Ferienkurs Elektrodynamik Zeitabhängige Maxwellgleichungen Erhaltungsgrößen Retardierte Potentiale 17. März 2010 Bernhard Frank 1 Zusammenfassung Bisher sind in der Elektro- und Magnetostatik folgende Gesetze aufgetreten: In Materie: Im Vakuum: ρ 0 (1) ~ = ρf ∇·D (5) ~ =0 ∇×E (2) ~ =0 ∇×E (6) ~ =0 ∇·B (3) ~ =0 ∇·B (7) ~ = µ0~j ∇×B (4) ~ = j~f ∇×H (8) ~ = ∇·E Zwei weitere wichitge Gleichungen sind die Lorentzkraft auf eine Ladung und die Kontinuitätsgleichung: ~ + ~v × B ~ F~L = q E (9) ∂ρ + ∇ · ~j = 0 ∂t 2 2.1 (10) Zeitabhängige Maxwellgleichungen Faradaysches Induktionsgesetz Man findet experimentell, dass in einer Leiterschleife eine Spannung Uind entR ~ · dA ~ durch die Leiterschleife steht , wenn man den magnetischen Fluss Φ = A B ändert. Dies kann durch eine Änderung des Magnetfeldes oder durch simples Ziehen oder Schieben der Leiterschleife in den Bereich des Magnetfeldes geschehen. Insgesamt lautet das Gesetz: Uind = − dΦ dt (11) Das Minuszeichen gibt die Lenzsches Regel wieder, nach der die Spannung so induziert wird, dass sie ihre Ursache hemmt. Andererseits gilt auch: I ~ · d~l Uind = E (12) ∂A 1 Damit kann die Rotation des Elektromagnetischen Feldes nicht mehr verschwinden! Setzt man 11 und 12 gleich und wendet den Satz von Stokes an, erhält man: Z I Z ∂B ~ ~ ~ ~ · dA ~ −Φ̇ = − · dA = E · dl = ∇×E A ∂t ∂A A Da diese Gleichung für beliebige Leiterschleifen gilt, müssen die Integranden gleich sein. Damit lässt sich der Ausdruck in der allgemeineren, differentiellen Form festhalten. ~ ~ = − ∂B (13) ⇒∇×E ∂t Ein sich änderndes magnetisches Feld erzeugt demnach ein elektrisches Rotationsfeld. 2.2 Induktivität, Energieinhalt und weitere nützliche Dinge Für Aufgaben ist weiterhin das ohmsche Gesetz hilfreich. Es setzt in einigen (nicht in allen!) Materialen die Stromdichte in Zusammenhang mit einem äußeren elektrischen Feld: ~ in intergaler Form: U = RI ~j = σ E (14) Die Leitfähigkeit σ ist eine Materialkonstante. Der Widerstand R hängt dagegegen auch von der Geometrie des Leiters ab. Pro Ladungseinheit dQ wird eine Arbeit dW = U dQ verrichtet. Die zugehörige Joulsche Leistung ist dann: P = dW dQ =U = U I = RI 2 dt dt (15) Weiterhin wird die Indukitivität L12 benötigt. Wenn man zwei Leiterschleifen hat, von denen eine vom Strom I1 durchflossen wird, möchte man den magnetischen Fluss durch die zweite Leiterschleife berechnen. Für eine Leiterschleife gilt: I µ0 dl~1 ~ A1 = I1 4π r − ~r0 | 1 |~ Damit: Z Φ2 = L12 I1 = 2 B~1 · da~2 = Z I ∇ × A~1 · da~2 = 2 Einsetzen liefert: ! I I I µ0 I1 dl~1 µ0 ~ Φ2 = · dl2 ⇒ L12 = 4π 1 r − ~r0 | 4π 1 2 |~ A~1 · dl~2 ∂2 I 2 dl~1 |~r − ~r0 | ! · dl~2 (16) Die Induktivität ist eine rein geometrische Größe und symmetrisch unter Vertauschung von 1 und 2. Allerdings induziert jede Flussänderung Spannungen nicht nur in entfernten Leitern sondern auch in dem Leiter, von dem das Magnetfeld ausgeht: Ui nd = −Φ̇ = −LI˙ 2 (17) L wird die (Selbst-)indukitvität genannt. Magnetische Felder verrichten zwar nie Arbeit, dennoch haben sie einen gewissen Energieinhalt, der zur Stromerzeugung gegen die induzierte Spannung benötigt wird: dI dW = −Uind I = LI dt Z dt 1 2 1 W = LI = B 2 dV (18) 2 2µ0 ~ ·H ~ ersetzt werden. In linearen Medien muss 1 B 2 durch B µ0 2.3 Der Maxwellsche Verschiebungsstrom Problem: Bilde auf beiden Seiten von Gleichung (25) die Divergenz: ~ = 0 = µ0 ∇ · ~j 6= 0 ∇· ∇×B Die rechte Seite verschwindet nur für stationäre Ströme. Abhilfe schafft die Einführung des Maxwellschen Verschiebungsstromes aus der Kontinuitätsgleichung 10: ~ ∂ρ ∂E ∇ · ~j = − = −∇ · 0 ∂t ∂t Definiere damit den Maxwellschen Verschiebungsstrom: ~ ∂E j~v ≡ 0 ∂t Damit verändert sich das Ampèresche Gesetz folgendermaßen: (19) ~ ~ = µ0~j + µ0 0 ∂ E ∇×B (20) ∂t Das Hinzufügen behebt auch das Problem welche Fläche welchen Strom einschließt, wie es bei einem Plattenkondensator auftritt, der aufgeladen wird. 3 3.1 Vollständige Maxwellgleichungen Polarisationstrom In einem Medium tritt im zeitabhängigen Fall noch ein Polarisationsstrom auf. Betachtet man ein kurzes Stück des Mediums mit gebundenen Oberflächenladungen ±σb , dann erhält man ∂σb ∂ P~ da⊥ ⇒ j~p = ∂t ∂t Dieser zusätzliche Strom muss natürlich in den Maxwellgleichungen mit eingerechnet werden: ! ~ ~ ∂ P ∂E ~ = µ0 j~f + j~b + j~p + j~v = µ0 j~f + ∇ × M ~ + ∇×B + µ0 0 ∂t ∂t dI = ~ = j~f + ⇒ ∇×H 3 ~ ∂D ∂t (21) 3.2 Zusammenstellungung der Maxwellgleichungen Im Vakuum: In Materie: ~ = ρ ∇·E 0 ~ ~ = − ∂B ∇×E ∂t ~ =0 ∇·B ~ ~ = µ0~j + µ0 0 ∂ E ∇×B ∂t 4 (22) ~ = ρf ∇·D (26) (23) ~ ~ = − ∂B ∇×E ∂t (27) (24) ~ =0 ∇·B (28) (25) ~ ~ = j~f + ∂ D ∇×H ∂t (29) Erhaltungsgrößen Neben der Kontinuitätsgleichung, die die Ladungserhaltung zum Ausdruck bringt, gibt es weitere solcher Größen für elektromagnetische Felder. 4.1 Energieerhaltung Die infinitesimale Arbeit, die an Ladungen q geleistet wird, ist Z ~ · ~jdV ~ + ~v × B ~ · ~v dt = q E ~ · ~v dt ⇒ dW = E dW = F~ · d~l = q E dt V Nach einigen Umformungen und Produktregelidentitäten erhält man schließlich das Theorem von Poynting: Z I dW 1 d 1 1 2 2 ~ ×B ~ · d~a (30) − =− 0 E + E B dV dt dt V 2 µ0 µ0 S {z } | Energiedichte des em. Feldes uem Dabei ist der Poyniting-Vektor S ein Maß für die Energiemenge, die pro Zeit und pro Fläche aus dem Volumen heraus oder ins Volumen hinein fließt, also eine Energiestromdichte: ~≡ 1 E ~ ×B ~ S (31) µ0 Die Leistung kann beispielsweise an Ladungen übertragen werden, dieR mit der Zeit mechanische Energie gewinnen oder verlieren. Setzt man an: dW dt = V umech dV erhält man: Z I Z d ~ · d~a = − ~ (umech + uem ) dV = − S ∇ · SdV dt V S V Da dies für beliebige Volumina gilt, kann man das zu differentiellen Version zusammenfassen, die die Energieerhaltung beschreibt: ∂ ~=0 (umech + uem ) + ∇ · S ∂t 4 (32) 4.2 Impulserhaltung Ausgangspunkt hier ist nicht die infinitesimale Arbeit, wie bei der Energiedichte, sondern die Kraftdichte f pro Volumen: Z ~ ~ + ~v × B ~ ρ ⇒ f = ρE ~ + ~j × B ~ F = E V Jetzt führen wir den Maxwellschen Spannungstensor ein: 1 1 1 2 2 Bi Bj − δij B Tij ≡ 0 Ei Ej − δij E + 2 2µ0 2 (33) Zum Beispiel: Txx = 1 1 Bx2 − By2 − Bz2 0 Ex2 − Ey2 − Ez2 + 2 2µ0 oder Txy = 0 Ex Ey + 1 Bx By 2µ0 Man kann einen beliebigen Vektor ~a mit dem Spannungstensor T multiplizieren: (~a · T)j ≡ 3 X ai Tij (34) i=1 Insbesondere gilt für die Divergenz der j-ten Komponente: ~ Ej + E ~ · ∇ Ej − 1 ∂ x E 2 + (∇T)j = 0 ∇ · E 2 j 1 1 2 ~ ~ ∇ · B Bj + B · ∇ Bj − ∂xj B µ0 2 (35) Der Spannungstensor T repräsentiert physikalisch die Kraft pro Oberflächeneinheit. Tij ist die Kraft in der i-ten Richtung auf ein Flächenelement, das in der j-ten Richtung orientiert ist. Die Diagonalelemente repräsentieren Drücke und die Nicht-Diagonalelemente Scherungen. Nach einigen Umformungen mit Produktregeln und doppelten Kreuzprodukten erhält man schließlich mit dem Poynting~ Vektor S: I Z ~ ∂S d ~ f~ = ∇ · T − 0 µ0 ⇒ F~ = T · d~a − 0 µ0 SdV ∂t dt V S (36) ~ Setzt man nun noch das zweite Newtonsche Gesetz an: F~ = dpmech kann man dt Gleichung 36 folgendermaßen interpretieren: Z I d~ pmech d ~ = −0 µ0 SdV + T · d~a (37) dt dt V S | {z } Impuls des em. Feldes 5 Das zweite Integral stellt ein Maß für den Impuls dar, der im elektromagnetischen Feld steckt und aus dem Volumen V transportiert wird. Analog zur Energiedichte kann man eine Impulsdichte einführen: ~ ℘em = µ0 0 S (38) Da obige Integralgleichung für beliebige Volumina gilt, kann man das Ganze wieder in differentieller Form aufschreiben: ∂ (℘mech + ℘em ) − ∇ · T = 0 ∂t (39) Diese Gleichung beschreibt die lokale Impulserhaltung. −T spielt dabei die Rolle der Stromdichte und beschreibt den Impuls, der pro Zeit und Fläche von den Feldern transportiert wird. Analog dazu kann man auch eine Drehmomentdichte lem aufstellen: h i ~ ×B ~ lem = ~r × ℘em = 0 ~r × E (40) Wenn man sich in einem Medium befindet muss man folgende Ersetzungen durchführen: ~=E ~ ×H ~ S (41) ~ ~ ∂uem ~ · ∂D + H ~ · ∂B =E ∂t ∂t ∂t ~ ×B ~ ℘em = D (42) (43) In linearen Medien gilt außerdem: uem = 5 1 ~ ~ ~ ·H ~ E·D+B 2 (44) Retardierte Potentiale Ziel dieses Abschnitts ist es allgemeine Lösungen für die Maxwellgleichungen zu finden. Dazu muss man ein System gekoppelter, linearer, partieller Differentialgleichungen lösen. Etwas leichter ist es, wenn man nicht direkt nach den ~ Felder sucht, sondern zuerst das skalare Potential V und das Vektorpotential A berechnet. 5.1 Die Potentialformulierung Man kann ein Vektorfeld nach dem Helmhotzschen Satz eindeutig bestimmen, wenn man seine Divergenz, seine Rotation und die Randbedingungen kennt. Da ~ = 0 kann das magnetische Feld weiterhin als ∇·B ~ =∇×A ~ B (45) dargestellt werden, da es ein reines Rotationsfeld ist. Probleme macht das elek~ = − ∂ B~ 6= 0 im Allgemeinen. Damit gilt nicht mehr: trische Feld, denn ∇ × E ∂t 6 ~ = −∇V Setzt man jedoch 45 in die dritte Maxwellgleichung ein, erhält man E ein rotationsloses Feld: ! ~ ~ ∂ A ~ = −∇V − ∂ A ~+ =0 ⇒E ∇× E (46) ∂t ∂t Auf diese Weise lassen sich die Felder über die Potentiale ausdrücken. Die Darstellung über die Poteniale erfüllt automatisch die homogenen Maxwellgleichungen 23 und 24. Was passiert mit den beiden anderen Maxwellgleichungen 22 und 25 ? Einsetzen liefert: ∂ ~ =−1ρ ∇·A (47) ∇2 V + ∂t 0 ! ∂ 2 A~2 2~ ~ + µ0 0 ∂V = −µ0~j ∇ A − µ0 0 − ∇ ∇ · A (48) ∂t2 ∂t 5.2 Die Lorentz-Eichung ~ sind nur Hilfsgrößen, die selbst keine physikalische Die Potentiale V und A Bedeutung haben. Aus diesem Grund können wir sie nach unseren Wünschen ~ und B ~ erhalten bleiben. Wenn verändern, solange die physikalischen Felder E wir zwei passende Potentiale gefunden haben, erlaubt uns die Eichfreiheit zwei neue Potentiale zu wählen: ~0 = A ~ + ∇λ A V0 =V − ∂λ ∂t (49) wobei λ eine beliebige, glatte Funktion ist. Wir nutzen das um die Divergenz des Vektorpotentials in der Lorentz-Eichung festzulegen: ~ = −µ0 0 ∇·A ∂V ∂t (50) Angewendet auf die beiden Gleichungen 46 und 47 erhält man zwei inhomogene Wellengleichungen für die Potentiale: 6 ~ − µ0 0 ∇2 A ~ ∂2A ~ = −µ0~j = A ∂t2 (51) ∇2 V − µ0 0 ∂2V ~=−1ρ = A 2 ∂t 0 (52) Lösungen der inhomogenen Wellengleichungen Da sich elektromagnetische Signale mit Lichtgeschwindigkeit c ausbreiten, spürt man am Punkt ~r nicht die Ladungs- und Stromverteilung zum jetzigen Zeitpunkt t, sondern die Werte von ρ und ~j zum retardierten (also bereits vergangenen) Zeitpunkt tr : |~r − ~r0 | tr ≡ t − (53) c 7 Als Lösung für die Potentiale erhält man: Z 1 ρ (~r0 , tr ) 0 V (~r, t) = dV 4π0 |~r − ~r0 | ~ (~r, t) = µ0 A 4π Z ~ 0 j (~r , tr ) 0 dV |~r − ~r0 | (54) (55) Eine exakte mathematische Herleitung verwendet Greensche Funktionen, die den d’Alambert-Operator in gewissem Sinne umkehren. Weiter Lösungen wären die sogenannten avancierten Potentiale, die unter dem Integral nicht zur Zeit tr |~r−~r0 | sondern zur Zeit ta = t + c ausgewertet werden. Diese widersprechen jedoch dem Kausalitätsprinzip, da sie auf Ereignisse aus der Zukunft aufbauen (t < ta ). Die Felder selbst müssen nun noch aus den Potentialen berechnet werden. Der Vollständigkeit halber hier die Jefimenko Gleichungen für die Felder: ~ ~ (~r, t) = −∇V − ∂ A = E ∂t 1 4π0 Z " ρ̇ (~r0 , tr ) + 3 c |~r − ~r0 | |~r − ~r0 | ρ (~r0 , tr ) ~ (~r, t) = ∇ × A ~ = µ0 B 4π ! # ˙ 0 ~ j (~ r , t ) r (~r − ~r0 ) − 2 dV 0 c |~r − ~r0 | # ~j˙ (~r0 , tr ) dV 0 2 + c |~ 0| 0 r − ~ r |~r − ~r | Z "~ 0 j (~r , tr ) 8 (56) (57)