Wie lehre ich sicheres Rechnen? Rechenschwierigkeiten vermeiden durch neuartiges Unterrichtsverfahren: integrativ-strukturelle Methode Zahlen-Struktur-Körper® Dr. Günther Heil Vortrag, gehalten am 18. Mai 2011 Universität Leipzig Gliederung: 1. Problematisierung – Intention 2. Anforderungen an eine gute Rechenkompetenz 3. Neurobiologische und psychologische Aussagen 4. Unterrichtspraktische Umsetzung Gibt es sicheres Rechnen im Bereich der Grundrechenarten? Es gibt: Ja Rechenwege, Rechenmethoden, Rechenverfahren, die bei fachrichtiger Ausführung zu einem richtigen Rechenergebnis führen. Anforderung an die Unterrichtenden: Welche Lehr- und Lernmethoden, welche Lehr- und Lernmittel führen die/den Lernende/n zu einem umfassenden Verständnis und einem sicheren Ausführen der erforderlichen Rechenoperationen? Die vorgestellte Lehr- und Lernmethode ist mit rechenschwachen Kindern aufgrund derer geäußerten Lernbedürfnisse entwickelt worden; in der Dyskalkulietherapie seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt und der Erfolg ist evaluiert; in der Elementarbildung in ihrem frühkindlichen Ansatz mit überwältigendem Ergebnis evaluiert worden; in der Primarbildung (Grundschule) erfolgreich eingesetzt (Evaluierungsphase). 2. Anforderungen an eine gute Rechenkompetenz Untersuchung zur Entwicklung von Rechenkompetenzen bei Grundschülern (Rathgeb-Schnierer 2010) Zusammenfassung der Anforderungen: 2.1 Stellenwertsystem 2.2 Analogiewissen: - Zahlenraumaufbau Analog-strukturelles Zahlenrechnen 2.3 Zahlzerlegung 2.4 Auswendigwissen: - Denksequenzen, z. B. Zehnerübergang Reihenfolge der Rechenschritte Einmaleins 2.5 Kopfrechnen – Zahlenrechnen 2.6 Rundungsregel 2.7 Schätzkompetenz 2.1 Stellenwertsystem Sicheres Verständnis des Stellenwertsystems notwendig für • Aufbau des Zahlenraumes • große Zahlen und Zahlvorstellungen • Schätzen und Überschlagen • analog-strukturelles Zahlenrechnen • Entwicklung effektiver Rechenstrategien (statt z. B. zählendes Rechnen) • schriftliches Rechnen 2.1 Stellenwertsystem Strukturen des dezimalen Stellenwertsystems für Anfangsunterricht: Ziffern: 0 bis 9 Stellenwertpositionen: Einer, Zehner, Hunderter usw. Einerzahlen: Zehnerzahlen: 0 bis 9 10 bis 99 2.1 Stellenwertsystem Einerzahlen 0 1 2 3 4 5 Hälfte 6 7 Hälfte Rundungsregel 8 9 2.2 Analogiewissen Zahlaufbau Gleiche Einerreihe in jedem Zehnerraum 3 0 3 1 3 2 3 3 3 4 3 5 3 6 3 7 3 8 3 9 2 0 2 1 2 2 2 3 2 4 2 5 2 6 2 7 2 8 2 9 1 0 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 2.1 Stellenwertsystem „Dezimal“system in Mengendarstellung Kraft der 5 1. Hälfte 1 2 3 4 5 6 2. Hälfte 7 8 9 10 2.1 Stellenwertsystem „Ein Zehnerstab … wird umgetauscht in 10 Einerwürfel… Dieser Vorgang ermöglicht es, Elemente von der nächst kleineren Einheit wegzunehmen …“ (Scherer/Moser Opitz 2010, 132, Hervorh. Referent) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 nächst kleinere Einheit: „Einer“ „Zehner“stab Gegenüberstellung Dezimales Mengensystem: „Einer“ 1 0 1 Hälfte 2 3 4 2 Hälfte 3 4 5 5 6 6 Hälfte 7 8 9 10 7 8 9 Hälfte Dezimales Stellenwertsystem: „Einer“ 2.1 Vermittlung Stellenwertsystem vorwiegend über Menge Irritationen für ? Risiken Verunsicherungen den Schüler ! 2.1 Stellenwertsystem Weg des Erlernens des Rechnens über Stellenwertsystem ist langfristig erfolgreich und nachhaltig. (vgl. Scherer 2010) Konsequenz zum Vermitteln des Stellenwertsystems: Lernmittel Menge: hilfreich, aber Risiken anderes sicheres Lernmittel (dazu) nötig 2.1 Stellenwertsystem Lernmittel zur Vermittlung der dezimalen Strukturen des Stellenwertsystems: Zahlen-Struktur-Körper® 2.1 Stellenwertsystem Stellenpositionen: Einer Zehner Hunderter Tausender Zahlen-Struktur-Körper® Stellenposition Zehner ( = Z) Stellenkörper Stellenwert 3 Zehner Stellenwert-Körper Ziffernwert 30 Welche Zahl ist das? Wie sind Sie vorgegangen? 3. Konsequenzen für den Unterricht Rechnen Sie bitte im Kopf: 92 – 36 • Der Mensch denkt zum Rechnen in mit Ziffern notierten Zahlen, nicht in Mengen. • Der Schüler braucht ein Lernmittel, das ihm das • rechnerische Denken in Zahlen zeigt. • So versteht er leichter jeden Denkschritt und • kann ihn lernend nachvollziehen. 3.1 Aussagen zum Mathematikdidaktik: Neurobiologie • Bei räumlicher Verarbeitung von Zahlen • zeigen rechenschwache Kinder geringere neuronale Netzwerke Gehirnaktivität (v. Aster/Kucian 2005) 3.1 Aussagen zur Mathematikdidaktik: Neurobiologie Innerer, mentaler Zahlenstrahl wichtig zur: • Zahlvorstellung Schweiter u.a. (2005), Göbel (2007) • Größeneinschätzung einer Zahl Lonnemann (2008), Knops, Andrè u.a. (2009) 3.1 Aussagen zur Mathematikdidaktik : Entwicklungspsychologie Entwicklungspsychologische Untersuchungen: (vgl. Resnick 1979, Dehaene 1999, Wember 2003) Für Zahlverständnis und zum Zahlenrechnen ist Lernen über Zahlenstrahl – kindgemäßer, leichter und verständlicher – didaktisch viel versprechender als Lernen mit Mengen. 3.2 Aussagen zum mathematikmethodischen Vorgehen Konsequenz zum Rechnen : • Zahlbegriff, Zahlenraumverständnis • Grundrechenarten Mathematische Basis und methodisches Ziel: dezimales Stellenwertsystem Lernbeginn: ordinaler Zahlenstrahl Erweiterung: Mengen Kardinaler Zahlbegriff (Mächtigkeit) Drei Dimensionen des Zahlbegriffs Struktureller Zahlbegriff (Struktur des Stellenwertsystems) Ordinaler Zahlbegriff (Zahlenreihe) 3.2 Schulisches Lernen: Zahlbegriff Ordinaler Zahlbegriff (= Zahlenreihe) Position der Zahl in Zahlenreihe Aufbau der Zahlenreihe nach Stellenwertsystem Zahl Null als Bezugspunkt größere bzw. kleinere Zahlen (Entfernung von Null) Nachbarzahlen (Nebenpositionen in Zahlenreihe) Vorgängerzahl (1 Position näher zur Zahl Null) Nachfolgerzahl (1 Position weiter zur Zahl Null) Relationalzahl (Zählschritte zeigen Abstand zwischen 2 Zahlen) 4.1 Methodische Umsetzung: Ordinaler Zahlbegriff 4.1 Methodische Umsetzung: Ordinaler Zahlbegriff: größer - kleiner Zahl 0 als entscheidende Bezugsgröße größere Zahl: weiter von Null entfernt 0 1 2 3 kleinere Zahl: näher bei 0. 4 5 6 7 8 9 3.3 Methodische Umsetzung: Ordinaler Zahlbegriff Nachbarzahlen 4.1 Methodische Umsetzung: Ordinaler Zahlbegriff Relationalzahl durch Zählschritte: Zwischen 2 und 5 sind 3 Zählschritte 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Zwischen 5 und 2 sind ebenso 3 Zählschritte 9 3.2 Schulisches Lernen: Zahlbegriff Kardinaler Zahlbegriff (= Mengen) Anzahlen erfassen, bündeln größere bzw. kleinere Zahlen (mehr bzw. weniger Elemente) Nachbarzahlen (Unterschied 1 Element) Vorgängerzahl (1 Element weniger) Nachfolgerzahl (1 Element mehr) Relationalzahl (Unterschied zweier Mengen) 4.1 Kardinaler Zahlbegriff Mengen und Zahlenreihe Integrativ-struktureller Ansatz Die „EinerZu Zahlen nach dem Häuser“ nach „Zehner-Turm“ gehören dem „Zehner- seine Mengen. Turm“ gehören zu ihm. 5 6 7 8 9 4 Mengengarten 3 2 1 „Land der Zahlenzwerge“® 0 1 Einer-Haus Zahlenseil 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 3.2 Schulisches Lernen: Zahlbegriff Struktureller Zahlbegriff (= Strukturen des dezimalen Stellenwertsystems) Stellenposition(en) Ziffer(n) und ihre Wert(e) 4.1 Methodische Umsetzung: Struktureller Zahlbegriff Problemlösung: Nullen auf Stellenpositionen zeigen 4.2 Unterrichtliche Umsetzung: Zahlzerlegung Der Zerlegesack Zahlentriple: 5–2–3 4.3 Ordinales Rechnen Minus-Rechnen: Zählschritte zur Zahl 0 5 – 3 0 1 2 3 4 =2 5 6 7 8 Minus-Rechnen ohne Angst 9 4.3 Ordinales Rechnen Plus-Rechnen: Zählschritte weg von der Zahl 0 3 + 4 =7 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 4.3 Rechnen mit Mengen (kardinal) Plus-Rechnen mit dem Zerlegesack 2 4 2 4 6 = 6 2+4 4.3 Minus-Rechnen mit Mengen (kardinal) Minusrechnen aus dem Zerlegen 5 – 3 3 =2 2 5 4.3 Aktiv-entdeckendes Rechnen 2 4 6 Überlege dir selbst die 4 Rechnungen! 4.4 Rechnen beim Zehner-Übergang Zehnerübergang Erlernen bei der Zahl 10: Sicherheit geben durch Rechenverfahren, mit gleichen Denkschritten bei Über- wie Unterschreitung Zehnerübergang Dreischritt mit Zerlegen z. B. 12 – 5 = 1. Denkschritt: 12 – 2 = 10 2. Denkschritt: 5 zerlegen in 2 und 3 3. Denkschritt: 10 – 3 = 7 4.4 Rechnen beim Zehner-Übergang Übergang über 10 Rechenaufgabe: 13 - 7 Wichtige Vorüberlegungen: a) Kann 3 – 7 gerechnet werden? b) Mathematisch-strukturelle Bedeutung: Wechsel von einer Einerreihe in die andere Einerreihe 4.4 Rechnen beim Zehner-Übergang (methodische ordinal-strukturelle Veranschaulichung) – 7 bedeutet: Auf dem Zahlenstrahl in Zählschritten zur Null. 1. Denkschritt: 13 – 3 = 10 4.4 Rechnen beim Zehner-Übergang 2. Denkschritt: 7 werden zerlegt in 3 und 4. 4.4 Ordinales Rechnen beim Zehner-Übergang 3. Denkschritt: 10 – 4 = 6. 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Zehnerübergang • Vermittlung des Denkablaufs durch Bewegen der ZahlenStruktur-Körper® an Vorlage(feinmotorisches Lernen) • Feinmotorisches Bewegungsmuster lenkt und schult Denkmuster • Sicheres Wissen der Denkschritte a) + b) 0 c) 4.5 Rechnen mit großen Zahlen 1. Mangelndes oder fehlendes Verständnis für das Stellenwertsystem, verhindert erfolgreiches Rechnen mit großen Zahlen. (Scherer/Moser Opitz 2010) 2. Rechnen lernen über das Stellenwertsystem ist langfristig erfolgreicher und nachhaltiger. (Scherer 2010) 4.5 Strukturelles Rechnen mit Zahlen-Struktur-Körpern® Es ist bei großen Zahlen nur nötig: •Minus und Plus von 0 bis 10. •Zerlegen bei Zahlen 2 bis 9 •Stellenübergang (exemplarisch erlernt und automatisiert bei 10) •Dezimale Stellenwertstruktur bei Ziffern berücksichtigen zum Erhalt des Ziffernwertes. 4.5 Strukturelles Rechnen im Stellenwertsystem Leichtes Verständnis und erhebliche Sicherheit • durch strukturell-analoges Rechnen • im Stellenwertsystem • erlernt mit Zahlen-Struktur-Körpern® 4.5 Strukturell-analoges Rechnen Blick auf gleiche Rechenanforderung lenken 3+4 =7 4 3 + 4 53 + 4 = = 7 3 57 4 5 3 + 4 = 5 73 4.5 Strukturell-analoges Rechnen beim Zehnerübergang 4.5 Zahlenrechnen Rechnen erlernen mit Zahlen-Struktur-Körpern® schult das Kopfrechnen. 4.5 Rechnen mit großen Zahlen Rechnen mit großen Zahlen erlernen: Bewegen der Zahlen-Struktur-Körper® entlang eines Ablaufdiagramms zeigt Reihenfolge der Rechenschritte. 4.6 Multiplikation Grundsätzliches Verständnis des Einmaleins als Addition. Dann: • Sicheres, rasches Wissen der EinmaleinsErgebnisse • Ableiten, Nachbaraufgaben birgt Fehlerrisiko für Einmaleins-Ergebnisse 4.6 Multiplikation • Einprägen des Ergebnisses als Zahlkörperbild. 4.6 Division erforderlich: Beherrschung der Multiplikation vermitteln: Division ist die Umkehrrechnung der Multiplikation Lernmittel: Zerlegesack 4.6 Division 2 3 2 3 Zahlentriple 6 – 2 – 3 6 23=6 32=6 6 6:2=3 6:3=2 4.7 Schriftliches Rechnen An Stelldiagrammen erfährt der/die Lernende bei schriftlicher Multiplikation und Division die einzelnen Denkabläufe des Rechnens durch Bewegen der Zahlen-Struktur-Körper®. Schriftliche Multiplikation 4.8 Bruchrechnen Durch handelnden Einsatz der Zahlen-Struktur-Körper® eignet sich der/die Lernende die Strukturen des Denkens beim Bruchrechnen an. 4.8 Bruchrechnen „Gleichnamige“ Nenner gezeigt als gleiche Körper und gleiche Farben. 1 3 5 6 2 3 6 4.8 Bruchrechnen: Multiplikation Durch Bewegen der Zahlen-Struktur-Körper® sicheres Denken aneignen 6 6 5 5 8 8 4.8 Bruchrechnen: Division Division ist Multiplikation mit Kehrbruch 2 5 2 6 9 6 9 5 4.9 Schätzrechnen: plus 3 2 5 5 4 3 0 0 5 0 0 1 4.9 Schätzrechnen: mal 2 4 1 1 4 0 2 0 800 Konsequenz Zum Aufbau fundierter und sicherer Kompetenzen bei Grundrechenoperationen: Vermittlungsweg über Stellenwertsystem Konsequenz Lernmittel muss Strukturen des Stellenwertsystems sicher und eindeutig zeigen Zahlen-Struktur-Körper® Danke!