAMA 2001 • • • • • • fehlende Druckdolenz über HWS Mittellinie fehlender Drogen/Alkoholeinfluss Normaler Bewusstseinszustand Keine neurologischen Symptome Kein schmerzhaftes Distraktions/Extensionstauma Falls alle obigen Kriterien erfüllt sind besteht eine sehr niedrige Wahrscheinlichkeit für eine Verletzung: Auf Bildgebung kann verzichtet werden • • Schritt 1: hohe Risiken – Alter>65 – Gefährlicher Mechanismus – Parästhesien Schritt 2: niedrige Risiken – Einfacher Auffahrunfall – Problemloses Sitzen auf der Notfallstation/in der Praxis – Selbständige Forbewegung – Verzögertes Auftreten von Nackenschmerzen – Keine Druckdolenz über Mittellinie Schritt 3: freie HWS Rotation beidseitig 45° 1 Kriterium Schritt 1; nicht alle Kriterien Schritt 2; Schritt 3 nicht möglich Bildgebung nötig Welche Aufnahmen bei stumpfem Trauma? • Röntgen HWS • AP • Seitlich • Dens transbuccal: nur bei wachem und sehr gut kooperierendem Patient angebracht/möglich • Funktionsaufnahmen: nur wachem und gut kooperierendem Patient! Im schmerzfreien Bewegungsabschnitt, keine Neurologie CT vs Röntgen • Auf zentralen Notfallstationen ersetzt zunehmend das CT konventionelles Röntgen wegen tiefer Sensitivität des konventionellen Rx für Frakturen und anderer klinisch relevanter Verletzungen • Immer weitergehende Bildgebung falls adäquate Rx nicht möglich • Falls eine Fx entdeckt wird, sollte die gesamte Wirbelsäule bildgebend dargestellt werden 9 28.11.2014 A.F., 61j ♀ JL seit 4 Wochen spontan aufgetretene Schmerzen, Sz Nacken-Schulter und in linken Arm, z.T. in die Hand ausstrahlend, Mittelfinger/weniger Daumen, teilweise lanziniertend, VAS 8-9. Vorwiegend tags zunehmend, Positionsabhängig jedoch auch nachts. A.F., 61j, ♀ Befunde massive Einschränkung der HWS Beweglichkeit in allen Ebenen, insbesondere Rotation und Latflex nach links. Massiv verspannte seitliche Nackenmuskulatur links, moderat verkürzt. Sz↑ in Extension und Latflex nach links. Bizeps-SR abgeschwächt links. Kraft Kennmuskeln M5. 10 28.11.2014 A.F., 61j ♀ Beurteilung: - DH C5/6 links mit radikulärem Reizsyndrom C6 Vorgehen: • Ausbau Analgesie • Weicher Kragen für die Nacht • Planung radikuläre Infiltration Neuroforamen C5/6 links MRI • 1. Wahl zur Suche von Diskushernie, Ursache von Neurokompression/Radikulopathie MRI Knochendetails Knochenmarkssignal Alignment Stenose Neurokompression Weichteilpathologie Entzündung Exzellenter Kontrast: • Rückenmark • Diskus intervertebralis • Wirbelkörper • Ligamentäre Strukturen • andere Weiteilpathologien Gewebedarstellung im MRI Sequenz hell leuchtend dunkel T1 Fettgewebe Luft, Ödem, Tumor, Entzündung, Blut, Verkalkung T2 Ödem, Infekt, Tumor, Entzündung, subakute Blutung (Met-Hb) Luft, Verkalkung, Bindegewebe, Hämosiderin, Melanin, Vakuum, Leere, eiweissreiche Flüssigkeit STIR Entzündung, Ödem Fett (T1 und T2) • >90% Spezifität für Detektion von Tumoren und Infekten (T1, T2, Kontrast) • In meisten Fällen gute Differenzierung zwischen Infekt und nichtinfektiöser Entzündung (T1, STIR, T2, +/-Kontrast) 11 28.11.2014 Gewebedarstellung im MRI Sequenz T1 Anatomisch genaue Darstellung von Organstrukturen + Kontrastmittel : Abgrenzung zu unbekannten Strukturen (Tumor) T2 Unterscheidung Flüssigkeit (hyperintens) zu solider Raumforderung, Darstellung von Erguss und Ödem STIR zusammen mit T1 genaue Unterscheidung von Fett und entzündlicher Läsion MRI Nachteile • • • • • Platzangst Herzschrittmacher Hörgeräte (Impantate) Fremdkörper (Stents, Clips) Artefakte > 1.5 Tesla selten vorübergehende sensorische, Gleichgewichts- und peripher neurologische Störungen V.C., 22j ♀ JL V.C., 22j ♀ PA seit 3 Monaten hartnäckige hochzervikaleokzipitale Schmerzen, intermittierend Schmerzen mittlere BWS, kein klarer Schmerzrythmus. vereinzelt Anschwellen des rechten Knies, meistens ohne Schmerzen wiederkehrende hartnäckige „Ekzeme“ Hände und Füsse • mit ca 10 j Dg einer Mono-/Oligoarthritis, ANA, RF und HLA-B27 neg. • Unklare knöcherne Umbauprozesse mit leichter Hyperostose: Claviculae, Rippen, im Verlauf regredient • Behandlung ca 3 J mit intermitt NSAID, seither keine aktive Therapie mehr, jedoch intermittierend Gelenksschmerzen • Atopien: Asthma bronchiale, Heuschnupfen und Neurodermitis 12 28.11.2014 G.R., 50 jährig ♂ JL vor 3 Wochen spontan aufgetretene interskapuläre Schmerzen, Sz Schulter und in linken Arm, z.T. in die Hand ulnarseitig. intermittiert Sz in rechten Arm/Hand, radialseitig selten bis zum Daumen ausstrahlend Befunde leichte Einschränkung der HWS Beweglichkeit in allen Ebenen, obere HWS frei. Leicht verkürzte seitliche Nackenmuskulatur links. Sz↑ in Extension und Latflex nach links. Hypästhesie Kleinfinger links, leichte Atrophie interossei links 13 28.11.2014 G.R., 50 jährig ♂ Biradikuläres zervikales Syndrom – links C8 bei kaudo-lateral ext DH C7/Th1 – rechts C6 durch hochgradige ossäre Foraminale Stenose C5/6 bei hypertropher Osteochondrose und Unkovertebral-Arthrose 46j ♀ • Schmerzen Nacken, beide Oberarme, diffuse Ausstrahlung • im Verlauf Nackenschmerzen im Hintergrund • bemerkt Mühe beim Gehen, Unsicherheit, gehstreckenabhängige Ermüdung, mit intensiven ausstrahlenden Schmerzen in beide Beine, • gibt geliebte Gartenarbeiten auf • verliert Job 14 28.11.2014 46j ♀ Status • Gang unsicher, leicht spastisch, Kraft untere Extremitäten M4, Hyperreflexie obere und untere Extremitäten, Babinsky negativ. • Hüftgelenke schmerzfrei beweglich, reizloser Operationssitus bds. • Wirbelsäule mit leicht eingeschränkter Beweglichkeit in allen Abschnitten, keine Schmerzprovokation. 46j ♀ MRI Schädel: fragliche periventrikuläre demyelinisierte Herde MRI HWS (schriftlicher Bericht): degenerative Veränderungen LP normal, evoz.Potentiale normal Beurteilung: mögliche MS, ALS??? Behandlung: Steroidstösse Verlauf: Verschlechterung: Zunahme Paraspastik und Gehstörung, Kraft untere Extremitäten M4, Schmerzen in Armen und Beinen: Opiatbedürftig Konflikt mit ehemaligem Arbeitgeber CT Pro • für komplexe knöcherne Pathologie • Fremdmaterial • Planung komplexer Chirurgie • Schnittdecken < 1mm • 3-D Rekonstruktionen Methode der Wahl auf Notfallstation bei bewusstseinsgetrübtem Patienten 15 28.11.2014 CT-Myelografie • exzellente Darstellung und Ausmessung Spinalkanal und Foramina • trotzdem (nur) second line (nach MRI), weil: – hohe Strahlenbelastung – NW/Komplikationen • 4.9% an HWS, 3.4% an LWS 74j Frau 74j Frau • langsam progred. Schmerzen Zervikocephal, links betont • Zunahme bei Kopfrotation, weniger bei Flexion/Extension • in Ruhestellung schmerzarm/-frei • Schwester mit RA, Pat mit pos. RF Befund HWS jegliche Rotation und Lat-flex nach links extrem schmerzhaft mit harter Blockade Rot C1-2 nach links unmöglich, schmerzhaft blockiert 16 28.11.2014 74j Frau rechts links 3-08 17 28.11.2014 Wenn es aussieht wie Wachs, der an der Kerze hinabfliesst Kerze! 18 28.11.2014 Herr A. P. , 70 jährig • Seit Monaten nächtliche Nacken- und Hinterkopfschmerzen • Subfebrilität • Mobilisation C1/2 äusserst schmerzhaft Zentrum für muskuloskelettale Medizin am Bahnhofplatz Bern Zentrum für muskuloskelettale Medizin am Bahnhofplatz Bern Zentrum für muskuloskelettale Medizin am Bahnhofplatz Bern 19 28.11.2014 PA • MRI Schädel Tw. zystische Raumforderung 4.8x4.5 cm C0/1 mit Myelomalazie durch Kompression und Verdrängung. Arrosion/Erosion Clivus, Dens, feine extraossäre Verkalkungen, Hämosiderinablagerungen, kein infiltratives Wachstum • DD MRI: Pannusbildung bei RA, S. villonodulosa pigmentosa • 6/2004 CTS Operation bds, • rezidivierende Tenovaginitis stenosans Dig 2 bds • rezidivierenden Arthritiden der Kniegelenke und kleinen Zehengelenke: Hypothese Gichtarthropathie • Keine artikuläre Diagnostik bis anhin • Allopurinol Behandlung • 12/06 Prostataresektion bei BPH • Art. Hypertonie • Hosp Neurochirurgie • Status: Internistisch unauffällig • Neurologisch: Leichte Spastizität der unteren Extremitäten, S/m intakt, Babinski bds positiv, Bradydiadochokinese li> re, Dysmetrie linker Arm, Gangbild normal • Lumbalpunktion unauffällig • Tumorabklärung: • CT Thorax / Abdomen, • Labor: PSA, RF positiv, CCP-AK und ANA negativ, keine Entz.zeichen • Planung Biopsie und Entlassung nach Hause 20 28.11.2014 Radiologische Befunde Calziumpyrophoshat Ablagerungen (CPPD) axiale Beteiligung: gekgekrönter Dens Syndrom Schweiz Med Forum Nr. 39 25. September 2002 Literatur – Myelopathy and CPPD Pubmed 13 cases 1980 -2007 • Noduläre Kalzifizierung des Lig. Flavums • Histologie: in Haufen gelegene Ablagerungen doppelbrechender Kristalle • 1 Fall mit A. vertebralis Affektion, 1 Fall mit intraduraler Ausdehnung Sethi KS Surg Neurol. 2007 Feb • meist mit peripherer Gelenksbeteiligung 21 28.11.2014 Learning Lesson • MRI ist wenig sensitiv für Verkalkungen im Allgemeinen und detektiert insbesondere CPPD nicht • CPPD-Suche – periphere Gelenke: Ultraschall und Rx – Wirbelsäule: CT und Rx 90-jähriger „Kunsturner“ Nuklearmedizin • Skelett-Szintigrafie: Tumor, Metastasen, „Entzündung“, sehr geringer Nutzen für spezifische Diagnostik an der HWS • SPECT/PET-CT: Tumor, Metastasen, kann aktivierte Fazettengelenksarthosen dokumentieren, Vaskulitis whs kein Vorteil zum MRI, allerdings deutlich höhere Strahlenbelastung und Kosten gute Alternative falls MRI kontraindiziert 90-jähriger „Kunsturner“ • Vor 6 Wochen beim Morgenturnen mit Heben und Kreisen des rechten Armes, sie Hängenbleiben des Armes • Anschlliessend Schmerz über Schulter bis Mitte OA ausstrahlend • Konnte zuerst Arm überhaupt nicht mehr heben • Aktuell wieder bis 90 Grad Elevation und Abduktion möglich 22 28.11.2014 Ultraschall • Exzellent/1. Wahl für Oberflächen nahe Weichteile, Rotatorenmanschette, Frage nach Erguss in peripheren Gelenken • Wirbelsäule: sehr beschränkter Nutzen • US-gesteuerte Fazettengelenksinjektion und Blockade der Rami mediales sind möglich • Periradikuläre und epidurale Injektionen beschrieben, nicht State of the Art, da Gefässdarstellung nicht möglich (fatale Komplikationen beschrieben) 23