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Streuung und Strukturen
Ein Streifzug durch die Quantenphänomene
Bearbeitet von
Bogdan Povh, Mitja Rosina
1. Auflage 2002. Taschenbuch. XVI, 225 S. Paperback
ISBN 978 3 540 42887 9
Format (B x L): 15,5 x 23,5 cm
Gewicht: 374 g
Weitere Fachgebiete > EDV, Informatik > EDV, Informatik: Allgemeines, Moderne
Kommunikation > EDV & Informatik Allgemein
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K APITEL 4
Wasserstoffatom
Das Atom der modernen Physik kann allein durch
eine partielle Differentialgleichung in einem abstrakten
vieldimensionalen Raum dargestellt werden. Alle seine
Eigenschaften sind gefolgert; keine materiellen Eigenschaften können ihm in direkter Weise zugeschrieben
werden. Das heißt jedes Bild des Atoms, das unsere
Einbildung zu erfinden vermag, ist aus diesem Grunde
mangelhaft. Ein Verständnis der atomaren Welt in jener
ursprünglichen sinnlichen Weise ist unmöglich.
Heisenberg im Jahre 1945
Das Wasserstoffatom ist das einfachste atomare System. Es kann mit
großer Genauigkeit als Einteilchensystem beschrieben werden und ist
als solches analytisch lösbar. Daher eignet es sich zum Testen elementarer Quantenmechanik. Darüberhinaus stellen die Präzisionsexperimente am Wasserstoffatom noch immer die genauesten Tests der
Quantenelektrodynamik (QED) dar.
Alle Eigenschaften des Wasserstoffatoms sind durch die Ladung
e des Elektrons, seine Masse m e und die Plancksche Konstante h gegeben. Für die Kopplungskonstante der elektromagnetischen Wechselwirkung benutzen wir die dimensionslose Feinstrukturkonstante
e2 4 0 hc .
4.1 Niveauschema
4.1.1 Semiklassisch
Das Elektron bewegt sich im Coulomb-Feld des Protons mit einer
hc r . Dabei ist r der Radius
mittleren potentiellen Energie V
der klassischen Bahn des Elektrons um das Proton (eigentlich ist
r
1 r 1 ).
p2 2m e ,
Die mittlere kinetische Energie des Elektrons ist K
p2 ). Im Grundzustand
und p ist sein mittlerer Impuls (eigentlich
des Atoms müssen die Orts- und Impulsverschmierung der Unschärferelation genügen. Die Unschärferelation gilt als Ungleichung. Wenn
46
4 Wasserstoffatom
man sie aber als Gleichung benutzt ( r p
k h), ist der Faktor k
vor dem h vom Potential abhängig. Um quantitative Resultate im Fall
des Coulomb-Potentials zu erhalten, muss man r p h verlangen. Das
erinnert an die de-Broglie-Regel, die verlangt, dass in stabilen Kreisbahnen der Umfang 2 r ein ganzzahliges Vielfaches der de-Broglieh p sein muss.
Wellenlänge
Hierzu eine kleine Erläuterung: Im gebundenen Zustand ist die
Wellenlänge nicht gut definiert. Aber in einem Quantenzustand der
–. Um das zu zeigen, muss
Größe r , der keine Knoten besitzt, ist r
man eine Fourier-Analyse der Schrödinger-Wellenfunktion durchführen. Dann zeigt sich, dass in Objekten der Größe r die Hauptbeiträge
von Wellen mit – r herrühren. Wie wir später sehen werden, ist im
Fall des Wasserstoffs r der Radius, bei dem die mit r 2 multiplizierte
Elektrondichteverteilung ihr Maximum besitzt. Diesen Radius nennen
wir auch den wahrscheinlichsten Radius.
Mit Hilfe der Unschärferelation kann die mittlere kinetische Energie geschrieben werden als
K
h2
2m e r 2
(4.1)
Den Grundzustandsradius r findet man durch die Bedingung, dass die
totale Energie des Systems
E
minimal wird: dE dr
Bohrschen Radius a0 :
hc
r
h2
2m e r 2
(4.2)
0. Den Radius des Minimums nennt man den
a0
hc
m e c2
– e
(4.3)
Hier ist –e die Compton-Wellenlänge des Elektrons. Die Bindungsenergie des Wasserstoffatoms im Grundzustand, auch Rydbergsche Konstante Ry genannt, ist
13 6 eV (4.4)
Im Grundzustand mit der Hauptquantenzahl n 1 hat die Wellenfunktion keine Knoten, die de-Broglie-Wellenlänge ist – r . Im ersten
E1
2
m e c2
2
hc
2a0
1 Ry
1
4.1
Niveauschema
47
angeregten Zustand, n
2, weist die Wellenfunktion einen Knoten
auf, die Wellenlänge des Elektrons ist dann –2
r 2. Für den n-ten
Zustand gilt –n
r n. Daraus folgen die Radien und die Bindungsenergien:
rn n 2 a0
En
Ry n 2
(4.5)
In Abb. 4.1 sind die Knoten der Wellenfunktionen durch die stehenden
Wellen veranschaulicht, und das bekannte Bild des Wasserstoffniveauschemas ist dargestellt.
Abb. 4.1. Das Wasserstoffniveauschema in der semiklassischen Näherung;
weiterhin wird das Elektron als stehende Welle interpretiert
4.1.2 Dirac-Niveauschema
Eine genaue Betrachtung des Wasserstoffatoms bekommt man mit
Hilfe der Lösung der Dirac-Gleichung. In der Tat beschreibt diese das
Wasserstoffatom fast perfekt, da sie den Spin und die relativistische
Dynamik des Elektrons berücksichtigt. Was noch zur Perfektion fehlt,
ist die Berücksichtigung des Protonspins, der endlichen Ausdehnung
des Protons und der Effekte der Strahlungskorrekturen. Diese werden
wir unter der Hyperfeinstrukturaufspaltung und Lamb-Verschiebung
behandeln. Das Niveauschema des Wasserstoffatoms, nach der DiracGleichung berechnet, ist in Abb. 4.2 skizziert. Zum Vergleich sind
auch die Energien der Niveaus ohne Berücksichtigung des Spins
und der Relativität angegeben. Die Energieunterschiede werden als
48
4 Wasserstoffatom
relativistische Korrekturen und Spin-Bahn-Wechselwirkung gedeutet.
Die Feinstrukturaufspaltung E fs kann man als eine Verschiebung
bezüglich der nicht-relativistischen Energien auffassen, sie beträgt (bis
auf 2 )
2
1
3
E fs
Ry
(4.6)
n 3 j 1 2 4n
Es ist interessant zu bemerken, dass die mit der Dirac-Gleichung berechneten Zustände, neben der Hauptquantenzahl, nur vom Gesamts abhängig sind. Der Bahndrehimpuls ist keine
drehimpuls j
gute Quantenzahl.
Im Folgenden wollen wir nur die Größenordnungen verschiedener
Verschiebungen im Vergleich zu den nicht-relativistischen Energien
plausibel machen. Das ist sehr lehrreich. Man sieht, wie elegant die
Dirac-Gleichung die relativistischen Effekte berücksichtigt. Andererseits ist die Dirac-Gleichung nur für das Wasserstoffatom und wasserstoffähnliche Atome und Ionen exakt lösbar. Für Atome mit mehreren
Elektronen gibt es keine analytischen Lösungen.
Für n 1 kann man die relativistischen Korrekturen zur Niveauverschiebung in erster Ordnung der Störungsrechnung ziemlich genau
abschätzen, und wir werden sie ausführlich behandeln.
Abb. 4.2. Das Niveauschema des Wasserstoffatoms, berechnet nach der
Dirac-Gleichung. Zum Vergleich sind auch die nicht-relativistisch berechneten Energien der Niveaus angegeben
4.1
Niveauschema
49
Die Korrektur zur kinetischen Energie beträgt
K
p4
8m 3e c2
Im Grundzustand ist
(4.7)
p2
V
(4.8)
2m
und die Korrektur zur kinetischen Energie lässt sich schreiben als
E0
K
p4
8m 3e c2
1
E 02
2mc2
2E 0 hc
2
2
1
r2
1 Ry einsetzt und berücksichtigt, dass(4.9)
1 a und 1 r 2 a ist, ergibt sich im
5 Ry (4.10)
Wenn man für E 0
Grundzustand 1 r
2
0
2
0
2
K
hc
1
r
4
K ist die Energie, um die sich der Grundzustand auf Grund der
kinetischen Energie vermindert.
4.1.3 Zitterbewegung
Das Elektron ist nicht genauer zu lokalisieren als seine ComptonWellenlänge – e . Die Positronen, die in der Lösung der Dirac-Gleichung
das Elektron begleiten, vernichten zeitweise das Elektron und erzeugen
es an einer anderen Stelle. Das führt zu einer Verschmierung der
örtlichen Elektronkoordinate, historisch Zitterbewegung genannt.
Die stochastische Bewegung des Elektrons innerhalb eines Be0.
reichs von –e vermindert das Coulomb-Potential an der Stelle r
Um diese Korrektur abzuschätzen, entwickeln wir das Potential in eine
Taylor-Reihe nach r
r V r
V r V r
1
2
! !
i
jV
r r i
j
ij
""#
(4.11)
Wegen des Vektorcharakters der Verschmierung fällt bei der Mittelung
über den Raum der lineare Term weg, r
0, der quadratische Term
bekommt die Form
1 2
1
V r 2
(4.12)
i j V ri r j
2 ij
6
! !
$
!
50
4 Wasserstoffatom
Dieser Term ist nur für r
0 von Null verschieden, da der LaplaceOperator, angewendet auf das Coulomb-Potential, die Poisson-Gleichung, 2 1 r
4
r , erfüllt. r ist selbstverständlich die
Diracsche Deltafunktion.
–2e einsetzen, lautet der
Wenn wir näherungsweise für
r 2
Korrekturterm zum Coulomb-Potential
! % r
1 2
– hc4
6 e
D
(4.13)
Die Energieverschiebung bekommen wir, wenn wir den Erwartungswert von D ausrechnen. Der einzige Beitrag kommt von r
0. Daher müssen wir die -Funktion in (4.13) durch die ElektronWahrscheinlichkeitsdichte bei r 0 ersetzen
& ' 0
& 1
4
2
2
a03
(4.14)
Unsere Abschätzung weicht nur 30 % ab vom richtigen Wert, den man
als Darwin-Term bezeichnet:
(
D
2
Ry
(4.15)
Die Energieverschiebung im Grundzustand ist dann die Summe der
beiden Korrekturen
Ry 1 8 ) 10
4
2
E fs
K
D
4
eV
(4.16)
Um genaue Korrekturen angeregter Zustände zu erhalten, ist eine
Mittelung über die Impulsverteilung der Zustände notwendig, unsere
großzügige Abschätzung gibt ungenaue Werte.
Betrachten wir jetzt das Niveau mit n
2. Im Zustand
0
beträgt fs
0 562 10 4 eV. Für die Zustände mit
0 muss
man zusätzlich die Spin-Bahn-Kopplung berücksichtigen. Diese ist von
vergleichbarer Größe wie die anderen relativistischen Korrekturen und
auch proportional zu E n 2 .
+ ) * * ,
-
4.1.4 Spin-Bahn-Aufspaltung
Aus (4.6) erkennt man, dass die Zustände mit gleichem j , aber
unterschiedlichem entartet sind. Dies bedeutet für das Niveau mit
n
2, dass die relativistische Energieverschiebung K
D im
*
4.1
* Niveauschema
51
* 0-Zustand gleich der Summe dieser beiden und der Spin-BahnVerschiebung im (
1 j 1 2)-Zustand ist.
Die Spin-Bahn-Aufspaltung im
1-Zustand ist:
* ) s
h
1
2 m 2e c r 3
E ls
(4.17)
Dies ist leicht nachzuvollziehen. Das vom Proton erzeugte Magnetfeld
im Ruhesystem des Elektrons ist nach dem Biot-Savartschen Gesetz
B
e
r
2 3
0c r
4
./ (4.18)
Bei der Transformation des Feldes in das rotierende System des Atoms
wird das Feld mit einem Faktor 1/2 multipliziert (Thomas-Faktor).
Setzt man den Drehimpuls in (4.18) ein, ist das Feld
B
8
e
2 3
0mec r
(4.19)
0 * r
exp Die s-Verschiebung (4.17) bekommt man, wenn man das Magnetfeld
mit dem magnetischen Moment des Elektrons, e m s, multipliziert.
1
Da die Wellenfunktion im Zustand mit n 2
' r
1
r
24 a 3 a0
0
(4.20)
a0
ist, berechnet sich der Mittelwert von 1 r 3 zu:
1
r3
1
24 a03
1
exp
0
2r
a0
r dr
a0 a0
1
24 a03
Und mit
s
2 1
* * 1
s s 1
3 h 1
j j
2
2
1 2
h
2
2
1h
(4.21)
3 2
für j 1 2
für j
2 0 * 1)-Zustand
j 1 2
1 E 0 446 ) 10
4
(4.22)
ist die Spin-Bahn-Aufspaltung im (n
3 2
E ls
2
4
eV
(4.23)
In Abb. 4.2 sind die Energieverschiebungen jeweils für die Zustände
n 1, n 2 und n 3 schematisch gezeichnet.
E ls j
2
52
4 Wasserstoffatom
4.2 Lamb-Verschiebung
* * 0 und n 2,
Die Lamb-Verschiebung in den Zuständen mit n 1,
0 ist theoretisch – so glaubt man – auf sechs Stellen bekannt. In
der Tat werden die genauesten Daten der Lamb-Verschiebung durch
die Messung der Differenz der 2s- und 1s-Niveaus im Wasserstoffatom
gewonnen. Wir werden diese grob abschätzen.
Zu der Lamb-Verschiebung tragen hauptsächlich zwei Strahlungskorrekturen bei. Die erste berücksichtigt die Tatsache, dass die Bewegung des Elektrons durch die Nullpunktschwingung des elektromagnetischen Feldes beeinflusst wird, die zweite trägt der Abschirmung der
elektrischen Ladung durch die Polarisation des Vakuums Rechnung.
Da der erste Mechanismus den Hauptbeitrag zur Lamb-Verschiebung
im Wasserstoffatom liefert, werden wir hier nur diesen beschreiben.
Die endliche Ausdehnung des Protons trägt zur Lamb-Verschiebung
im Wasserstoff nur 1 % bei.
4.2.1 Nullpunktschwingung
Zunächst wollen wir die Nullpunktschwingung des elektromagnetischen Feldes abschätzen. Wir betrachten das elektromagnetische Feld
als eine inkohärente Summe ebener Wellen in einer Box der Größe L 3 .
Jedem Freiheitsgrad gehört eine Nullpunktenergie 21 h , im gegebenen
Phasenraum, L 3 4 h c 2 d h c :
1
2
d3 x
0E
2
4
4 4 65 B 1 L E 5 B 7
2
2L 4 h4 c
d h 4 c
h4 2 h 2
1
2
3
0
0
1
2
2
0
2
3
3
(4.24)
Der Faktor 2 vor dem Integral kommt von den beiden Polarisationen
des Photons. Die Hälfte des letzten Ausdrucks gehört dem elektrischen
Feld, woraus
2
h
E2
(4.25)
d
2
2 c3 0
4 4
4
folgt. Dieses Integral divergiert. Jedoch genügt es zur Abschätzung der
Lamb-Verschiebung, wenn man nur das Frequenzintervall zwischen
h min
2 Ry und h max
m e c2 berücksichtigt. Das werden wir
anschließend begründen.
4
4
4.2
Lamb-Verschiebung
53
Das Feld E beschleunigt das Elektron, und dadurch verschmieren
seine Koordinaten
me r e E
(4.26)
8 Benutzen wir diesen Zusammenhang, um r abzuschätzen. Die
zweite Zeitableitung bringt einen Faktor 1 4 in das Integral
(4.25) über 4 :
r
e 4 h4 d4 2 hc
) d4
mc
4
m4
2 c 2 hc
4
(4.27)
m c ) ln 4 Die Koordinate des Elektrons fluktuiert um r, was beides ändert,
2
2 2
2
2
2
2
2
2 3
2
2 4
e
0
max
2 4
e
min
die kinetische und die potentielle Energie. Die Änderung der kinetischen Energie ist für das freie und das gebundene Teilchen gleich
und ist in der Renormierung der Masse inbegriffen. Die Änderung der
potentiellen Energie ist der Beitrag zur Lamb-Verschiebung.
Jetzt müssen wir den relevanten ultravioletten und den infraroten
Cut-off für die Änderung der potentiellen Energie abschätzen.
Für die obere Grenze wählen wir die Elektronmasse (h max
m e c2 ), da eine bessere Auflösung der Elektronkoordinate als die
Compton-Wellenlänge (hc m e c2 ) nicht möglich ist. Für die untere
Grenze wählen wir eine typische Atomenergie (h min
2 Ry), da
die gebundenen Elektronen nicht stärker als Atomradien verschmiert
sind. Diese Wahl werden wir sogleich rechtfertigen. Das Verhältnis
beträgt dann
m e c2
1
max
(4.28)
2
2
2
mec
min
4
4
4
4
Die Fluktuation des Elektrons verschmiert das Coulomb-Potential
(siehe (4.11) und (4.12))
V
11
23
!
2
V
r
2
(4.29)
Wir können die Poissonsche Gleichung anwenden und das korrigierte Coulomb-Potential ausrechnen
!
2
V
4 hc
r 9
(4.30)
54
4 Wasserstoffatom
wobei r wiederum die Diracsche Deltafunktion bedeutet. Die Verschmierung des Coulomb-Potentials beträgt dann
4 V
hc
&:' 0
& r 4 2
n
2
hc
3
m e c2
hc n
1
r
2
(4.31)
In erster Ordnung entspricht diese Verschmierung einer Verschiebung der potentiellen Energie
E Lamb
; 4
3
V
m e c2
n3
5
ln
1
2
8 Ry
3
n3
Unsere Abschätzung stimmt z. B. für den Zustand n
von 20% überein.
3
ln
1
2
(4.32)
2 innerhalb
4.3 Hyperfeinstruktur
Betrachten wir weiterhin die Wechselwirkung zwischen den magnetischen Momenten des Protons und des Elektrons. Das Magnetfeld eines
magnetischen Dipols, z. B. das des Protons, p , ist:
5
B r 4
0
<
=) < & r&
3r r
r2
p
< 25 < r 3
p
0
p
5
(4.33)
Die Dipol-Dipol-Wechselwirkungsenergie erhält man, wenn man das
Skalarprodukt zwischen dem Magnetfeld aus (4.33) und dem magnetischen Dipolmoment des Elektrons bildet und über die Elektronverteilung im Gesamtraum integriert. Dabei hebt sich der Beitrag des
ersten Summanden auf. Übrig bleibt nur der Beitrag der überlappenden Momente. Für die Wechselwirkung der magnetischen Momente
des Elektrons und des Protons ist nur das Kontaktpotential Vss von
Bedeutung
2 0
r
(4.34)
Vss r
p
e
3
Daraus folgt der Wert für die Hyperfeinaufspaltung:
5 < )0< 5
(4.35)
E 23 < )0< & ' 0
& Nur die Elektronen der Zustände mit * 0 haben am Kernort eine
0
ss
2
p
e
endliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Wir werden nur die Hyperfeinaufspaltung für den 1s-Zustand im Wasserstoffatom berechnen.
4.3
Hyperfeinstruktur
55
&' & Die Wahrscheinlichkeit, das Elektron am Ort des Protons zu finden,
ist nach (4.14)
0 2 1 2 a03 . Den Gesamtdrehimpuls des Atoms
bezeichnet man mit F, das ist die Summe aus dem Elektrondrehimpuls
und dem Spin des Kerns. Im Falle des Wasserstoffatoms im 1s-Zustand
gilt F se sp . Da bekanntlich
sp
)s e
<
2 1
2s s 1
>3 h h f ur8 F 1 (4.36)
h f ur8 F 0
2 973 e m s sowie < e m s , beträgt die
1
F F
2
und p
Hyperfeinaufspaltung:
E ss
J 1
1 2
4
3 2
4
2
p
E ss
p
e
e
) 5
J 0
2 2 793
3
0
e
e2 hc 2 1
m p c2 m e c2 a03
6) 2 793 hc
m c ) m c
6 ) 10 eV 2
8
p
2
6
e
3
2
1
a03
(4.37)
Diese Energie entspricht der bekannten 21 cm-Strahlung, die vom interstellaren Wasserstoff emittiert wird und auf der Erde mit Antennen
Abb. 4.3. Vollständiges Termschema des H-Atoms inklusive der Hyperfeinstrukturaufspaltung
56
4 Wasserstoffatom
leicht zu beobachten ist. Die Lebensdauer dieses Hyperfeinübergangs
ist viele Größenordnungen zu lang ( 107 Jahre), um ihn im Labor
beobachten zu können. Anders ist es im Falle des interstellaren Wasserstoffs: Die Wahrscheinlichkeit für atomare Stöße ist dort ausreichend klein, um den elektromagnetischen Übergang zu ermöglichen.
In Abb. 4.3 wird das vollständige Termschema des H-Atoms inklusive
der Hyperfeinstrukturaufspaltung gezeigt.
4.4 Wasserstoffähnliche Atome
? @ A
, K , p,
,
sind erfolgreich
Negativ geladene Teilchen, ,
in das Coulomb-Feld der Atomkerne eingebaut worden. Da die 1sRadien r
1 m Z sind, bewegt sich das schwere Teilchen weit innerhalb der Elektronenhülle und kann sehr gut als wasserstoffähnliches
Atom, jedoch nicht nur mit einem Proton, sondern auch mit schwereren Atomkernen im Zentrum, betrachtet werden. Die Atome mit stark
wechselwirkenden Teilchen, gebunden im Coulomb-Feld des Kerns,
eignen sich gut zur Untersuchung der Teilchen-Kern-Wechselwirkung
bei kleinsten Energien. Da die Masse des Myons 200 mal kleiner
ist als die des Elektrons, bewegen sich die Myonen, wenn im Atom
eingefangen, nur schwach abgeschirmt von den Elektronen in Kernnähe. Deswegen eignen sich die myonischen Atome zur Messung der
elektromagnetischen Eigenschaften der Kerne, was wir kurz schildern
wollen.
B 4.4.1 Myonische Atome
Die Bindungsenergien in myonischen Atomen kann man für die meisten Zustände ausrechnen, wenn man die Formeln für das Wasserstoffatom nimmt, wobei die Elektronmasse durch die myonische und die
Ladung des Protons durch die des betreffenden Kerns ersetzt. Einen
wesentlichen Unterschied zur Abschätzung durch die Wasserstofffor0-Zustände, insbesondere der 1s1 2 -Grundzustand.
mel zeigen die
Dies wollen wir am Beispiel des myonischen Bleiatoms demonstrieren.
In einem myonischen Atom mit einem Kern einer Punktladung
des Bleis (Z 82) wäre der wahrscheinlichste Radius des Myons im
1s1 2 -Zustand
C
* C
a
D a0
Z m me
D
a0
1696
31 fm
(4.38)
4.4
Wasserstoffähnliche Atome
57
und die Bindungsenergie wäre dann
E1
Z2
D
m
Ry
me
18 92 MeV (4.39)
C
Experimentell beträgt die Bindungsenergie des 1s1 2 -Zustandes im
9 744 MeV.
myonischen Blei nur E 1s
Das Myon, das sich so nahe am Kern bewegt, spürt ein stark
modifiziertes Coulomb-Potential, da der Bleikern einen Radius von
etwa 7.11 fm hat, vergleichbar mit der Ausdehnung der myonischen
Wellenfunktion. Das effektive Coulomb-Potential eines Bleikerns ist
in Abb. 4.4 skizziert. Wir haben angenommen, dass der Kern eine
homogen geladene Kugel mit dem Radius R ist. Innerhalb des Kerns
wächst das Potential proportional zu r 2 R 3 und hat die Form eines
harmonischen Oszillators, außerhalb des Kerns gilt die einfache 1 rAbhängigkeit. Am Kernrand R müssen die beiden Funktionen den
gleichen Wert und die gleiche Ableitung haben. Das erreicht man mit
folgendem Ansatz:
V r Z hc
1
R
3
2
1
r
1 r2
2 R2
r
H
E
r
F
R
(4.40)
R
Abb. 4.4. Das effektive Coulomb-Potential eines Bleikerns. Am Rande des
Kerns r
R ist die Funktion r 2 R 3 , die das Potential im Inneren des
Kerns beschreibt, an die Hyperbel angepasst. Der mit dem Oszillatorpotential
berechnete Grundzustand (durchgezogene Linie) liegt etwa 1.5 MeV höher als
der experimentell bestimmte (gestrichelte Linie)
G
58
4 Wasserstoffatom
C
Das 1s1 2 -Myon bewegt sich vorwiegend innerhalb des Kerns, und wir
versuchen die Bindungsenergie mit der Annahme auszurechnen, dass
die Form des Potentials die eines harmonischen Oszillators sei.
Die Hamilton-Funktion des harmonischen Oszillators ist
H
p2
2m
m
4
2 2
r
2
(4.41)
wobei – wenn wir die Form des Potentials (4.40) berücksichtigen –
gilt:
Z hc
2
(4.42)
m R3
Der Grundzustand des dreidimensionalen harmonischen Oszillators
liegt bei 3 2h , so beträgt die Bindungsenergie in dieser Näherung
4 E 1s
I4 3 Z
2
hc
R
3 Z hc
1
2 R
Z hc
m R3
Z hc
mR
8 36 MeV (4.43)
Dies ist keine schlechte Abschätzung. Der experimentelle Wert liegt
etwa tiefer, da sich das Myon nicht vollständig im Kern aufhält.
Weiterführende Literatur
W. Demtröder: Experimentalphysik 3 (Springer, Berlin Heidelberg 2000)
H. Haken, H. C. Wolf: Atom- und Quantenphysik (Springer, Berlin Heidelberg
2000)
R. P. Feynman: Quantum Electrodynamics (Benjamin, New York 1962)
V. F. Weisskopf: Search for Simplicity: Quantum mechanics of the hydrogen
atom, Am. J. Phys. 53 (1985) 206
Herunterladen