Operative Behandlung benigner intrakranieller Raumforderungen

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Ulrich Knopp
Hans Arnold
Zusammenfassung
Insbesondere die Kombination moderner bildgebender Verfahren mit der stetigen Weiterentwicklung operativer Methoden und der
Strahlentherapie hat zu einer Verbesserung
der Behandlungsergebnisse bei Patienten mit
benignen Hirntumoren geführt. Für die meisten dieser Tumoren (Meningeome, Akustikusneurinome und Hypophysenadenome) stellt
die operative Resektion die initiale Therapie
der Wahl dar, in wenigen Fällen ist eine individuelle Therapieanpassung notwendig, insbesondere wenn der klinische Zustand des
Patienten (höheres Lebensalter, multiple Komorbiditäten) ein chirurgisches Vorgehen nicht
zulassen. Die nichtoperative, strahlentherapeutische Behandlung wird sowohl in Form der
stereotaktischen Radiochirurgie als auch der
konventionellen externen Bestrahlung und der
Brachytherapie angewandt und wird insbesondere bei inoperablen beziehungsweise nicht
vollständig resektablen Tumoren eingesetzt.
Schlüsselwörter: Neurochirurgie, Hirntumor,
chirurgische Therapie, Strahlentherapie, Kernspintomographie
Operative Behandlung
benigner intrakranieller
Raumforderungen
D
ie WHO-Klassifikation der intrakraniellen Tumoren (29) orientiert sich an ihrem histologischen
Aufbau. Die Dignität oder biologische
Wertigkeit eines Tumors wird nach der
Menge der pathologischen Zellteilungen im Tumor bestimmt. Man unterscheidet vier Grade. Die Grade 3 und 4
sind definitionsgemäß maligne.
´
Tabelle 1
C
operativ entnommenen Resektates
abhängig gemacht. In Einzelfällen
wird wegen präoperativ bestehender
Risikofaktoren (Multimorbidität, Gerinnungsstörung, schlechter Allgemeinzustand) eine Operation nicht infrage kommen. Darüber hinaus kann
die ungünstige Lage eines Tumors
(zum Beispiel Meningeome des Sinus
´
Graduierung des Resektionsausmaßes bei Meningeomen nach Simpson
Grad
Resektionsausmaß
1
Makroskopisch vollständige Resektion mit Exzision der duralen Anheftungsstelle und
verändertem Knochen (ggf. einschließlich betroffenem Sinus durae matris)
2
Makroskopisch vollständige Resektion mit thermischer Koagulation der duralen
Anheftungsstelle (Laser, bipolare Koagulation)
3
Makroskopisch vollständige Resektion ohne Resektion oder Koagulation der duralen
Anheftungsstelle oder extraduraler Ausdehnung (z. B. hyperostotischer Knochen)
4
Partielle Resektion, Belassen von Tumorgewebe in situ
5
Einfache Dekompression (mit/ohne Biopsie)
Summary
Surgery for Benign Brain Tumours –
a Positive Résumé
Modern imaging techniques as well as the
constant progress in neurosurgical procedures
and radiotherapy has improved the treatment
of benign brain tumours. For most of these
tumours (meningeoma, acoustic neuroma and
pituitary adenoma) the surgical resection represents the initial therapy of choice. In some
cases a therapy adjustment is necessary, in
particular if the clinical status of the patient
(higher age, multiple co-morbidities) does not
permit a surgical procedure. Radiotherapy is
applied in form of stereotactic radiosurgery,
conventional external irradiation and brachytherapy, and is used especially for inoperable
or not completely removable tumours.
Key words: neurosurgery, brain tumour, surgery,
radiation therapy, MR tomography
Bei den benignen Tumoren (WHO
Grad 1) findet sich eine geringe Zelldichte mit gleichförmigen Zellen ohne
atypische Mitosen und ohne Gefäßwandproliferation.
Demgegenüber imponiert beim
Grad 2 eine geringe bis mäßige Zelldichte mit geringgradigen Unregelmäßigkeiten in Größe, Form und Chromatingehalt der Kerne mit wenigen
typischen Mitosen ohne Gefäßwandproliferation (43). Auch wenn moderne bildgebende Verfahren wie CT,
MRT, PET-SPECT inzwischen meist
eine recht sichere Diagnose zulassen,
wird häufig die weitere Behandlung
von einer Biopsie beziehungsweise
der histologischen Aufarbeitung eines
Klinik für Neurochirurgie (Direktor: Prof. Dr. med. Hans
Arnold), Universitätskliniken Lübeck
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cavernosus) einen operativen Eingriff
verbieten.
Operationsziel sollte die kurative
Behandlung mittels vollständiger Tumorentfernung sein. Die Radikalität
kann unter Umständen durch das Risiko einer Schädigung wichtiger Strukturen, beispielsweise der Hirnnerven,
eingeschränkt sein. Die Hautinzision
sollte eine suffiziente Darstellung des
relevanten Hirnareals ermöglichen,
kosmetisch so gering beeinträchtigend
wie möglich sein und die Blutversorgung im gebildeten Hautlappen sicherstellen. Ferner sollte die Ausdehnung des Knochendeckels sowie die
Eröffnung luftgefüllter Sinus – wo sie
nicht zwingend notwendig ist – vermieden werden.
Die Hautinzision sollte darüber hinaus die Identifikation anatomischer
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Landmarken erlauben und nicht wesentlich größer sein, als zur Entfernung
des Tumors nötig ist. Der Ort der Kortexinzision sowie des operativen Zugangsweges wird bestimmt durch die
Lokalisation und die Ausdehnung des
Tumors unter Berücksichtigung eloquenter Areale, wichtiger Leitungsbahnen sowie vaskulärer Strukturen
und der Ventrikel.
Extrazerebrale
intrakranielle benigne
Tumoren
Meningeomen ist aufgrund der geringen mitotischen Aktivität der Tumorzellen nur von mäßigem Erfolg
(59), führt jedoch in einzelnen Fällen,
insbesondere bei inoperablen Tumoren, zu einer Symptomlinderung. Bei
kleinen, ungünstig gelegenen Tumoren sowie Tumorresten mit weniger als
3 cm Durchmesser bietet sich zudem
die Möglichkeit der stereotaktische
Radiochirurgie (Linearbeschleuniger
mit Multi-Leaf-Kollimator, GammaKnife) an.
Die 5-Jahres-Überlebensrate von
Meningeompatienten wird mit 91,3
volle Einteilung geschaffen (2, 53).
Die Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens nach makroskopisch kompletter Tumorentfernung wird mit 11
bis 15 Prozent angegeben. Bei einer
inkompletten Resektion erhöht sich
dieser Wert auf bis zu 29 Prozent,
verschiedene Studien geben in einer
5-Jahres-Periode eine Rate von 37
Prozent bis zu 85 Prozent an (51, 61,
37). Die malignen Meningeome rezidivieren im Gegensatz dazu innerhalb
kurzer Zeit.
In einem hohen Prozentsatz (32 Prozent versus 60 Prozent) kann jedoch die
Meningeome
Meningeome stellen 14,3
bis 19 Prozent der primären
intrakraniellen Neoplasien
dar. Das weibliche Geschlecht ist deutlich prävalent. Die gutartigen und
langsam wachsenden Meningeome sind meist sehr
gut kurativ operabel. Die
a
b
c
mikrochirurgische ResektiAbbildung 1: Koronare kontrastmittelverstärkte Kernspintomographie des Neurokraniums, T1-gewichtete
on beginnt häufig mit der Untersuchung: a) koronare Schnittführung, b) sagittale Schnittführung, intra- und suprasellär gelegene
Aushöhlung des Tumors. Da- zystische Raumforderung mit ausgeprägter Verlagerung des Chiasma opticum nach apikal bei einem 59nach lassen sich die äuße- jährigen Patienten mit bitemporalem Gesichtsfeldausfall, das Chiasma opticum ist langstreckig angehoben
ren Tumoranteile vorsich- und komprimiert. Kernspintomographie, koronare Schnittführung: c) nach mikrochirurgischer Resektion
tig vom umgebenden Hirn mittels bifrontaler osteoplastischer Kraniotomie, das Chiasma opticum nun deutlich entlastet. Perimetrisch deutlich vergrößertes Gesichtsfeld. Histologisch hormoninaktives Hypophysenadenom.
wegziehen und mikrochirurgisch trennen.
In der überwiegenden Zahl der Fäl- Prozent angegeben, für die Wieder- strahlentherapeutische Behandlung bei
le ist es möglich, den duralen Ur- auftretenswahrscheinlichkeit ist das nicht vollständig resezierten Meninsprung des Tumors mit zu resezieren. Ausmaß der chirurgischen Tumorent- geomen eine Größenprogredienz des
Die supraselektive präoperative Em- fernung der entscheidende Faktor. Tumors im Vergleich zu nicht bestrahlbolisation von Feedergefäßen hat sich Hierfür hat Simpson mit seinem Gra- ten Tumoren verhindern oder aufhalbewährt (17). Die Radiotherapie von duierungssystem (Tabelle 1) eine sinn- ten.
a
b
c
d
Abbildung 2: Kontrastmittelverstärkte Kernspintomographie des Neurokraniums, T1-gewichtete Untersuchung: a) koronare Schnittführung,
b) sagittale Schnittführung, ausgedehntes linksseitiges Keilbeinflügelmeningeom mit deutlichem perifokalem Ödem und Mittellinienverlagerung bei einer 60-jährigen Patientin mit zunehmenden Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen und zweimaligem generalisiertem Krampfanfall. Frühe postoperative Kernspintomographie nach Gabe von Kontrastmittel: c) koronare Schnittführung, d) sagittale Schnittführung.
Kein Tumorrest mehr erkennbar, rückläufiges Ödem, histologisch menigotheliomatöses Meningeom WHO Grad 1.
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Akustikusneurinome
In der Regel handelt es sich im eigentlichen Sinne um Schwannome, die von
dem vestibularen Anteil des 8. Hirnnerven ausgehen. Die Bezeichnung Vestibularisschwannom ist daher für diese histologisch benignen Tumoren am ehesten zutreffend. Mit einer jährlichen Inzidenz von 0,78 bis 1,15 Fällen pro
100 000 Einwohner stellen sie einen der
häufigsten intrakraniellen Tumoren dar,
typischerweise werden sie nach dem 30.
Lebensjahr symptomatisch. Wegen des
gehäuften Auftretens von Vestibularis-
´
Tabelle 2
C
schwannomen im Rahmen der Neurofibromatose Typ 2 sollte jeder Patient, bei
dem vor dem 40. Lebensjahr ein unilaterales Vestibularisschwannom diagnostiziert wird, auf diese Krankheit hin untersucht werden.
Klinische Symptome sind ipsilaterale Hörminderung, Tinnitus und
Schwindel sowie Gleichgewichtsstörungen. Größere Tumoren können zu
Facialisirritationen, Trigeminuskompression sowie Hirnstammkompression führen (23).
Differenzialdiagnostisch kommen
am ehesten Meningeome im Bereich
des Kleinhirnbrückenwinkels infrage,
darüber hinaus sind Neurinome der
benachbarten Hirnnerven, insbesondere Trigeminusneurinome in Betracht zu ziehen. Als Ausgangsbefund
sind Audiometrie sowie Ton- und
Sprachaudiographie und Nystagmographie wichtig. Die Tumordiagnose
erfolgt computertomographisch und
kernspintomographisch. Das Kernspintomogramm erfasst Vestibularisschwannome mit einer Sensitivität von
nahezu 98 Prozent, charakteristischer
Befund ist ein runder oder ovaler,
Kontrastmittel anreichernder Tumor,
´
Synopsis der Symptomatik und Therapie verschiedener benigner Raumforderungen des Kopfes
Art des Tumors
Lokalisation
Klinische Symptomatik
Diagnostik
Therapie
Besonderheiten
Hämangioblastom
Hintere
Schädelgrube
Zeichen der Raumforderung
in der hinteren Schädelgrube
(Kopfschmerzen, Übelkeit,
Erbrechen, Stauungspapille,
Gangstörungen)
MRT
zerebrale
Angiographie
(25)
Chirurgisch
20 % der Hämangioblastome
bei Hippel-Lindau-Erkrankung
(36)
Kolloidzysten
3. Ventrikel
Hydrozephalus bei Blockade
des Foramen Monroi,
Kopfschmerzen,
Gangstörungen,
mnestische Defizite
CT/MRT
(22, 35)
Endoskopisch
(34)
ggf. chirurgisch
(transkallosal,
transkortikal,
stereotaktisch)
(31)
Ependymome
Meist am Boden
des 4. Ventrikels
Zeichen der Raumforderung
in der hinteren Schädelgrube
(Kopfschmerzen, Übelkeit,
Erbrechen, Stauungspapille,
Gangstörungen)
MRT
Chirurgisch,
postoperative
Radiatio
(49)
Zu 70 % bei Kindern, mittleres
Erkrankungsalter 17,5 Jahre
(54)
aus ependymalen Zellen der
zerebralen Ventrikel und des
Zentralkanals des Rückenmarks
hervorgehend, Abtropfmetastasen in 11 % aller Patienten
(38)
Tumoren des
Kindesalter:
Seitenventrikel
Erwachsene:
infratentoriell
(16)
Hydrocephalus occlusus:
Übelkeit, Erbrechen,
Kraniomegalie (6)
MRT
Chirurgisch
70 % im 1. und 2. Lebensjahr,
histologisch meist gutartige
Papillome, selten Plexuskarzinome (56)
MRT
Chirurgisch
(21)
Stets gutartig, aus verbliebenen
Komponenten bestehend,
bei Epidermoiden selten Zystenruptur mit aseptischer
Meningitis und Ependymitis (13)
Plexus
chorioideus
Epidermoide und
Dermoidtumoren,
Teratome
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Epidermoide:
Lokalisationsabhängig
Kleinhirnbrückenwinkel,
4. Ventrikel,
suprasellär
(3, 5, 44)
Dermoide:
mittelliniennah
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meist im Bereich des Meatus acusticus
internus gelegen. Therapeutisch ist für
die meisten Tumoren die chirurgische
Resektion die zu bevorzugende Behandlungsoption.
Zur Wahl stehen verschiedene Zugangswege, einerseits der von HNOÄrzten früher bevorzugte translabyrinthäre Weg, insbesondere für primär
intrakanalikulär gelegene Tumoren;
der Nachteil besteht im zugangsbedingten Hörverlust. Diese Komplikation entfällt beim transtemporalen Zugang des HNO-Chirurgen (58, 11).
a
schen Zustand mit deutlich erhöhtem
Operationsrisiko ist neben abwartendem Verhalten (4, 15) die Radiochirurgie zu erwägen.
Die komplette chirurgische Entfernung ist in 97 bis 99 Prozent der Fälle
möglich, in 4 bis 27 Prozent kommt es
jedoch zu postoperativen Liquorfisteln, in 5 Prozent zur Entwicklung einer Meningitis. Die Mortalität wird
insgesamt mit etwa 1 Prozent angegeben. Der Erhalt des 7. Hirnnerven ist
abhängig von der Größe des Tumors
und wird in Studien von Zentren mit
b
c
aktiven Hypophysentumoren sind die
Prolaktinome, deren klinische Zeichen, Amenorrhö und Galaktorrhö
bei Frauen, Impotenz bei Männern
und Unfruchtbarkeit in beiden Geschlechtern meist zur weiteren Diagnostik führen. Die ACTH-produzierenden Tumoren (ACTH, adrenokortikotropes Hormon) verursachen
einen endogenen Hyperkortisolismus,
dessen Ursache in 60 bis 80 Prozent ein Hypophysenadenom ist. Hier
führt meist der pathologische Dexamethason-Hemmtest in Verbindung
d
Abbildung 3: 20-jähriger Mann mit erstmaligem generalisiertem Krampfanfall, kernspintomographische Darstellung eines insulären Tumors
linksseitig, T1-gewichtete Untersuchung: a) koronare Schnittführung, b) axiale Schnittführung, 18 Monate nach OP mittels links temporaler
Kraniotomie erneute Kernspintomographie: c) koronare Schnittführung, d) axiale Schnittführung, ohne Darstellung Kontrastmittel aufnehmender Tumorreste, liquorgefüllte, glatt begrenzte Resektionshöhle, kein Nachweis einer Schrankenstörung. Histologisch Astrozytom WHO Grad 2.
Der von Neurochirurgen genutzte
subokzipitale Zugang über die hintere
Schädelgrube (60) ermöglicht – wie
der transtemporale Zugang – am ehesten den Erhalt des Hörvermögens sowie des Nervus facialis (19, 20). Darüber hinaus sind eine Reihe von kombinierten Zugängen, insbesondere für
die Operation großer Tumoren, beschrieben worden.
Die nichtoperative, strahlentherapeutische Behandlung wurde sowohl
in Form der stereotaktischen Radiochirurgie als auch der konventionellen
externen Bestrahlung genutzt (41).
Beide Verfahren wurden insbesondere
bei älteren, multimorbiden Patienten
angewendet, darüber hinaus kann eine
Bestrahlung nach subtotaler chirurgischer Resektion notwendig sein (18,
42, 46). Die stereotaktische Radiochirurgie ist eindeutig vorzuziehen, allerdings ist eine spätere Ertaubung möglich. Für Patienten in schlechtem klini-
großen Serien operierter Akustikusneurinome in 60 bis 100 Prozent der
Fälle erreicht (45).
Gehörerhaltende Operationen sind
bei Tumoren unterhalb 1,5 cm Maximaldurchmesser in 35 bis 71 Prozent
der behandelten Patienten möglich.
Hypophysenadenome
Die Adenome der Hypophyse sind
Neubildungen des Hypophysenvorderlappens (Adenohypophyse), welche etwa 10 Prozent der intrakraniellen Tumoren ausmachen und meistens
in der dritten und vierten Lebensdekade auftreten.
Klinisch treten meist zunächst
endokrinologische Auffälligkeiten in
den Vordergrund (1), bei den endokrinologisch inaktiven Hypophysentumoren machen sich Zeichen der lokalen Raumforderung zuerst bemerkbar. Die größte Gruppe der hormon-
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mit dem klassischen Symptombild aus
Stammfettsucht, arteriellem Hypertonus, Striae, Hyperglykämie, Amenorrhö, Osteoporose und Muskelatrophie
zur Diagnose.
Die häufig nicht nennenswert
raumfordernden, aber endokrin hochaktiven zum M. Cushing führenden
Adenome lassen sich kernspintomographisch mit hoher Sicherheit lokalisieren. Die übermäßige Ausschüttung
von Wachstumshormon (GH) durch
einen hormonaktiven Hypophysentumor führt klassischerweise zur Akromegalie, in präpubertalen Kindern vor
dem Epiphysenschluss zum sehr selten
auftretenden Gigantismus. Begleitend
finden sich oft Hypertonus und Diabetes mellitus.
Die raumfordernden hormoninaktiven Hypophysentumoren rufen häufig eine bitemporale Hemianopsie und
Visusminderung durch Druck auf das
Chiasma opticum hervor, bei Ein-
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wachsen in den Sinus cavernosus auch
Druck auf die Hirnnerven 3, 4 und 5
mit Ptosis, Doppelbildern und Neuralgien im Stirnbereich, seltener Okklusion des Sinus cavernosus mit Proptosis
und Chemosis. Hormonstörungen im
Sinne von Hypothyreoidismus, Hypadrenalismus und Hypogonadismus
durch Kompression der tumorfreien
Anteile der Adenohypophyse sind oft
vorhanden, selten Diabetes insipidus
sowie reaktive Hyperprolaktinämie.
Die endokrinologische und ophthalmologische Evaluation wird neuroradiologisch ergänzt; hier ist die Kernspintomographie die Methode der
Wahl. Die Behandlung der Hypophysentumoren muss in enger Zusammenarbeit zwischen Neurochirurgen
und Endokrinologen erfolgen. Die
medikamentöse Behandlung des Prolaktinoms mittels Dopaminagonisten
bei Patienten mit massiv erhöhten
Prolaktinwerten (> 500 ng/ml) sollte
angestrebt werden, sofern nicht deutliche Gesichtsfeldausfälle und bedrohlicher Visusverlust rasche operative
Entlastung des Chiasma opticum erfordern. Bewirken Dopaminagonisten
keine Verkleinerung des Tumors und
Normalisierung der Prolaktinwerte, ist
die chirurgische Therapie indiziert.
Das STH-sezernierende Adenom
(STH, somatotropes Hormon) kann
versuchsweise mit lang wirkenden Somatostatinanaloga therapiert werden,
dieses insbesondere bei Patienten mit
Kontraindikation für eine operative
Therapie, ansonsten stellt die chirurgische Intervention die Therapie der
Wahl dar. Dies gilt ebenfalls für
ACTH-produzierende Tumoren. Eine
medikamentöse Therapie für nicht
operable Patienten kann mit Ketoconazol versucht werden, einem Hemmstoff der adrenalen Steroidsynthese.
Indikationen zur chirurgischen Therapie ergeben sich daher bei
> Prolaktinomen mit niedrigen Prolaktinwerten sowie medikamentös
nicht beherrschbarer Prolaktinämie,
> primärem Morbus Cushing,
> Akromegalie,
> Makroadenomen mit Raumforderung insbesondere gegen das Chiasma
opticum,
> akuter schneller Visusminderung
oder neurologischer Verschlechterung,
A 2858
> zur Diagnosesicherung in fraglichen Fällen.
Dem Neurochirurgen bieten sich
zwei grundsätzliche Zugangsmöglichkeiten: Der transsphenoidale (transnasale) Zugang ist die Methode der
Wahl (12, 14). Dieser extraarachnoidale Zugang hinterlässt keine sichtbaren
Narben und ist für den Patienten wenig belastend. Tumoren mit großer suprasellärer Ausdehnung, zum Beispiel
in die mittlere Schädelgrube, werden
transkraniell (zum Beispiel subfrontal
oder pterional) operiert.
´
Tabelle 3
C
´
Vergleich der WHO-Klassifikation mit
der Kernohan-Graduierung astrozytärer Tumoren
KernohanGrad
WHO-Klassifikation
Pilozytisches Astrozytom Grad 1
1
2
Niedergradiges
Astrozytom Grad 2
3
Anaplastisches
Astrozytom Grad 3
Glioblastoma multiforme Grad 4
4
In etwa 85 Prozent der Mikroadenome (Tumoren < 1 cm Durchmesser) mit dem klinischen Bild eines
Morbus Cushing kann eine chirurgische Heilung erreicht werden, bei
größeren Tumoren etwas seltener, bei
den Prolaktin sezernierenden Tumoren beträgt dieser Wert jedoch nur 25
Prozent (57). Bestehen als initiales
Syndrom Sehstörungen, können diese
durch die chirurgische Entlastung des
Chiasma opticum in den meisten Fällen deutlich gebessert werden. Für die
Behandlung von Tumorresten, besonders nach Rezidivoperationen, empfiehlt es sich, die Möglichkeiten der
Radiochirurgie zu prüfen (7).
Kraniopharyngeome
Kraniopharyngeome entstehen aus
Residuen der Rathke-Tasche meist am
vorderen oberen Rand der Hypophyse
und dem Hypophysenstiel in der
Grenzzone zwischen Adeno- und Neu-
rohypophyse und haben häufig solide
und zystische Komponenten. Sie unterliegen keiner malignen Transformation. Es gibt zwei Altersgipfel der Erkrankungshäufigkeit. Das mittlere Erkrankungsalter bei Kindern liegt zwischen dem fünften und dem zehnten
Lebensjahr, bei Erwachsenen im sechsten Dezennium. Die klinische Symptomatik ähnelt den Raumforderungen der Hypophyse, die operative Resektion ist die Behandlungsmethode
der Wahl.
In den meisten Serien wird eine
Mortalität von fünf bis zehn Prozent angegeben, diese rührt meist von
hypothalamischen Störungen her. Tumorreste können radiochirurgisch behandelt werden. Rezidivoperationen
haben eine deutlich schlechtere Prognose. Eine postoperative pluriglanduläre Insuffizienz lässt sich nur selten
vermeiden. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt zwischen 55 und 85 Prozent (26).
Astrozytome
Astrozytome stellen mit 12 000 neuen
Fällen pro Jahr in den Vereinigten
Staaten die häufigsten primären intraaxial gelegenen Hirntumoren dar
(40). Die WHO-Klassifizierung ordnet allein die pilozytischen Astrozytome dem Grad 1 zu, die mehr typischen
astrozytären Neubildungen werden in
die Grade 2 bis 4 eingeteilt, wobei die
Grade 3 und 4 (anaplastische Astrozytome oder Glioblastoma multiforme)
als maligne Astrozytome bezeichnet
werden (Tabelle 2) (9, 28).
Die pilozytischen Astrozytome des
jüngeren Lebensalters haben insgesamt eine wesentlich bessere Prognose
als die infiltrativen fibrillären und
diffusen Astrozytome. Kernspintomographisch imponieren diese meist als
umschriebene, Kontrastmittel aufnehmende Raumforderungen mit teilweise zystischer Formation. In der zweiten Lebensdekade finden sich zumeist
pilozytische, überwiegend zystische
Astrozytome des Kleinhirns (8), mit
den typischen Zeichen der Raumforderung in der hinteren Schädelgrube
(Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Stauungspapillen, Gangunsicherheit). Die chirurgische Exzision
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a
b
c
d
Abbildung 4: 25-jährige Patientin mit progredienten rechts-frontalen Kopfschmerzen und Antriebsminderung. Kernspintomographische
Darstellung eines ausgedehnten rechts-frontal gelegenen Tumors mit Kompression des Seitenventrikels und Mittellinienverlagerung,
T1-gewichtete Untersuchung nach Kontrastmittelgabe: a, b) ausgedehntes perifokales Ödem, c, d) Verlaufsuntersuchung sechs Monate nach
operativer Entfernung eines Ependymoms WHO Grad 2 mittels osteoplastischer fronto-temporaler Kraniotomie und strahlentherapeutischer
Nachbehandlung ohne Nachweis von Rest- oder Rezidivtumorgewebe.
ist die bevorzugte Behandlung, eine
Radiatio empfiehlt sich nur im Fall eines nicht resektablen Rezidivs sowie
bei Malignisierung. In allen Fällen ist
eine regelmäßige, am besten kernspintomographische Verlaufsuntersuchung, verbindlich.
Bei den so genannten Optikusgliomen handelt es sich ebenfalls meist um
pilozytische Astrozytome, welche sich
im Verlauf des N. opticus, des Chiasmas sowie des Tractus opticus und angrenzender Strukturen manifestieren.
Die schmerzfreie Proptosis sowie unspezifische Sehstörungen und Gesichtsfeldausfälle führen häufig zu
weiterer Diagnostik, seltener stehen
hypothalamische und hypophysäre
Ausfälle im Vordergrund der klinischen Symptomatik. Abhängig von der
Ausdehnung ist die chirurgische Resektion indiziert, in einigen Fällen ist
eine Bestrahlung notwendig.
Die niedergradigen (Grad 2), meist
fibrillären oder gemistozytären Astrozytome, haben einen Altersgipfel in
der Mitte der vierten Lebensdekade,
das klinisch führende Erstsymptom ist
meist ein symptomatischer Anfall.
Es findet sich eine Prädilektion für
den Temporallappen, den posterioren
Frontallappen und den anterioren Parietallappen. Die Tumoren zeigen
niedrige Grade der Zellularität und
enthalten auch normale Hirnelemente. Kalzifikationen sind selten, Anaplasie und Mitosen finden sich nicht.
Die Hauptursache der hohen Morbidität bei Patienten mit niedergradigen
Gliomen ist die Dedifferenzierung zu
A 2860
einem erhöhten Malignitätsgrad (24).
Niedergradige fibrilläre Astrozytome
neigen bei Patienten, die bei Diagnosestellung älter als 45 Jahre sind, zu einer rapiden Entdifferenzierung (39).
Diagnostisch ist auch hier die Kernspintomographie die Methode der
Wahl, charakteristisch für niedergradige Gliome sind deren abnormes Signalverhalten und fehlende Kontrastmittelanreicherung (30). Bezüglich
der Behandlung niedergradiger Astrozytome konnte bisher keine Studie eine Überlegenheit eines Behandlungsverfahrens nachweisen. Zur Verfügung stehen neben der chirurgischen
Tumorresektion (32) verschiedene
Formen der Strahlentherapie (27, 48,
52) sowie abwartendes, beobachtendes Verhalten (10, 50).
Die meist infiltrativ wachsenden
Tumoren sind oft nicht vollständig resektabel. Daher wird häufig eine Biopsie oder Teilresektion zur Diagnosesicherung durchgeführt, des Weiteren
stellt sich die Indikation zur chirurgischen Intervention bei sekundären Tumorfolgen wie drohender Herniation
oder
Liquorzirkulationsstörungen.
Gelegentlich kann eine Resektion eine symptomatischer Epilepsie beseitigen oder lindern (55). Das vitale Risiko der Operation liegt heute bei unter
zwei Prozent.
Ob die chirurgische Tumorresektion die Zeit bis zum Tumorprogress, die
Inzidenz der Malignisierung oder die
Überlebenszeit verlängert, ist gegenwärtig Gegenstand kontroverser Diskussionen und hängt natürlich auch
von Sitz, Ausdehnung und Resektabilität des Tumors ab (47, 55). Auch die
Frage, ob eine Bestrahlung die Überlebenszeit nach inkompletter Resektion verlängern kann, ist gegenwärtig
ungeklärt (33, 52). Eine Übersicht
über weitere, eher seltene gutartige
Hirntumoren wird in Tabelle 2 gegeben.
Für die freundliche Überlassung der Aufnahmen danken
wir Herrn Prof. Dr. D. Petersen, Leiter des Schwerpunktes
Neuroradiologie des Instituts für Radiologie des Universitätsklinikums Lübeck.
Manuskript eingereicht: 23. 10. 2001, revidierte Fassung
angenommen: 4. 7. 2002
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2002; 99: A 2854–2860 [Heft 43]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser
und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Hans Arnold
Klinik für Neurochirurgie
Universitätskliniken Lübeck
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
E-Mail: [email protected]
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