Der Blick ins Herz OA Dr. med. Manfred Vogt, Leiter des Ultraschall-Labors, Deutsches Herzzentrum München Neben der Vorgeschichte und der klinischen Untersuchung bildet die Echokardiographie die Hauptsäule der schonenden Diagnostik angeborener Herzfehler. Sie ist neben der Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) die einzige Methode, bei der das schlagende Herz in seiner Struktur und Funktion „online“ d.h. in Echtzeit zu jedem beliebigen Zeitpunkt und beliebig oft beurteilt werden kann. die Strecke zum Herzen wird größer und die Kontaktfläche zur Brustwand kleiner. Damit verschlechtert sich das Schallfenster. Im Erwachsenenalter sind deshalb häufig nicht alle Anteile des Herzens echokardiographisch darstellbar. Was kann Ultraschall? Das Ultraschallverfahren beruht auf dem Dopplerprinzip, d.h. der Aussendung von Schallwellen und deren Reflexion.. Der Ultraschall durchdringt die Haut und die einzelnen Gewebe, Muskeln, Fett, Blut etc. werfen unterschiedliche Echos zurück. Diese Echosignale werden vom Schallkopf aufgenommen und im Ultraschallgerät zu Bildern verarbeitet. Da es sich um Schallwellen handelt – und nicht etwa um Röntgenstrahlen – sind weder für das „beschallte“ Organ noch für den Gesamtorganismus schädliche Nebenwirkungen zu erwarten oder bekannt. Diese Tatsache hat zu der weiten Verbreitung der Ultraschalluntersuchungen geführt. Sowohl das ungeborene Kind im Mutterleib als auch der Greis im hohen Alter können gefahrlos mit Ultraschall untersucht werden. Ultraschalluntersuchungen beim Neugeborenen zeichnen sich meist durch eine sehr hohe Abbildungsqualität aus: Die Strecke bis zum Herzen ist sehr kurz; vor dem Herzen liegt der Thymus (Wachstumsdrüse), dessen Gewebe als ideale Schallleitung zum Herzen dient. Mit zunehmendem Alter bildet sich der Thymus jedoch zurück, Die Ultraschalluntersuchung am Herzen kann folgende Fragen beantworten: 1 Ist das Herz in seiner Struktur ■ normal angelegt? Dann hat es zwei Vorkammern, zwei Hauptkammern, zwei Schlagadern. 2 Gibt es zwei getrennte Kreisläufe? Einen „klei■ nen“ Kreislauf, in dem das verbrauchte Blut aus dem Körper über die Venen zur rechten Vorkammer fließt und von dort in die rechte Hauptpumpkammer und weiter in die Lungenschlagader (Lungenkreislauf) und einen großen Kreislauf, in dem das sauerstoffreiche Blut aus der Lunge in die linke Vorkammer und von dort in die linke Hauptkammer fließt und weiter in die Körperschlagader (Körperkreislauf). 3 Sind die beiden Kreisläufe getrennt oder gibt es ■ eine Durchmischung im Bereich der Vorkammern durch ein Loch in der Vorkammerscheidewand (ASD), im Bereich der Hauptkammern durch einen Kammerscheidewanddefekt (VSD) oder im Bereich der Schlagadern durch eine Gefäßverbindung (Ductus Botalli) oder einen Defekt zwischen den Gefäßen (Aortopulmonales Fenster)? 4 Ist die Verbindung der einzelnen Herzabschnitte ■ regelrecht? Das heißt: Fließen die Körpervenen in die rechte Vorkammer, von dort in die rechte Hauptkammer von dort in die Lungenschlagader? Fließt das Blut aus beiden Lungen in die linke Vorkammer von dort in die linke Hauptkammer und von dort in die Körperschlagader? war zu hören. Im Röntgenbild war das Herz, vor allem auch die linke Vorkammer vergrößert, die Durchblutung beider Lungen war seitengleich und vermehrt. Bei der Ultraschalluntersuchung war ein ein Zentimeter großes Loch in der Kammerscheidewand zu sehen, das durch ein Segel der Körperschlagader teilweise überdeckt wurde. Das Loch ragte dabei unmittelbar bis an die Klappe heran. Die Körperschlagaderklappe selbst war in geringem Maße undicht. Aufgrund der Mitbeteiligung der Körperschlagaderklappe (AortenklapLinks: Großer Vorkammerscheidewanddefekt (ASD) abgebildet im Ultraschall durch die Brust (transthorakal – TTE): beide Herzkammern (RV- rechte Kammer, LV – linke Kammer) und beide Vorkammern (RA – rechte Vorkammer, LA – linke Vorkammer) sind gut dargestellt. Während im Bereich der Kammern die Herzscheidewand durchgängig ist, fehlt die Scheidewand im Bereich der Vorkammern (weiße Linie) zum großen Teil. Die Herzstrukturen – Muskulatur, Klappen, Scheidewände – erscheinen weiß im Bild, Flüssigkeit – in diesem Fall Blut – hingegen schwarz. Wichtigste Voraussetzung für eine qualitativ gute Echokardiographie ist ein zufriedener Patient in einer ruhigen, stressfreien Umgebung – und da darf der Zauberrabe natürlich nicht fehlen. Was ist Ultraschall? 2 5 Ist die Funktion der Herzklappen, die als Ven■ tile dienen, normal? Sind die Segelklappen zwischen den beiden Vor- und Hauptkammern dicht? Kann das Blut über die Taschenklappen ungehindert vom Herzen in die Schlagadern abfließen oder gibt es Engstellen oder Undichtigkeiten? Rechts: Vorkammerscheidewand-Defekt (ASD) abgebildet mittels Schluckecho von der Speiseröhre aus (Transösophageales Echo TEE): Die Scheidewand zwischen den Vorkammern ist unverändert als weiße Linie abgebildet. Durch den Defekt fließt Blut – in diesem Fall blau kodiert. Dies bedeutet in Wirklichkeit, dass das Blut von oben nach unten auf dem Bild, von der linken Vorkammer in die rechte fließt. Dieser Defekt konnte erfolgreich mittels eines durch einen Herzkatheter eingebrachten Schirm ohne Operation verschlossen werden. Was ist wichtig für eine gute Ultraschalluntersuchung? Ein Beispiel: Bei Johannes wurde im Alter von einem Monat ein Herzgeräusch festgestellt und umgehend die Diagnose eines Loches in der Kammerscheidewand (Ventrikelseptumdefekt) gesichert. In der Folgezeit hat sich Johannes bis auf gelegentliches Schwitzen beim Trinken und ein etwas geringes Gewicht normal entwickelt. Bei ambulanten Kontrollen zeigte sich, dass in zunehmenden Maße auch die Klappe der Körperschlagader undicht wurde, so dass er im Alter von zehn Monaten im Deutschen Herzzentrum München vorgestellt wurde. Bei der klinischen Untersuchung war Johannes freundlich zugewandt, ein lautes Herzgeräusch pe) und des vermehrten Flusses durch die Lunge (Schwitzen, schlechte Gewichtsentwicklung) musste der Herzfehler bald operiert werden. Im Ultraschall konnte gezeigt werden, dass der Druck in der rechten Herzkammer und in der Lungenschlagader normal war. Damit war keine Herzkatheteruntersuchung notwendig. Drei Tage später wurden die Befunde mit den Kinderherzchirurgen besprochen und das Video der Ultraschalluntersuchung gezeigt. Bereits sechs Tage später wurde Johannes operiert, das Loch mit einem „Flicken“ (Patch) verschlossen und die 3 Klappe plastisch verbessert. Schon zehn Tage nach der Operation konnte Johannes zusammen mit seiner Mutter, die die ganze Zeit über bei ihm bleiben konnte, wieder nach Hause entlassen werden. Wichtigste Voraussetzung für eine gute Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiographie) ist ein zufriedenes, ruhiges Kind in einer ruhigen Umgebung. Um dies zu erreichen, ist es sinnvoll Säuglinge etwa nach dem Füttern und nach oder besser im Schlaf zu untersuchen. Bei starker Abwehr hilft es, frühzeitig die Untersuchung abzubrechen und ein Mittel zur Beruhigung zu verabreichen. Welche verschiedenen Ultraschalltechniken gibt es? Normalerweise wird der Ultraschall des Herzens durch die Brustwand hindurch (transthorakal) durchgeführt. Der Untersucher macht sich ein zweidimensionales Bild aus verschiedenen Bildebenen: ■ parasternal – neben dem Brustbein, ■ apical – von der Herzspitze aus, ■ subcostal – vom Oberbauch aus zum Herzen hin ■ und von suprasternal – vom Hals aus. Daraus entwickelt am Ende der Untersuchung der Untersucher ein gleichsam dreidimensionales Bild des Herzens. Im Erwachsenenalter und für spezielle Fragestellungen ist die Untersuchung durch die Brust – transthorakal – nicht ausreichend genug zur Einschätzung des Herzfehlers. Dann kann ein „Schluckecho“ durch die Speiseröhre mehr Informationen liefern (transösophagealer Ultraschall – TEE). Durch enorme technische Verbesserungen ist es mit Hilfe von sehr dünnen (6–7 mm) Sonden möglich, auch Säuglinge ab einem Gewicht von ca. 2,5 kg mit dieser Technik zu untersuchen. Bis zum Alter von etwa 15 Jahren ist dafür eine Vollnarkose notwendig, im Jugend- und Erwachsenenalter ist die TEE unter lokaler Betäubung der Rachenhinterwand möglich. Es wird eine Sonde, an deren Spitze sich ein winziger Ultraschallkopf befindet, über die Speiseröhre bis hinter das Herz vorgeschoben und 4 Schallkopf zu. Blaue Farbe bedeutet nicht sauerstoffarmes Blut, sondern Blutfluss vom Schallkopf weg. Damit sind Löcher im Bereich der Scheidewände oder Undichtigkeiten der Klappen gut erfassbar und auch quantifizierbar. die Venen, die ins Herz münden, beide Vorkammern und die dazwischenliegende Scheidewand, beide Hauptkammern mit der Kammerscheidewand, die Segelklappen zwischen den Vor- und Hauptkammern und die Taschenklappen zwischen den Kammern und den Schlagadern. Das M-Mode Verfahren dient zur eindimensionalen, standardisierten Messung der einzelnen Herzabschnitte und zur Bestimmung der Funktion der Herzkammern. Normales Herz in 2-d Darstellung: Die Mitralklappe zwischen der linken Vorkammer (LA) und der linken Hauptkammer (LV) ist weit offen, das Blut strömt in das erschlaffte Herz. Gleichzeitig ist die Aortenklappe (Ao) geschlossen, weil die Kammer erneut mit Blut gefüllt werden muss. von dort Ultraschallbilder abgeleitet. Vor allem die Strukturen der Vorkammern und der Segelklappen stellen sich in hervorragender Qualität dar. Die TEE ermöglicht auch die kombinierte Untersuchung und zugleich Behandlung im Herzkatheterlabor ebenso wie im Operationssaal. So werden Löcher im Bereich der Vorkammern im Herzkatheter mittels Durchleuchtung und Ultraschall durch Schirmchen verschlossen. Von unschätzbarem Wert ist der Ultraschall von der Speiseröhre aus besonders bei der Operation. Direkt nachdem die HerzLungen-Maschine abgekoppelt ist, kann die Funktion des Herzens beurteilt und der Erfolg der Operation überprüft werden. Verbleibende Defekte können dann unmittelbar im OP noch nachkorrigiert werden. Was beinhaltet eine normale Echountersuchung? Die normale Ultraschalluntersuchung des Herzens umfasst die zweidimensionale Untersuchung, das M-Mode- und das Dopplerverfahren. Im zweidimensionalen Ultraschall sind im SchwarzWeiß-Bild die Strukturen des Herzens sichtbar: Wann soll Ultraschall und wie oft gemacht werden? Ist im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen oder später ein Herzgeräusch zu hören, sollte neben der detaillierten körperlichen Untersuchung durch einen ausgebildeten Kinderkardiologen auch eine Echokardiographie durchgeführt und ein EKG abgeleitet werden. Stellt sich heraus, dass das Herz in seiner Struktur und Funktion normal ist, sind keine weiteren Echokontrollen angezeigt. Wird ein Herzfehler nachgewiesen, bestimmt der behandelnde Kinderkardiologe wann und wie häufig Kontrollen notwendig sind. Wann Ultraschall – wann Herzkatheter? Farbdopplerechokardiographie einer undichten Mitralklappe: Die Klappe zwischen linker Vor- und Hauptkammer (LA und LV) ist geschlossen, das Herz mit Blut gefüllt. Durch eine Undichtigkeit der Klappe kommt es zum Rückfluss von Blut in die linke Vorkammer – in der Farbe blau kodiert. Mit Hilfe des Dopplerverfahrens können die Blutflussgeschwindigkeiten am Herzen gemessen werden. Diese Blutflussgeschwindigkeit kann sowohl akustisch, als auch optisch erfasst werden. Das Verfahren eignet sich zur Beurteilung des Schweregrades verengter Taschenklappen und abnormer Blutflüsse im Herzen. Die Farbdopplerechokardiographie stellt die Blutflussrichtung und –geschwindigkeit in Farbe (rotblau-Kodierung) dar. Rote Farbe bedeutet nicht sauerstoffreiches Blut, sondern Blutfluss auf den Ultraschall und Herzkatheter sind ergänzende Verfahren, mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Der Vorteil des Ultraschalls liegt in der direkten Darstellung der Strukturen am und im Herzen – eine direkte Messung von Druck- oder Flusswerten am und im Herzen ist nicht möglich. Bei einer Reihe von Herzfehlern sind aber mit dem Ultraschall alle wichtigen Aussagen über einen Herzfehler möglich, so dass auf eine Katheteruntersuchung vor einer notwendigen Operation verzichtet werden kann. Folgende Herzfehler werden bei guter Ultraschalldarstellung ohne Herzkatheter zur Operation akzeptiert: ■ Kammerscheidewanddefekt (bis einschließlich 6. Lebensmonat) ■ Vorkammerscheidewanddefekt (Primumund Secundum-Typ, Ausnahme Katheterverschluss) ■ Kompletter Atrioventrikularseptumdefekt ■ Persistierender Ductus Arteriosus (Ausnahme Katheterverschluss) ■ Pathologie der Segelklappen (Ebstein Anomalie) ■ Einfache Transposition der großen Gefäße 5 Ultraschall vor der Geburt 3-D-Echokardiographie Zusammenfassung Der frühestmögliche Zeitpunkt zur Beurteilung des kindlichen Herzens ist bereits praenatal im Mutterleib. Ab der 16. Schwangerschaftswoche sind Aussagen über Struktur und Funktion des schlagenden Herzens möglich. Diese Form der Echokardiographie erfordert in noch höherem Maße als nach Geburt eine Spezialisierung des Untersuchers. Mit Hilfe von leistungsstarken Computern lassen sich digitale zweidimensionale Echodatensätze auch zu dreidimensionalen Bildern zusammensetzen und rekonstruieren. Aufgrund der hohen apparativen Voraussetzungen ist dieses Verfahren bisher nur für spezielle Forschungsvorhaben im Gebrauch und für die klinische Routine nicht im Einsatz. Probleme stellen sowohl die schichtweise Ableitung der Bilder, als auch deren Verarbeitung zu 3D-Datensätzen dar. An der Entwicklung von schnellen Rekonstruktionsverfahren – am besten in Echtzeit – wird weiter gearbeitet. Bisher haben aber andere 3-D-Verfahren wie Computertomographie und Kernspintomographie sowohl in der Datenerhebung, als auch in der Datenverarbeitung deutliche Vorteile. Jedes Kind mit Verdacht auf eine Herzerkrankung sollte zumindest einmal in seinem Leben mittels Ultraschall untersucht werden. Ultraschall kann beliebig oft angewandt werden ohne schädliche Nebenwirkungen. Einige Herzfehler werden in kinderkardiologischen Zentren nur aufgrund von Ultraschalldiagnostik zur Operation angenommen. In vielen Fällen sind Herzkatheter und Ultraschall einander ergänzende Verfahren. Die Qualität der Ultraschalluntersuchung hängt entscheidend vom Können des Untersuchers und von der technischen Ausstattung des Gerätes ab. Oben: Der Befund einer Pulmonalatresie (retrograde Perfusion der PA über den Ductus). Rechts: Ein 4-Kammerblick in der 23. Schwangerschaftswoche mit dem Befund einer kongenital korrigierten TGA (RA = rechter Vorhof, LA = linker Vorhof, RV = rechter Ventrikel, LV = linker Ventrikel). Empfehlenswert ist eine Untersuchung des Ungeborenen: ■ wenn in der Familie bereits ein herzkrankes Kind ist, ■ bei mütterlichem Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), Kollagenosen (Lupus erythematodes), ■ wenn eine Missbildung außerhalb des Herzens vorliegt, ■ bei Rhythmusstörung des Herzens, ■ bei Chromosomenanomalie (Down Syndrom etc.), ■ bei abnormem Wachstum des Kindes im Mutterleib, ■ bei abnormer Wasseransammlung im ungeborenen Kind. Eine fachübergreifende Beurteilung des individuellen Patienten ist nur in engster Zusammenarbeit zwischen Gynäkologen und spezialisierten Kinderkardiologen möglich. 6 Intravaskulärer Ultraschall Ein in der Erwachsenenkardiologie häufig geübtes Verfahren ist der Ultraschall in kleinen Gefäßen – intravaskulär. Er findet dort Anwendung in der Beurteilung von Herzkranzgefäßveränderungen und kann eine wertvolle Information bei der Diagnose von Wandauflagerungen – verkalkt oder nicht verkalkt – geben. Außerdem lässt sich das Ausmaß der Schädigung und der Durchmesser der noch vorhandenen Restöffnung gut einschätzen. Zusammen mit der Kathetertechnik der Koronarangiographie bei akutem Herzinfarkt oder chronischen Durchblutungsstörungen des Herzens (Angina pectoris) lässt sich somit das beste Verfahren zur Behandlung auswählen: Auflösung eines Gerinnsels, Ballondehnung des Kranzgefäßes oder auch Einbringen einer Gefäßstütze in diesen Bereich (Stent). In der Kinderkardiologie findet dieses Verfahren selten Anwendung aus zwei Gründen: Zum einen sind die Herzkranzgefäße zu klein für die mittels Herzkatheter einzuführende wenige mm dicke Ultraschallsonde, zum anderen sind Herzkranzgefäßveränderungen in der Kinderkardiologie selten. Neues Konzept zur medizinischen Versorgung Jugendliche und Erwachsene mit angeborenem Herzfehler sollen zukünftig gemeinsam von Kinderkardiologen, Erwachsenenkardiologen und Herzchirurgen betreut werden. Die ärztlichen Fachgesellschaften haben anlässlich eines Expertengesprächs zum Tag des herzkranken Kindes in Berlin ein Konzept zur besseren medizinischen Versorgung dieser Patientengruppe vorgestellt. Nach Auffassung des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung, Prof. Dr. med. Martin Gottwik, wurde mit dem kürzlich erarbeiteten Stufenkonzept eine vernünftige Lösung gefunden. Es sieht vor, dass ein Großteil (ca. 60%) der etwa 120 000 Jugendlichen und Erwachsenen, die in Deutschland mit einem angeborenen Herzfehler leben, aufgrund ihres vergleichsweise einfachen Herzfehlers gut von internistischen Kardiologen betreut werden können. „Die Kranken mit komplizierten Herzfehlern weisen jedoch Probleme auf, die nur mit detaillierten Spezialkenntnissen zu lösen sind“, sagte Gottwik. Ziel sei es, diese Patienten mit komplizierten Fehlbildungen an wenigen Kompetenzzentren über lange Zeit von konstanten Ansprechpartnern betreuen zu lassen. Hierfür sei eine enge fachübergreifende Zusammenarbeit von Kinderkardiologen, Erwachsenenkardiologen und Herzchirurgen erforderlich. Auf diese Weise könne die dritte Stufe des Betreuungskonzeptes, die Weiterbildung der Erwachsenenkardiologen in der Therapie angeborener Herzfehler, greifen und langfristig eine flächendeckende Versorgung der Patienten sichergestellt werden. Hierzu bedürfe es allerdings spezieller, möglichst unbürokratischer Absprachen mit Krankenkassen, Ärztekammern und kassenärztlichen Vereinigungen. Ungeklärt bleibt die soziale Absicherung der herzkranken Jugendlichen und Erwachsenen: das betrifft die Berufsausbildung aber auch die Kranken- und Lebensversicherung und die Altersversorgung. Die speziell zu diesem Thema geladenen Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des zuständigen Ausschusses im Deutschen Bundestag blieben der Expertenanhörung fern. Die Deutsche Herzstiftung hat mit ande- ren führenden Elternverbänden und dem Verein Jugendliche und Erwachsene mit angeborenem Herzfehler (JEMAH e.V.) auf die unzureichende medizinische und soziale Versorgung dieser Patienten aufmerksam gemacht und gefordert, dass der Übergang in der ärztlichen Versorgung vom Kinder- zum Erwachsenenkardiologen dringend geregelt werden müsse. (ve.) 7