Thema-drop und pro-Form im Japanischen

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Masatoshi TANAKA
Thema-drop und pro-Form im Japanischen
0. Einleitung
Das Topik wird im Allgemeinen wie folgt definiert: A word or phrase in a sentence,
usually providing information from previous discourse or shared knowledge, that the
rest of the sentence elaborates or comments on. Also called theme. Die japanische
Sprache charakterisiert das Topik als ein Wort bzw. eine Phrase, das/die mit der
Partikel –wa markiert ist.
(1) a. taroo1-ga [CNP pro1 isha2-o
Taro-Nom [
hihan-suru kiji]-o
kai-ta
e Ärzte-Akk kritisieren Artikel]-Akk schreiben-Prät
‘Taro hat einen Zeitungsartikel geschrieben, mit dem er Ärzte kritisiert.’
b. [isha]2-wa taroo1-ga [CNP pro1 pro2 hihan-suru kiji]-o kai-ta
Ärzte-Top Taro-Nom [
e
e kritisieren Artikel]-Akk schreiben-Prät
c. * [Ärzte]2 hat Taro1 [CNP einen Zeitungsartikel, mit dem er1 [e2] kritisiert]
geschrieben.
Das kleingeschriebene pro in (1a) bezeichnet ein phonetisch leeres Pronomen, das bei
der Aussprache nicht realisiert wird (vgl. Chomsky (1981)). Die Pronomina ohne
phonologische Formen werden mit ihren Antezedenzien ko-indexiert (s. o.). Die oberflächliche lineare phonologische Realisierung der Satzglieder in (1b) ermöglicht
neben der Interpretation von „Was Ärzte betrifft: sie haben so einen Zeitungsartikel
verfasst, den Taro kritisiert“ eine weitere von „Was Ärzte betrifft: Taro hat so einen
Zeitungsartikel verfasst, mit dem er sie kritisiert“. Die mit Glossen bezeichnete
Struktur von (1b) besagt aber, dass das Nomen isha2 das direkte Objekt des Verbs
kritisieren (» pro1-Nom pro2-Akk kritisieren «) darstellt. Das in (1b) mit der waPartikel markierte Nomen wurde deshalb als ein Objekt topikalisiert und die letztere
Lesart ist in diesem Fall richtig.
Die Nominalphrase [CNP pro1 pro2 hihan-suru kiji] nennt man eine ComplexNominalphrase (CNP). Es gibt bei den CNPs eine Beschränkung, die besagt, dass
keine Satzglieder aus diesem Complex extrahiert werden können, wie (1c) zeigt. Es
1
geht weiter bei der Topikalisierung im Japanischen um keine Extrahierung (=
Bewegung). Sonst hätte man mit (1b) eine ausgeschlossene Grammatikalität. Man
kann also wohl bei der japanischen Topikalisierung eine Anti-Bewegungsanalyse (=
Basis-Generierung) annehmen.
(2) Bedingung der Complex-NPs (CNPs):
Keine Elemente dürfen aus den CNPs (= Kombination mit NPs und Relativsätzen) extrahiert (bewegt) werden.
(1c): [Ärzte]2 hat Taro1 [CNP einen Zeitungsartikel, mit dem er1 [e2] kritisiert]
geschrieben.
×
Man nennt einen Satz wie (3a) eine „diskontinuierliche Konstruktion“, wobei das
Nomen suupaa ‚Supermarkt‘ das Antezedens von [no] in eckigen Klammern darstellt
und [no] selbst wiederum als ein Ersatzkorrelat von suupaa fungiert. Man findet nun
in (3b) das mit der wa-Partikel markierte Antezedens (Topik-Antezedens), suupaawa, und nennt solch einen Satz wie (3b) eine „diskontinuierliche Topikalisierungskonstruktion“ oder „Split-Topikalisierung“:
(3) a. ryoohan-no-ookina-[suupaa]1-ga chiisai-[no]1-o tubusite simau.
Massenverkauf-Gen-groß-Supermarkt-Nom klein-NO-Akk niederschlagen
‚Die größeren Supermärkte mit Massenverkauf machen die kleineren kaputt.‘
b. [suupaa]1-wa ryoohan-no-ookina-[no]1-ga chiisai-[no]1-o tubusite simau.
Supermarkt-Top Massenverkauf-Gen-groß-NO-Nom klein-NO-Akk niederschlagen
Es wird hier beobachtet, dass im Japanischen ein Ersatzkorrelat no verwendet werden
kann, um zu vermeiden, dass dasselbe Nomen wiederholt genannt wird. Sakuma
(1929) nannte das Ersatzkorrelat no eine pronominale Partikel, die in der japanischen Linguistik z. B. wie in (5) definiert wird. Wir bleiben hier doch bei „Ersatzkorrelat“. Das wichtige Element no fungiert deshalb als ein Platzhalter für ein
nominales Element, der das [+N]-Merkmal besitzt und ohne den der betreffende Satz
in die Ungrammatikalität eintritt, wie in (4) gezeigt wird, wobei [0] darauf hinweist,
dass hier keine phonetische Realisierung auftaucht.
(4) a. * ryoohan-no-ookina-[suupaa]1-ga chiisai-[0]1-o tubusite simau.
b. * [suupaa]1-wa ryoohan-no-ookina-[0]1-ga chiisai-[0]1-o tubusite simau.
2
(5)
Die pronominale Partikel no stellt eines der unselbstständigen Wörter dar, die
alleine keine Phrasen bilden können und unmittelbar nach einem in adnominaler
Form deklinierten Wort folgt.
(Vgl.) kusuri-wa koko-ni yoi
[+adnominal]
-no-ga aru
Medikament-Top hier-Lok gut-NO-Nom
Exist
Im vorliegenden Aufsatz wird nun behauptet:
Hauptbehauptung:
Bei der japanischen Topikalisierung geht es nicht um Bewegungsoperation,
sondern wir nehmen Basis-Generierung (Anti-Bewegungsanalyse) an.
Nebenbehauptungen:
(a) Die Tatsache, dass das Korrelat [no] im selben Satzteil von seinem Antezedens
(also lokal) gebunden werden kann, wie in (3a), macht evident, dass es nicht
pronominal ([−pronominal]) ist.
(b) Der Platzhalter [no] kann durch Adjektive weiter modifiziert werden. Das heißt,
[no] ist ein Element der N’-Ebene-Kategorie (also: keine maximale Projektion).
Eine maximale Kategorie könnte nämlich keine Modifikation mehr treffen.
(c) Null-Pronomina im Japanischen werden in nicht-lokalen Relationen von thematischen Elementen unterstützt.
Es geht bei dem Punkt (c) um eine Hypothese, die besagt, dass sich im Japanischen
nur thematische Elemente auf die Nullpronomina beziehen können. Im nachfolgenden Abschnitt wird quer-linguistisch über Nullpronominale diskutiert.
1. [+AGR] und pro-drop
Wenn man sich die quer-linguistischen Varietäten in (6a-e) ansieht, stellt man fest,
dass im Japanischen, Chinesischen und Spanischen Nullpronomina (hier: SubjektNullpronomina) vorkommen und im Englischen und Deutschen nicht realisiert
werden können.
(6) a. John-ga [e Mary-o mita]-to itta. (Japanisch)
J.-Nom M.-Akk sah C sagte
‚John sagte, dass [er] Mary sah.‘
b. John shuo [e kanjian Mary le]. (Chinesisch)
J.
sagte
sehen
M.
PRF
3
PRF
= Perfekt
c. * John said [that e saw Mary]. (Englisch)
d. John dijo [que e vio Maria]. (Spanisch)
J.
sagte C
sah M.
e. * John sagte, [dass e Maria sah].
[e] = ein phonetisch leeres Pronomen
Dabei bezeichnet das Zeichen [e] ein phonetisch leeres Pronomen, das hier als das
Subjekt des eingebettenen Nebensatzes fungiert. Das Vorkommen der Nullpronomina
hier ist ein grammatisches Phänomen, das im allgemeinen als „pro-drop“ bekannt ist.
Die strukturellen Positionen, die in (6) mit kleinem [e] markiert sind, könnten durch
das kleine [pro], das auch keine phonetische Form hat, ersetzt werden. Rizzi (1986)
beschreibt die Realisierbarkeit des kleinen [pro] wie in (7):
(7) Rizzi (1986):
The pro-drop can be set positively, only if the verbal morphology manifests “rich
agreement”, with distinct morphological forms for different persons and numbers.
(s. auch Taraldsen (1978)).
Laut dieser Beschreibung von Rizzi (1986) kann man erwarten, dass im Spanischen
oder Italienischen subjektivische Nullpronomina möglich sind, weil finite Verben in
diesen Sprachen nach der Person und dem Numerus ihrer Subjekte morphologisch
reich konjugieren. Diese Annahme entspricht den Tatsachen. Das spanische finite
Verb ver ‚sehen‘ stimmt, wie in (6d) gezeigt, mit der Person (3. Person) und dem
Numerus (Singular) seines Subjekts überein (hier allerdings im Präteritum = vio).
Man beachte aber zugleich eine weitere wichtige Tatsache. Im Gegensatz zu Subjekten sind Verben in diesen Sprachen mit Objekten nicht flexionsfähig. Daraus folgt,
dass objektivische Nullpronomina in Spanisch/Italienisch nicht möglich sind (=(8)).
(8) * John diji [que Maria vio e]
J.
sagte C
M.
sah (ihn)
‘John sagte, dass Maria [ihn] sah.’
(9) Spanisch/Italienisch:
Subjekt
Objekt
+
–
+
–
Übereinstimmung der
Person und des Numerus
mit dem finiten Verb
Möglichkeit von pro-drop
Es ist aber bekannt, dass auch deutsche Verben in morphologische Übereinstimmung
mit ihren Subjekten kommen und daher auch im Deutschen theoretisch zumindest
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lediglich subjektivische Nullpronoimina erlaubt sind. Dazu fällt uns eine Frage ein:
Ermöglicht die sichtbare Flexionsmorphologie zwischen dem Verb und dem Subjekt
des Deutschen das Phänomen des subjektivischen pro-drops? Eine Antwort darauf
finden wir in den oben benutzten Beispielen. Besagt der Satz (6e) doch, dass das in
dieser westgermanischen Sprache nicht geht. D. h.: Rizzis Vorhersage (7) trifft nicht
für das Deutsche als eine [+AGR]-Sprache zu. In Bezug auf diesen Punkt ist jedoch
bekannt, dass im Deutschen – was das Vorfeld betrifft – sowohl Subjekte als auch
Objekte weggelassen werden können (vgl. Huang 1984, Ross 1982 et al.). So fällt das
Subjekt in (10a) weg und das Objekt ist in (10b) verschwunden.
(10) a. [e] Hab’ ihn schon gelesen.
b. [e] Hab’ ich schon gelesen.
[e] = Subjekt ‘ich’
[e] = Objekt ‘ihn/sie’
Geht man von der Formulierung (7) aus, dass der pro-drop durch die reiche Flexionsmorphologie für verschiedene Personen und Numerien garantiert wird, kann man
keine genaue Erklärung zur Eliminierbarkeit des Objekts in (10b) vorlegen, weil es
im Deutschen keine Übereinstimmung des Verbs mit seinem Objekt gibt. Es geht
deshalb bei (10a-b) um kein pro-drop-Phänomen, sondern es stellt nichts anderes dar
als „Topik-drop“ im Vorfeld (Nulltopik).
(11) Deutsch:
Subjekt
Objekt
+
–
–
–
+
+
Übereinstimmung der Person
und des Numerus mit dem
finiten Verb
Möglichkeit von pro-drop
Moglichkeit von Topik-drop
Sprachen wie das Englische, Italienische, Spanische und Deutsche haben schließlich das [+AGR]-Merkmal, das das Verb mit seinem Subjekt übereinstimmen lässt.
Es gibt allerdings beim Reichtum der flexivischen Morphologie von Sprache zu
Sprache Verschiedenheiten. Nur die spanische und italienische Sprache besitzen die
sogenannte [+pro-drop]-Eigenschaft, die für die Realisierbarkeit der Subjekt-Nullpronomina argumentiert.
(12) [+AGR]-Sprachen zeigen eine reiche Morphologie der Subjekt-VerbÜbereinstimmung.
5
(12) ist zwar notwendig, aber nicht hinreichend, um die Eigenschaft des Deutschen
zu beschreiben. Der pro-drop selbst stellt ein ganz normales, allgemeines Phänomen
dar, das man nicht nur im Italienischen und Spanischen, sondern auch im Griechischen usw. beobachten kann:
(13) a. pro1 canta (Pietro1). (Italienisch)
b.* pro1 sings (*Peter1).
c * pro1 singt (*Peter1).
(13b) und (13c) zeigen, dass im Englischen und Deutschen von Anfang an kein prodrop realisiert werden kann. Im Unterschied dazu ist das Phänomen im Italienischen
möglich, wie in (13a) gezeigt wird. Und das italienische lautlose [pro] kann auch
noch von seinem Antezedens gefolgt werden.
(13) a’. pro1 (V) Antezedens1 Æ Dem lautlosen Pronomen folgt sein Antezedens.
Die Baumstruktur von (13a) sieht nun wie in (14) aus, wobei das Subjekt Pietro auf
der SpecVP-Position steht:
(14)
„Freie Inversion“: SVO Æ [pro] V S
CP
C0
IP
SPEC
I′
I0
I0
VP
V0
SUBJ
V′
V0
pro1
canta
Pietro1
Die Konstruktion hier wird „Freie Inversion“ genannt, weil sich das Subjekt und das
Verb dieser SVO-Sprache gegenseitig umgestellt haben. Diese VS-Reihenfolge in
(13a) wird durch die Existenz des [pro] unterstützt.
Betrachten wir hier kursorisch eine deutsche Konstruktion, die der italienischen
Konfigration der Freien Inversion entspricht:
(15) Es singt heute Peter.
Während im Deutschen kein pro-drop möglich ist, wie in (13c), kann das Subjekt
Peter auf seiner Basis-Position bleiben, indem das Expletiv [es] eingeführt wird.
Wichtig ist hier, dass sowohl in (13a) als auch in (15) Pietro und Peter im Kontext als
6
ein rhematisches Satzglied (als eine neue Information) fungieren. Nimmt man nach
der Rhema-Bedingung (Lenerz 1977 und andere) an, dass ein Rhema-Satzglied am
möglichst rechten Rand eines Satzes gesprochen wird, wird die Satzgrammatikalität
so gerettet, indem auf die Subjekt-Position im Italienischen das lautlose Pronomen
[pro] und im Deutschen ein Expletiv [es] hinzugefügt werden. Dies ist eine natürliche
Schlussfolgerung, die man aus der [+AGR]-Eigenschaft dieser Sprachen ziehen kann.
Da das [+AGR]-Merkmal die morphologische Übereinstimmung zwischen dem Subjekt und dem Verb verursacht, wird unbedingt ein Subjekt (egal, ob offensichtlich,
verdeckt oder expletiv) in einem Satz verlangt. Das ist auch als [+EPP]-Merkmal1)
bekannt. Die [pro]s in [+AGR]-Sprachen sind pronominale und maximale Elemente,
die sich wie ein Subjekt verhalten.
(16) Pros in [+AGR]-Sprachen werden durch das [+EPP]-Merkmal lizensiert, das in
jedem Satz ein (offensichtliches/verdecktes/expletives) Subjekt verlangt, und
besitzen die [+pronominal]-Eigenschaft (maximale pro-NP).
2. [−AGR] und Null-Topik (Thema-drop)
Das Chinesische und das Japanische, die [−AGR]-Sprachen sind, erlauben auch NullPronomina, wie bereits in (6a-b) erwähnt. Die Tatsache kann aber nicht mit der
[+AGR]-Formulierung von Rizzi (7) bestätigt werden. Seine Formulierung besagt,
dass die Existenz einer reichen Morphologie der Konjugation zwischen dem Verb und
dem Subjekt die Nullpronomina ermöglicht. Japanische Nullpronomina werden nämlich nicht durch die [+EPP]-Eigenschaft lizensiert. Es können deshalb wohl nicht nur
Subjekt- sondern auch Objekt-Nullpronomina vorkommen:
(17) Taro:
[e] ano-eiga mou mi-ta?
[du-Nom] DEM-Film-(Akk) schon sehen-Prät
‘Hast [du dir] den Film schon angesehen?’
Hanako: [e] [e] mi-ta yo.
[ich-Nom] [ihn-Akk] sehen-Prät
PRT
(PRT = Modalpartikel)
‘(Ja,) [ich habe ihn mir] (schon) angesehen.’
11)
EPP: „Extended Prjection Principle“. Das Prinzip verlangt in einem finiten Satz ein
syntaktisches Subjekt.
7
Es gibt aber allerdings eine Beschränkung der objektivischen Nullpronomina im
Japanischen. Während das Subjekt-Nullpronomen des eingebettenen Satzteils durch
das Subjekt des Hauptsatzes gebunden (also: ko-indexiert) werden kann, kann das das
Objekt-Nullpronomen des eingebettenen Satzteils nicht. Die Beispiele der diskontinuierlichen Topikalisierungskonstruktion in (18) stehen für die Konkretheit. In dem
Fall, wo der Platzhalter [no] als das Subjekt des Verbs (zum Beispiel tokeru ‚schmelzen‘ oder naguru ‚schlagen‘) fungiert, kann er mit dem Subjekt des Hauptsatzes wie
koori-ga oder seito-ga ko-indexiert sein. Aber in dem Fall, wo er wie in (18c) als das
Objekt des Verbs funktioniert, schlägt die Ko-indexierung mit dem [no] fehl. Im
Unterschied dazu kann er aber trotzdem doch durch thematische Bestandteile
gebunden sein. Wenn man sich (19), besonders (19c), ansieht, stellt man fest, dass die
gerade engagierte Subjekt-Objekt-Asymmetrie durch die Topikalisierung gelöscht ist.
Das Beispiel (19c) ist nämlich akzeptabel.
(18) a. koori1-ga [e1 toketa-[no]1-mo kootteiru-[no]1-mo] mizu-de-aru
Eis-Nom geschmolzen-NO-auch gefroren-NO-auch H2O-Kopula
‘Sowohl das geschmolzene als auch das gefrorene Eis sind beide Wasser.’
b. ?seito1-ga [e1 e2 nagutta-[no]1-mo e3 nonositta-[no]1-mo] yoku-nai 2)
Schüler-Nom schlug-NO-auch geschimpft-NO-auch gut-Geg
c. * video2-ga [e1 e2 katta-[no]2-mo e1 karita-[no]2-mo] omosirokatta
Videofilm-Nom gekauft-NO-auch geliehen-NO-auch amüsant
(19) a. koori1-wa [toketa-[no]1-mo kootteiru-[no]1-mo] mizu-de-aru
Eis-Nom geschmolzen-NO-auch friert-NO-auch H2O-Kopula
‘Sowohl das geschmolzene als auch das gefrorene Eis sind beide Wasser.’
b. seito1-wa [e2 nagutta-[no]1-mo e3 nonositta-[no]1-mo] yoku-nai
Schüler-Nom schlug-NO-auch geschimpft-NO-auch gut-Geg
c. video2-wa [e1 katta-[no]2-mo e1 karita-[no]2-mo] omosirokatta
Videofilm-Nom gekauft-NO-auch geliehen-NO-auch amüsant
Dieses [no], das wir in (18) und (19) finden, ist ein Platzhalter, der die japanische
Split-Topikalisierungskonstruktion unterstützt (siehe (5)). Dazu kommt im nächsten
22)
Das Korrelat [no] bezieht sich meistens nur auf ein unbelebtes Ding [−animate]. Es
handelt sich hier in (18b) um einen belebten Schüler. Am besten würde man als Platzhalter
[yatsu] (‚Kerl‘) bzw. [ko] (‚Kind‘) verwenden. Die fallende Grammatikalität, die mit dem
Fragezeichen charakterisiert ist, wurde lediglich durch diese lexikalische Beschränkung von
[no] verursacht.
8
Abschnitt eine weitere Beschreibung. Salopp formuliert sind japanische NullPronominale durch thematische Elemente kontextuell gebunden und damit sind ihre
Inhaltswerte erfassbar. Man vergleiche das mit der Tatsache, dass in [+AGR]Sprachen wie dem Italienischen Nullpronomina nach der [+EPP]-Forderung erforderlich sind.
(20) a. Subjekt1-ga [Subjekt2 e1 V]
e1 = Objekt-Nullpronomen
Parsing eines objektivischen Nullpronomens bereitet Schwierigkeiten (=(18c))
(Subjekt-Objekt-Asymmetrie)
b. Topik1-wa [Subjekt2 e1 V]
Parsing ok (=(19c))
(21) [no]: Platzhalter, Nullpronomen-Ersatz
wird durch ein thematisches Element Kontext-gebunden.
Eine der auffälligen Eigenschaften der japanischen Nullpronomina ist, dass sie, wie
in (22) gezeigt, für jeden thematischen Bestandteil verfügbar sind.
(22) Taro:
boku-no pen-o
mi-nak-atta?
[du-Nom] ich-Gen Kuli-Akk sehen-Neg-PRÄT
‚Hast du meinen Kuli nicht gesehen?‘
Hanako:
e
inu-ga
tabe-ta
yo
Hund-Nom fressen-Prät PRT
‚[e] hat unser Hund gefressen.‘
Das Nomen, das hier weggelassen wurde, d. h. pen, ist in der Äußerung von Taro
bereits thematisiert und eine alte Information geworden und könnte eigentlich in der
Äußerung von Hanako mit einem Demonstrativ wie etwa sore ersetzt werden. Oder
wie hier gezeigt, fällt es einfach vollkommen weg. Im Deutschen kann sich das dementsprechende Nomen Kuli im Gegensatz zum Japanischen mit dem Verb fressen
nicht verbinden, weil es für einen Hund kein essbares Ding ist. Deshalb kann Kuli in
diesem Fall (23b) nicht eliminiert werden. Das heißt, es gibt dabei hier im Deutschen
eine selektive Beschränkung des Verbs und des Objekts.
(23) a. Peter: Hast du meinen Kuli nicht gesehen, da auf dem Tisch?
b. Hans: * pro Hat unser Hund gefressen!
- Vergleiche: Den hat unser Hund gefressen!
9
(24) Es geht bei dem deutschen Nulltopik um die selektive Beschränkung des Verbs
(vgl. auch (10)).3) (Gisbert Fanselow, personal communication)
Selbstverständlich ist das Nulltopik auch im Deutschen möglich, wenn das Objekt
hier ein essbares Ding ist, wie etwa mein Käse in (25b).
(25) a. Peter: Hast du meinen Käse nicht gesehen, da auf dem Tisch?
b. Hans: (Den) Hat unser Hund gefressen!
Nullpronominale des Japanischen stehen für jedes Topik-Element immer ganz frei
zur Verfügung. Eine Nominalphrase, die einmal im Diskurs eingeführt und thematisiert wurde, besitzt das Merkmal [+TOPIK] bzw. [+FOKUS] und kommt auf einer
A’-Position vor. Und entweder wird sie in der phonetischen Null-Form realisiert
(Nulltopik) oder mit der wa-Partikel markiert und fokussiert (meistens „Contrastive
Focus“).
(26) a. Japanische Nulltopik ist von der selektiven Beschränkung unabhängig. Nullpronomina können sich überhaupt ganz allgemein mit jedem thematischen
Element verbinden.
b. Die Nominalphrasen, die im Diskurs mal eingeführt und thematisiert wurden,
besitzen das [+TOP/+FOC]-Merkmal und kommen auf der A’-Position vor.
(27) a. (TH1) (TH2) (TH3)
[...... e1 e2 e3]
(TOP)
b. FOC1-wa FOC2-wa FOC3-wa [...... e1 e2 e3] (FOC)
3. Basis-Generierung und pro-Form als Platzhalter
Zum Schluss werden hier noch einige kleine Kommentare zur Eigenschaft der
japanischen Topikalisierung gegeben. Die japanische Topikalisierung wird nämlich
Basis-generiert. In Sprachen wie Japanisch und Chinesisch, welche etliche durch
thematische Elemente unterstützte Nullpronomina haben, werden Topik-Elemente oft
auch ohne Verbindung mit anderen Satzgliedern realisiert. Li und Thompson (1976)
nannten solche Sprachen „Topik-prominente Sprache“.
33)
Einige meinen, dass es deshalb Unsinn sei, den Dialog von (23a-b) zu erstellen, nicht
wegen der Weglassbarkeit des Subjekts, sondern weil das Subjekt Kuli und das Verb fressen
bereits von Anfang an miteinander nicht zu verbinden sind. Wichtig ist trotzdem, dass eine
dementsprechende Dialogkonstruktion des Japanischen überhaupt kein Problem ist. Dies
betont, dass im Japanischen der Kontext-gebundene Thema-drop eine wichtige Rolle spielt.
10
(28) Freies Topik wird im Japanischen und Chinesischen, die Topik-prominente
Sprachen sind, beobachtet. (Li und Thompson (1976))
Æ Freies Topik = Basis-generierte Topikalisierung
(29) a. neichang huo, xingkui xiaofangdui lai de zao. (Li und Thompson 1981: 96)
das Feuer glücklicherw. Feuerwehrleute kamen schnell
Lit.: ‚Bei diesem Feuer kamen die Feuerwehrleute zum Glück schnell.‘
b. sono-kaji-wa saiwai shooboodan-ga hayaku kita
DEM-Feuer-Top glücklicherw. Feuerwehrleute-Nom schnell kamen
c. * Das Feuer kamen die Feuerwehrleute zum Glück schnell.
(30) sono-[isu1 to kappu2]-wa josei-ga [Beckham-ga e1 suwatte, e2 koohii-o
DEM-Stuhl und Tasse-Top Frauen-Nom B.-Nom saß
Kaffee-Akk
nonda]-noka siritagatte-iru
trank
C wissen-wollen-PRÄS
Lit.: ‚Der Stuhl und die Tasse, Frauen wollen wissen, ob Beckham auf (dem)
saß und aus (der) Kaffee trank.‘
Die Struktur von (30) sieht beispielsweise wie in (31) aus. Dabei ist eine TopikPhrase (TopikP) projiziert, die z. B. in Rizzi (1997) vorgeschlagen worden ist. Die
Topik-Partikel -wa platziert sich auf der Kopf-Position der TopikP. Auf dem Grund
der Seitenbeschränkung wird (31) nicht in einem Baumdiagramm, sondern lediglich
mit eckigen Klammern dargestellt:
(31) [TopikP [sono-[isu1 to kappu2]] [Topik -wa] [IP=FiniteP josei-ga [I’ [VP [CP Beckham-ga
e1 suwatte e2 koohii-o nonda noka] [V shir-]] [I -itagatte-iru]]]]
Dies beweist, dass die japanische Topikalisierung weder durch eine Extrahierung
noch durch eine Bewegung etwa abgeleitet, sondern Basis-generiert wird. Und bei
der Split-Topikalisierung wird der Platzhalter [no] verlangt, wenn die Konstruktion
ohne ihn, d. h. nur mit einem völligen Nullpronomen, nicht grammatisch wäre. Der
Platzhalter [no] kann, wie in (32) gezeigt, eine lokale Bindung treffen. Er ist deshalb
nicht pronominal, denn ein +pronominales Element hätte im selben Satzteil nicht
gebunden sein dürfen (=(33)).4) Dieser [no] wird also durch ein A’-Element (so durch
ein thematisches Element) gebunden.
44)
Die lokale Bindung wird mit dem sogenannten Bindungsprinzip (A) beschrieben
11
(32) [S chiisai-kuruma1-ga ookii-[no]1-ni butukatta ] no: [−pronominal]
klein-Auto-Nom groß-NO-Lok anstieß
‘Ein kleines Auto stieß mit einem großen zusammen.’
(33) [S Hans1 hat ihn2/ *1 geschlagen ]
ihn: [+pronominal]
Das Pronomen [ihn] in (33) bezieht sich auf irgendjemanden anderes als Hans und es
gibt keine Lesart, dass Hans sich selbst schlägt. Und während ein +pronominaler
Bestandteil ein Element der maximalen Projektion darstellt und keine weitere Modifikation trifft (siehe (35)), kann dagegen der japanische Platzhalter [no] weiter modifiziert werden. Dies bedeutet, dass dieser [no] noch keine maximale Projektion ist.
(34) a. Ein +pronominales Satzglied ist eine maximale Projektion, auf die keine
weitere Modifikation möglich ist.
b. [no] ist hingegen ein −pronominaler Platzhalter. Weitere Modifikation ist also
doch möglich.
(35) Hans hat [*den großen ihn] geschlagen.
Dass der Platzhalter [no] kein pronominales Element ist, bedeutet nicht, dass er
anaphorisch ist. Da er eine zwischenliegende Kategorie der N’-Ebene darstellt, denotiert er nur noch „Menge“. Das Korrelat no und sein Antezedens wie etwa kuruma in
(36) bezeichnen gemeinsam dieselbe Menge. Und diese Menge wird als Topik
thematisiert:
(36) [S kuruma1-wa chiisai-[no]1-ga ookii-[no]1-ni butukatta ]
no: Menge (= kuruma)
4. Zusammenfassung: Parameterisierung von Nullpronomina
Im vorliegenden Aufsatz wurden die Punkte (a) (b) (c) behandelt:
(Chomsky 1981):
Bindungsprinzip (A):
Ein anaphorisches [+a, −p]-Element muss in der lokalen Rektionsdomäne, die es
umfasst, gebunden sein.
Im Gegensatz zu Anaphora müssen Pronomina in ihren Rektionsdomänen immer frei (d. h.
nicht gebunden) sein.
Bindungsprinzip (B):
Ein pronominales [−a, +p]-Element muss in der lokalen Domäne frei sein.
12
(a) Pro-Formen im Japanischen werden in nicht-lokalen Domänen von
thematischen Elementen unterstützt.
Im Bezug auf das drop-Phänomen wurden Sprachen in zwei Gruppen klassifiziert: (i)
+AGR-Sprachen, in denen es eine morphosyntaktische Übereinstimmung zwischen
dem finiten Verb und dem Subjekt gibt, und (ii) −AGR-Sprachen, bei denen es keine
Subjekt-Verb-Kongruenz gibt. Und jede Gruppe wird noch in zwei Subklassen unterteilt: (i) +Topik-prominente und (ii) −Topik-prominente Sprachen. Eine Sprache, die
Werte [+AGR] und [−Topik-prominent] hat, wie etwa das Italienische, besitzt das
Lizenz-System eines Null-Elements mit der Verwendung des phonetisch leeren Pronomens (pro). Eine Sprache, die Werte [+AGR] und [+Topik-prominent] hat, wie
etwa das Deutsche, verwendet ein Expletiv (es) für die phonetische Lücke der NullPronomina. Die japanische Sprache ist keine +AGR-Sprache und wird deshalb von
der Forderung des EPPs, das besagt, dass ein finiter Satz unbedingt ein Subjekt haben
muss, nicht betroffen. Daraus folgt, dass diese Sprache kein Expletiv für Lücken zu
verwenden braucht, und nicht nur subjektivische, sondern auch objektivische Pronominale können einfach wegfallen, falls sie im Diskurs bereits thematisiert sind.
Japanische Nullpronomina werden (kontextuell) durch thematische Bestandteile
unterstützt. Wir sehen schließlich in (37) eine tentative Version der parametrischen
Klassifizierung der Sprachen bezüglich der Pronominalen. Sie enthält noch etliche
unklare Teile, die demnächst weiter behandelt und analysiert werden sollen.
Als nächstes wurde darüber diskutiert, dass das Morphem [no], das bei der
japanischen diskontinuierlichen Topikalisierung als ein Platzhalter fungiert, [−pronominal] und [−maximal] ist.
(b) Die Tatsache, dass das Korrelat [no] im selben Satzteil von seinem Antezedens
gebunden werden kann, macht evident, dass das nicht pronominal
([−pronominal]) ist.
(c) Der Platzhalter [no] kann durch Adjektive weiter modifiziert werden. Das heißt,
[no] ist ein Element der N’-Ebene-Kategorie (also: keine maximale Projektion).
Eine maximale Kategorie könnte nämlich keine Modifikation mehr treffen.
13
(37) Parameterisierung der Nullpronomina:
[−Null-Topik]
Englisch
[±Null-Topik]
[+AGR]
[±pro-drop]
[±pro-drop]
[±AGR]
Deutsch
Italienisch
[−AGR]
[±Null-Topik]
[±pro-drop]
[−pro-drop] Æ Expletiv
[+Null-Topik]
[−pro-drop] Æ Expletiv
[−Null-Topik]
[+pro-drop] Æ pro
Japa
[+Null-Topik]
Japanisch
Chinesisch [+pro-drop] = Thema-drop
???
[−Null-Topik]
[−pro-drop]
Literaturverzeichnis
CHOMSKY, N. (1981):_Lectures on Government and Binding, Dordrecht: Foris.
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